Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 01.06.2010, Az.: 6 B 35/10
Eignung; Eignungsüberprüfung; EU-Fahrerlaubnis; Fahrerlaubnis; Feststellung; Führerschein; Nichtberechtigung; Rechtsprechung; Überprüfung; Übertragbarkeit; Übertragung
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 01.06.2010
- Aktenzeichen
- 6 B 35/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 47979
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 28 Abs 4 S 1 Nr 3 FeV
- § 28 Abs 4 S 2 FeV
- Art 11 Abs 4 S 2 EGRL 126/2006
- Art 8 Abs 4 EWGRL 439/91
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur Übertragbarkeit der zu Art. 8 Abs. 4 der Zweiten Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 91/439/EWG) ergangenen Rechtsprechung des EuGH auf Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Dritten Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 2006/126/EG).
Gründe
I.
Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts C. vom 29.09.2008 wurde der Antragsteller wegen einer am 13.01.2008 mit einem Blutalkoholgehalt von 1,33 ‰ begangenen Trunkenheitsfahrt zu einer Geldstrafe verurteilt; gleichzeitig wurde ihm seine Fahrerlaubnis entzogen und für eine Neuerteilung der Fahrerlaubnis eine Sperrfrist von (noch) sechs Monaten angeordnet. Einen vom 10.12.2008 datierenden schriftlichen Hinweis der Antragsgegnerin auf den Ablauf der Sperrfrist am 29.03.2009 und auf die Voraussetzungen für eine Neuerteilung der Fahrerlaubnis ließ der Antragsteller unbeantwortet. Anlässlich von im September/Oktober 2009 in anderem Zusammenhang gegen den Antragsteller geführten polizeilichen Ermittlungen wurde bekannt, dass dem Antragsteller seitens der Stadt D. (Tschechische Republik) am 12.08.2009 eine Fahrerlaubnis der Klasse B erteilt worden war. Auf entsprechende Anfrage der Antragsgegnerin zu den näheren Modalitäten dieser Fahrerlaubniserteilung teilte das Kreisamt des Landkreises E. am 08.02.2010 mit, dass der Antragsteller die Fahrerlaubnis in Übereinstimmung mit den einschlägigen tschechischen Gesetzesvorschriften erhalten und bei der Stellung seines Antrags alle gesetzlich festgelegten Formalitäten eingehalten habe.
Mit Bescheid vom 13.04.2010 stellte die Antragsgegnerin - nach vorheriger Anhörung und unter Anordnung der sofortigen Vollziehung - fest, dass die am 12.08.2009 erteilte tschechische Fahrerlaubnis den Antragsteller nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland berechtige und forderte den Antragsteller auf, seinen Führerschein unverzüglich zur Eintragung der Nichtberechtigung vorzulegen. Zur Begründung führte sie aus, dass die grundsätzlich bestehende Berechtigung des Inhabers einer EU-Fahrerlaubnis, von dieser im Inland Gebrauch zu machen, gemäß § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV dann nicht gelte, wenn dem Inhaber die Fahrerlaubnis zuvor im Inland entzogen worden sei. Letzteres sei hier der Fall, weil dem Antragsteller die (deutsche) Fahrerlaubnis im Jahre 2008 rechtskräftig durch das Amtsgericht C. entzogen worden sei. Eine Zuerkennungsentscheidung im Sinne des § 28 Abs. 5 FeV, von der tschechischen Fahrerlaubnis im Inland gleichwohl Gebrauch machen zu dürfen, liege nicht vor.
