Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.06.2024, Az.: 3 K 46/24

Erlass von Zinsen zur Einkommensteuer

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
26.06.2024
Aktenzeichen
3 K 46/24
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 20376
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE::2024:0626.3K46.24.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Sind die Tatbestandsmerkmale des § 233a Abs. 8 Satz 1 AO erfüllt, so verbleibt auf der Rechtsfolgenseite im Gegensatz zu § 227 AO kein Ermessenspielraum. In den Regelungsbereich fallende Nachzahlungszinsen sind zwingend zu erlassen. § 233a Abs. 8 Satz 1 AO stellt hierbei eine gesetzliche Erlassregelung sui generis dar.

  2. 2.

    Auf Tatbestandsebene des § 233a Abs. 8 Satz 1 AO ist maßgeblich die Tatsache der Anrechnung der Leistung als solcher auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer durch die Finanzbehörde, nicht aber deren konkreter Zeitpunkt.

  3. 3.

    Das Tatbestandsmerkmal der Leistungserbringung auf die später wirksam gewordene Steuerfestsetzung fordert keine explizite Tilgungsbestimmung i.S.v. § 225 Abs. 1 AO. Vielmehr kommt es ausschließlich darauf an, dass die von der Finanzbehörde angenommene Leistung mit dem Willen des Leistenden auf die später wirksam gewordene Steuerfestsetzung angerechnet wird.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den (weitergehenden) Erlass von Zinsen zur Einkommensteuer.

Die Klägerin wurde für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2015 mit ihrem am 12. Januar 2015 verstorbenen Ehemann, E, zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Mit Schreiben vom 25. Juli 2014 erklärten die Eheleute, vertreten durch ihren damaligen Steuerberater, gegenüber dem Beklagten bisher nicht der Einkommensteuer unterworfene, umfangreiche weitere Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie sonstige Einkünfte des Ehemannes für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2012. Sie fügten dieser Nacherklärung ausgefüllte Anlagen KAP und SO sowie zusätzlich das nachfolgend dargestellte Mehrsteuertableau (im Folgenden: "Mehrsteuerberechnung") bei:

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Unter Ziffer 5. "Antrag auf freiwillige Zahlung" des Schriftsatzes vom 25. Juli 2014 führten die Eheleute hierzu Folgendes aus:

"Wir fügen diesen Unterlagen ein Mehrsteuertableau bei, aus dem sich die voraussichtlichen Steuern und auch die steuerlichen Nebenleistungen für jeden berichtigten Veranlagungszeitraum ergeben.

In diesem Tableau werden Steuern und steuerliche Nebenleistungen überschlägig ermittelt.

Wenngleich nur die Einkommensteuer und der Solidaritätszuschlag zu verzinsen sind, wollen unsere Mandanten den geschätzten Gesamtbetrag in Höhe von EUR 1.280.000,00 EUR schnellstmöglich überweisen.

Wir bitten darum, dass die Steuerkasse sogleich eine entsprechende Sollstellung für die Steuern und die steuerlichen Nebenleistungen erzeugt. Unsere Mandanten möchten die zu erwartende Nachzahlung zeitnah begleichen, dies auch vor dem Hintergrund des gewünschten Abbruchs des weiteren Zinslaufs nach § 233a AO bzw. nach § 235 AO. [...]"

Der Beklagte teilte dem seinerzeitigen Steuerberater der Eheleute mit Schreiben vom 29. Juli 2014 mit, dass die beantragte Zahlung ohne endgültige Sollstellung ab sofort erfolgen könne. Die Finanzkasse des Beklagten werde den in Aussicht gestellten Betrag von 1.280.000 EUR entsprechend der Aufstellung des Steuerberaters verbuchen. Hierzu vermerkte die Sachbearbeiterin des Beklagten auf der Mehrsteuerberechnung neben den Beträgen 351.663,88 EUR ("Zinsen § 233a AO") und 41.589,64 EUR ("Strafzuschlag auf ESt und SolZ") "Verwahrung". Ferner vermerkte ein Mitarbeiter des Beklagten auf der Mehrsteuerberechnung: "Wenn freiwillige Zahlung eingeht, bitte wie oben angegeben buchen" (vgl. Bl. 32 der Erlass-Akte).

