Amtsgericht Winsen (Luhe)
Urt. v. 22.03.2000, Az.: 22 C 1266/98

Anspruch auf Zustimmung zur Teilaufhebung der Kabelfernsehgemeinschaft; Möglichkeit der Teilaufhebung der Bruchteilsgemeinschaft; Beachtung der Voraussetzungen des § 753 BGB; Möglichkeit der Veräußerlichkeit der Gemeinschaftssache; Ringleitung als ein "Werk" i. S. v. § 95 Abs. 1 S. 2 BGB; Ringleitung als ein Grundstücksbestandteil i. S. v. § 94 BGB

Bibliographie

Gericht
AG Winsen (Luhe)
Datum
22.03.2000
Aktenzeichen
22 C 1266/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 23463
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGWINSN:2000:0322.22C1266.98.0A

Fundstelle

  • NZM 2000, 717-719

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    In besonderen Ausnahmefällen kann es sich ergeben, dass einem einzelnen Teilhaber statt der gesamten Aufhebung der Gemeinschaft eine Teilaufhebung zusteht, wenn dies im Interesse der übrigen Teilhaber liegt, die die Gemeinschaft auch ohne denen die Aufhebung begehrenden Teilhaber fortführen wollen und einen Verkauf der Gemeinschaftssache die Gemeinschaft wesentlich härter treffen würde, als dass im Allgemeinen der Fall ist.

  2. 2.

    Zu beachten sind jedoch die Voraussetzungen des § 753 BGB, der die Veräußerlichkeit der Gemeinschaftssache voraussetzt.

  3. 3.

    Eine Kabelfernsehanlage als Gesamtsache ist nicht veräußerbar. Daraus resultiert, dass die Gemeinschaft nicht aufhebbar ist.

In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Winsen/Luhe
im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO
durch
die Richterin am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren mit der Klage die Teilaufhebung einer Kabelfernsehgemeinschaft.

2

Die Kläger erwarben das Grundstück vor der Heide 20 (eingetragen im Grundbuch von Emmerndorf, Blatt 380). Mit diesem Kaufvertrag übernahmen die Kläger unter anderem sämtliche dauernden Auflagen und Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag vom 27. Oktober 1971, Urkunde-Nr. 2608/1971 des Notars ... In § 7 letzter Absatz dieses Vertrages heißt es:

"Falls für das Bauvorhaben "Emmerndorf" eine Gemeinschaftsantenne errichtet wird, verpflichtet sich der Käufer die erforderlichen Grunddienstbarkeiten auf seinem Grundstück eintragen zu lassen. Ferner sind die Folgekosten ebenfalls vom Käufer anteilig zu übernehmen."

3

Ursprünglich bestand für die Häuser ... eine Gemeinschaftsantenne. Diese Antenne war auf dem Heizhaus angebracht, das nicht im Eigentum der Anwohner steht. Die Gemeinschaftsantenne wurde im Frühjahr 1998 durch die Einspeisung von Kabelfernsehen der Telekom in die bereits vorhandene Ringleitung ersetzt.

4

Mit Vertrag vom 17.09.1987 (Anlage K 4 Bl. 17 d. A.) schlossen sich die Eigentümer der 56 Grundstücke zu einer Kabelfernsehgemeinschaft Emmerndorf zusammen. Gemäß Ziffer 4 der Vereinbarung wurde für die Kabelfernsehgemeinschaft ein Bankkonto eingerichtet, von dem aus die Anschlusskosten und die Kabelfernsehgebühren beglichen werden. Die Kläger erteilten der Kabelfernsehgemeinschaft, vertreten durch ihre jeweiligen Bevollmächtigten, Abbuchungsermächtigungen für die Kabelfernsehgebühren. In Ziffer 5 dieser Vereinbarung verpflichteten sich die Kläger, bei jeder Weiterveräußerung des Grundstückes auf den Rechtsnachfolger alle Rechte und Pflichten aus dem Kabelfernsehgemeinschaftsvertrag mit zu übertragen.

5

Gemäß Protokoll der Jahreshauptversammlung der Interessengemeinschaft Wohnanlage Emmelndorf e. V. vom 25.03.1997 (Anlage B 1 Bl. 142-143 d. A.) wurde die "Kabelfernsehgemeinschaft" in "Inkassogemeinschaft für Kabelfernsehgebühren" umbenannt. Außerdem wurde in dem Protokoll zu Ziffer 9 festgehalten, dass aufgrund der damaligen Kaufverträge die Ringleitung in der Siedlung für das Kabelfernsehen Eigentum aller Hausbesitzer ist und niemand aus den sich daraus ergebenden Pflichten entlassen werden kann.

