Amtsgericht Osnabrück
Urt. v. 21.06.2001, Az.: 42 C 49/01
Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückführung von aus der Insolvenzmasse abgeführten Beträgen; Benachteiligung der übrigen Insolvenzgläubiger durch Begleichung einer Forderung; Vorliegen einer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit
Bibliographie
- Gericht
- AG Osnabrück
- Datum
- 21.06.2001
- Aktenzeichen
- 42 C 49/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 29247
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGOSNAB:2001:0621.42C49.01.0A
Rechtsgrundlagen
- § 143 Abs. 1 InsO
- § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO
Fundstellen
- KTS 2002, 593-595
- NWB 2002, 2582
- NWB 2002, 868
- ZInsO 2001, 1021-1022 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Osnabrück
auf die mündliche Verhandlung vom 31.05.2001
durch
den Richter am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.605,00 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatz-Überleitungsgesetz seit dem 01.02.2001 zahlen.
- 2.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 DM vorläufig voll streckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist auf Grund Beschlusses des Amtsgerichts Osnabrück vom 30.07.1999 Insolvenzverwalterin über das Vermögen der.... Der Beklagte war für die Gemeinschuldnerin, die Komplementär-GmbH und deren Geschäftsführer steuerberatend tätig geworden. Aus dieser Tätigkeit resultierende Vergütungsansprüche des Beklagten hat der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH durch am 17.05., 20.05. bzw. 21.05.1999 ausgeführte Überweisungen in Höhe von insgesamt 7.605,00 DM beglichen. Am 20.05.1999 stellte der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Die angesprochenen Überweisungen an den Beklagten hat die Klägerin angefochten und den Beklagten zur Rückzahlung der überwiesenen Beträge aufgefordert. Sie behauptet, der Beklagte, der dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ausdrücklich zur Stellung des Eigenantrages geraten habe, habe gewusst, dass die Gemeinschuldnerin zahlungsunfähig gewesen sei, als die hier in Rede stehenden Überweisungen ausgeführt worden seien. Durch die angefochtenen Zahlungen seien die Insolvenzgläubiger benachteiligt worden, weil sie aus dem Vermögen der Gemeinschuldnerin erfolgt seien.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 7.605,00 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatz-Überleitungsgesetz seit dem 01.02.2001 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, die Gemeinschuldnerin sei zum Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Zahlungen gar nicht zahlungsunfähig gewesen. Zumindest habe er von dieser Zahlungsunfähigkeit nichts gewusst. Er habe dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Gemeinschuldnerin zur Stellung des Insolvenzantrages erst geraten, nachdem ein Wechsel der KG durch die Sparkasse nicht bezahlt worden sei. Dies sei am 20.05.1999 gewesen. Von den zu diesem Zeitpunkt bereits getätigten hier in Rede stehenden Überweisungen habe er aber nichts gewusst.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akte 28 IN 34/99 des Amtsgerichts Osnabrück war zu Beweiszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung von 7.605,00 DM.
Der Zahlungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 143 Abs. 1 Insolvenzordnung. Der Beklagte hat aus dem Vermögen der Gemeinschuldnerin 7.605,00 DM durch eine anfechtbare Handlung erhalten und muss diesen Betrag daher zur Insolvenzmasse zurückgewähren.
Durch die vom Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Gemeinschuldnerin vorgenommenen Überweisungen an den Beklagten in Höhe von insgesamt 7.605,00 DM sind die übrigen Insolvenzgläubiger benachteiligt worden, so dass die Klägerin als Insolvenzverwalterin gemäß § 129 Insolvenzordnung anfechtungsberechtigt war. Die Benachteili-gung der übrigen Insolvenzgläubiger ergibt sich schon aus der Tatsache, dass ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigungen der Sparkasse ... vom 29.03.2001 bzw. der Volksbank ... vom 05.04.2001 es sich bei den Konten, von denen die Beträge überwiesen sind, jeweils um Geschäftskonten der Gemeinschuldnerin handelte, so dass durch diese Zahlungen die Insolvenzmasse zum Nachteil der übrigen Insolvenzgläubiger verkürzt worden ist.
Die Überweisungen, die zu Gunsten des Beklagten mit Wertstellung vom 20.05.1999 in Höhe von 5.787,64 DM sowie mit Wertstellung vom 21.05,1999 in Höhe von 902,08 DM ausgeführt worden sind, sind gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 Insolvenzordnung anfechtbar. Der Beklagte als Insolvenzgläubiger hat dadurch eine Befriedigung bezüglich seiner Vergütungsforderungen erhalten.
