Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 19.06.2003, Az.: 8 U 32/03
Ausgleich von zu Überzahlungen führenden Vorschuss -, Abschlags - oder Vorauszahlungen auf Grundlage eines Bauvertrags; Beweislast des Bauunternehmers hinsichtlich des Übersteigens des Wertes der eigenen Leistung die der Vorauszahlungen und Abschlagszahlungen des Bauherrn bei mangelnder Schlussrechnung des Unternehmers
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 19.06.2003
- Aktenzeichen
- 8 U 32/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 30053
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2003:0619.8U32.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück - 18.12.2002 - 7 O 623/02
Rechtsgrundlagen
- § 513 Abs. 1 ZPO
- § 546 ZPO
- § 138 Abs. 3 ZPO
Fundstellen
- BauRB 2004, 4-5 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2004, 54-55
Prozessführer
Herr K.S.,D.,L.,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte F.S.O., Geschäftszeichen: 1577/03FU13
Prozessgegner
Firma I.M.L.
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte L.,O.,M., Geschäftszeichen: 1131/01-L-01
In dem Rechtsstreit
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juni 2003
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 18.12.2002 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,56 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 5.1.2002 zu zahlen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer übersteigt nicht 20.000,- EUR.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Er hat nach Kündigung des mit der Beklagten geschlossenen Bauvertrages einen vertraglichen Anspruch auf Rückzahlung des geltend gemachten Betrages von 16.957,56 EUR (33.166,11 DM). Denn in Höhe dieses Betrages ist durch die unstreitigen Abschlagszahlungen in Höhe von 200.239,20 DM eine Überzahlung der unter Berücksichtigung des vereinbarten Festpreises von 213.600,- DM bis zur Kündigung erbrachten Leistungen von 167.073,09 DM erfolgt.
I)
Soweit das Landgericht auf der Grundlage der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt hat, der Kläger habe den ihm obliegenden Nachweis nicht geführt, dass der von der Beklagten behauptete Rechtsgrund für das Behaltendürfen des mit der Klage geltend gemachten Betrages, nämlich die Abrede, dass zusätzlich zu der im Bauvertrag festgeschriebenen Summe ein Betrag von 40.000,- DM in bar gezahlt werden sollte, nicht gegeben sei, beruht dies auf einer Rechtsverletzung i.S. von § 513 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 546 ZPO.
1)
Das Landgericht hat einmal die Beweislast verkannt.
a)
Entgegen der Meinung des Landgerichts sind Vorschuss -, Abschlags - oder Vorauszahlungen, die zu Überzahlungen führen, nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH (vgl. BGHZ 140, 365 ff, 374 [BGH 11.02.1999 - VII ZR 399/97] = NJW 1999, 1867 ff., 1869 [BGH 11.02.1999 - VII ZR 399/97]; NJW 2002, 1567 f. =BauR 2002, 938 f.; NJW - RR 2002, 1097 f = BauR 2002, 1407 f.) nicht nach den §§ 812 ff. BGB auszugleichen. Vielmehr ergibt sich der Zahlungsanspruch aus der - im vorliegenden Fall in dem Bauvertrag getroffenen - vertraglichen Abrede über die Leistung von Abschlagszahlungen selbst. Dies gilt insbesondere auch, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Pauschalpreisvertrag vorzeitig durch Kündigung beendet worden ist (vgl. BGHZ 140, 365 ff., 374) [BGH 11.02.1999 - VII ZR 399/97].
Nach der genannten Rechtsprechung des BGH bedeutet dies bezüglich der Darlegungs - und Beweislast Folgendes: Liegt - wie im vorliegenden Fall - eine Schlussrechnung des Unternehmers (noch) nicht vor - kann der Auftraggeber (Bauherr) die Überzahlung mit einer eigenen Rechnung begründen. Dies hat der Kläger mit seiner Klageschrift getan, wobei er bei seiner Berechnung von dem in dem Bauvertrag genannten Festpreis von 213.600,- DM ausgegangen ist und davon die nicht erbrachten Leistungen von 46.526,91 DM abgezogen hat. Es ist dann Sache des Unternehmers darzulegen und zu beweisen, dass der Wert seiner Leistungen höher ist als die insgesamt erbrachten Voraus - und /oder Abschlagszahlungen des Bauherrn.
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist nicht der Kläger, sondern die Beklagte dafür darlegungs - und beweispflichtig, dass zusätzlich zu dem in dem Bauvertrag genannten Festpreis von 213.600,- DM ein Betrag von 40.000,- DM in bar gezahlt werden sollte. Denn nur dann ergäbe sich unter Berücksichtigung der unstreitig bis zur Kündigung des Bauvertrages nicht erbrachten Leistungen in Höhe von 46.526,91 DM keine Überzahlung der Beklagten.
b)
Unabhängig davon trägt derjenige, der im Widerspruch zu dem Inhalt eines schriftlichen Vertrages den Abschluss einer mündlichen Nebenabrede behauptet, den vollen Beweis dafür. Denn eine schriftliche Vertragsurkunde trägt die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich (vgl. BGH NJW 1980, 1680 f., NJW 1991 1750 ff, 1753 [BGH 15.05.1991 - VIII ZR 38/90]; ZIP 1999, 1887 ff, 1888).
