Amtsgericht Bückeburg
Urt. v. 16.08.1977, Az.: 3 C 116/76

Verpflichtung des Grundstückseigentümers zur Erstattung der Kosten für einen erneuerten Hausanschluss gegenüber dem Wasserversorgungsunternehmen

Bibliographie

Gericht
AG Bückeburg
Datum
16.08.1977
Aktenzeichen
3 C 116/76
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1977, 11362
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGBUECK:1977:0816.3C116.76.0A

Verfahrensgegenstand

Forderung

Prozessführer

der ...

Prozessgegner

den Herrn ...

In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Bückeburg
auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 1977
durch
den Richter am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 429,13 DM plus 10 % Zinsen seit dem 15. Januar 1976 zu zahlen.

Dem Beklagten werden die Prozeßkosten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Zwischen der Klägerin ... einem als Eigenbetrieb geführten Wasserversorgungsunternehmen, und dem Beklagten als Eigentümer des Grundstücks ... in Bückeburg besteht ein Wasserlieferungsvertrag. Die Einzelheiten des Vertrages regeln die für jeden Wasserabnehmer gleichlautenden "Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Wasser aus dem Versorgungsnetz der Stadtwerke Bückeburg" (im folgenden Versorgungsbedingungen. In Ziffer IV Absatz 6 Buchstabe d) ist bestimmt: "Der Abnehmer hat den Stadtwerken ... die Kosten zu erstatten für die Unterhaltung, d.h. Instandhaltung und Instandsetzung sowie für die Erneuerung und Beseitigung der Anschlußleitung. Die Bestimmungen ... gelten auch für die Hauptabsperrvorrichtung ...". Ein durch eine Ortssatzung vorgeschriebener Anschluß- und Benutzungszwang besteht nicht.

2

Als im Frühjahr 1975 die Fahrbahn der ... Straße ausgebaut wurde, stellte sieh heraus, daß die Gasleitung nicht tief genug lag. Die Klägerin entschloß sich, eine neue Gasleitung unter die östliche Gosse der Fahrbahn zu verlegen. Während der Bauarbeiten faßte die Klägerin den Plan, in der ... auch eine neue Wasserversorgungsleitung neben der neuen Gasleitung zu verlegen und die alte, unter dem östlichen Bürgersteig liegende gußeiserne Häuptleitung - Nennweite 80 - abzuschalten. Der Teilabschnitt vor dem Grundstück des Beklagten, das an die Ostseite des östlichen Bürgersteigs angrenzt, war 18 Jahre alt. Mit Schreiben vom 28. Mai 1975, dem die Versorgungsbedingungen beilagen, wurde der Beklagte von der Klägerin von den bevorstehenden Baumaßnahmen benachrichtigt. Ihm wurde mitgeteilt, daß die Kosten für den neuen Hausanschluß, die auf 700,00 DM geschätzt wurden, ihm berechnet werden würden.

3

Im Juni 1975 wurde die neue Wasserversorgungsleitung (aus PVC) - Nennweite 150 - verlegt. Vor dem Grundstück des Beklagten wurden ein neues Hausanschlußventil installiert und die Anschlußleitung bis zur Grundstücksgrenze erneuert. Um das neue Hausanschlußventil mit der Anschlußleitung verbinden zu können, wurde der im Jahre 1974 angelegte, mit Verbundstein gepflasterte Bürgersteig aufgegraben. An der erneuerten Hauptleitung liegt, wie vorher an der alten Wasserversorgungsleitung, ein Feuerlöschhydrant.

4

Für die Erneuerung des Hausanschlußventils und der Anschlußleitung stellte die Klägerin dem Beklagten am 25. September 1.975.429,13 DM in Rechnung. Nachdem der Beklagte durch Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 14. Januar 1976 die Bezahlung der Rechnung ablehnte, macht die Klägerin den Rechnungsbetrag plus Zinsen nunmehr mit der Klage geltend.

5

Sie ist der Ansicht, zur Erneuerung der Wasserversorgungsleitung in der ...-Straße berechtigt gewesen zu sein. Die alte Hauptleitung sei durch Außenkorrosion angegriffen gewesen, im Innern hätten sich Ablagerungen gebildet, die bereits zum Druckabfall geführt hätten. Eine Erneuerung der Leitung in wenigen Jahren wäre unumgänglich gewesen. Wirtschaftlich sinnvoll sei es jedoch gewesen, die Leitung im Zuge des Straßenausbaus zu erneuern und nicht den Zeitpunkt einer notwendigen Erneuerung abzuwarten. Eine spätere Erneuerung würde erheblichhöhere Kosten verursacht haben.

