Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 20.05.2009, Az.: 4 U 50/08
Insolvenzverwalter hat einen Zahlungsanspruch aufgrund Insolvenzanfechtung bei Zahlung einer unentgeltlichen anfechtbaren Leistung aus einem Darlehensvertrag durch einen Insolvenzschuldner
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 20.05.2009
- Aktenzeichen
- 4 U 50/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 38115
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2009:0520.4U50.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 06.03.2008 - AZ: 16 O 2289/07
- nachfolgend
- BGH - 27.04.2010 - AZ: IX ZR 122/09
Rechtsgrundlage
- § 134 Abs. 1 InsO
Verfahrensgegenstand
Insolvenzanfechtung
In dem Rechtsstreit
... hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Mai 2009
unter Mitwirkung
der Richter am Oberlandesgericht ... und ... sowie
der Richterin am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 6. März 2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 16. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 Euro abzuwenden, sofern der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt nach erfolgter Insolvenzanfechtung von der Beklagten Zahlung von 11.115,24 Euro nebst Zinsen sowie Zahlung vorgerichtlicher nicht anrechenbarer anwaltlicher Kosten in Höhe von 361,90 Euro.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma H. H... GmbH. Deren Geschäftsführer, H... H..., erhielt im Oktober 2004 von der Beklagten ein Darlehen in Höhe von 50.000,00 Euro. Diesen Betrag stellte er, der auch selbst Steuerschulden hatte, dem zuständigen Einziehungsbeamten des Finanzamts zur Verfügung, der sodann damit Steuerschulden der Ehefrau, H... H..., beglich. Acht von zehn Raten zu jeweils 5.000,00 Euro nebst Zinsen zahlte die - später ebenfalls insolvente - Ehefrau zurück. Eine Rate (5. Darlehensrate) über 5.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 150,00 Euro zahlte die Insolvenzschuldnerin am 17. März 2005 an die Beklagte. Eine weitere Rate über 5.000,00 Euro (9. Darlehensrate) nebst Zinsen in Höhe von 50,00 Euro wurde am 29. Juli 2005 durch Verrechnung gegenseitiger Ansprüche geleistet. Die Insolvenzschuldnerin hatte eine Forderung gegen die Beklagte in Höhe von 52.200,00 Euro. Die Beklagte zahlte nach Abzug der neunten Darlehensrate und der Zinsen lediglich 47.150,00 Euro an die Insolvenzschuldnerin.
Der Kläger betrachtet die Zahlung bzw. Verrechnung der vorgenannten Raten und Zinsen als unentgeltliche Leistungen im Sinne des§ 134 InsO, weil die GmbH aus dem Darlehen keinen Vorteil erlangt habe. Abgesehen davon sei die Ehefrau des Darlehensnehmers im Zeitpunkt der Rückzahlung zahlungsunfähig gewesen, so dass die Beklagte nicht auf einen pfändbaren Bereicherungsanspruch hätte zugreifen können.
In dem Verfahren 16 O 2706/06 Landgericht Oldenburg hatte der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Ehefrau des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 41.158,33 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. Juni 2006 und 653,10 Euro vorgerichtliche Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Juli 2006 verlangt. Dieser Klage hatte das Landgericht seinerzeit durch Urteil vom 29. März 2007 stattgegeben. Der Senat (4 U 46/07) hatte sie auf die Berufung der Beklagten am 12. Dezember 2007 jedoch abgewiesen unter Hinweis darauf, dass die Schuldnerin keine unentgeltliche Leistung erbracht habe. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (IX ZR 9/08) eingelegt, über welche noch nicht befunden worden ist.
Der Kläger hat beantragt,
- 1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.115,24 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Februar 2006 zu zahlen und
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 361,90 Euro vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Mai 2007 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat es für maßgeblich erachtet, ob der Darlehensnehmer (hier: Ehemann H... H...) die Raten bei Fälligkeit hätte aufbringen können. Das habe er über seine Ehefrau tun können.