Der Antragsteller hat hiergegen am 23.04.2010 Klage erhoben (6 A 82/10) und zugleich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Er macht - unter ausführlicher Darlegung seines Rechtsstandpunktes - geltend, dass die von der Antragsgegnerin getroffene Entscheidung europarechtswidrig sei. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe unter der Geltung der sog. Zweiten Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29.07.1991 über den Führerschein) mehrfach entschieden, dass eine in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU) erteilte Fahrerlaubnis von den Behörden anderer Mitgliedsstaaten grundsätzlich anzuerkennen sei und von diesem strikten Anerkennungsgrundsatz nur in eng begrenzten Ausnahmefällen - insbesondere etwa dann, wenn sich bereits aus dem in dem betreffenden Mitgliedsstaat ausgestellten Führerschein selbst ergebe, dass bei der Erteilung der Fahrerlaubnis die einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen nicht eingehalten worden seien - abgewichen werden dürfe. Dagegen seien die Behörden anderer Mitgliedsstaaten nicht befugt, die Berechtigung der im Ausstellerstaat erteilten Fahrerlaubnis von sich aus im Einzelnen zu überprüfen und als Ergebnis einer solchen Überprüfung eine Anerkennung der EU-Fahrerlaubnis abzulehnen; ebenso wenig dürften sie den betroffenen Fahrerlaubnisinhaber dazu verpflichten, sich anhand der maßgeblichen innerstaatlichen Vorschriften einer Fahreignungsprüfung zu unterziehen. Diese Grundsätze gälten auch nach Inkrafttreten der sog. Dritten Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über den Führerschein) unverändert fort. Eine Änderung habe sich durch die letztgenannte Richtlinie nur insoweit ergeben, als den nationalen Behörden bei Vorliegen eines entsprechenden Grundes hinsichtlich der Nichtanerkennung einer in einem anderen Mitgliedsstaat erteilten EU-Fahrerlaubnis kein Ermessen mehr eingeräumt sei; an der grundsätzlichen gegenseitigen Anerkennungspflicht und der gebotenen restriktiven Handhabung von Ausnahmetatbeständen ändere dies jedoch nichts.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13.04.2010 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt aus den Gründen des angefochtenen Bescheides und unter Hinweis darauf, dass die vom Antragsteller zitierte Rechtsprechung des EuGH auf nach dem 19.01.2009 erteilte EU-Fahrerlaubnisse nicht mehr anwendbar sei,
den Antrag abzulehnen.
II.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen Verwaltungsakt, dessen sofortige Vollziehung die Behörde - wie hier - gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, wiederherstellen. Bei dieser Entscheidung bedarf es einer Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung einerseits und dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts andererseits, in die u.a. auch die bereits überschaubaren Erfolgsaussichten des im Hauptsacheverfahren eingelegten Rechtsbehelfs einzubeziehen sind. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt danach als offensichtlich rechtmäßig, verdient das an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bestehende Interesse des Betroffenen grundsätzlich keinen Schutz. Demgegenüber hat das private Interesse, vorläufig vom Vollzug der Maßnahme verschont zu bleiben, Vorrang, wenn sich diese bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweist. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens weder in dem einen noch in dem anderen Sinne eindeutig, bedarf es einer von den Erfolgsaussichten losgelösten Abwägung der wechselseitigen Interessen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Aussetzungsantrag des Antragstellers keinen Erfolg.
Bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung spricht nach Auffassung der Kammer Überwiegendes dafür, dass sich der Bescheid der Antragsgegnerin vom 13.04.2010 als rechtmäßig erweisen wird.
Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV dürfen Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. Diese Berechtigung gilt gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV - in der Fassung der am 19.01.2009 in Kraft getretenen Dritten Verordnung zur Änderung der FeV vom 07.012009 (BGBl. I S. 29) - nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, denen die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist oder denen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet haben. Voraussetzung für die Anwendung der letztgenannten Vorschrift ist, dass die dort genannten Maßnahmen im Verkehrszentralregister eingetragen und nicht nach § 29 StVG getilgt sind (§ 28 Abs. 4 Satz 3 FeV). In den Fällen (u.a.) des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV kann die Behörde nach Abs. 4 Satz 2 der Vorschrift einen feststellenden Verwaltungsakt über die fehlende Berechtigung erlassen. Diese tatbestandlichen Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt, weil dem Antragsteller vor dem Erwerb seiner tschechischen Fahrerlaubnis die deutsche Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts C. vom 29.09.2008 entzogen worden ist; diese Maßnahme ist ausweislich des im Verwaltungsvorgang befindlichen Registerauszugs vom 21.10.2009 im Verkehrszentralregister eingetragen und noch nicht nach § 29 StVG getilgt.