6

Die Zinsforderung stützt die Klägerin auf die laufende Inanspruchnahme von Bankkredit zum Zinssatz von 10 %, den sie infolge der ausgebliebenen Zahlung seitens des Beklagten nicht habe verringern können.

7

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 429,13 DM plus 10 % Zinsen seit dem 15. Januar 1976 zu zahlen.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Er vertritt die Auffassung, eine Erstattung der Kosten für den neuen Hausanschluß könne die Klägerin nicht verlangen. Sinn und Zweck der Versorgungsbedingungen ließen eine Kostenüberbürdung nur dann zu, wenn die Erneuerung der Versorgungsleitung und davon abhängig die Erneuerung des Hausanschlusses zwingend notwendig sei. Wirtschaftliche Gesichtpunkte für die Neuverlegung der Hauptleitung könnten einen Kostenerstattungsanspruch der Klägerin nicht begründen, zumal da die alte gußeiserne Hauptleitung eine Lebensdauer von ca. 40 Jahren gehabt haben würde. Darüber hinaus gelte das Kostenverursachungsprinzip. Da Auslöser für die Erneuerung der Wasserversorgungsleitung der Straßenausbau, nicht aber der Zustand der alten Hauptleitung gewesen sei, seien die Kosten von der Klägerin verursacht worden. Habe aber die Klägerin die Erneuerungskosten verursacht, so habe nicht der einzelne Abnehmer, sondern die Klägerin diese Kosten zu tragen.

10

Auch die Höhe der Kosten beanstandet der Beklagte. Da der Fußweg fertiggestellt worden sei, bevor die neue Versorgungsleitung und davon abhängig die Hausanschlüsse verlegt worden seien, sei ein doppelter Aufwand an Erdarbeiten entstanden.

11

Zur Darstellung der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war. Der Richter hat Beweis erhoben durch die Vernehmung des technischen Werkleiters der ... des Diplom-Ingenieurs ... als sachverständigen Zeugen und die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Das Ergebnis der Beweisaufnahme findet sich im Vernehmungsprotokoll vom 7. Dezember 1976 und im Gutachten des Dipl. Ing. ... vom 8. Februar 1977. Darauf wird verwiesen.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist begründet.

13

Die Klägerin kann vom Beklagten die Erstattung der Kosten für den erneuerten Hausanschluß verlangen. Die Zahlungsverpflichtung des Beklagten ergibt sich aus Ziffer IV Absatz 6 Buchstabe d) der Versorgungsbedingungen. Diese Vertragsbestimmung kommt auch dann zum tragen, wenn wirtschaftliche Gründe die Erneuerung einer Wasserversorgungsleitung und dadurch ausgelost die Erneuerung des Hausanschlusses sinnvoll erscheinen lassen. Das ist eine Folge der Rechtsstellung der Klägerin. § 95 der Niedersächsischen Gemeindeordnung (im folgenden NGO) verpflichtet sie, ihr Wasserversorgungsunternehmen wirtschaftlich zu führen, das heißt, die Einnahmen müssen mindestens alle Aufwendungen decken und angemessene Rücklagen ermöglichen (§ 95 Absatz 2 NGO). Zwar ist § 95 Absatz 2 NGO als Sollvorschrift formuliert. Im öffentlichen Recht aber bedeutet eine Sollvorschrift eine Mußvorschrift. Der Grundsatz der wirtschaftlichen Betriebsführung gebot der Klägerin, die Wasserversorgungsleitung in der ... Straße im Zuge des Straßenausbaus neu zu verlegen und nicht zu warten, bis eine Erneuerung zwingend oder unumgänglich wurde. Denn nur für die Hausanschlußkosten geben ihr die Versorgungsbedingungen einen Erstattungsanspruch, die Verlegung einer neuen Versorgungsleitung muß aus den laufenden Einnahmen oder den Rücklagen bezahlt werden. Hätte die Klägerin auf die Erneuerung der Wasserhauptleitung in der ... Straße im Frühjahr 1975 verzichtet, wären ihr in absehbarer Zeit beträchtliche Mehrkosten entstanden. Die Kosten für die Neuverlegung beliefen sich im Frühjahr 1975 wegen des für die neue Gasleitung bereits ausgehobenen Rohrgrabens auf ca. 1/3 der üblichen Neuverlegungskosten, wie der sachverständige Zeuge ... angab. Diese voraussichtlichen Kosten zu vermeiden war ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft. Das galt umso mehr, als die Erneuerung der Hauptleitung in der ... Straße nicht erst in ca. 20 Jahren, wie vom Beklagten angenommen, als unumgänglich zu erwarten war. Zwar haben - nach dem Gutachten des Sachverständigen ... - Gußrohre eine mittlere Lebensdauer von 30 bis 60 Jahren. Bei der alten Hauptleitung in der ...-Straßen aber war durch Außenkorrosion - hervorgerufen wahrscheinlich durch schwefelhaltiges Wasser im Erdreich - das Rohrmaterial deutlich angegriffen. Durch Inkrustation von ca. 1 cm Stärke war die Leistungsfähigkeit bereits herabgesetzt. Dieser vom Zeugen ... geschilderte Leitungszustand ließ eine erheblich kürzere Zeitspanne für eine unumgängliche Erneuerung wahrscheinlich sein.