Die Überweisung ist nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden. Der Zeitpunkt der Vornahme der jeweiligen Rechtshandlung bestimmt sich nach § 140 Insolvenzordnung (vgl. Eickmann u.a.: Insolvenzordnung, 2. Aufl., § 130 Rdnr. 16). Nach § 140 Insolvenzordnung gilt eine Rechtshandlung als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Dies bedeutet, dass eine bargeldlose Überweisung, wie sie hier stattgefunden hat, erst mit Gutschrift auf dem Empfängerkonto vorgenommen ist(vgl. Kübler/Prütting: Insolvenzordnung, § 140 Rdnr. 4 mit weiteren Nachweisen). Da die hier erörterten Überweisungen am selben Tag vom Konto der Gemeinschuldnerin abgebucht wurden, an dem auch der Geschäftsführer den Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellte bzw. am Tag danach, kann die Gutschrift auf dem Konto des Beklagten erst nach Antragstellung erfolgt sein, so dass die betreffenden Rechtshandlungen im Sinne der § 130,140 Insolvenzordnung auch erst nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden sind.
Die Gemeinschuldnerin war zu dem Zeitpunkt, als die erörterten Überweisungen ausgeführt wurden, zahlungsunfähig. Dies folgt aus dem, von der Klägerin im Verfahren 38 IN 34/99 des Amtsgerichts Osnabrück erstatteten Gutachten. Danach hat nämlich die Gemeinschuldnerin die Zahlungen, die im Zusammenhang mit Lieferanten im weitesten Sinne standen, bereits seit geraumer Zeit vor Antragstellung eingestellt, konnte also ihre fälligen Schulden nicht mehr aus bereiten Mitteln tilgen.
Der Beklagte hat auch zum Zeitpunkt der Vornehme, der Rechtshandlung, also zum Zeitpunkt der Gutschrift der Zahlungen auf seinem Konto, die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin gekannt. Er hat nach seinem eigenen Vortrag dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Gemeinschuldnerin am 20.05.1999 mit der Begründung, wenn er zahlungsunfähig sei, müsse er Insolvenzantrag stellen, zur Antragstellung geraten. Anlass für diesen Ratschlag war nach Darstellung des Beklagten ein geplatzter Wechsel in Höhe von 40.000,00 DM. Die Tatsache, dass der Beklagte dieses Ereignis zum Anlass nahm, zur Stellung eines Insolvenzantrages zu raten, belegt nach Auffassung des Ge-richts hinreichend, dass ihm über den geplatzten Wechsel hinaus hinreichende Tatsachen bekannt waren, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen ließen. Diese Kenntnis steht gemäß § 130 Abs. 2 Insolvenzordnung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gleich.
Der Einwand des Beklagten, er habe, als er dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin zur Antragstellung geraten habe, nicht gewusst, dass dieser die hier in Rede stehenden Überweisungen bereits getätigt habe, ist für die Entscheidung ohne Belang. Nicht die Kenntnis des Zahlungsempfängers von der Vornahme der Rechtshandlung sondern die - oben festgestellte - Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung ist Anfechtungsvoraussetzung.
Die Anfechtbarkeit der mit Wertstellung vom 17.05,1999 in Höhe von 915,28 DM zu Gun-sten des Beklagten veranlassten Überweisung ergibt sich aus § 130 Abs. 1 Nr. 2 Insolvenzordnung, sofern die Gutschrift beim Beklagten nach dem 20.05.1999 erfolgt ist. Für diesen Fall gelten auch für diese Überweisung die obigen Ausführungen. Erfolgte die Gutschrift vor dem 20.05.1999, so ergibt sich die Anfechtbarkeit aus § 130 Abs. 1 Nr. 1 Insolvenzordnung. Es handelt sich dann um eine in den letzten drei Monaten vor Antragstellung vorgenommene Rechtshandlung.
Die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin zum Zeitpunkt der Vornahme dieser Rechtshandlung ist oben festgestellt worden.
Auch zur Frage der Kenntnis des Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Ein Steuerberater, der am 20.05.1999 wegen eines geplatzten Wechsels zur Stellung eines Insolvenzantrages rät, hat auch schon ein oder zwei Tage vorher im Sinne des § 130 Abs. 2 Insolvenzordnung Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsun-fähigkeit schließen lassen. Jede andere Beurteilung wäre lebensfremd.
Den zugesprochenen Betrag hat der Beklagte gemäß §§ 284, 288 BGB seit dem 01.02.2001 mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen. Er wurde nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Klägerin unter Fristsetzung zum 31.01.2001 gemahnt, geriet also mit Ablauf dieses Tages in Verzug. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Voll-streckbarkeit aus § 709 ZPO