6

In den Grundbüchern der Eigentümer ist jeweils eine Grunddienstbarkeit (Leitungsrecht für Heizungs-, Warmwasser- und Fernsehantennenleitung) im September 1974 eingetragen worden.

7

Aus der Inkassogemeinschaft sind die Kläger bereits ausgeschieden.

8

Die Kläger wollen wegen zahlreicher Unzulänglichkeiten der Anlage und der unbefriedigenden Qualität der Bilder aus der Gemeinschaft gemäß § 741 BGB ausscheiden. Dies teilten die Kläger mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 21.03.1997 den Eigentümern der Grundstücke, die in den Grundbüchern von Emmelndorf unter Blatt 375 bis 431 verzeichnet sind, mit. Insoweit wird auf Blatt 18-20 der Akten Bezug genommen. Gleichzeitig übersandte der Prozessbevollmächtigte der Kläger den übrigen Eigentümern einen Entwurf über eine Teilaufhebungsvereinbarung. Lediglich zwei Eigentümer stimmten der Teilaufhebung zu. Von den meisten Eigentümern wurde der Abschluss der Teilaufhebungsvereinbarung abgelehnt, von anderen Eigentümern erfolgte keine Reaktion.

9

Die Kläger vertreten die Auffassung, sie könnten gemäß § 749 Abs. 1 BGB jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen.

10

Die Kläger beantragen,

die Beklagten zu verurteilen, der Teilaufhebung der Gemeinschaft gemäß § 741 BGB an der Kabelfernsehanlage für die im Grundbuch des Amtsgerichts Winsen (Luhe) für Emmelndorf eingetragenen Grundstücke Blatt 375 bis 431 in der Weise zuzustimmen, dass die Kläger aus der Gemeinschaft ausscheiden.

11

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

12

Die Beklagte zu 32.) stellte keinen Antrag.

13

Die Beklagten vertreten die Auffassung, dass die Gemeinschaft unaufhebbar sei. Dies ergebe sich aus der entsprechenden Anwendung des § 11 Abs. 1 WEG. Diese Norm sei auf die vorliegende Gemeinschaft entsprechend anzuwenden. Ebenso wie beim Wohnungseigentum hätten die jeweiligen Eigentümer der Wohnanlage Emmelndorf neben dem Eigentum an ihrem Grundstück Miteigentumsanteile an der Kabelfernsehanlage (§ 1 Abs. 2 WEG). Die Wohnanlage Emmelndorf sei rechtlich wie eine Wohnungseigentumsgemeinschaft "organisiert". Selbst wenn man § 11 Abs. 1 WEG nicht für anwendbar halten sollte, wäre die Aufhebung der Gemeinschaft ausgeschlossen. Dies folge bereits daraus, dass die Kabelfernsehanlage nicht veräußerlich sei. Ferner folge die Unauflösbarkeit der Gemeinschaft daraus, dass die Kläger sich zur Nutzung und Beteiligung an Folgekosten verpflichtet haben. Die festgelegte Benutzungspflicht sei als Ausschluss des Aufhebungsanspruches gemäß § 749 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen.

14

Im übrigen bestreiten die Beklagten, dass die Bildqualität seit 1995 durchgehend unzureichend gewesen sei.

15

Wegen des Vorbringens der Parteien im übrigen wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16

Die Klage ist unbegründet.

17

Den Klägern steht kein Anspruch auf Zustimmung zur Teilaufhebung der Kabelfernsehgemeinschaft gemäß §§ 741, 749, 753 BGB zu. Die Möglichkeit zur Teilaufhebung setzt voraus, dass überhaupt die Möglichkeit einer Teilaufhebung der Bruchteilsgemeinschaft besteht.

18

Grundsätzlich hat jeder Teilhaber einer Bruchteilsgemeinschaft gemäß § 749 I, II BGB einen Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft. Die Aufhebung hat entweder durch Teilung in Natur gemäß § 752 BGB und wenn dies nicht möglich ist, per Teilung durch Verkauf zu erfolgen. Eine Teilung in Natur scheitern im vorliegendem Falle an der Zerlegbarkeit der Kabelfernsehanlage in entsprechend viele reale Teile ohne, dass der wirtschaftliche Wert gemindert würde. Daraus folgt, dass im vorliegendem Falle nur eine Aufhebung oder Teilung durch Verkauf gemäß § 753 BGB in Betracht kommen könnte.

