Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 03.12.2015, Az.: 1 Ws 309/15

Akteneinsicht an den Verfahrensbevollmächtigten des Verletzten trotz Aussage-gegen-Aussage-Konstellation

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
03.12.2015
Aktenzeichen
1 Ws 309/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 37430
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2015:1203.1WS309.15.0A

Fundstellen

  • NJW-Spezial 2016, 58
  • NStZ 2016, 629-631
  • StRR 2016, 2
  • StraFo 2016, 75-77
  • Streit 2017, 76-79

Amtlicher Leitsatz

1. Das Recht auf Einsicht in die Verfahrensakten kann dem Verletzten auch dann uneingeschränkt zustehen, wenn seine Angaben zum Kerngeschehen von der Einlassung des Angeklagten abweichen und eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation vorliegt.

2. Der Gefahr der Beeinträchtigung des Untersuchungszwecks (§ 406e Abs. 2 Satz 2 StPO - hier durch Erschweren der Beweiswürdigung) kann dadurch begegnet werden, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Verletzten zusichert, die Akten an den Verletzten nicht weiterzugeben.

Tenor:

Auf die Beschwerden der Staatsanwaltschaft G. und der Nebenklägerin wird die Verfügung des Vorsitzenden der 9. Großen Strafkammer vom 20. Oktober 2015 aufgehoben und dem Beistand der Nebenklägerin umfassende Akteneinsicht gewährt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin werden der Landeskasse auferlegt.

Gründe

I.

Dem Angeschuldigten wird mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft G. vom 11. August 2015 vorgeworfen, als Heranwachsender in Dransfeld am 17. März 2015 eine Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin begangen zu haben. Letztere hat am 21. August 2015 ihren Anschluss als Nebenklägerin erklärt und ihr Beistand Akteneinsicht beantragt. Die begehrte Akteneinsicht hat der Strafkammervorsitzende durch Entscheidung vom 20. Oktober 2015 insoweit gewährt, als es Band II der Akten mit Ausnahme von Blatt 39 und 39R betraf, und im Übrigen unter Hinweis auf die anderenfalls bestehende Gefahr für den Untersuchungszweck nach § 406e Abs. 2 S. 2 StPO abgelehnt. Hiergegen wenden sich sowohl die Nebenklägerin mit Beschwerdeschriftsatz ihres Beistandes vom 29. Oktober 2015 als auch die Staatsanwaltschaft mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2015, mit denen sie jeweils die Gewährung einer umfassenden Akteneinsicht an den Beistand der Nebenklägerin erstreben. Der Strafkammervorsitzende hat den Rechtsmitteln der beiden Vorgenannten nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur weiteren Entscheidung vorgelegt. Die Generalsstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 05. November 2015 beantragt, die angegriffene Entscheidung des Strafkammervorsitzenden aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch an diesen zurückzuverweisen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 406e Abs. 4 S. 4, 304 StPO - die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen abgeschlossen und Anklage erhoben - statthaft (vgl. hierzu auch OLG Naumburg, Beschluss vom 05. Februar 2010 - 1 Ws 44 und 45/10, juris, Rn. 7 ff.).

2. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Der Beistand der Nebenklägerin hat vorliegend gemäß § 406e Abs.1 StPO einen Anspruch auf umfassende Einsicht in die Verfahrensakten. Ein Versagungsgrund, insbesondere ein solcher nach § 406e Abs. 2 S. 2 StPO, besteht nicht. Nach dieser Vorschrift kann die Akteneinsicht des Berechtigten versagt werden, soweit der Untersuchungszweck gefährdet erscheint.

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm sind erfüllt. Der Untersuchungszweck im Sinne des gesetzlichen Versagungsgrundes des § 406e Abs. 2 S. 2 StPO, der sich als Erforschung der Wahrheit (mit den von der Strafprozessordnung zur Verfügung gestellten Mitteln) definieren lässt, ist gefährdet, wenn die Kenntnis des Verletzten vom Akteninhalt die Zuverlässigkeit und den Wahrheitsgehalt einer von ihm noch zu erwartenden Zeugenaussage beeinträchtigen könnte (vgl. Bt-Drs. 10/5305, S. 18). Dabei wird - wie der Wortlaut der Norm "erscheint" verdeutlicht - eine konkrete Gefahr für den Untersuchungszweck nicht vorausgesetzt.

