Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 13.11.2001, Az.: 7 A 2560/00

Einbürgerung; Erwerb der Staatsbürgerschaft; notwendiger Lebensunterhalt; Verwaltungsgebühr

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
13.11.2001
Aktenzeichen
7 A 2560/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 39293
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG - 26.06.2002 - AZ: 4 LB 79/02

Tatbestand:

1

Der Kläger besaß ursprünglich eine ausländische Staatsangehörigkeit. Er bezog im hier entscheidungserheblichen Zeitraum von der seinerzeit zuständigen Landeshauptstadt Hannover laufende Hilfe zum Lebensunterhalt.

2

Der Kläger beantragte im Jahr 1997 bei der seinerzeit zuständigen Bezirksregierung H. seine Einbürgerung. Mit Bescheid vom 06.03.2000 entsprach die Bezirksregierung diesem Antrag, machte die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde jedoch von der Zahlung einer Gebühr in Höhe von 100 DM abhängig.

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Zwischenzeitlich ist der Kläger nach eigenen Angaben jedoch bereits eingebürgert worden.

4

Am 12.03.2000 beantragte der Kläger bei der Landeshauptstadt H. die Gewährung einer einmaligen Leistung, um die Verwaltungsgebühr bezahlen zu können.

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Mit Bescheid vom 17.04.2000 lehnte die Landeshauptstadt H. den Antrag des Klägers ab, weil die Einbürgerungsgebühr nicht zum notwendigen Lebensbedarf zähle.

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Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Landeshauptstadt H. mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2000, zugestellt am 20.05.2000, zurück.

7

Der Kläger hat am 30.05.2000 Klage erhoben.

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Er trägt vor: Die Einbürgerungsgebühr gehöre zum notwendigen Lebensunterhalt. Er, der Kläger, habe sich zwischenzeitlich das Geld geliehen, um den neuen Status erreichen zu können. Eine Gebührenbefreiung sei nicht möglich gewesen.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.04.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.05.2000 zu verpflichten, ihm eine einmalige Beihilfe in Höhe von 100,00 DM zu bewilligen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie erwidert: Die Einbürgerungsgebühren zählten nicht zum notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des § 12 BSHG. Auch habe sich der Kläger nicht um eine Gebührenbefreiung bemüht. Er habe außerdem die Möglichkeit der Ratenzahlung gehabt.

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Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.

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Weiterhin haben sich alle Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87 a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter.

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Außerdem ergeht im Einverständnis der Beteiligten die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO.

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine einmalige Leistung zwecks Erstattung der von ihm bezahlten Einbürgerungsgebühr.

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Zwar kann die Beklagte den Kläger nicht auf die Inanspruchnahme von Möglichkeiten zur Gebührenbefreiung verweisen. Der Kläger hat nach unbestrittenem Vortrag bereits 1997 einen Einbürgerungsantrag nach § 85 AuslG gestellt. Dafür spricht auch das Aktenzeichen des Bescheides der Bezirksregierung H. vom 06.03.2000. Damit ist die jetzt geltende Fassung des § 90 AuslG nicht anwendbar. Nach § 102 a AuslG gilt vielmehr weiterhin der § 90 AuslG in seiner vor dem 01.01.2000 geltenden Fassung. Danach betrug die Einbürgerungsgebühr jedoch generell 100 DM, ohne dass eine Möglichkeit zur Gebührenermäßigung oder gar -befreiung in dieser Vorschrift vorgesehen war.

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Gleichwohl kann die Klage keinen Erfolg haben.

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Zum einen hat der Kläger bereits, wie sich aus seiner Klageschrift vom 25.05.2000 ergibt, im Laufe des Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahrens, den Bedarf selbst gedeckt, so dass bei der abschließenden Entscheidung der Landeshauptstadt H. im Widerspruchsbescheid kein Bedarf mehr offen stand. Rückwirkend ist Sozialhilfe jedoch nicht zu gewähren. Denn grundsätzlich wird sie nicht zur Tilgung von Schulden gewährt.

