Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 21.10.2009, Az.: 5 B 101/09

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
21.10.2009
Aktenzeichen
5 B 101/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 44288
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOSNAB:2009:1021.5B101.09.0A

Amtlicher Leitsatz

Die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung in einer Gemeinschaftseinrichtung - hier Gemeinschaftsunterkunft der Ausländerbehörde - und der Beginn einer gesetzlichen Frist hängen nicht davon ab, dass der Leiter der Einrichtung oder der von ihm zur Entgegennahme von zuzustellenden Schriftstücken ermächtigte Bedienstete das zugestellte Schriftstück noch am Tag der Zustellung an den Adressaten weiterleitet und sich die Weiterleitung unter Angabe des Datums vom Adressaten unterschriftlich bestätigen lässt.

Gründe

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Der nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellte, bei der Kammer erst am 06.10.2009 per Telefax eingegangene Antrag ist bereits unzulässig, denn der Antragsteller hat die einwöchige Antragsfrist nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG versäumt. Der in der anhängigen Hauptsache - 5 A 247/09- vom Antragsteller angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 23.09.2009 ist dem Antragsteller ausweislich der zu den vom BAMF übersandten Verwaltungsvorgängen befindlichen Postzustellungsurkunde in der Gemeinschaftsunterkunft der ZAAB Niedersachsen in F. am 28.09.2009 ersatzweise durch Übergabe des Schriftstückes an die zum Empfang ermächtigte Vertreterin des Leiters dieser Gemeinschaftseinrichtung, Frau G.H., zugestellt worden. Damit gilt die Zustellung gemäß §§ 1 Abs. 1 NdsVwZG, 3 Abs. 2 VwZG, 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als an diesem Tage - Montag, dem 28.09.2009 - bewirkt. Sowohl die Antragsfrist als auch die einwöchige Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylVfG liefen danach am Montag, dem 05.10.2009, um 24:00 Uhr ab.

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Entgegen der Auffassung der Beklagten, vgl. den mit Schriftsatz vom 15.10.2009 zur Gerichtsakte gereichten Vermerk des zuständigen Sachbearbeiters vom 14.10.2009, kommt es für den Zeitpunkt und die Wirksamkeit der Ersatzzustellung des angefochtenen Bescheides in der Gemeinschaftsunterkunft der ZAAB in F. nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt der zum Empfang der Postsendung ermächtigte Bedienstete der Gemeinschaftseinrichtung das zugestellte Schriftstück an den Antragsteller als Adressaten tatsächlich weitergeleitet hat und ob er sich die Weiterleitung vom Antragsteller unter Angabe des genauen Zeitpunkts unterschriftlich hat bestätigen lassen. Ein derartiges Verfahren mag zwar behördenintern angezeigt sein, damit der zum Empfang der Postsendung ermächtigte Bedienstete dem möglichen Vorwurf verzögerter Weiterleitung des Schriftstückes an den Adressaten wirksam entgegen treten kann, wird jedoch von § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht vorausgesetzt. Dem Leiter einer Gemeinschaftseinrichtung oder dem von ihm zum Empfang der Postsendung ermächtigten Bediensteten obliegt lediglich die Rechtspflicht, das Schriftstück dem Adressaten alsbald (so Stöber in: Zöller, Kommentar zur ZPO, 26. Aufl., § 178 Rn. 2 a.E.), oder - wozu die Kammer neigt - unverzüglich (so Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, Kommentar zur ZPO, 66. Aufl., § 178 Rn. 1), d.h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), auszuhändigen. Vorsätzliche Nichtaushändigung wäre für den Leiter oder den Bediensteten gemäß §§ 246, 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar, stellt für den Bereich des öffentlichen Dienstes darüber hinaus ein Dienstvergehen dar und kann - ebenso wie die verspätete Aushändigung des Schriftstückes - Schadensersatzansprüche nach sich ziehen (vgl. Stöber in: Zöller, a.a.O., § 178 Rn. 2 a.E.). Die unterlassene oder verspätete Weiterleitung macht die Ersatzzustellung indes nicht von vorn herein unwirksam; sie kann allenfalls einen Wiedereinsetzungsgrund liefern, etwa dann, wenn die verspätete Weiterleitung allein ursächlich für die Versäumnis einer gesetzlichen Frist ist. Hierfür ist vorliegend weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.

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Der Antrag ist auch unbegründet. Die vom BAMF erlassene Abschiebungsandrohung ist rechtmäßig.