19

Wenn das Gesetz in §§ 749, 753 BGB von Aufhebung spricht, so ist damit eine vollständige Beendigung der Gemeinschaft gemeint. Einen Anspruch auf eine teilweise Aufhebung, wie sie die Kläger begehren, besteht in der Regel nicht (vgl. Palandt-Thomas § 749 Rdnr. 3). Eine teilweise Aufhebung ist aber dann denkbar und möglich, wenn sich alle Teilhaber dahingehend geeinigt haben. Dies ist im vorliegendem Falle nicht gegeben.

20

In besonderen Ausnahmefällen kann es sich aber dennoch ergeben, dass einem einzelnen Teilhaber statt der gesamten Aufhebung der Gemeinschaft eine Teilaufhebung zusteht, wenn dies im Interesse der übrigen Teilhaber liegt, die die Gemeinschaft auch ohne denen die Aufhebung begehrenden Teilhaber fortführen wollen und einen Verkauf der Gemeinschaftssache die Gemeinschaft wesentlich härter treffen würde, als dass im allgemeinen der Fall ist (BGH Z 58, 146, 147).

21

Im vorliegendem Falle ist das Interesse der Gemeinschaft auf Fortführung zu bejahen. Die restlichen Teilhaber der Gemeinschaft beziehen ihr Kabelfernsehen aus der Gemeinschaftsanlage und sind mit Leistungen dieser Anlage zufrieden. Ein möglicher Verkauf, falls dieses überhaupt möglich ist, hätte dann zur Folge, dass alle Teilhaber einen Einzelanschluss für das Kabelfernsehen legen lassen müssten, um den jetzigen Fernsehstandard wiederherzustellen. Dies würde die Teilhaber stark treffen, insbesondere in finanzieller Hinsicht. Es ist also im Interesse der Gemeinschaft, dass diese erhalten bleibt für den Fall des Ausscheidens eines Teilhabers.

22

Tatsächlich greift ein möglicherweise gegebener Teilaufhebunganspruch im vorliegendem Falle jedoch nicht durch, da die Voraussetzungen des § 753 BGB zu beachten sind.

23

§ 753 BGB setzt die Veräußerlichkeit der Gemeinschaftssache voraus. Ist die Sache nicht zum Verkauf geeignet, so scheidet § 753 BGB aus und somit auch der Anspruch auf Teilaufhebung.

24

Die Kabelfernsehanlage besteht aus den Verstärkern und die Anschlüsse, die am Heizhaus und in den diversen Häusern montiert sind sowie aus der unter den Grundstücken der Kläger und der Beklagten für den Fernsehanschluss verlegten Ringleitung (Bl. 186 d. A.).

