Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 27.07.2010, Az.: L 8 SO 139/10 B ER

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
27.07.2010
Aktenzeichen
L 8 SO 139/10 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 38491
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2010:0727.L8SO139.10B.ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - 11.03.2010 - AZ: S 24 SO 185/09 ER

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 11. März 2010 aufgehoben.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. Die Antragstellerin hat in diesem vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht glaubhaft gemacht, dass sie einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für Instandhaltung und von Betriebskosten für ein von ihr benutztes Kraftfahrzeug hat. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin war daher der Beschluss des Sozialgerichts (SG) Bremen aufzuheben und der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.

2

Die am 12. April 1985 in Kabul geborene Antragstellerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie hat zwei Kinder (geboren am 13. Juli 2007 und am 20. November 2009). Von ihrem Ehemann lebt sie seit Anfang des Jahres 2009 getrennt. Die Antragstellerin besitzt einen Schwerbehindertenausweis vom 31. Januar 2006 mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 80 und den Merkzeichen "G", "aG" und "B". Sie besitzt die Pflegestufe II nach § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Elftes Buch Soziale Pflegeversicherung (SGB XI). Die Deutsche Rentenversicherung hat ihre dauerhafte und volle Erwerbsminderung seit Februar 2006 festgestellt. Die Antragstellerin leidet an Mukoviszidose in sehr weit fortgeschrittenen Stadium; vor Jahren wurde zusätzlich ein Lungenflügel entfernt. Weitere im Vordergrund bestehende Probleme sind Maldigestion und Malabsorbtion. Eine Kachexie ist festgestellt. Ihre körperliche Leistungsfähigkeit erlaubt ihr eine ununterbrochene Gehstrecke von 300 bis 400 Meter in der Ebene (Bescheinigung der Medizinischen Hochschule Hannover vom 11. Dezember 2009). Die Antragstellerin wohnte bis April 2009 im Bereich der Landeshauptstadt Hannover. Diese bewilligte der Antragstellerin mit Bescheid vom 12. Februar 2007 Kostenübernahme für die Anschaffung eines Kraftfahrzeuges im Rahmen der Eingliederungshilfe gemäß § 8 Eingliederungshilfeverordnung. Die Beihilfe betrug 7.500,00 EUR zur leihweisen Beschaffung des Kraftfahrzeuges Skoda Oktavia 1.9 TDI. Darüber wurde ein Leihvertrag vom 16. Februar 2007 zwischen der Landeshauptstadt Hannover und der Antragstellerin abgeschlossen. Nach § 5 Satz 2 des Leihvertrages ist die Antragstellerin zur Rückgabe verpflichtet, wenn sie aus dem Bereich der Landeshauptstadt Hannover verzieht. Nach dem Umzug nach Bremen (für die ersten Tage zu ihrer Familie, ab 1. Mai 2009 in die jetzt bewohnte Wohnung) begehrte die Antragstellerin verschiedene Sozialhilfeleistungen und mit Antrag vom 6. Mai 2009 auch die Kostenübernahme für ihren PKW (Versicherung und Bank). Sie sei seit Jahren auf diesen PKW angewiesen. Die Antragstellerin bezieht Grundsicherungsleistungen nach § 41 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch Sozialhilfe (SGB XII) sowie die Mehrbedarfe nach §§ 42 Satz 1 Nr 3, 30 Abs 1 Nr 2, Abs 3 und Abs 5 SGB XII. Kosten für eine Haushaltshilfe werden im wöchentlichen Umfang von 11,5 Stunden übernommen. Der Antrag auf Kostenübernahme für den PKW wurde mit Bescheid vom 3. November 2009 abgelehnt. Es werde anerkannt, dass die Antragstellerin nicht in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Sie müsse Außentermine (Arztbesuche, Physiotherapie, Sport) wahrnehmen, für die die Krankenkasse der Antragstellerin zuständig sei. Ein offenbar dagegen eingelegter Widerspruch ist bislang nicht beschieden.