Nach derzeitiger rechtlicher Einschätzung dürfte die Regelung in § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV n.F. auch mit dem aktuell geltenden Gemeinschaftsrecht vereinbar sein; denn nach Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Dritten Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 2006/126/EG vom 20.12.2006), der gemäß Art. 18 Satz 2 dieser Richtlinie ab dem 19.01.2009 gilt, lehnt ein Mitgliedstaat die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins ab, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, deren Führerschein im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedsstaates eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen worden ist. Zu dieser Frage hat der VGH München (B. v. 10.11.2009 - 11 CS 09.2082 -, juris = NZV 2010, 48; ebenso B. v. 21.12.2009 - 11 CS 09.1791 -, DAR 2010, 103) Folgendes ausgeführt:
" …. Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG ist nach der Überzeugung des Senats nicht entsprechend der zu Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/ EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein (…) ergangenen Rechtsprechung des EuGH einschränkend auszulegen. …. Gemäß Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG kann es ein Mitgliedstaat ablehnen, die Gültigkeit eines Führerscheins anzuerkennen, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine der in Absatz 2 genannten Maßnahmen angewendet wurde. Hierzu hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass weder das Recht, von einem in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein Gebrauch zu machen, von einer vorherigen Genehmigung gemacht werden darf (…) noch der Mitgliedstaat berechtigt ist, die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins unter Berufung auf seine nationalen Vorschriften unbegrenzt zu verweigern, etwa dann, wenn seine Vorschriften strengere Erteilungsvoraussetzungen enthalten (…). Vielmehr sind die genannten Vorschriften als Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz der Anerkennung der Führerscheine eng auszulegen. Eine Ausnahme von der Anerkennungsverpflichtung des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG besteht jedoch dann, wenn der neue Führerschein unter Missachtung der von der Richtlinie 91/439/EWG aufgestellten Wohnsitzvoraussetzung ausgestellt worden ist. In seinen Urteilen vom 26. Juni 2008 (...) hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass es … einem Mitgliedstaat nicht verwehrt ist, es abzulehnen, in seinem Hoheitsgebiet die Fahrberechtigung anzuerkennen, die sich aus einem zu einem späteren Zeitpunkt von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein ergibt, wenn auf der Grundlage von Angaben in diesem Führerschein oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststeht, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins sein Inhaber, auf den im Hoheitsgebiet des ersten Mitgliedstaates eine Maßnahme des Entzugs der früheren Fahrerlaubnis angewendet worden ist, seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaates hatte (…).
Die in diesen Urteilen aufgestellten Grundsätze sind aus den nachstehend dargestellten Gründen bei der Auslegung des Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/ 126/EG nicht entsprechend heranzuziehen. Zum einen spricht gegen eine derartige Heranziehung der unterschiedliche Wortlaut von Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG einerseits und Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG andererseits. Während es in der erstgenannten Vorschrift heißt, "ein Mitgliedstaat kann es ablehnen, die Gültigkeit eines Führerscheins anzuerkennen, …", formuliert die letztere Bestimmung, "ein Mitgliedstaat lehnt die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins ab , der …". Mit der durch Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG nunmehr gebotenen strikten Ablehnung der Gültigkeit eines Führerscheins unter den dort angeführten Voraussetzungen ist die Annahme von richterrechtlich begründeten Ausnahmen nicht vereinbar, weil sie die Grenzen einer den Wortlaut der Vorschrift respektierenden Gesetzesauslegung überschreitet. Die Nichtanerkennung von Führerscheinen, die trotz vorangegangener Entziehung der Fahrerlaubnis