Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 22.05.2000, Az.: 1 VAs 2/00
Strafvollstreckung; Vorschaltverfahren; Zustellung; Wirksamkeit; Beschwerdebescheid; Anhängigkeit; Rechtsanwalt; Kenntnis; Empfangsbekenntnis
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 22.05.2000
- Aktenzeichen
- 1 VAs 2/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 16531
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2000:0522.1VAS2.00.0A
Rechtsgrundlagen
- § 24 Abs. 2 EGGVG
- § 26 Abs. 1 EGGVG
- § 21 StVollstrO
- § 212a ZPO
Fundstelle
- StraFo 2000, 279-280
Amtlicher Leitsatz
1. Der Lauf der Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG ist auch bei dem Vorschaltverfahren nach § 21 StVollstrO von der (förmlichen) Zustellung des Beschwerdebescheides abhängig.
2. Die Rechtswirksamkeit einer Zustellung nach § 212 a ZPO setzt neben der Übermittlung des zuzustellenden Schriftstücks und dem Willen des Absenders, es zuzustellen, auf Seiten des Anwalts die Kenntnis von der Zustellungsabsicht der Geschäftsstelle sowie den Willen voraus, das in seinen Gewahrsam gelangte Schriftstück als zugestellt anzunehmen. Dies muss der Rechtsanwalt unter Beifügung des Datums durch seine Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis dokumentieren. Das Empfangsbekenntnis muss allerdings nicht stets und sofort auf dem üblichen gerichtlichen Vordruck abgegeben werden. Die Bekundung des Willens, ein bereits zugegangenes Schriftstück als zugestellt anzunehmen, kann auch anderweitig und später erklärt werden, wobei der Zeitpunkt der Zustellung sich danach richtet, wann der RA von der Zustellungsabsicht wusste, bereits bei Zugang des Schriftstücks oder erst bei der späteren Erklärung.
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers als unzulässig verworfen.
Der Geschäftswert wird auf 1. 000 DM festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Der Antragsteller begehrt die Zurückstellung der Strafvollstreckung in dieser und in zwei anderen Sachen gemäß § 35 BtMG. Dies hat die Staatsanwaltschaft abgelehnt. Der Generalstaatsanwalt hat die dagegen eingelegte Beschwerde durch Bescheid vom 5. Januar 2000 als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich der Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG.
Der Antrag ist unzulässig.
Er ist zwar - entgegen der Annahme des Generalstaatsanwalts nicht verspätet eingelegt worden. Nach § 26 Abs. 1 EGGVG muss der Antrag auf gerichtliche Entscheidung innerhalb eines Monats nach Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe des Bescheides oder, soweit ein Beschwerdeverfahren nach § 24 Abs. 2 EGGVG vorausgegangen ist, nach Zustellung des Beschwerdebescheides gestellt werden. Der Generalstaatsanwalt hat die Zustellung des Bescheides vom 5. Januar 2000 durch Empfangsbekenntnis an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers verfügt. Dieser hat, nachdem er von dem Generalstaatsanwalt um Rücksendung des bis dahin nicht zurück gelangten Empfangsbekenntnisses gebeten worden war, in dem Schriftsatz vom 17. März 2000 erklärt, ein Empfangsbekenntnis nicht vorfinden und keine Aussage darüber treffen zu können, ob ihm der Bescheid vom 5. Januar 2000 unter Beifügung eines Empfangsbekenntnisses zugestellt worden sei. Er hat indes versichert, dass ihm der Bescheid am 12. Januar 2000 zugegangen sei. Unter diesen Umständen ist die Begründung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung vom 3. März 2000 am 8. März 2000 rechtzeitig beim Generalstaatsanwalt eingegangen.
Der Senat vermag der Ansicht des Generalstaatsanwalts nicht zu folgen, einer förmlichen Zustellung habe es hier nicht bedurft, die Frist des § 26 Abs. 1 EGGVG sei mit dem Zugang des Bescheides vom 5. Januar 2000 am 12. Januar 2000 in Gang gesetzt worden. Dass die Strafvollstreckungsordnung für Beschwerdeentscheidungen nach § 21 keine Zustellungsverpflichtung vorsieht, bedeutet aber nicht, dass die Zustellung für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung entbehrlich wäre.