Am 12. August 2014 zahlten die Eheleute im Hinblick auf die voraussichtlich anfallenden Steuernachzahlungen aus der Nacherklärung einen Betrag von 1.280.000 EUR auf einem Konto des Beklagten ein. Der Beklagte verbuchte von dieser Zahlung einen Teilbetrag i.H.v. 827.124,97 EUR für Einkommensteuern der Veranlagungszeiträume 2002 bis 2012 (Abgabeart 0030), einen Teilbetrag i.H.v. 45.517,40 EUR für Solidaritätszuschläge der Veranlagungszeiträume 2002 bis 2012 (Abgabeart 0310) sowie einen Teilbetrag i.H.v. 14.359,80 EUR für Kirchensteuern der Veranlagungszeiträume 2003 bis 2007 und 2011 (Abgabeart 0360). Den hiernach verbleibenden Betrag von 392.997,83 EUR behielt der Beklagte gleichfalls ein und verbuchte diesen unter der Abgabeart 0000 "ohne Bestimmung". Neben dieser Buchungszeile vermerkte die Sachbearbeiterin des Beklagten erneut "Verwahrung" (vgl. Bl. 33 der Erlass-Akte).

In der Folgezeit führte das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Z ein Steuerstrafverfahren gegen die Eheleute. Verbunden mit diesem prüfte der Beklagte gemeinsam mit dem Finanzamt für Großbetriebsprüfung Y die Richtigkeit der nacherklärten Einkünfte. Im Ergebnis gelangten diese hiernach zu der Feststellung, dass über die bereits nacherklärten Einkünfte hinaus weitere Einkommensteuern für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2014 abweichend von der Mehrsteuerberechnung festzusetzen seien.

Im Hinblick auf die sich hieraus ergebenden weiteren Mehrsteuern sowie auf Mehrsteuern für nachfolgende Veranlagungszeiträume leistete die Klägerin am 29. Januar 2020 eine weitere freiwillige Zahlung i.H.v. 500.000 EUR. Hiervon wurden durch den Beklagten noch am gleichen Tage 28.114,17 EUR auf die Einkommensteuer des Veranlagungszeitraums 2008 gebucht (Bl. 35 der Erlass-Akte).

Aufgrund eines Telefonates zwischen der Sachbearbeiterin des Beklagten und dem vormaligen Steuerberater der Klägerin buchte der Beklagte den aus der ersten freiwilligen Zahlung vom 12. August 2014 noch in Verwahrung befindlichen Restbetrag von 392.997,83 EUR am 24. Juli 2020 auf weitere Einkommensteuern der Veranlagungszeiträume 2002 bis 2008 (Abgabeart 0030) um. Wegen der einzelnen Umbuchungsbeträge wird auf Bl. 52 der Erlass-Akte verwiesen.

Unter dem 6. August 2020 ergingen schließlich geänderte Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2014 gegenüber der Klägerin, die zu erheblich höheren Einkommensteuerfestsetzungen führten. Verbunden mit den Einkommensteuerfestsetzungen waren jeweils Festsetzungen von Nachzahlungszinsen nach § 233a der Abgabenordnung (AO), die zunächst vorläufig i.S.v. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorgenommen wurden. Hierbei ermittelte der Beklagte folgende zu verzinsende Unterschiedsbeträge zu Ungunsten der Klägerin i.S.v. § 233a Abs. 3 Satz 1 AO und festzusetzende Zinsen für die Zinszeiträume 2002 bis 2008 unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 0,5 % pro Monat i.S.v. § 238 Abs. 1 AO (a.F.):

VZUnterschiedsbetragVerzinsungszeitraumvolle Monatebisher festgesetzte Zinsenfestzusetzende Zinsen
2002185.900 EUR1.4.2004 - 10.8.2020196-407 EUR181.775 EUR
2003242.454 EUR1.4.2005 - 10.8.2020184-2.764 EUR220.090 EUR
2004110.070 EUR1.4.2006 - 10.8.2020172-894 EUR93.749 EUR
2005147.470 EUR1.4.2007 - 10.8.2020160-436 EUR117.524 EUR
2006204.890 EUR1.4.2008 - 10.8.2020148-511 EUR151.078 EUR
2007144.644 EUR1.4.2009 - 10.8.2020136139 EUR98.467 EUR
2008116.278 EUR1.4.2010 - 10.8.2020124167 EUR72.442 EUR

Mit Bescheiden vom 30. Januar 2023 änderte der Beklagte die bisherigen Bescheide über Zinsen zur Einkommensteuer für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2014 im Hinblick auf die gesetzliche Neuregelung zur Höhe der Zinsen (§ 238 Abs. 1a, 1b AO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 12. Juli 2022, BGBl. I 2022, S. 1142). Durch diese Bescheide verringerten sich die festgesetzten Zinsen für die Zinszeiträume 2002 bis 2008 unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 0,15 % pro Monat ab dem 1. Januar 2019 auf folgende Beträge:

2002169.412 EUR
2003204.167 EUR
200486.430 EUR
2005107.718 EUR
2006137.455 EUR
200788.851 EUR
200864.711 EUR

Gegen diese geänderten Zinsbescheide erhob die Klägerin, vertreten durch ihre jetzige Prozessbevollmächtigte, am 27. Februar 2023 Einspruch. Zugleich beantragte sie den anteiligen Erlass der in den Bescheiden festgesetzten Nachzahlungszinsen. Zur Begründung führte sie aus, sie habe auf die zu verzinsenden Nachzahlungsbeträge im Jahr 2014 eine Akontozahlung i.H.v. 1.280.000 EUR sowie "im März 2018 eine Zahlung i.H.v. 250.000 EUR" (Anmerkung: gemeint sein dürfte die Zahlung vom 29. Januar 2020 über 500.000 EUR) geleistet. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen in Tz. 70.1.2 Satz 1 AEAO zu § 233a AO seien die auf den Zeitraum nach Eingang der Akontozahlungen anfallenden Nachzahlungszinsen zu erlassen.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2023 erließ der Beklagte Zinsen zur Einkommensteuer für die Zeiträume 2002 bis 2014 wie nachfolgend dargestellt:

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Der Beklagte legte den jeweiligen Zins-Erlassen hierbei die freiwilligen Zahlungen der Eheleute vom 12. August 2014 bzw. der Klägerin vom 29. Januar 2020 zugrunde. Dabei rechnete er indes die erste freiwillige Zahlung vom 12. August 2014 nur insoweit auf die Steuerfestsetzungen an, als in der Mehrsteuerberechnung diese Zahlung seitens des damaligen Steuerberaters der Eheleute der jeweiligen Einkommensteuer der Veranlagungszeiträume 2002 bis 2012 zugeordnet worden war. Den sich aus der Mehrsteuerberechnung ergebenden überschießenden Betrag von 392.997,83 EUR rechnete der Beklagte demgegenüber erst ab dem Zeitpunkt des Telefonats zwischen der Sachbearbeiterin des Beklagten und dem vormaligen Steuerberater der Klägerin vom 24. Juli 2020 auf die Steuerfestsetzungen an. Wegen der detaillierten Berechnung dieser Erlass-Beträge wird auf die Anlagen zum Erlassbescheid vom 12. Mai 2023 (Bl. 56 bis 68 der Erlass-Akte) verwiesen.

Gegen den Erlassbescheid legte die Klägerin, vertreten durch ihre jetzige Prozessbevollmächtigte, am 24. Mai 2023 Einspruch ein. Zur Begründung führte sie an, auch die Umbuchungen der Restzahlung vom 12. August 2014 hätten berücksichtigt werden müssen, soweit diese nicht in der "Anlage zum Schreiben aus August 2014" (Anmerkung: gemeint sein dürfte die Mehrsteuerberechnung als Anlage zum Schriftsatz vom 25. Juli 2014) genannt waren. Die umgebuchten Beträge seien bereits am 12. August 2014 an die Finanzverwaltung entrichtet worden, sodass diese auch bei der Ermittlung der zu erlassenden Zinsen in der Zeit bis zum 31. Dezember 2018 einzubeziehen seien. Die Zahlung vom 12. August 2014 habe in unmittelbarem Zusammenhang mit den nacherklärten Einkünften gestanden. Dies sei der Finanzverwaltung aufgrund der Darstellung im Rahmen der Nacherklärung auch bekannt gewesen. Vor diesem Hintergrund habe die Klägerin zwar möglicherweise nicht im Rahmen der Überweisung einen separaten Verwendungszweck mitgeteilt, jedoch sei die Bestimmung der Zahlung eindeutig aus der in Vorbereitung auf die Zahlung geleisteten Korrespondenz ersichtlich.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 6. September 2023 als unbegründet zurück. Zwar seien Nachzahlungszinsen gem. Tz. 70.1.1 des AEAO zu § 233a AO aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, soweit der Steuerpflichtige auf die sich aus der Steuerfestsetzung ergebende Steuerzahlungsforderung bereits vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzung freiwillige Leistungen erbracht und das Finanzamt diese Leistungen angenommen und behalten habe. Vorliegend sei die Berechnung des Zinserlasses indes unter Berücksichtigung der schriftlichen Anweisung zur Verbuchung der Zahlung vom 12. August 2014 sowie der telefonischen Umwidmung am 24. Juli 2020 erfolgt.