in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt werden, kann deshalb im Gegensatz zur Situation bei Anwendung der Richtlinie 91/439/EWG nicht mehr als eng auszulegende Ausnahme vom allgemeinen Anerkennungsgrundsatz angesehen werden. Hinzu kommt, dass dem Richtliniengeber der Unterschied zwischen einer zwingenden Rechtsvorschrift und einer Ermessensvorschrift sehr wohl bewusst war, wie sich aus der unterschiedlichen Formulierung von Art. 11 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 der Richtlinie ergibt. Denn im Gegensatz zu Art. 11 Abs. 4 Satz 2 heißt es in Satz 3 dieser Vorschrift, "ein Mitgliedstaat kann es ferner ablehnen, einem Bewerber, dessen Führerschein in einem anderen Mitgliedstaat aufgehoben wurde, einen Führerschein auszustellen". Zum anderen spricht gegen eine die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG berücksichtigende, einschränkende Auslegung des Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG der Umstand, dass diese Richtlinie u.a. dem Zweck dient, den sogenannten Führerscheintourismus zu bekämpfen (vgl. …). Eine wirksame Bekämpfung des Führerscheintourismus setzt aber voraus, dass auch vergleichsweise strenge inländische Eignungsvorschriften, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland bestehen, nach einem Entzug der inländischen Fahrerlaubnis nicht umgangen werden können. …. Für eine enge Auslegung des Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG im Sinne der oben zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 8 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 91/439/EWG ist damit kein Raum. Dies ergibt sich auch aus dem Erwägungsgrund 15 der Richtlinie 2006/126/EG, wonach die Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus Gründen der Verkehrssicherheit die Möglichkeit haben sollen, ihre innerstaatlichen Bestimmungen über den Entzug, die Aussetzung, die Erneuerung und die Aufhebung einer Fahrerlaubnis auf jeden Führerscheininhaber anzuwenden, der seinen ordentlichen Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet begründet hat (vgl. BR-Drs. 851/08). …"
Diese Erwägungen, denen sich inzwischen auch der VGH Mannheim (B. v. 21.01.2010 - 10 S 2391/09 -, DAR 2010, 153) und das OVG Münster (B. v. 20.01.2010 - 16 B 814/09 -, Blutalkohol 2010, 145) angeschlossen haben, macht sich die Kammer vollumfänglich zu eigen und folgt daher der gegenteiligen, vom VGH Kassel (B. v. 04.12.2009 - 2 B 2138/09 -, Blutalkohol 2010, 154) und vom OVG Koblenz (B. v. 17.02.2010 - 10 B 11351/09 -, juris) vertretenen Auffassung nicht. Denn die letztgenannte Auffassung, die im Wesentlichen damit begründet wird, dass der Unterschied zwischen Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/ 126/EG und Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG allein darin liege, dass die Vorschrift auf der Rechtsfolgenseite von einer Ermessens- in eine gebundene Entscheidung umgestaltet worden sei, die Neufassung ansonsten aber keine Änderungen bezüglich des allgemeinen Anerkennungsgrundsatzes (insbesondere mit Blick auf das Wohnsitzprinzip) bewirkt habe, hält die Kammer deshalb nicht für überzeugend, weil erklärtes Ziel des Erlasses der Richtlinie 2006/126/EG u.a. die Bekämpfung des sog. "Führerscheintourismus" war (vgl. dazu OVG Münster, aaO, unter eingehender Darstellung des Rechtssetzungsverfahrens und der diesbezüglichen Stellungnahmen der damit befassten Gremien; ebenso VGH Mannheim, aaO). Vor diesem Hintergrund aber erscheint es wenig einleuchtend, wenn die zur Erreichung dieses Zieles getroffene Neuregelung eine "Verschärfung" der bislang geltenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften lediglich dahingehend enthalten sollte, dass den Behörden des Wohnsitzmitgliedsstaates bei Vorliegen der vom EuGH bislang allein anerkannten Ausnahme vom Anerkennungsgrundsatz - feststehender, sich bereits aus den Angaben im (ausländischen) Führerschein oder aus "anderen vom Ausstellermitgliedsstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen" ergebender Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip (vgl. EuGH, U. v. 26.06.2008 - Rechtssache C 329/06 <Wiedemann> und C 343/06 <Funk> -, NJW 2008, 2403) - hinsichtlich der Nichtanerkennung einer EU-Fahrerlaubnis kein Ermessen mehr zustehen, es