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Das Nds. Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat zu der Frage von Leistungen der Sozialhilfe für einen bereits gedeckten Bedarf in seinem Urteil vom 31.08.2000 - 4 L 2236/00 - ausgeführt:

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"Sozialhilfe kann grundsätzlich nicht zur Behebung einer Notlage beansprucht werden, die im Zeitpunkt der beanspruchten Hilfeleistung, also der Entscheidung des Sozialhilfeträgers über den Sozialhilfeantrag, nicht mehr besteht. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe der Sozialhilfe, Schulden des Hilfesuchenden zu tilgen. Anderes gilt lediglich dann, wenn der Sozialhilfeträger nicht rechtzeitig leistet oder es dem Hilfesuchenden nicht zuzumuten ist, auf sich für ihn ergebende Möglichkeiten der Selbsthilfe oder auf die Inanspruchnahme der Hilfe Dritter zu verzichten, um die Hilfeleistung des Trägers der Sozialhilfe abzuwarten. Wer dagegen Schulden macht, um seinen sozialhilferechtlichen Bedarf zu decken und dies tut, bevor der Sozialhilfeträger auf die ihm bekannt gewordene Notlage reagieren kann und ohne dass die Notwendigkeit besteht, ihm "vorzugreifen", muss sich den Wegfall des Bedarfes entgegen halten lassen (BVerwG, Urt. v. 30.04.1992 - 5 C 12.87 -, BVerwGE 90, 154)."

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Dieser zutreffenden Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichtes hat sich das Gericht angeschlossen (siehe nur Urt. v. 14.03.2001 - 7 A 4979/00 -). Ein oben vom

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Oberverwaltungsgericht Lüneburg beschriebener Ausnahmefall, der eine Abweichung von diesem Grundsatz rechtfertigen könnte, ist bei dem Kläger nicht zu erkennen. Es ist bei einer Einbürgerung nicht unzumutbar, zumindest die letzte Verwaltungsentscheidung abzuwarten oder zuvor vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach § 123 VwGO in Anspruch zu nehmen..

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Zum anderen zählt die Pflicht zur Zahlung einer Verwaltungsgebühr weder zu den "besonderen Anlässen" im Sinne des § 21 Abs. 1 a Nr. 7 BSHG noch gehört sie überhaupt zum notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des § 12 BSHG. Es handelt sich insbesondere hierbei nicht um persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens.

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Nach der ständigen Rechtssprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts orientiert sich der Begriff des notwendigen Lebensunterhalts an dem in § 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG festgelegten Grundsatz, dass dem Hilfeempfänger die Führung eines der Menschenwürde entsprechenden Lebens ermöglicht werden soll. Dies ist nicht schon dann gewährleistet, wenn das physiologisch Notwendige vorhanden ist, es ist vielmehr zugleich auf die jeweiligen Lebensgewohnheiten und Erfahrungen der Bevölkerung, insbesondere der Bürger mit niedrigem Einkommen abzustellen (OVG Lüneburg, Urt. v. 31.01.1990

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- 4 A 128/88 -, FEVS 41, 185, 186, m.w.N.).

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Entgegen der Auffassung des Klägers im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 09.11.2001 ist eine Einbürgerung jedoch nicht zur Führung eines menschwürdigenden Lebens erforderlich. Es leben in der Bundesrepublik seit Jahren eine Vielzahl von Einwohnern, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und auch keine Bürger der Europäischen Union sind. Gleichwohl kann keine Rede davon sein, dass sie deshalb ein menschenunwürdigendes Leben in der Bundesrepublik führen müssen.

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Darüber hinaus hätte der Kläger auch die Möglichkeit gehabt, die Verwaltungsgebühr ratenweise zu zahlen. Dann aber wäre die Begleichung der Gebühr problemlos aus dem Regelsatz möglich gewesen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.