3

Die Antragstellerin hat am 8. Oktober 2009 beim SG Bremen um die Bewilligung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht mit dem Ziel der Kostenübernahme für den PKW Skoda, amtliches Kennzeichen D. hinsichtlich der Versicherung, Steuern und Verbrauch. Sie hat vorgetragen, dass sie auf Grund ihrer Erkrankung auf einen PKW angewiesen sei, da sie sich ohne motorisierte Hilfe nicht fortbewegen könne. Sie sei gezwungen, die Einkäufe täglich zu erledigen, Arztbesuche wahrzunehmen, etc. Öffentliche Verkehrsmittel für Fahrten zu Arztterminen, Physiotherapien usw. könne sie nicht benutzen. Zwar könne sie ihre Einkäufe selbständig erledigen und selbständig zu den Arztterminen fahren, die Einkäufe dann aber in das Haus zu verbringen sei wiederum nur unter Hinzuziehung dritter Personen möglich. Die Antragsgegnerin tritt dem aus den Gründen ihres Bescheides entgegen.

4

Das SG hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 11. März 2010 im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtet, die Kosten für den PKW Skoda D. hinsichtlich der Anschaffungskosten, Steuern, Versicherung und Benzinverbrauch zunächst für 6 Monate zu übernehmen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch ergebe sich aus §§ 53, 54 SGB XII iVm § 55 Abs 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX). Über § 58 SGB IX sei auch § 8 Eingliederungshilfeverordnung heranzuziehen, Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges. Danach könne die Antragstellerin Hilfe zur Teilhabe am gemeinschaftlichen oder kulturellen Leben beanspruchen. Sie sei auch in der Lage, das Kfz selbst zu bedienen. Gegen den ihr am 17. März 2010 zugestellten Beschluss führt die Antragsgegnerin ihre Beschwerde vom 8. April 2010. Sie trägt vor, dass die Familie die Antragstellerin umfangreich unterstütze. Für die Kinder würden Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetzt, Kindergeld, Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII sowie Elterngeld gezahlt. Als weitere staatliche Unterstützungsleistung werde eine sonderpädagogische Familienhilfe eingesetzt, wodurch dem älteren Kind der Besuch der Eltern-Kind-Gruppe des Elternvereins E. e.V. ermöglicht werde. Die Antragstellerin erhalte regelmäßig Unterstützung durch ihre in Bremen lebende Mutter und vier Geschwister sowohl im Haushalt als auch bei der Pflege. Diese verfügten weiterhin über eigene Kraftfahrzeuge. Diese mögliche Unterstützung durch die Familie sei für die Antragstellerin mit ein Grund gewesen, nach Trennung von ihrem Ehemann zurück nach Bremen zu ziehen. Bislang sei nicht glaubhaft gemacht, für welche Fahrten konkret das Auto benötigt werde. Behandlungstermine im Krankenhaus Links der Weser seien nur alle drei bis vier Wochen erforderlich. Die Behauptung, Sport treiben zu müssen, sei nicht näher glaubhaft gemacht. Es seien erhöhte Unterkunftskosten anerkannt worden, um geltend gemachte therapeutische Behandlungen in den eigenen Räumlichkeiten durchführen zu können. Die Wohnfläche betrage insgesamt 105 qm.

5

Die Antragstellerin bezieht sich auf den angefochtenen Beschluss. Sie sei auf ein behindertengerechtes Fahrzeug angewiesen. Als alleinerziehende Mutter müsse es ihr jederzeit möglich sein, auf ein Fahrzeug zurückgreifen zu können, wenn es um die Versorgung der Kinder gehe. Weiterhin seien regelmäßige Untersuchungen im Krankenhaus in Bremen und gerade auch in Hannover notwendig.

6

Angesichts des bekannt gewordenen Sachverhalts muss die Beschwerde der Antragsgegnerin Erfolg haben.

7

Der vorläufige Rechtsschutz richtet sich bei der vorliegenden Fallgestaltung nach § 86b Abs 2 SGG. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte; einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hier kommt eine Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs 2 Satz 2 SGG in Betracht. Hierzu muss glaubhaft gemacht werden, dass das geltend gemachte Recht der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Antragstellerin ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung wesentliche, in § 86b Abs 2 SGG näher gekennzeichnete Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund).

