Landgericht Oldenburg
Beschl. v. 11.01.2012, Az.: 3 Qs 375/11
Ausreichen eines Anfangsverdachts für die Zulässigkeit einer Durchsuchung im frühen Stadium der Ermittlungen durch Stützen auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 11.01.2012
- Aktenzeichen
- 3 Qs 375/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 10335
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:2012:0111.3QS375.11.0A
Rechtsgrundlage
- § 152 Abs. 2 StPO
Verfahrensgegenstand
Untreue
Amtlicher Leitsatz
Im frühen Stadium der Ermittlungen reicht für die Zulässigkeit einer Durchsuchung ein Anfangsverdacht gemäߧ 152 Abs. 2 StPO. Dieser muss aber über bloße Vermutungen hinausreichen und auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützt werden.
In der Ermittlungssache
...
hat die 3. große Strafkammer des Landgerichts in Oldenburg am 11.01.2012 durch die unterzeichnenden Richter beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beschuldigten werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Oldenburg vom 04.08. und 01.09.2011 aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Beschuldigten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 04.08.2011 ordnete das Amtsgericht die Durchsuchung der Geschäftsräume und der Wohnung der Beschuldigten X. sowie der ihr gehörenden Sachen an, da aufgrund der Angaben des Anzeigeerstatters sich der Verdacht ergeben habe, dass die Beschuldigte ihrer als Vermietungsvermittlerin für die Wohnungen Nr. 5 und 6, YYYY. obliegenden Rechnungslegungspflicht nicht nachgekommen sei und Mieteinnahmen nicht vollständig weitergeleitet habe. Nachdem bekannt geworden war, dass die Beschuldigte zum Zeitpunkt der geplanten Durchsuchung umgezogen war, wurde mit Beschluss vom 01.09.2011 auch die Durchsuchung hinsichtlich des aktuellen Wohnortes der Beschuldigten angeordnet.
Bei der Durchsuchung vom 14.09.2011 wurden u.a. ein PC und ein Laptop sichergestellt. Die Festplatten beider Computer wurden gespiegelt und gesichert.
Gegen beide die Durchsuchung anordnenden Beschlüsse wendet sich die Beschuldigte mit ihrer Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat. Auf die Beschwerdebegründung vom 04.11.2011 wird wegen der Einzelheiten verwiesen.
Die Beschwerde ist gemäß § 304 StPO zulässig. Vorliegend ist die Durchsuchung selbst -noch nicht beendet, da eine Sichtung der gespiegelten Festplatten noch nicht erfolgt ist. Aber auch nach Durchführung der Durchsuchung bestünde ein berechtigtes Interesse an der Feststellung einer etwaigen Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 105 Rn. 15).
Auch in der Sache hat die Beschwerde Erfolg. Die Anordnung der Durchsuchung war nicht zulässig. Zwar reicht im frühen Stadium der Ermittlungen für die Zulässigkeit einer Durchsuchung ein Anfangsverdacht gemäß § 152 Abs. 2 StPO. Dieser muss aber über bloße Vermutungen hinausreichen und auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützt werden.
Konkrete Anhaltspunkte für einen Tatverdacht sind den Strafanzeigen vom 16.06. und 11.07.2011, auf welche sich die Anordnung ausschließlich stützt, jedoch nicht zu entnehmen.
Dass die Beschuldigte vereinnahmte Mieteinnahmen vorsätzlich nicht weitergeleitet hätte, wird in den Strafanzeigen weder behauptet, noch durch Indizien belegt. Hinsichtlich der Wohnung Nr. 3, welche in den Durchsuchungsanordnungen nicht einmal genannt ist, soll der Anzeigeerstatter "zufällig Kenntnis darüber" erlangt haben, dass diese Wohnung ab dem 09.10.2009 vermietet worden sei, ohne dass hierüber die Eigentümerin oder deren Geschäftsführerin unterrichtet worden sei. Abgesehen davon, dass der Verteidiger mit seiner Beschwerdebegründung den Ausdruck einer E-Mail vorlegt, die im Anhang eine entsprechende Beleginformation enthält und welche auch im vorangegangenen Zivilverfahren vorgelegen hat, lässt dieser offenbar einmalige Vorgang während einer Vermietungszeit von mehr als vier Jahren nicht den Schluss zu, die Beschuldigte hätte für diesen Zeitraum die vereinnahmten Mieteinnahmen behalten. Denn dies behauptet der Anzeigeerstatter gerade nicht. Auch aus dem Umstand, dass einmalig eine Zahlung ohne Abrechnung erfolgt sei, lässt sich ein konkreter Tatverdacht nicht stützen. Der Anzeigeerstatter selbst benennt diese Umstände lediglich als "Ungereimtheiten".