4

Das Bundesamt hat einem Ausländer, dessen Asylantrag abgelehnt worden ist und der keine Aufenthaltsgenehmigung besitzt, seine Abschiebung gemäß §§ 34 Abs. 1 AsylVfG, 59, 60 Abs. 10 AufenthG anzudrohen. Nach § 36 Abs. 1 AsylVfG beträgt die zu setzende Ausreisefrist eine Woche, wenn das Bundesamt einen Asylantrag als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt hat. Offensichtlich unbegründet ist gemäß § 30 Abs. 1 AsylVfG ein Antrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen. Nach § 30 Abs. 2 AsylVfG ist ein Asylantrag insbesondere offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation oder einer kriegerischen Auseinandersetzung zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält. Gemäß Abs. 3 dieser Vorschrift ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn

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1. in wesentlichen Punkten das Vorbringen des Ausländers nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird,

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2. der Ausländer im Asylverfahren über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder diese Angaben verweigert,

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3. er unter Angabe anderer Personalien einen weiteren Asylantrag oder ein weiteres Asylbegehren anhängig gemacht hat,

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4. er den Asylantrag gestellt hat, um eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden, obwohl er zuvor ausreichend Gelegenheit hatte, einen Asylantrag zu stellen,

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5. er seine Mitwirkungspflichten nach § 13 Abs. 3 Satz 2, § 15 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 oder § 25 Abs. 1 AsylVfG gröblich verletzt hat, es sei denn, er hat die Verletzung der Mitwirkungspflichten nicht zu vertreten oder ihm war die Einhaltung der Mitwirkungspflichten aus wichtigen Gründen nicht möglich,

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6. er nach §§ 53, 54 des Aufenthaltsgesetzes vollziehbar ausgewiesen ist oder

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7. er für einen nach diesem Gesetz handlungsunfähigen Ausländer gestellt wird oder nach § 14a als gestellt gilt, nachdem zuvor Asylanträge der Eltern oder des allein personensorgeberechtigten Elternteils unanfechtbar abgelehnt worden sind.

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Ein Asylantrag ist ferner nach § 30 Abs. 4 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Abs. 2 vorliegen. Ein beim Bundesamt gestellter Antrag ist nach § 30 Abs. 5 AsylVfG auch dann als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn es sich nach seinem Inhalt nicht um einen Asylantrag im Sinne des § 13 Abs. 1 handelt.

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Offensichtlich unbegründet ist ein Antrag insbesondere dann, wenn nach vollständiger Erforschung des Sachverhalts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen kein Zweifel bestehen kann und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand der Rechtsprechung und Lehre) sich eine Ablehnung des Antrages geradezu aufdrängt ( BVerwG, Beschluss vom 1. März 1979 - BVerwG 1 B 24.79 -, Buchholz 402.24 § 34 AuslG Nr. 1; BVerfG, Beschlüsse vom 2. Mai 1984 - 2 BvR 14123/83 -, NJW 1984, 2028 [BVerfG 02.05.1984 - 2 BvR 1413/83]; vom 11. Dezember 1985 - 2 BvR 361/83 -, BVerfGE 71, 276; und vom 17. Dezember 1991 - 2 BvR 1041/91 -, InfAuslR 1992, 75 [BVerfG 17.12.1991 - 2 BvR 1041/91]). Offensichtlich unbegründet sind Asylanträge insbesondere dann, wenn sich das Asylbegehren insgesamt als unglaubwürdig erweist ( BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 1983 - 1 BvR 1470/91 -, NJW 1983, 2929 [BVerfG 12.07.1983 - 1 BvR 1470/82]). Das Gericht darf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur ablehnen, wenn es aufgrund einer eigenständigen, auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung bezogenen Prüfung zu dem Schluss kommt, dass die Ablehnung des Asylbegehrens als "offensichtlich unbegründet" weiterhin Bestand hat ( BVerfG, Beschlüsse vom 1. Dezember 1991 - 2 BvR 1039/91 -, juris; und vom 17. Dezember 1991 - 2 BvR 1041/91 -, InfAuslR 1992, 75 [BVerfG 17.12.1991 - 2 BvR 1041/91]).

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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Ablehnung des Antrags als offensichtlich unbegründet rechtmäßig. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid des BAMF vom 23.09.2009 Bezug genommen, denen die Kammer folgt (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).

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Auch die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass das Asylvorbringen des Antragstellers als offensichtlich unbegründet einzustufen ist, denn er vermochte im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt keinerlei verfolgungsrelevante Handlungen und Geschehnisse zu schildern. Die angebliche Schlägerei mit einem anderen Georgier stellt eine private tätliche Auseinandersetzung dar, kann aber nicht als Verfolgungshandlung sog. nichtstaatlicher Akteure qualifiziert werden. Seine Aktivitäten und Mitgliedschaft in der regierungskritischen "Jungen Bewegung" haben offensichtlich zu keinen staatlichen Repressionen geführt; die geltend gemachte bloße Beobachtung durch die Geheimpolizei reicht für eine derartige Annahme ebenso wenig aus wie die geltend gemachte feindliche Gesinnung der Georgier gegenüber Ossetiern oder Russen.

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Bei dieser Sachlage ist auch die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass sich der Antragsteller offensichtlich allein aus wirtschaftlichen Gründen im Bundesgebiet aufhält, sodass sein Asylbegehren nicht nur gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG, sondern auch gemäß § 30 Abs. 2 AsylVfG offensichtlich unbegründet ist.

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Die Entscheidung des BAMF, dass keine Abschiebungshindernisse nach § 60 Absatz 2, 3, 5 oder 7 AufenthG hinsichtlich Georgiens vorliegen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Das gilt auch noch gegenwärtig. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Feststellung ist der Zeitpunkt, in dem das Gericht entscheidet (§ 77 Abs. 1 AsylVfG).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.

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Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.