Die Eheleute hätten durch die Mehrsteuerberechnung eine Tilgungsbestimmung i.S.v. § 225 Abs. 1 AO getroffen, die nachträglich nicht einseitig habe geändert werden können. Die bestimmungsgemäße Verrechnung dieser Zahlung habe zum Erlöschen des getilgten Anspruchs gem. § 47 AO geführt, soweit die freiwillige Zahlung vom 12. August 2014 durch die Eheleute zur Tilgung von weiteren Einkommensteuern bestimmt worden sei. Erst aufgrund der telefonischen Absprache zwischen dem Beklagten und dem vormaligen Steuerberater der Klägerin am 24. Juli 2020 könne der überschießende Betrag der freiwilligen Zahlung wegen einer einvernehmlichen geänderten Tilgungsbestimmung auf die weitergehenden Einkommensteuern angerechnet werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) derjenige zur Anrechnung berechtigt, auf dessen Rechnung, nicht aber derjenige, auf dessen Kosten gezahlt worden sei. Es komme also nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden sei, sondern nur darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem Finanzamt erkennbar sei, getilgt werden solle. Entscheidend sei danach nicht der Zahlungseingang am 12. August 2014, sondern die dazugehörige Tilgungsbestimmung.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 5. Oktober 2023 erhobenen Klage. Sie macht weiterhin geltend, die freiwillige Zahlung vom 12. August 2014 hätte ab dem Zahlungszeitpunkt im Rahmen des Zinserlasses berücksichtigt werden müssen. Zwar sei in der Nacherklärung der Eheleute vom 25. Juli 2014 eine Tilgungsbestimmung i.S.d. § 225 Abs. 1 AO grundsätzlich dahingehend getroffen, dass eine Verbuchung entsprechend der Mehrsteuerberechnung erfolgen sollte. Gleichzeitig und damit einschränkend hätten die Eheleute jedoch mitgeteilt, sie würden die zu erwartende Nachzahlung zeitnah begleichen wollen, dies auch vor dem Hintergrund des gewünschten Abbruchs des weiteren Zinslaufs nach § 233a AO. Aus dieser Formulierung sei ersichtlich, dass die Akontozahlung darauf gerichtet gewesen sei, eine größtmögliche Zinsersparnis zu bewirken. Es liege in der Natur von Nacherklärungen, dass die nacherklärten Besteuerungsgrundlagen und die daraus resultierenden Nachzahlungsbeträge nicht abschließend, sondern vielmehr nur vorab pauschal ermittelt werden könnten. Die Tilgungsbestimmung könne folglich nur insoweit als maßgeblich betrachtet werden, als der Beklagte tatsächlich nur die nacherklärten Einkünfte ansetze und daneben keine weiteren Änderungen vornehme. Unter Berücksichtigung der Erläuterungen in der Nacherklärung sei im Wege der Auslegung die Tilgungsbestimmung als vorläufig zu betrachten. Die Schuld erlösche daher nicht, bevor der Steuerpflichtige sein endgültiges Bestimmungsrecht ausgeübt habe, was frühestens im Zeitpunkt des Erlasses der finalen Steuerbescheide erfolgen könne. Der Zinserlass sei demnach im Hinblick auf die erste freiwillige Zahlung ab dem Zeitpunkt des Eingangs dieser Zahlung, mithin ab dem 12. August 2014 zu gewähren.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides über den Erlass von Zinsen zur Einkommensteuer für die Jahre 2002 bis 2014 vom 12. Mai 2023 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. September 2023 weitere Zinsen zur Einkommensteuer für den Zeitraum 2002 i.H.v. 17.325 EUR, für 2003 i.H.v. 17.064 EUR, für 2004 i.H.v. 17.417 EUR, für 2005 i.H.v. 16.912 EUR, für 2006 i.H.v. 17.466 EUR, für 2007 i.H.v. 18.231 EUR sowie für 2008 i.H.v. 9.005 EUR zu erlassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Eheleute hätten ihrem Antrag auf Leistung einer freiwilligen Zahlung im Rahmen der Nacherklärung vom 25. Juli 2014 die Mehrsteuerberechnung mit eindeutigen Verbuchungswünschen beigefügt. Den Eheleuten sei hierbei durchaus bewusst gewesen, dass nur die Einkommensteuer zu verzinsen war. Eine derartige schriftliche Fixierung des Verwendungswunsches lasse keinen Spielraum für eine anderweitige Verbuchung zu. Dem Antrag sei mit Schreiben vom 29. Juli 2014 zugestimmt und dieses entsprechend umgesetzt worden. Eine Vorläufigkeit sei hierin nicht zu erkennen. Auch führe die später deutlich höher festgesetzte Nachzahlung nicht zu einer Anwendung des § 225 Abs. 2 AO, da die Eheleute eine Tilgungsbestimmung getroffen hätten, die nachträglich nicht rückwirkend geändert werden könne.

Das Gericht hat die Beteiligten mit Richterbrief vom 13. Juni 2024 auf die Regelung des § 233a Abs. 8 Satz 1 AO hingewiesen. Auf den Hinweis haben die Beteiligten an ihren jeweiligen Rechtsauffassungen festgehalten.

Die Beteiligten haben einvernehmlich auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verzichtet.

Entscheidungsgründe

I. Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten nach § 90 Abs. 2 FGO ohne mündlichen Verhandlung.

II. Das Gericht legt die Klageschrift der Prozessbevollmächtigten der Klägerin dahingehend aus, dass sich die Klage ausschließlich auf eine Erhöhung der Erlassbeträge für Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer der Jahre 2002 bis 2008 bezieht.