25

Entgegen der Auffassung der Kläger befindet sich die Ringleitung nicht im Alleineigentum der jeweiligen Grundstückseigentümer. Bei der Ringleitung handelt es sich nicht um ein Grundstücksbestandteil nach § 94 Abs. 1 BGB. Dazu müsste die Ringleitung mit dem Boden fest verbunden sein. Eine feste Verbindung ist gegeben, wenn die Trennung der Sache vom Grundstück Schwierigkeiten bereitet und erhebliche Kosten zur Trennung aufgebracht werden müssen. Die Ringleitung ist zwar unterirdisch verlegt. Das Entfernen der Leitung auf den jeweiligen Grundstücken hätte ein Aufgraben der Grundstücke zur Folge. Dadurch würde das jeweilige Grundstück beschädigt. Ferner würden die Erdarbeiten einen nicht unerheblichen Kostenfaktor darstellen. Grundsätzlich ist von einer festen Verbindung nach § 94 BGB auszugehen. Dem Vorliegen einer Eigenschaft des Grundstücksbestandteiles steht hier jedoch § 95 Abs. 1 S. 2 BGB entgegen. Danach wird die Bestandteilseigenschaft verneint bei solchen Sachen, die in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück mit diesem verbunden worden sind. Bei der Ringleitung handelt es sich um ein "Werk" im Sinne von § 95 Abs. 1 S. 2 BGB. Als weitere Voraussetzung muss die Verbindung der Ringleitung mit dem Grundstück der jeweiligen Eigentümer in Ausübung eines Rechts am Grundstück erfolgt sein. Als solche Rechte kommen vor allem die dinglichen Nutzungsrechte in Betracht. Im vorliegendem Falle kommt das dingliche Nutzungsrecht in Gestalt der Grunddienstbarkeit in Betracht, da in den Grundbüchern der jeweiligen Grundstückseigentümer Grunddienstbarkeiten für die Fernsehleitung in Form der hier auftretenden Ringleitung für die übrigen Grundeigentümer der Siedlung Emmelndorf eingetragen sind. Aufgrund dieser Grunddienstbarkeiten ist die Verbindung der Ringleitung mit dem Grundstück erfolgt. Ferner wird die Grunddienstbarkeit durch die Verbindung der Ringleitung mit dem Grundstück ausgeübt von den jeweils per Grundbucheintragung Berechtigten. Nach der Grundbucheintragung sind die übrigen Grundeigentümer der Siedlung Emmelndorf bei dem jeweiligen Grundstückseigentümer als Berechtigte an der Leitung anzusehen. Damit ist jeder Grundstückseigentümer der Siedlung Emmelndorf Berechtigter an der Ringleitung. Daraus folgt, dass die Gemeinschaft der Grundstückseigentümer Miteigentümer zu Bruchteilen der Ringleitung ist. Folglich handelt es sich bei der Ringleitung nicht um einen Grundstücksbestandteil nach § 94 BGB. Damit sind die jeweiligen Grundstückseigentümer nicht Alleineigentümer des unter ihrem Grundstück befindlichen Ringleitungsstückes, sondern vielmehr hat die Gemeinschaft der Grundstückseigentümer Miteigentum zu Bruchteilen an dieser Ringleitung.

26

Dieses Ergebnis lässt sich auch aus dem Wesen einer Ringleitung begründen. Unter einer Ringleitung versteht man einen geschlossenen Leitungskreis von dem einzelne Anschlüsse in die Häuser der Grundstückseigentümer abgehen. Tritt nun an einer Stelle im Leitungssystem eine Störung auf, so kann trotzdem der Informationsfluss weiter durch die Leitung fließen und zwar deswegen, weil der Kreis geschlossen ist und von beiden Seiten bis zur gestörten Stelle die Informationen fließen können. Es wäre daher unbillig, wenn nur dem Eigentümer, unter dessen Grundstück die Leitung liegt, die Verpflichtung zur Reparatur und Kosten hierfür treffen würde, da alle Gemeinschaftsmitglieder an die Ringleitung angeschlossenen den Nutzen aus dieser Anlage ziehen. Aus diesem Grunde müssen sie auch gemeinsam einen eventellen Schaden tragen, unabhängig davon, unter welchem Grundstück der Schaden eingetreten ist.

27

Das Vorbringen der Kläger, es gehörten nur die Verstärker und die Anschlüsse zur der Kabelfernsehanlage kann auch deshalb nicht zutreffen, weil die Verstärker und die Anschlüsse ohne das Vorhandensein eines entsprechenden Leitungsnetzes nicht funktionsfähig sind und die gewünschte Versorgung mit Kabelfernsehen nicht erreicht werden würde.

28

Nach allem ist festzustellen, dass die Kabelfernsehanlage aus der Ringleitung, den Verstärkern und den Anschlüssen besteht. Die Kabelfernsehanlage als Gesamtsache ist jedoch nicht veräußerbar. Es dürfte nicht bzw. nur unter sehr aufwendigen Maßnahmen möglich sein, die Ringleitung als Ganzes aus dem Erdboden auszugraben und einen Einkäufer für die gesamte Anlage zu finden. Hinzu kommt, dass die Ringleitung möglicherweise dann gar nicht mehr funktionsfähig wäre. Alle diese Gründe sprechen gegen die Veräußerlichkeit der Kabelfernsehanlage als Ganzes. Daraus resultiert, dass die Gemeinschaft nicht aufhebbar ist. Dieses Ergebnis ist auch recht und billig, da es ein Grundsatz des Inhaltes, dass eine Gemeinschaft unter den Voraussetzungen des § 749 BGB irgendwie aufgehoben werden muss, nicht gibt.

29

Nach allem ist die Klage abzuweisen.

30

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

31

Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit erging nach §§ 708 Ziffer 11, 711, 713 ZPO.

Dotzauer-Meyer Richterin am Amtsgericht