14

Hinzu kommt ein zweiter Gesichtspunkt. Im öffentlichen Interesse und im Interesse aller Wasserabnehmer, also auch des Beklagten ist die Klägerin gehalten, den Wasserpreis möglichst niedrig zu halten. Zwar konnte des der Klägerin gleichgültig sein, ob dem Beklagten bei einer Hauptleitungserneuerung in einigen Jahren höhere Hausanschlußkosten träfen. Da aber die Kosten für die - von Zeit zu Zeit anfallende abschnittsweise - Erneuerung des Versorgungsnetzes auf den Wasserpreis durchschlagen, lag es auch im Interesse des Beklagten, die Hauptleitung in der ... im Zuge des Straßenausbaus neu zu verlegen.

15

Das Kostenverursachungsprinzip (vgl. hierzu das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 11. Oktober 1974, Aktenzeichen II A 403/73, Veröffentlichung nicht bekannt) gilt im zur Entscheidung stehenden Fall nicht, weil die Rechtslage zwischen den Parteien nicht durch einen in einer Ortssatzung vorgeschriebenen Anschluß und Benutzungszwang bestimmt ist. Sind, wie zwischen den Parteien, die Rechtsbeziehungen in einem Vertrag geregelt, ist für das Kostenverursachungsprinzip kein Platz.

16

Da die neue Hauptleitung in der ... Straße einen Durchmesser von 150 mm hat, das alte Hausanschlußventil in einer Leitung von 80 mm Durchmesser installiert war, konnte es nicht wieder verwandt werden, so daß dem Beklagten die Kosten für das neue Ventil treffen. Die neue Leitung in einem größeren Durchmesser als 80 mm zu wählen, war der Klägerin nach den DIN 2000 geboten. In Ziffer 4.551 der "Leitsätze für die zentrale Wasserversorgung" (DIN 2000) heißt es: "Für Ortsversorgungsleitungen mit Feuerlöschhydranten sind Rohrdurchmesser unter Nennweite 100 zu vermeiden. Zu enge Querschnitte der Verteiligungsleitungen können zu große Druckverluste verursachen, die das Rohrnetz und die Sicherheit der Versorgung gefährden". Da an der erneuerten Versorgungsleitung, wie schon an der alten Hauptleitung, ein Feuerlöschhydrant liegt, war die Veränderung der Nennweite eine sachgerechte Unterhaltungsmaßnahme.

17

Die Kosten für die neue Anschlußleitung zwischen Hausanschlußventil und Grundstücksgrenze betreffen den Beklagten, weil die alte Anschlußleitung nicht weiter benutzt werden konnte. Sie war zu kurz. Während die alte Hauptleitung unter dem Bürgersteig lag, wurde die neue Versorgungsleitung unter die an der Westseite des Bürgersteigs verlaufende Gosse verlegt. Die neue Anschlußleitung unterquerte mithin den ganzen Bürgersteig, im Gegensatz zur alten Anschlußleitung, die nur vom alten Rohrstrang bis zur Grundstücksgrenze an der Ostseite des Bürgersteigs reichte.

18

Da der Bürgersteig aufgerissen werden mußte, um überhaupt an die Grenze zum Grundstück des Beklagten heranzukommen, hat er auch die Kosten für die darauf entfallenden Erdarbeiten zu tragen. Daß der Bürgersteig im Zuge des Fahrbahnausbaus zweimal aufgerissen wurde, hat der Beklagte nicht bewiesen. Der Zeuge ... hat davon nichts erwähnt. Beweis hat der Beklagte nicht angetreten.

19

Besteht somit die Klageforderung dem Grunde und der Höhe nach zu Recht, so maß die Klage Erfolg haben.

20

Die geltendgemachten Zinsen kann die Klägerin als Verzugsschaden beanspruchen (§§ 284 Abs. 2, 288 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 138 Absatz 3 ZPO).

21

Als Unterlegener hat der Beklagte die Prozeßkosten zu tragen (§ 91 ZPO).

22

Das Urteil ist von Amts wegen für die Klägerin ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 708 Nr. 11 ZPO).