Die Prozessbevollmächtigte hat bei Klageerhebung zwar "den Erlassbescheid von Zinsen zur Einkommensteuer für die Jahre 2002 bis 2014 vom 12. Mai 2023 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. September 2023" als Klagegegenstand bezeichnet, indes handelt es sich bei dem Erlassbescheid vom 12. Mai 2023 nicht um einen einheitlichen Verwaltungsakt, der nur insgesamt anfechtbar ist. Vielmehr fasst der Erlassbescheid vom 12. Mai 2023 die Erlassbeträge für jeden der aufgeführten Zeiträume lediglich informatorisch in einer Summe zusammen, während er gleichzeitig für jeden separaten Erlasszeitraum eine eigenständige Regelung i.S.v. § 118 Satz 1 AO trifft. Indem die Prozessbevollmächtigte der Klägerin aber weiter ausführt, sie beantrage, "dem Erlassantrag in der ursprünglich beantragten Höhe stattzugeben", begrenzt sie ihr Klagebegehren auf ihre Forderungen aus dem Vorverfahren. In diesem hat sie bei Stellung des Erlassantrages mit Schriftsatz vom 27. Februar 2023 dargelegt, die Klägerin habe auf die zu verzinsenden Nachzahlungsbeträge im Jahr 2014 eine Akontozahlung i.H.v. 1.280.000 EUR geleistet, hinsichtlich derer unter Bezugnahme auf die Ausführungen in Tz. 70.1.2 Satz 1 AEAO zu § 233a AO die auf den Zeitraum nach Eingang der Akontozahlung anfallenden Nachzahlungszinsen zu erlassen seien. Damit hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin zum Ausdruck gebracht, einen Erlass von Nachzahlungszinsen nur insoweit zu beantragen, als die Zahlung von 1.280.000 EUR aus August 2014 einen solchen durch weitergehende Anrechnung auf die tatsächlich festzusetzenden Einkommensteuern auch rechtfertigen kann. Da die gegenüber den Eheleuten für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2008 festgesetzten weiteren Einkommensteuern die Zahlung von 1.280.000 EUR bereits aufzehren, kam der Erlass von Nachzahlungszinsen für die Zeiträume 2009 bis 2014 von Anfang an nicht in Betracht. Er war danach auch weder vom klägerischen Begehren im Vorverfahren noch im Klageverfahren umfasst. Das Gericht hatte hiernach nur über den Erlass von Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer für die Jahre 2002 bis 2008 zu entscheiden.

III. Die Klage ist begründet.

Der Bescheid über den Erlass von Zinsen zur Einkommensteuer vom 12. Mai 2023 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. September 2023 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 101 Satz 1 FGO.

Der Beklagte war auf Grundlage des § 233a Abs. 8 Satz 1 AO zu verpflichten, weitere Zinsen zu Einkommensteuer für die Zeiträume 2002 bis 2008 im tenorierten Umfang zu erlassen.

1. Nach § 233a Abs. 8 Satz 1 AO sind Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat.

a) Die Regelung des § 233a Abs. 8 Satz 1 AO wurde durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 12. Juli 2022 (BGBl. I 2022, S. 1142) eingeführt. Sie ist gem. Art. 97 § 15 Abs. 14 Satz 1 EGAO in allen am 21. Juli 2022 anhängigen Verfahren anzuwenden. Durch die Einführung des § 233a Abs. 8 Satz 1 AO sollte die bislang in Nummer 70.1 des Anwendungserlasses zu § 233a AO verortete Billigkeitsregelung über den Erlass von Nachzahlungszinsen aufgrund "freiwilliger" Zahlungen ausdrücklich gesetzlich verankert werden (vgl. BR-Drs. 157/22, S. 18). Die Formulierung solle es ermöglichen, entweder auf die Festsetzung der betroffenen Nachzahlungszinsen von vorneherein zu verzichten, wie dies bei vielen Kommunen praktiziert werde, oder festgesetzte Nachzahlungszinsen zu erlassen, was der Praxis der Steuerverwaltung entspreche. In beiden Fällen werde auf nach dem Soll-Prinzip entstandene Nachzahlungszinsen aus Billigkeitsgründen verzichtet, wobei die Annahme freiwilliger Zahlungen und vergleichbarer Leistungen wie bisher im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde stehe (BR-Drs. 157/22, S. 18).