Mit dem Vorsitzenden des Landgerichts und der von ihm zitierten Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg (NStZ 2015, 105 [OLG Hamburg 24.10.2014 - 1 Ws 110/14] und Beschluss vom 22. Juli 2015 - 1 Ws 88/15), geht auch der Senat im Ansatz davon aus, dass in Beweiskonstellationen, in denen die Tatschilderung des Verletzten und des Angeklagten - jedenfalls wenn es das Kerngeschehen betrifft - entscheidend voneinander abweichen, ohne dass ergänzend auf weitere unmittelbar tatbezogene Beweismittel (z.B. Zeugenaussagen über Geräusche oder Verletzungsbilder) zurückgegriffen werden kann, eine über seinen Beistand vermittelte (umfassende) Akteneinsicht des Verletzten in dem hier in Rede stehenden Verfahrensstadium eine Gefahr im dargestellten Sinn begründen kann, dass die gerichtliche Sachaufklärung beeinträchtigt wird. Kennt der Verletzte den Akteninhalt und damit auch seine im Laufe des Ermittlungsverfahrens gemachten Aussagen, wirkt sich dies auf die Bewertbarkeit seiner Aussagekonstanz aus. Damit ist dem Tatrichter, der nicht mehr ausschließen kann, dass eine im Vergleich der Angaben des Verletzten festgestellte Konstanz zuvorderst aus der Akteneinsicht resultiert, der Zugang zu einem wesentlichen Element der Aussageanalyse versperrt (vgl. Baumhöfener aaO.).

Die dargestellte besondere Beweiskonstellation ist hier gegeben. Die Nebenklägerin hat in ihren Vernehmungen gewaltsame, gegen ihren Willen durchgeführte sexuelle Handlungen des Angeschuldigten beschrieben, während dieser ein in Teilen abweichendes und vor allem einverständliches Geschehen geschildert hat. Weitere unmittelbar tatbezogene Beweismittel sind nach Aktenlage nicht vorhanden. Insbesondere bezieht sich der Chatverkehr zwischen der Nebenklägerin und dem Angeschuldigten, der bei der Auswertung des Mobiltelefons der Nebenklägerin sichergestellt werden konnte, nicht auf die angeklagte Tat als solche, sondern allein auf das Tatvorgeschehen.

b) Die Ausübung des damit auf der Rechtsfolgenseite eröffneten Ermessens führt hier jedoch weder zu einer vollständigen noch zu einer partiellen Versagung der begehrten Akteneinsicht. Der Senat ist dabei als Beschwerdegericht nicht darauf beschränkt, die angefochtene Entscheidung auf Ermessensfehler zu überprüfen, sondern trifft eine eigene Ermessensentscheidung (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 30. Dezember 2014 - III-1 Ws 518/14, juris, Rn. 13; Beschluss vom 09. Juli 2012 - III-3 RVs 41/12, juris, Rn. 9; OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.02.2000 - 1 Ws 13/00, juris, Rn. 7 zu § 6 Abs. Abs. 1 Nr. 2 StrEG; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Auflage 2015, § 309, Rn. 4 m.w.N.).

Einzustellen in die Ermessensentscheidung ist zum einen, dass mit dem Grundsatz der Wahrheitsermittlung als Ausfluss seiner Freiheitsrechte nach Art. 2 Abs. 2 S. 2, 20 Abs. 3 und 104 Abs. 1 GG ein sehr hohes Gut zugunsten des Angeschuldigten streitet. Demgegenüber stehen ein Informationsrecht des Verletzten sowie seine Rechte auf Fürsorge, Gleichbehandlung und Menschenwürde, wobei Letztere ebenfalls Verfassungsrang (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 S. 2, 3 Abs. 1, 20 Abs. 1, 103 Abs. 1 GG) genießen.

Der Grad der Gefährdung des Grundsatzes der Wahrheitsermittlung bei einer umfassenden Akteneinsicht der Nebenklägerin erscheint im vorliegenden Verfahren denkbar gering.