8

Die Antragstellerin hat den Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin gehört unzweifelhaft zum Personenkreis der behinderten Menschen, denen Eingliederungshilfe zur (Wieder-) Eingliederung in die Gesellschaft zu gewähren ist, § 53 Abs 1 Satz 1, Abs 3, Abs 4 SGB XII iVm §§ 55, 58 SGB IX. Das spezielle Begehren der Antragstellerin auf Übernahme der Kosten für die Nutzung des PKW richtet sich nach § 10 Abs 6 Eingliederungshilfeverordnung sowie den §§ 55 Abs 1 Abs 2 Nr 7, 58 SGB XII. Diese Vorschriften regeln die in Betracht kommende Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Die Antragstellerin gehört zu diesem Personenkreis. Denn sie besitzt einen GdB von 80 und die Merkzeichen "G", "aG" und "B". Einschlägig wäre zunächst § 10 Abs 6 Eingliederungshilfeverordnung. Diese Eingliederungshilfeverordnung beruht auf der Verordnungsermächtigung in § 60 SGB XII, wonach unter anderem Bestimmungen über Art und Umfang der Leistungen der Eingliederungshilfe durch Verordnung erlassen werden können. Die Vorschrift des § 10 Eingliederungshilfeverordnung regelt den Umfang der Versorgung mit Körperersatzstücken, orthopädischen oder anderen Hilfsmitteln. Nach § 10 Abs 6 Eingliederungshilfeverordnung kann als Versorgung Hilfe in angemessenem Umfange auch zur Erlangung der Fahrerlaubnis, zur Instandhaltung sowie durch Übernahme von Betriebskosten eines Kraftfahrzeuges gewährt werden, wenn der behinderte Mensch wegen seiner Behinderung auf die regelmäßige Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist oder angewiesen sein wird. Hiernach wird bereits ersichtlich, dass die vom SG ausgesprochene vorläufige Verpflichtung auf Übernahme der Anschaffungskosten ins Leere geht. Denn das fragliche Kraftfahrzeug ist bereits im Jahre 2007 durch eine Beihilfe der Landeshauptstadt Hannover angeschafft worden. Ebenso ist nicht nachvollziehbar die vorläufige Verpflichtung auf Übernahme der (Kraftfahrzeug-) Steuer. Denn die Antragstellerin ist gemäß § 3a Abs 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz von der Steuer befreit, da sie einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "aG" besitzt.

9

Als Betriebskosten iS von § 10 Abs 6 Eingliederungshilfeverordnung kommen daher ernsthaft im Fall der Antragstellerin die Kosten für Versicherung und den laufenden Verbrauch (Benzin) in Betracht.

10

Gegen das Begehren der Antragstellerin spricht bereits der Umstand, dass die Antragstellerin seit ihrem Umzug nach Bremen fehlerhaft Besitzerin des fraglichen Kraftfahrzeuges ist. Denn in dem Leihvertrag zwischen der Landeshauptstadt Hannover und ihr vom 16. Februar 2007 ist vereinbart, dass die Antragstellerin zur Rückgabe des Kraftfahrzeuges verpflichtet ist, wenn sie aus dem Bereich der Landeshauptstadt Hannover verzieht, § 5 Satz 2 des Leihvertrages. Diese Rückgabepflicht korrespondiert mit § 604 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach der Entleiher die Antragstellerin verpflichtet ist, die geliehene Sache das Auto nach dem Ablauf der für die Leihe bestimmten Zeit Wegzug aus Hannover zurückzugeben. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass im Hinblick auf diese Rückgabepflicht seit April 2009 eine Änderung der vertraglichen Grundlage eingetreten ist. Die fraglichen Leistungen nach § 10 Abs 6 Eingliederungshilfeverordnung sind für den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs bestimmt, welches der behinderte Mensch rechtmäßig nutzt. Denn die Regelung des § 10 Abs 6 Eingliederungshilfeverordnung steht im Zusammenhang mit der Bestimmung in § 8 Eingliederungshilfeverordnung, der die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges regelt. Auf dieser Vorschrift beruhte die Leistungsgewährung der Landeshauptstadt Hannover zur Anschaffung des fraglichen Kraftfahrzeuges. Hiernach verblieb das Eigentum an dem angeschafften Kraftfahrzeug bei der Landeshauptstadt Hannover, welche dieses Kraftfahrzeug der Antragstellerin geliehen hatte, § 598 BGB, bis zum Verlassen des Gebietes der Landeshauptstadt Hannover. Da die Antragstellerin im April 2009 nach Bremen verzog, ist die Grundlage für die Anschaffung des Kraftfahrzeuges nach § 8 Eingliederungshilfeverordnung und die Grundlage für die Leihe entfallen. Dementsprechend können die Leistungen nach § 10 Abs 6 Eingliederungshilfeverordnung, welche die Landeshauptstadt bis zum Umzug erbracht hatte, nicht mehr geleistet werden. Denn sie beträfen ein Kraftfahrzeug, welches im Eigentum der Landeshauptstadt Hannover steht und sich von Rechts wegen auch in ihrem Besitz befinden müsste.