b) Durch die Neuregelung wird die bisherige Verwaltungsauffassung gesetzlich abgesichert (Koenig in Koenig, AO, 5. Aufl. 2024, § 233a, Rn. 94; Kögel in Gosch, AO/FGO, 183. EL Mai 2024, § 233a AO, Rn. 164). Denn auch nach bisheriger Rechtslage waren freiwillige Leistungen auf noch nicht festgesetzte Steuern zur Vermeidung von Nachzahlungszinsen dergestalt zu berücksichtigen, dass die Zinsen für den überzahlten Betrag - soweit dieser der später festgesetzten Steuer entspricht - in Höhe dieser "fiktiven Erstattungszinsen" im Erlasswege reduziert wurden (vgl. Rüsken in Klein, AO, 17. Aufl. 2023, § 233a, Rn. 50; BFH, Urteile vom 3. Dezember 2019 VIII R 25/17, BStBl. II 2020, 214; vom 7. November 2013 X R 22/11, BFH/NV 2014, 817; vom 9. November 2017 III R 10/16, BStBl. II 2018, 255). Solche zinsspezifischen Billigkeitsmaßnahmen waren von der Finanzbehörde nach gebundenem Ermessen vorzunehmen, wenn der Steuerpflichtige einen später gegen ihn festgesetzten Nachzahlungsbetrag bereits entrichtet hatte (BFH, Urteile vom 31. Mai 2017 I R 92/15, BStBl. II 2019, 14; vom 26. Januar 2000 IX R 11/96, BFH/NV 2000, 1177). In einem solchen Fall ist nämlich der Liquiditätsnachteil der Finanzbehörde mit der Zahlung entfallen (Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 279. EL Mai 2024, § 233a AO, Rn. 250).

c) § 233a Abs. 8 Satz 1 AO sieht dabei, anders als § 227 AO, kein Ermessen hinsichtlich der Rechtsfolge des Erlasses von Nachzahlungszinsen mehr vor. Vielmehr regelt die Norm, dass Nachzahlungszinsen zu erlassen sind. Im Ausgangspunkt wird also eine Verzichts- bzw. Erlasspflicht statuiert (vgl. Seer, Neuregelung der Vollverzinsung - kritische Reflexion des 2. AOÄndG, in DB 2022, S. 1795, 1797, 1803). Das Finanzgericht ist damit auf Rechtsfolgenseite nicht an die Grenzen des § 102 Satz 1 FGO im Hinblick auf die Nachprüfung von Ermessensentscheidungen gebunden. Jedoch steht die Verzichts-/Erlasspflicht unter der Bedingung, dass die Finanzbehörde die freiwillige Zahlung auch annimmt und anrechnet. Damit liegt der Zinsverzicht/-erlass letztlich mittelbar im pflichtgemäßen behördlichen Ermessen i.S.v. § 5 AO (BR-Drs. 157/22, S. 18; ebenso Seer, DB 2022, S. 1797). Wenn aber die Behörde die freiwillige Zahlung unter Ausübung ihres Ermessens tatsächlich annimmt und anrechnet, ist der Zinserlass zwingende Rechtsfolge des § 233a Abs. 8 Satz 1 AO. Schwierigkeiten seitens der Finanzbehörde bei der richtigen Verbuchung der außerordentlichen Leistung des Steuerpflichtigen können angesichts des vom Gesetz verfolgten Zwecks jedenfalls kein hinreichender Ablehnungsgrund sein (Seer, DB 2022, S. 1797).

d) Soweit die Norm jedoch den mit der freiwilligen Leistung begründeten Zinsverzicht/-erlass durch die Annahme und Anrechnung dieser Leistung auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer seitens der Finanzbehörde bedingt, sieht § 36 Abs. 2 EStG für die Einkommensteuer indes gar keine Anrechnung von Steuerzahlungen vor, die außerhalb der nach § 37 EStG festgesetzten Vorauszahlungen und zusätzlichen Steuerabzüge geleistet werden. § 233a Abs. 8 Satz 1 AO muss daher als sachlicher Billigkeitsgrund sowohl im Hinblick auf die wirksame Anrechnung von außerordentlichen, freiwilligen Steuerzahlungen als auch für den damit verbundenen Verzicht oder Erlass der nach dem Gesetz ungeachtet der freiwilligen Zahlung entstehenden Nachzahlungszinsen verstanden werden (Seer, DB 2022, S. 1797).

2. Dies vorausgeschickt, ist die Regelung des § 233a Abs. 8 Satz 1 AO auf den hier zu entscheidenden Fall anzuwenden und führt zu einem zwingenden weitergehenden Zinserlass zugunsten der Klägerin.

a) Die Bescheide über Zinsen zur Einkommensteuer für 2002 bis 2008 datieren auf den 30. Januar 2023. Der streitgegenständliche Zinserlass erging am 12. Mai 2023, die zugehörige Einspruchsentscheidung am 6. September 2023. Bereits im Zeitpunkt der erstmaligen Entscheidung über den Zinserlass am 12. Mai 2023 war nach Art. 97 § 15 Abs. 14 Satz 1 EGAO die Regelung des § 233a Abs. 8 Satz 1 AO anzuwenden, da es sich um ein nach dem 20. Juli 2022 anhängiges Verfahren handelt. § 233a Abs. 8 Satz 1 AO ist demnach ebenfalls im gerichtlichen Verfahren bei der Prüfung des Zinserlasses zugrunde zu legen.