ansonsten aber unverändert bei der restriktiven, vom Antragsteller in seiner Antragsschrift im Einzelnen zitierten Rechtsprechung des EuGH zu Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG verbleiben soll. Soweit es den vom EuGH in diesem Zusammenhang wiederholt betonten Gesichtspunkt betrifft, dass die Prüfung der gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer EU-Fahrerlaubnis allein dem Ausstellermitgliedsstaat obliege und das Ergebnis dieser Prüfung von den anderen Mitgliedsstaaten ohne eigene Nachprüfungskompetenz zu respektieren sei, dürfte sich auch dieses Problem, nämlich dass ein anderer als der Ausstellermitgliedsstaat eine ihm nicht zustehende Prüfungskompetenz für sich in Anspruch nimmt, zukünftig in dieser Form nicht mehr stellen. Denn nunmehr ist - korrespondierend zu der hier erörterten, die Kompetenzen des Wohnsitzmitgliedsstaates regelnden Vorschrift des Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG - auch der Ausstellermitgliedsstaat verpflichtet, den Antrag eines Bewerbers auf Ausstellung eines Führerscheins abzulehnen, wenn dessen Führerschein in einem anderen Mitgliedsstaat eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen worden ist (Art. 11 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 2006/126/EG); mit dieser Regelung dürfte eine Harmonisierung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in "umgekehrter" Richtung, nämlich eine Berücksichtigung auch der (ggf. strengeren) Rechtslage im Wohnsitzmitgliedsstaat und damit im Ergebnis eine Einschränkung des Anerkennungsgrundsatzes (Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2006/126/EG) bezweckt sein.
Selbst wenn jedoch entgegen der vorstehenden Ausführungen die Erfolgsaussichten der vom Antragsteller erhobenen Klage als offen angesehen werden sollten, fiele eine von den Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren losgelöste Abwägung der widerstreitenden Interessen zu dessen Lasten aus. Der Antragsteller hat sich durch seine im Jahre 2008 begangene Trunkenheitsfahrt jedenfalls zu diesem Zeitpunkt als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erwiesen. Angesichts des relativ nahen zeitlichen Zusammenhangs ist nicht auszuschließen, dass ihm die Kraftfahreignung auch im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung des Antragsgegners noch fehlte. Erkenntnisse darüber, ob er nach der Entziehung seiner deutschen Fahrerlaubnis durch das Amtsgericht C. ggf. geeignete Maßnahmen ergriffen hat, um zukünftig den Konsum von Alkohol und das Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr hinreichend sicher trennen zu können (vgl. §§ 2 Abs. 4 StVG, 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV i.V.m. Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV), liegen nicht vor. Vielmehr hat sich der Antragsteller nach Ablauf der mit seiner strafgerichtlichen Verurteilung verhängten Sperrfrist offenbar nicht um eine deutsche Fahrerlaubnis bemüht (und in diesem Rahmen seine ggf. wiedererlangte Kraftfahreignung nachgewiesen), sondern in der Tschechischen Republik die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis beantragt, ohne dass die näheren Modalitäten dieser Fahrerlaubniserteilung bekannt sind. Die im beigezogenen Verwaltungsvorgang befindliche Mitteilung des Kreisamtes des Landkreises E. am 08.02.2010 ist insoweit wenig aussagekräftig; ebenso wenig ist bislang erkennbar, dass anlässlich der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis eine ärztliche Eignungsuntersuchung stattgefunden hat, im Rahmen derer auch die frühere Trunkenheitsfahrt des Antragstellers berücksichtigt worden ist. Unter diesen Umständen - die darauf hindeuten, dass der Antragsteller die in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Bestimmungen hinsichtlich der Überprüfung der Fahreignung umgehen wollte - ist dem Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs, insbesondere an der Vermeidung einer Schädigung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, gegenüber dem Interesse des Antragstellers, von seiner ausländischen Fahrerlaubnis weiterhin Gebrauch machen zu können, der Vorrang einzuräumen (vgl. zu derartigen Fallgestaltungen auch OVG Lüneburg, B. v. 06.04.2010 - 12 ME 30/10 -, www.dbovg.niedersachsen.de).