11

Abgesehen hiervon hat die Antragstellerin auch in der Sache keinen Anspruch auf Leistungsgewährung nach § 10 Abs 6 Eingliederungshilfeverordnung.

12

Die hier fragliche Leistung fällt unter den Oberbegriff "Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft", §§ 53 Abs 3 Satz 2 SGB XII, 55 Abs 1 SGB IX. Dadurch soll dem behinderten Menschen soweit wie möglich eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglicht werden. Die durch die Behinderung eingeschränkte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben soll soweit wie möglich ausgeglichen werden. Teilhabe ist mehr als Teilnahme. Der Begriff der Teilhabe, auch in § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII enthalten, ist gemäß § 1 Satz 1 SGB IX dahin zu verstehen, dass "Teilhabe" daran zu messen, ob es gelingt, die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden und ihnen entgegenzuwirken (vgl Senatsbeschluss vom 2. August 2006 L 8 SO 48/06 ER ; vom 10. Mai 2007 L 8 SO 20/07 FEVS 58, Seite 569 = Behindertenrecht 2008, Seite 149; Lachwitz in Lachwitz/Schellhorn/Welti, Handkommentar zum SGB IX, 3. Auflage 2010, Anhang 2 Eingliederungshilfe für behinderte Menschen im SGB XII, Rdnr 5, Seite 1036f). Ziel ist weiterhin, dem behinderten Menschen den Kontakt zu seiner sozialen Umwelt zu erhalten und ihm die Teilnahme auch am öffentlichen und kulturellen Leben zu ermöglichen (vgl Meusinger in Fichtner/Wenzel, Kommentar zum SGB XII, 4. Auflage 2009, § 54 Rdnr 59f). Ein behinderter Mensch ist iS des § 10 Abs 6 Eingliederungshilfeverordnung auf die regelmäßige Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen, wenn er nur mit Hilfe seines Kraftfahrzeuges seine Wohnung verlassen kann, wenn das Bedürfnis, die Wohnung zu verlassen, gerade aus Gründen besteht, denen die Eingliederungshilfe dient und wenn sich schließlich ein solches Bedürfnis regelmäßig stellt (vgl dazu Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 12. Dezember 1995 9 UE 1339/94 FEVS 47, Seite 86; ähnlich OVG Lüneburg, Urteil vom 8. Juni 1988 4 A 40/97 FEVS 39, Seite 448; siehe auch W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, Kommentar zum SGB XII, 17. Auflage 2006, § 10 Eingliederungshilfeverordnung Rdnr 11).