b) Vorliegend haben die Eheleute am 12. August 2014 eine Zahlung i.H.v. 1.280.000 EUR freiwillig an den Beklagten geleistet, die dieser auch in vollem Umfang angenommen hat. Soweit diese freiwillige Zahlung durch den Beklagten zunächst keiner Sollstellung für Einkommensteuer zugeordnet und stattdessen unter der Abgabenart 0000 "in Verwahrung" verbucht worden ist, so ändert dies nichts an der erfolgten Annahme der Zahlung, da eine Rückerstattung des Betrages von 392.997,83 EUR an die Klägerin nicht vorgenommen wurde. Unbeachtlich ist gleichfalls, ob der Beklagte zur Annahme der Zahlung verpflichtet gewesen ist oder nicht. Jedenfalls hat er die Zahlung angenommen und damit dieses Tatbestandsmerkmal des § 233a Abs. 8 Satz 1 AO erfüllt.

c) Die freiwillige Zahlung ist ferner in diesem Umfang durch den Beklagten auf die (später) festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet worden. Der Beklagte hat nämlich durch seine Umbuchungen vom 24. Juli 2020 nach abschließender Festsetzung der Einkommensteuern der Eheleute für 2002 bis 2014 den zunächst von ihm unter der Abgabeart 0000 verbuchten Betrag von 392.997,83 EUR insoweit auf die nunmehr abschließend festgesetzten Einkommensteuern der Eheleute für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2007 umgebucht, als jetzt über die vom vormaligen Steuerberater der Eheleute eingereichte Mehrsteuerberechnung hinaus weitergehende Einkommensteuern festgesetzt wurden. Für den Veranlagungszeitraum 2008 verblieb nach alledem von dem Betrag von 392.997,83 EUR noch ein mit der abschließend festgesetzten Einkommensteuer der Eheleute verrechenbarer Betrag von 31.183,83 EUR, der in dieser Höhe auf die festgesetzte Einkommensteuer 2008 ebenfalls angerechnet wurde.

Es kommt daneben nach Auffassung des Gerichts nicht darauf an, dass die Anrechnung durch den Beklagten erst aufgrund des Telefonates mit dem vorherigen Steuerberater der Klägerin im Juli 2020 erfolgt ist. Der Wortlaut des § 233a Abs. 8 Satz 1 AO fordert lediglich, dass die Finanzbehörde die Leistung auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Maßgeblich ist danach die Tatsache der Anrechnung als solcher und nicht der Zeitpunkt der Anrechnung.

d) Letztlich wurde die freiwillige Zahlung der Eheleute nach Auffassung des Gerichts auch i.S.v. § 233a Abs. 8 Satz 1 AOauf die später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht.

aa) Das Tatbestandsmerkmal der Zahlungserbringung "auf die später wirksam gewordene Steuerfestsetzung" fordert nach dem Sinn und Zweck der nunmehr kodifizierten Regelung des obligatorischen Erlasses von Nachzahlungszinsen im Falle freiwilliger Leistungen nach Auffassung des Gerichts keine explizite Tilgungsbestimmung i.S.v. § 225 Abs. 1 AO. Vielmehr kommt es ausschließlich darauf an, dass die von der Finanzbehörde angenommene Leistung auch mit dem Willen des Leistenden auf die später wirksam gewordene Steuerfestsetzung angerechnet wird. Der Leistende muss also tatsächlich mit der Anrechnung seiner Leistung auf die später wirksam gewordene Steuerfestsetzung einverstanden gewesen sein. Soweit nämlich die Finanzbehörde eine freiwillige Zahlung des Steuerpflichtigen auf noch durchzuführende Steuerfestsetzungen erhält und diese auf Rechnung des Steuerpflichtigen in Verwahrung nimmt, ohne sie einem anderweitigen bestehenden Zahlungsrückstand des Steuerpflichtigen zuzuordnen oder aber an ihn zurück zu überweisen, besteht insoweit keine Rechtfertigung für die Erhebung von Nachzahlungszinsen, als die freiwillige Leistung ab deren Eingang tatsächlich für die später wirksam gewordene Steuerfestsetzung hätte verbucht werden können, dies jedoch mangels abgeschlossener endgültiger Steuerberechnungen noch nicht erfolgt ist. Faktisch hat die Finanzbehörde den ihr zustehenden Steuerbetrag im Zeitpunkt des Leistungseingangs erhalten und diesen auch nicht wieder ausgekehrt. Ein bei dem Leistenden abzuschöpfender Zins- oder Liquiditätsvorteil einerseits sowie ein Zins- oder Liquiditätsnachteil der Finanzbehörde andererseits existieren nicht. Nachzahlungszinsen sind im Falle der Annahme der freiwilligen Zahlungen danach nur für den Zeitraum bis zum Eingang dieser freiwilligen Zahlungen zu erheben (ebenso Kögel in Gosch, AO/FGO, 183. EL Mai 2024, § 233a AO, Rn. 164; Pahlke in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, Stand 26. Mai 2023, § 233a AO, Rn. 138).