Der Einzelrichter der 16. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg hat der Klage durch Urteil vom 6. März 2008 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin die Darlehensraten aus eigenen Mitteln nicht habe aufbringen können, über ein monatliches Bruttoeinkommen von rund 2.000,00 Euro verfügt und Schulden in einer Größenordnung von etwa 400.000,00 Euro gehabt habe. In das Vermögen des Geschäftsführers sei allerdings ein Bereicherungsanspruch gegen seine Ehefrau in Höhe der Darlehenssumme gefallen, weil er damit deren Steuerschulden getilgt habe. Auf diesen Anspruch hätte die Beklagte aber nur zugreifen können, wenn er - notfalls im Wege der Zwangsvollstreckung - durchsetzbar gewesen sei. Das sei aber nicht der Fall, weil die Ehefrau zahlungsunfähig gewesen sei, als die beiden Raten fällig geworden seien. Das ergebe sich aus den von dem Kläger vorgetragenen Liquiditätslücken in Höhe von mehr als 400.000,00 Euro und dem sei die Beklagte auch nicht entgegengetreten. Gegen eine Zahlungsfähigkeit sprächen nicht die tatsächlich erbrachten Ratenzahlungen. Die Forderung der Beklagten werde nicht deshalb werthaltig, weil ein Dritter sie erfülle. Ansonsten wäre der Gläubiger in solchen Fällen nicht einer Insolvenzanfechtung ausgesetzt. Eine Forderung gegen einen zahlungsunfähigen Schuldner werde deshalb nicht wertvoller, weil dieser seinerseits eine Forderung gegen einen zahlungsfähigen Dritten habe, und sie werde es erst recht nicht, wenn der Schuldner nicht einmal einen Anspruch gegen einen Dritten habe, sondern nur in der Lage sei, über sein Vermögen zu verfügen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten sowie rechtzeitig begründeten Berufung, mit welcher sie unter Änderung des angefochtenen Urteils die Abweisung der Klage nach Maßgabe ihrer Begründung weiter verfolgt.
Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend:
Die Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners oder des leistenden Dritten sei unerheblich. Maßgeblich sei vielmehr allein, dass der Schuldner H... H... tatsächlich in der Lage gewesen sei, im Hinblick auf den ihm zustehenden Bereicherungsanspruch gegen seine Frau die fraglichen Raten aus deren Vermögen aufzubringen und daraus das ihm gewährte Darlehen zurückzuführen. Hätten aus dem Vermögen der H... H... die 6., 7., 8. und 10. Darlehensrate aufgebracht werden können, so sei davon auszugehen, dass sie die hier maßgeblichen Raten Nr. 5 und 9 auch gezahlt hätte, wenn sie nicht bereits aus der ihr gehörenden GmbH, deren Insolvenzverwalter der Kläger sei, ausgebracht bzw. im Wege der Verrechnung gezahlt worden wären.
Die Forderung sei auch werthaltig gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei für die Werthaltigkeit der Forderung gegen den Insolvenzschuldner allein der Zeitpunkt der Leistung durch den Dritten maßgeblich. Zu den hier maßgeblichen Zeitpunkten habe es jedoch noch gar kein eröffnetes Insolvenzverfahren und damit auch kein Anfechtungsrecht gegeben, welches ein solches eröffnetes Verfahren voraussetze. Hier habe der Schuldner H... H... im Zeitpunkt der Bezahlung der hier maßgeblichen Raten einen entsprechenden Bereicherungsanspruch, welchen er gehabt habe, tatsächlich realisiert. Das sei allein entscheidend.
Das Landgericht habe schließlich nicht ihren Vortrag gemäß Ziffer 3 des Schriftsatzes vom 11. Februar 2008 berücksichtigt, in welchem sie ausgeführt habe, dass anlässlich der Darlehenshingabe mit H... H..., welcher auch gleichzeitig Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin gewesen sei, ausdrücklich besprochen worden sei, dass sie, die Beklagte, befugt gewesen sei, gegen jeden Stauereibetrieb der H... H..., also auch die H. H... GmbH, die vereinbarten Raten aufzurechnen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 6. März 2008 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung. Den Vortrag der Beklagten nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 11. Februar 2008 zu Ziffer 3 habe das Landgericht keinesfalls übergangen. Dieser Vortrag sei ihr nicht nachgelassen worden. Er werde auch bestritten. Ein Aufrechnungsrecht sei zwischen dem Darlehensnehmer H... H... und der Beklagten nicht vereinbart worden.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
Der Einzelrichter hat der Klage zu Recht stattgegeben; denn die Insolvenzschuldnerin hat dadurch, dass sie Schulden ihres Geschäftsführers aus einem Darlehensvertrag mit der Beklagten beglichen hat, eine unentgeltliche und nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbare Leistung an die Beklagte erbracht.