Dem OLG Hamburg ist sicherlich darin zuzustimmen, wenn es die Aussagekonstanz als ein für die Glaubhaftigkeitsprüfung wesentliches Realitätskriterium bezeichnet (vgl. NStZ 2015, 105). Die weitergehende Ansicht, ihm eine derart hohe Bedeutung beizumessen, dass eine zu besorgende Beeinträchtigung dieses Kriteriums in aller Regel wegen einer Reduzierung des gerichtliches Ermessens auf Null zu einer Versagung einer umfassenden Akteneinsicht des Verletzten führt, teilt der Senat jedoch nicht. Die inhaltliche Konstanz einer Aussage ist schon kein Wert an sich (Jochem Breu, StraFo 2015, 248 [OLG Hamburg 24.10.2014 - 1 Ws 110/14]). Auch in der vom OLG Hamburg zur Begründung seiner Auffassung herangezogenen Quelle in Arntzen, Psychologie der Zeugenaussage, 5. Auflage heißt es hierzu auf Seite 52 auszugsweise: "Man würde es sich zu einfach machen, wollte man den Satz aufstellen, die Konstanz einer Aussage spreche für ihre Glaubhaftigkeit, während die Inkonstanz ihre Unglaubhaftigkeit anzeigen würde. Mehr kommt es auf die Art der Konstanz und auf die Art der Inkonstanz an (relative Konstanz). Wie unsere Untersuchungen zeigen, kann gerade eine bestimmte Art von Inkonstanz ein Glaubhaftigkeitsmerkmal sein." Es bleibt dem Tatgericht also in keinem Fall erspart zu beurteilen, ob eine festgestellte Konstanz oder Inkonstanz ein Indiz eher für oder eher gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben ist. Ebenso erscheint die vom OLG Hamburg in seinem Beschluss vom 24. Oktober 2014 zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 28. Mai 2014 - 2 StR 70/14 nicht als geeigneter Beleg für die Richtigkeit seiner These. Denn der Bundesgerichtshof hebt darin nicht eines von mehreren Kriterien der Glaubhaftigkeitsbeurteilung im Allgemeinen heraus, sondern umgekehrt eine von mehreren Auslassungen im überprüften Urteil (vgl. Breu aaO.) Diese obergerichtliche Entscheidung enthält zudem keine Ausführungen dazu, dass die Feststellungen der Konstanz in den Aussagen der Nebenklägerin an einem Rechtsfehler leiden könnte, weil ihrem Beistand zuvor Akteneinsicht gewährt wurde bzw. das angegriffene Urteil sich hierzu nicht verhält. Schließlich zwingt auch der Umstand, dass sich rechtspolitische Bestrebungen, dem Nebenkläger nach Abschluss der Ermittlungen ein unbeschränkbares Akteneinsichtsrecht zu gewähren, bei der Reformierung des § 406e StPO im Zuge des 2. Opferrechtsreformgesetzes (BGBl. 2009 I S. 2280) nicht durchgesetzt haben, nicht zu dem vom OLG Hamburg gezogenen Schluss. Denn eine Absage an eine Ausweitung des Akteneinsichtsrecht des Nebenklägers im Vergleich zur bisherigen Praxis bedeutet nicht, dass es über das bis dahin geltende Maß eingeschränkt werden sollte.

Ferner dürfte zu erwarten sein, dass es sich im Ergebnis eher zu Gunsten als zu Lasten des Angeklagten auswirkt, wenn eine festgestellte Konstanz in der Aussage des Nebenklägers wegen einer vorherigen Akteneinsicht an Wert für die Beurteilung seiner Angaben als richtig verliert.

Des Weiteren wird die skizzierte abstrakte Gefährdung des Untersuchungszwecks vorliegend angesichts der vom Beistand der Nebenklägerin auf Nachfrage des Senats im Beschwerdeverfahren abgegebenen Zusicherung, er werde seiner Mandantin keine Akteninhalte zur Kenntnis geben, weiter entscheidend verringert. Zwar ist eine solche Verzichterklärung - worauf das OLG Hamburg in seinen genannten Entscheidungen zu Recht hinweist - letztlich nicht durchsetzbar. Auf der anderen Seite zeigen die von den Senatsmitgliedern im Rahmen ihrer noch als Tatrichter gesammelten Erfahrungen aber, dass nicht nur den Verteidigern, sondern auch den Nebenklagevertretern in aller Regel die vom Bundesgerichtshof (vgl. u.a. BGH StV 1990, 99) bei Vorliegen einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation geforderten erhöhten Anforderungen an eine tatrichterliche Beweiswürdigung einschließlich der Bedeutung der Konstanzanalyse bekannt und sie infolgedessen auch bemüht sind, den Beweiswert der Aussage ihrer Mandantschaft nicht zu reduzieren. Gerade deshalb erteilen die Beistände in einer strafrechtlichen Hauptverhandlung den von ihnen vertretenen Nebenklägern nicht selten den Rat, diese mögen auf ihr Anwesenheitsrecht (§§ 397 Abs. 1 S. 1, 406 g Abs. 1 S. 2 StPO) bei der ihrer Vernehmung vorausgehenden Entgegennahme der Einlassung des Angeklagten verzichten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Nebenkläger dieser Empfehlung folgt, dürfte sich im Übrigen erheblich reduzieren, wenn er nicht mehr darauf vertrauen kann, dass sein anwaltlicher Beistand im Vorfeld der Verhandlung die Möglichkeit hatte, sich durch eine umfassende Akteneinsicht mit dem Verfahrensstoff ausreichend vertraut zu machen. Schon das Bundesverfassungsgericht (vgl. Nichtannahmebeschluss vom 21. März 2002 - 1 BvR 2119/01, juris, Rn. 13) hat darüber hinaus betont, dass Rechtsanwälte ihre Aufgaben als vertrauenswürdige Organe der Rechtspflege wahrnehmen, der Rechtsverkehr also in der Regel auf ihre Integrität und Zuverlässigkeit vertrauen darf. Die abgegebene Verpflichtungserklärung des Vertreters der Nebenklage erscheint daher trotz des Fehlens der Möglichkeit, ihn zu ihrer Einhaltung zu zwingen oder aber zumindest im Falle eines Verstoßes zu sanktionieren, geeignet, eine Gefährdung des Untersuchungszwecks zu minimieren. Die Einhaltung der Verzichtserklärung ist für das Tatgericht auch überprüfbar. Denn es kann und muss jedenfalls den Nebenkläger hierzu zeugenschaftlich befragen. Anders als ein Angeklagter ist der Nebenkläger als Zeuge zur Wahrheit verpflichtet und muss für den Fall einer Lüge mit einer erheblichen Strafe rechnen. Seine "Präparation" durch seinen Beistand anhand von aus der Akte gewonnenen Erkenntnissen dürfte einer erfahrenen Vernehmungsperson, zu denen Strafrichter gewöhnlich zu zählen sind, in aller Regel nicht verborgen bleiben. Diese Situation dürfte sich außerdem kaum von der unterscheiden, dass einem Zeugen Surrogate (z.B. eigene Notizen, Presseartikel) zur Verfügung stehen, auf die er statt eines in der Akte enthaltenen Vernehmungsprotokolls zurückgreifen kann. Eine Verletzung anwaltlicher Pflichten durch die Abgabe eine solchen Verzichtserklärung vermag der Senat in Anbetracht der Alternative, die in einer Ablehnung der beantragten Akteneinsicht besteht, ebenfalls nicht zu erkennen.