Auch in Hinblick darauf ist die Beklagte dafür beweispflichtig, dass zu dem in dem Bauvertrag genannten Festpreis von 213.600,- DM ein Betrag von 40.000,- DM in bar gezahlt werden sollte. Denn diese Nebenabrede ist in dem schriftlichen Bauvertrag nicht enthalten.
2)
Im Übrigen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts zu beanstanden.
Sie kann zwar nach § 513 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 546 ZPO nur darauf nachgeprüft werden, ob sie in sich widersprüchlich ist, den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen zu wider läuft oder Teile des Beweisergebnisses ungewürdigt lässt (vgl. Zöller - Gummer, ZPO, 23. Aufl., Rz. 13 zu § 546 m.w.N.).
a)
Das Landgericht hat bei der Beweiswürdigung aber einmal ungewürdigt gelassen, dass sowohl der schriftliche Bauvertrag als auch die von dem Kläger vorgelegte Korrespondenz mit der Beklagten dagegen sprechen, dass die von der Beklagten behauptete Vereinbarung einer Barzahlung von 40.000,- DM über den Festpreis hinaus getroffen worden ist. So hat sich die Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten noch mit Schreiben vom 13.11.2001 vehement dagegen verwahrt, dass eine solche von ihr richtigerweise als "Schwarzgeldabrede" gekennzeichnete Vereinbarung getroffen worden sei.
Der Kläger hat zudem nunmehr ein Schreiben der Beklagten vom 7.9.2001 vorgelegt, in dem ausdrücklich nur von der Vereinbarung eines Festpreises die Rede ist, in dem nach Auffassung der Beklagten schon ein Skontobetrag enthalten gewesen sei. Auch dieses Schreiben spricht dagegen, dass die von der Beklagten behauptete Vereinbarung einer Barzahlung von 40.000,- DM über den Festpreis hinaus getroffen worden ist.
Dieses Vorbringen des Klägers ist zwar neu. Es kann aber dahin gestellt bleiben, ob die Voraussetzungen für die Zulassung dieses neuen Vorbringens nach § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO gegeben sind. Denn das Vorbringen des Klägers ist mangels Bestreitens des Beklagten unstreitig (§ 138 Abs. 3 ZPO). Unter diesen Umständen ist es im Berufungsrechtszug nicht nur unter den erschwerten Bedingungen des § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen (vgl. Crückeberg, MDR 2003, 10 f.).
b)
Zum anderen hat sich das Landgericht nicht mit dem Widerspruch in der Aussage des Zeugen C. auseinander gesetzt, wonach die Vertragsverhandlungen - wie auch die Ehefrau des Klägers bekundet hat - bei dem Kläger zu Hause in der Küche stattgefunden haben sollen, die Ehefrau des Klägers aber zeitweise raus gegangen sein soll, um Kaffee zu kochen.
II)
Eine an sich wegen der somit feststehenden Rechtsverletzung des Landgerichts gebotene Wiederholung der Beweisaufnahme ist nicht angezeigt. Denn selbst wenn die Beklagten beweisen würden, dass die mündliche Vereinbarung einer Barzahlung von 40.000,- DM über den Festpreis hinaus getroffen worden wäre, wäre eine solche Vereinbarung unwirksam.
Abgesehen davon, dass nach Ziff. 7 des Bauvertrages Änderungen und Ergänzungen des Vertrages zu ihrer Gültigkeit der Schriftform bedurften, hätte die von der Beklagten behauptete Vereinbarung ausschließlich dazu gedient, der Beklagten die auf die Barzahlung gemäß den §§ 1 Abs.1, 13 UStG entfallende Umsatz -/Mehrwertsteuer zu "sparen", d.h. verbotswidrig nicht an das Finanzamt abzuführen. Ein anderer Grund ist von den Parteien nicht - insbesondere auch nicht von der Beklagten - dargetan worden und ist nicht ersichtlich. Der Zeuge C. hat dazu zwar bekundet, er denke, dass die Barzahlungen als Bareinnahmen verbucht worden seien. Konkrete Angaben konnte er aber dazu nicht machen.
Zumindest solche Nebenabreden, die nach alledem einer verbotswidrigen Steuerverkürzung gedient hätten, wären aber gemäß §§ 134, 138 Abs. 1 BGB nichtig (vgl. BGH LM § 134 BGB Nr. 57).
Es kann unter diesen Umständen dahin gestellt bleiben, ob die Nichtigkeit der Nebenabrede auch zu einer Unwirksamkeit des gesamten Bauvertrages geführt hätte (so OLG Hamm NJW - RR 1997, 722 [OLG Hamm 18.11.1996 - 5 U 109/96]; a.A. BGH NJW - RR 2001, 380 f.).
III)
Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 284 Abs. 1, 286, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert der Beschwer übersteigt nicht 20.000,- EUR.