bb) Auch zur bisherigen Rechtslage vor Einführung des § 233a Abs. 8 Satz 1 AO vertrat der BFH in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass im Falle einer freiwilligen Zahlung, die nach dem Beginn des Zinslaufs (Ablauf der Karenzzeit) erbracht und von der Finanzbehörde angenommen wurde, Nachzahlungszinsen grundsätzlich nur für den Zeitraum bis zum Eingang der freiwilligen Leistung zu erheben und im Übrigen aus Billigkeitsgründen zu erlassen sind (vgl. nur BFH, Urteil vom 31. Mai 2017 I R 92/15, BStBl. II 2019, 14 m.w.N.). Gleiches muss erst recht nach Kodifizierung des Erlasses von Nachzahlungszinsen in § 233a Abs. 8 Satz 1 AO gelten.

cc) Unabhängig davon, ob die der Nacherklärung beigefügte Mehrsteuerberechnung die von den Eheleuten seinerzeit angestrebte Verbuchung der freiwilligen Zahlung abschließend darstellen sollte, ist zu berücksichtigen, dass die Eheleute in ihrem Schriftsatz vom 25. Juli 2014 ausdrücklich erklärt haben, die zu erwartende Nachzahlung vor dem Hintergrund des gewünschten Abbruchs des weiteren Zinslaufs i.S.v. § 233a AO zeitnah begleichen zu wollen. Hieraus ist zu folgern, dass es den Eheleuten im Zeitpunkt der freiwilligen Zahlung zumindest auch auf die möglichst umfassende Begrenzung des Entstehens weitergehender Nachzahlungszinsen i.S.d. § 233a AO ankam. Dies folgt ferner daraus, dass die Eheleute mit ihrer Mehrsteuerberechnung nur die von ihnen erwarteten Mehrsteuern bezeichnet haben. Gleichwohl war den Eheleuten im Zahlungszeitpunkt bewusst, dass sich der konkrete Umfang der tatsächlich anfallenden Mehrsteuern erst nach abschließender Steuerfestsetzung durch den Beklagten ergeben werde. Es ist damit anzunehmen, dass bei Zahlung des Betrages von 1.280.000 EUR die Absicht der Eheleute bestand, diese Zahlung auf die später wirksam werdende Steuerfestsetzung vollumfänglich leisten zu wollen. Es kann schließlich nicht der Klägerin zur Last gelegt werden, dass der Beklagte die überschießende Zahlung von 392.997,83 EUR unter der Abgabeart 0000, d.h. "ohne Bestimmung" verbucht und verwahrt hat, anstatt sie seinerzeit den Eheleuten zurück zu überweisen. Vielmehr hat der Beklagte selbst den überschießenden Betrag der Zahlung nicht zuletzt durch seinen Vermerk ("Verwahrung", vgl. Bl. 33 der Erlass-Akte) keiner konkreten Abgabeart zuordnen wollen, sondern diesen für Zwecke einer späteren, erst noch zu bestimmenden Verbuchung einbehalten.

e) Da § 233a Abs. 8 Satz 1 AO anordnet, dass Nachzahlungszinsen bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen zu erlassen sind, hat das Gericht auch nicht weiter über ein eventuell dem Beklagten zuzubilligendes Ermessen bei der Entscheidung über den Zinserlass zu befinden. § 233a Abs. 8 Satz 1 AO unterscheidet sich insoweit von § 227 AO. Demnach war die Verpflichtung des Beklagten zum Erlass der Zinsen auszusprechen. § 233a Abs. 8 Satz 1 AO stellt hierbei eine gesetzliche Erlassregelung sui generis dar. Dies folgt im Umkehrschluss auch aus § 233a Abs. 8 Satz 4 AO, wonach die §§ 163 und 227 AO unberührt bleiben (vgl. auch Pahlke in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, Stand 26. Mai 2023, § 233a AO, Rn. 135).

3. Hinsichtlich der Höhe des tenorierten, nach § 233a Abs. 8 Satz 1 AO durch den Beklagten auszusprechenden weitergehenden Zinserlasses wird auf die diesem Urteil als Anlage beigefügte Tabelle verwiesen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

V. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen, da eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist. Soweit ersichtlich, existiert bisher keine finanzgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage, wie die Tatbestandsmerkmale des § 233a Abs. 8 Satz 1 AO auszulegen sind.