Letztlich gilt es in Bezug auf eine Gefährdung des Grundsatzes der Wahrheitsermittlung hier zu berücksichtigen, dass dem Nebenklagebeistand unter dem 26. August 2015 gemäß § 201 Abs. 1 S. 2 StPO eine Anklageschrift übermittelt wurde und im wesentlichen Ergebnis dieser Anklageschrift die Inhalte der Vernehmungen der in diesem Verfahren gehörten Zeugen, insbesondere auch der Nebenklägerin, sowie die Einlassung des Angeschuldigten ohnehin umfassend und detailliert wiedergegeben werden.

Demgegenüber würde die Versagung der begehrten Akteneinsicht die der Nebenklägerin von der Strafprozessordnung eingeräumten Befugnisse weitgehend aushöhlen und sie - entgegen der mit dem 2. Opferrechtsreformgesetzes verfolgten gesetzgeberischen Intention - letztlich zu einem bloßen Beweisobjekt degradieren. Ein Nebenkläger, dem die beantragte Akteneinsicht versagt wird, hat, sofern er auch noch auf sein Anwesenheitsrecht bei der Einlassung des Angeklagten verzichtet, bis zur seiner eigenen Vernehmung durch das Tatgericht keinerlei Kenntnis vom bisherigen Gang des Verfahrens und dem Ergebnis der bis dahin erhobenen Beweise. Sein Interessenvertreter kann daher noch nicht einmal prüfen, ob das Gericht bei seiner Entscheidung über die Akteneinsicht zu Recht von einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation ausgegangen ist. Wie die Generalstaatsanwaltschaft richtigerweise in ihrer Stellungnahme ausgeführt hat, fiele ihm auch nicht auf, wenn die Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung von derjenigen, die er im Ermittlungsverfahren abgegeben hat, deutlich abweicht. Ebenso würden dem Nebenklagevertreter protokollierte Missverständnisse und möglicherweise zu beachtende situative Besonderheiten in den Vernehmungen verborgen bleiben. Sein Frage- und Beanstandungsrecht bliebe weitgehend inhaltsleer. Unvollständige oder falsche Vorhalte durch die vernehmende Person lassen sich ohne Aktenkenntnis nicht erkennen und damit nicht abwehren. Aktenkenntnis dient mithin auch dem Schutz gegen Vernehmungsfehler (vgl. Breu aaO.). Derartige Fehler sind - wenn sie unbemerkt bleiben - für die Qualität einer Aussage nicht weniger gefährlich, als eine Beeinträchtigung des Glaubhaftigkeitskriteriums der Aussagekonstanz infolge einer vorherigen Akteneinsicht. Daneben könnte der Nebenklagevertreter auch sein Beweisantragsrecht nicht sinnvoll ausüben, wenn er vielleicht nicht einmal erahnt, welche Beweismittel aktenkundig sein könnten. Selbiges gilt hinsichtlich der gemäß §§ 403 ff. StPO eröffneten Möglichkeit, einen Adhäsionsantrag zu stellen. Die Ausübung dieses Rechtes bedingt ebenfalls in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle eine umfassende Aktenkenntnis.

Unter Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte überwiegt vorliegend das Informationsinteresse der Nebenklägerin und berechtigt sie zu einer umfassenden Akteneinsicht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 467 StPO.