13

Unter Heranziehung dieser Maßstäbe muss das Begehren der Antragstellerin auf Übernahme der Betriebskosten für das fragliche Kraftfahrzeug erfolglos bleiben. Es ist mit den Beteiligten davon auszugehen, dass der Antragstellerin auf Grund ihres Leidenszustandes die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist. Die Fortbewegung mit einem Kraftfahrzeug liegt daher auf der Hand. Doch hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass sie auf die regelmäßige Benutzung eines Kraftfahrzeuges zu Zwecken der Eingliederungshilfe Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft angewiesen ist. Soweit ihr Vortrag dahin geht, sie benötige ein Kraftfahrzeug zur Erledigung ihrer Einkäufe, kann dies nicht dem Bereich "Teilnahme in der Gemeinschaft" zugeordnet werden. Das ist eine Frage der Hilfeleistungen im hauswirtschaftlichen Bereich, die über die Vorschriften der Hilfe zur Pflege nach den §§ 61ff SGB XII abzuwickeln ist (vgl hierzu Bundessozialgericht BSG, Urteil vom 26. August 2008 B 8/9b SO 18/07 R SozR 4-3500 § 18 Nr 1 = FEVS 60, Seite 385; Urteil vom 11. Dezember 2007 B 8/9b SO 12/06 R SozR 4-3500 § 21 Nr 1 = FEVS 59, Seite 481). Augenscheinlich erhält die Antragstellerin bereits entsprechende Hilfen. Die von der Antragstellerin behaupteten Fahrten ins Sportstudio und ins Schwimmbad, die nicht näher glaubhaft gemacht sind, sind ungeachtet ihrer Behinderungsbedingtheit keine Fahrten zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Dies hat bereits das Bundesverwaltungsgericht BVerwG (Urteil vom 23. November 1995 5 C 7/94 FEVS 47, Seite 145) zur Vorschrift des § 28 Abs 1 Verordnung zur Kriegsopferfürsorge (KFürsV) entschieden. Diese Vorschrift konkretisiert § 27b Abs 1 Nr 3 Bundesversorgungsgesetz (BVG), wonach Beschädigte und Hinterbliebene iS des BVG auch Eingliederungshilfe für behinderte Menschen erhalten. Nach § 28 Abs 1 Nr 1 KFürsV erhalten die Beschädigten auch Hilfen zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere am öffentlichen und kulturellen Geschehen, sofern den Beschädigten ohne diese Hilfen eine Teilnahme infolge der Schädigung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Diese Vorschrift will ebenso wie § 10 Abs 6 Eingliederungshilfeverordnung die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen. Durch die Entscheidung des BVerwG ist klargestellt, dass die fraglichen Fahrten (dort zum Schwimmen und zur Bewegungstherapie) nicht dem Bereich der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zugerechnet werden können (zu § 28 Abs 1 Nr 1 KFürsV beispielsweise bejaht für die Übernahme der Kosten für einen Kabelanschluss eines Fernsehgerätes OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. August 2001 4 PA 1284/01). Vorstehendes zeigt die Zielrichtung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft an. Der behinderte Mensch selbst soll die Möglichkeit zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben erhalten. Nach § 58 SGB IX umfassen die Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben vor allem (Nr 2) Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen. Diese Vorschrift unterstreicht die Bedeutung der Leistungen zur Förderung des Umgangs des behinderten Menschen mit nicht behinderten Personen. Derartige Aktivitäten hat die Antragstellerin zur Begründung ihres Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes niemals geltend gemacht. Ihre Bedürfnisse haben eine andere Zielrichtung, zB Transport der Kinder oder Fahrten zu Ärzten und Krankenhäusern. Dies ist nach dem oben Dargestellten gerade keine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Sinne der Eingliederungshilfevorschriften, sondern dient anderen Zwecken. Darüber hinaus ist es nach § 60 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) Aufgabe der Krankenkasse, Fahrkosten für medizinisch notwendige Transporte zu übernehmen. Auch diese gesetzliche Regelung verdeutlicht, dass Fahrten zu Ärzten und Krankenhäusern nicht den Bereich "Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft" zugeordnet werden können.