Ein konkreter Tatverdacht lässt sich auch nicht aus dem Verhalten der Beschuldigten in den Zivilverfahren ersehen. Die Beschuldigte hat dort die Auskunftserteilung hinsichtlich der von ihr abgeschlossenen Vermietungen verweigert, nachdem sie über Jahre - von den Anzeigeerstattern unbeanstandet - die Abrechnungen ohne. konkrete Benennung und Nachweis der Mieterdaten erstellt hat. Erstinstanzlich hat ihr das Landgericht Oldenburg Recht gegeben und die gegen sie gerichteten Klagen abgewiesen, da der Anspruch der Kläger auf Rechnungslegung durch Geheimhaltungsinteressen der Beschuldig eingeschränkt gewesen sei. Dieser sei die Offenbarung des von ihr erarbeiteten Kundenstammes unzumutbar. Erst in der Berufungsinstanz hat das Oberlandesgericht zwar zugunsten der Kläger die Beschuldigte zur Auskunftserteilung verurteilt, zugleich aber z.T. die Revision zugelassen. Die Beschuldigte hat insoweit sodann Revision eingelegt. Dass die Beschuldigte die Auskunftsverteilung verweigert, solange eine Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofes nicht vorliegt, kann schon keinen Tatverdacht begründen. Dass dies mit widersprüchlichem Vortrag geschehen sei, lässt ebenfalls nicht indiziell auf die Veruntreuung von Mieteinnahmen oder eine Betrugshandlung schließen, sondern kann ebenso gut durch die (begründete oder unbegründete) Zurückhaltung der von ihr erwirtschafteten Kundendaten motiviert sein, die die Beschuldigte den Anzeigeerstattern nach Beendigung des Vermittlungsvertrages nicht preisgeben möchte. Diese - vom Landgericht erstinstanzlich gestützte - Motivation ist auch plausibel, so dass sich der Schluss, die Beschuldigte wolle hierdurch nicht abgeführte Mieteinahmen vertuschen, auch nicht aufdrängt.
Darauf, dass die Beschuldigte - so die Anzeigeerstatter - letztlich in ihrer Abrechnung den Eigentümern der vermittelten Wohnungen Kosten berechnet hätte, für welche es vertraglich keine Grundlage gegeben hätte bzw. welche nicht belegt worden seien, lassen sich ebenfalls keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Beschuldigte vorsätzlich Beträge einbehalten hat, die ihr vertraglich nicht zugestanden haben. Der Abzug als solcher war ausweislich vom 25.11.09 (Anlage 6 u. 7) ersichtlich, mag der Anzeigeerstatter auch Zweifel an dessen Berechtigung haben; das ist eine zivilrechtlich zu klärende Frage.
Soweit die Staatsanwaltschaft auf Äußerungen der Beschuldigten abstellt, die diese nach Erlass der angefochtenen Beschlüsse getätigt hat, können diese schon keinen zum Zeitpunkt des Erlasses vorliegenden Tatverdacht begründen (4,.1Vf6yerGoßner, StPO, 54. Aufl. § 105 Rn. 15a). Im Übrigen lässt sich aus diesen Äußerungen - wie schon aus dem Verhalten der Beschuldigten während der Zivilverfahren - lediglich auf deren Willen schließen, die dortigen Kläger nicht über ihren Kundenstamm zu informieren.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.