Im "Zwei-Personen-Verhältnis" ist eine Vergütung als unentgeltlich anzusehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenübersteht, dem Verfügenden also keine - dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende - Gegenleistung zufließen soll (vgl. BGHZ 113, 98, 101; 141, 96, 99 f).
Wird jedoch - wie hier - eine dritte Person in den Zuwendungs- oder Gegenleistungsvorgang eingeschaltet, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Insolvenzschuldner selbst einen Ausgleich für seine Verfügung erhalten hat. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Empfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hatte. Dies entspricht der in § 134 InsO zum Ausdruck kommenden Wertung, dass der Empfänger einer Leistung dann einen geringeren Schutz verdient, wenn er keine ausgleichende Gegenleistung zu erbringen hat (BGH 41, 298, 302; BGHZ 141, 96, 99 f). Die Gegenleistung des Empfängers, dessen gegen einen Dritten gerichtete Forderung bezahlt wird, liegt in der Regel darin, dass er mit der Leistung eine werthaltige Forderung gegen seinen Schuldner verliert. Grundsätzlich ist deshalb nicht der Leistungsempfänger, sondern dessen Schuldner der richtige Beklagte für eine Anfechtung wegen unentgeltlicher Zuwendung (BGHZ 141, 298, 302; BGH NJW 1983, 1679 [BGH 15.12.1982 - VIII ZR 264/81] f).
Das gilt aber nicht, wenn die Forderung des Zuwendungsempfängers gegenüber seinem Schuldner wertlos war. So liegen die Dinge hier.
Der Schuldner H... H... war seinerzeit nicht in der Lage, die geschuldeten Raten an die Beklagte zurückzuzahlen. Unstreitig verfügte er lediglich über ein monatliches Bruttoeinkommen von rund 2.000,00 Euro und hatte er Schulden in einer Größenordnung von etwa 400.000,00 Euro.
Zwar hatte H... H..., der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin war, einen Bereicherungsanspruch gegen seine Ehefrau H... in Höhe der Darlehenssumme, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, wobei es sich um einen solchen gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative BGB handelte. Er hatte Steuerschulden seiner Ehefrau getilgt. Auf diesen Anspruch konnte die Beklagte aber nicht zugreifen, weil er nicht - auch nicht im Wege der Zwangsvollstreckung - durchsetzbar gewesen ist. Denn die Ehefrau H... H... war, wie zwischen den Parteien ebenfalls unstreitig ist, zahlungsunfähig. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Fall 4 U 46/07 = 16 O 2706/06 Landgericht Oldenburg, in welchem der Senat in seinem Urteil vom 12. Dezember 2007 eine entgeltliche Leistung der Beklagten angenommen hatte.
Dass H... H... tatsächlich in der Lage war, die streitige Rate zu zahlen bzw. die Verrechnung zu gestatten, ist nicht entscheidend, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.
Dass die Beklagte einen Anspruch auf die Zuwendung der Insolvenzschuldnerin, vertreten durch deren Geschäftsführer H... H..., gehabt hat, kann auch nicht angenommen werden, auch nicht in Ansehung der Verrechnung.
Soweit die Beklagte nach Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug und sodann erneut im Berufungsrechtszug darauf verweist, dass mit der Insolvenzschuldnerin die Verrechnung vereinbart worden sei, ist dieses Vorbringen verspätet (§ 531 ZPO) und kann schon deshalb nicht berücksichtigt werden.
Entgegen der Darstellung der Beklagten war ihr Vorbringen nach Maßgabe von Ziffer 3 ihres Schriftsatzes vom 11. Februar 2008 nicht zu berücksichtigen, weil ihr insoweit ein Schriftsatznachlass nicht gewährt worden war, wie der Kläger zutreffend ausgeführt hat.
Nach alldem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Senat hat gemäß § 543 ZPO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der insolvenzrechtlichen Fragen die Revision zugelassen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.