14

Dem Vorbringen der Antragsgegnerin, der Beschluss des SG Bremen sei bereits deshalb aufzuheben, weil die einmonatige Vollstreckungsfrist des § 929 Abs 2 Zivilprozessordnung (ZPO) verstrichen sei, wäre der Senat nicht gefolgt. Zwar trifft es zu, dass § 86b Abs 2 Satz 4 SGG auch auf § 929 ZPO verweist, diese Vorschrift gilt entsprechend im Bereich des SGG. Daraus wird in der Tat geschlussfolgert, dass die Regelung des § 929 Abs 2 ZPO gleichsam einschränkungslos im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet (vgl Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 24. November 2009 L 3 SO 70/09 B ER mit zahlreichen Nachweisen; siehe auch Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 27. April 2009 L 8 SO 29/09 B ER ; zum Sach- und Streitstand siehe auch Wehrhahn in Breitkreuz/Fichte, Kommentar zum SGG, 2009, § 86b Rdnrn 103f). Es ist aber zu beachten, dass die entsprechende Geltung des § 929 Abs 2 ZPO nicht bedeutet, dass die Monatsfrist bereits mit der Zustellung an den Antragsteller beginnt. Eine derartige schematische Übertragung dieser Regelung für das zivilrechtliche Arrestverfahren auf die sozialgerichtliche einstweilige Anordnung würde den Unterschieden beider Verfahren nicht gerecht. Denn § 929 Abs 2 ZPO ist auf Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten zugeschnitten. Die Vorschrift ist für das Arrestverfahren konzipiert, in dem es um die Sicherung der Zwangsvollstreckung geht, wie sich aus § 916 Abs 1 ZPO ergibt. Der Arrestbeschluss muss durch den Antragsteller an den Gegner zugestellt werden, § 922 Abs 2 ZPO. Wegen der Gefahr der Zweckvereitelung kann der Gläubiger den Arrestbefehl bereits vor seiner Zustellung an den Schuldner vollziehen, § 929 Abs 3 Satz 1 ZPO. Mithin besteht der Zweck des § 929 Abs 2 ZPO darin, den Schuldner vor der Vollstreckung einer Maßnahme nach längerer Zeit und möglicherweise unter veränderten Umständen zu schützen (vgl BGH, Urteil vom 25. Oktober 1990 IX ZR 211/89 BGHZ 112, Seite 356; Vollkommer in Zöller, Kommentar zur ZPO, 25. Auflage 2005, § 929 Rdnr 3; siehe auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 8. Dezember 1987 6 B 90/87 Baurechtssammlung 47 (BRS), Nr 205 Seite 501). Bei dem Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen eine Behörde ist die Situation eine grundlegend andere. Die Gefahr einer Vollstreckungsvereitelung besteht bei einer Behörde regelmäßig nicht. Der Beschluss wird ihr von Amts wegen zugestellt, § 63 SGG. Für den Antragsteller besteht kein Anlass zu der Annahme, die Behörde werde der einstweiligen Anordnung nicht von sich aus nachkommen. Denn sie ist von Verfassungs wegen zum recht- und gesetzmäßigen Handeln, namentlich auch zur Befolgung von gerichtlichen Entscheidungen verpflichtet, Artikel 20 Abs 3 Grundgesetz. Auch die Einlegung einer Beschwerde der unterlegenen Behörde lässt Zweifel an der Befolgung des zusprechenden Beschlusses nicht zu, da die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat. Erst wenn die Behörde zu erkennen gibt, dass sie ihrer verfassungsrechtlichen Pflicht zum Vollzug des gerichtlichen Beschlusses keine Folge leisten will, muss der Antragsteller tätig werden und Vollstreckungsmaßnahmen einleiten (vgl hierzu auch Geiger, Verlust des Rechtsschutzes durch Vertrauen auf rechtsstaatliches Handeln? Zur sachgerechten Anwendung der Vollstreckungsfrist im SGB II/SGB XII Eilverfahren, info also 2007, Seite 243). Eines weiteren Eingehens auf die Vollstreckung bedarf es in diesem Verfahren nicht, da der Beschluss des SG bereits aus anderen Gründen aufzuheben ist.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung des § 193 SGG. Da die Antragstellerin unterliegt, trägt sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

16

Gerichtskosten werden in Sozialhilfeverfahren dieser Art gemäß § 183 SGG nicht erhoben.

17

Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.