Die Notwendigkeit der förmlichen Zustellung für den Fristenlauf ergibt sich aus § 26 Abs. 1 EGGVG. Danach ist der Lauf der Monatsfrist im Falle eines vorausgegangenen Beschwerdeverfahrens i. S. des § 24 Abs. 2 EGGVG, zu dem auch das Verfahren nach § 21 StVollstrO zählt (vgl. OLG Stuttgart MDR 1994, 297 [OLG Stuttgart 28.09.1993 - 4 VAs 21/93]), von der Zustellung des Beschwerdebescheides abhängig (vgl. auch Kissel, Gerichtsverfassungsgesetz 2. Aufl. , § 26 EGGVG Rdnr. 6).
Zugestellt worden ist der Bescheid vom 5. Januar 2000 spätestens am 17. März 2000. Eine frühere Zustellung ist nicht nachzuweisen.
Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat erklärt, er könne nicht sagen, ob bei Zugang des Bescheides am 12. Januar 2000 ein Empfangsbekenntnis beigefügt war. Eine Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses mit der Zufügung des Datums ist indes Voraussetzung für die Wirksamkeit der vereinfachten Zustellung gem. § 212 a ZPO (vgl. BGH MDR 1961, 759). Die Rechtswirksamkeit einer Zustellung nach dieser Vorschrift setzt nämlich nicht nur auf Seiten der Geschäftsstelle die tatsächliche Übermittlung des zuzustellenden Schriftstücks und den Willen voraus, es zuzustellen. Auf Seiten des Anwalts muss außerdem die Kenntnis von der Zustellungsabsicht der Geschäftsstelle sowie der Wille vorhanden sein, das in seinen Gewahrsam gelangte Schriftstück als zugestellt anzunehmen (vgl. BGH NJW 1994, 2297 [BGH 03.05.1994 - VI ZR 248/93]). Dies muss der Rechtsanwalt unter Beifügung des Datums durch seine Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis dokumentieren (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 58. Aufl. , § 212a Rdn. 8). Das Empfangsbekenntnis muss allerdings nicht stets und sofort auf dem üblichen gerichtlichen Vordruck abgegeben werden. Die Bekundung des Willens, ein bereits zugegangenes Schriftstück als zugestellt anzunehmen, kann auch anderweitig erklärt werden (vgl. BGH NJW 1994, 2297 [BGH 03.05.1994 - VI ZR 248/93]). Eine solche Erklärung hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers erst mit dem Schriftsatz vom 17. März 2000 abgegeben. Sie wirkt hier nicht auf den Zeitpunkt des Zugangs des Bescheides am 12. Januar 2000 zurück, weil der Rechtsanwalt nicht erklärt hat, dass er bereits zu diesem Zeitpunkt von der Zustellungsabsicht der Generalstaatsanwaltschaft wusste und den Bescheid als zugestellt ansah. Insofern liegt dieser Fall anders als die Fälle, in denen der Bundesgerichtshof eine Rückwirkung der nachträglichen Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses angenommen hat, weil der Rechtsanwalt - offensichtlich - von dem Zustellungswillen des Absenders bereits bei Zugang des Schriftstücks wusste (BGH MDR 1961, 759 und NStZ 1996, 149).
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist aber deswegen unzulässig, weil er nicht den Anforderungen des § 24 Abs. 1 EGGVG genügt. Danach muss der Antragsteller geltend machen, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die bloße Behauptung einer Rechtsverletzung genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr eine - wenn auch zunächst in groben Zügen - die Schlüssigkeitsprüfung ermöglichende Sachdarstellung, also der Vortrag von Tatsachen, die, wenn sie zuträfen, ergeben, dass dem Betroffenen mindestens unter einem dankbaren rechtlichen Gesichtspunkt die beanspruchten Rechte zustehen und die Behörde diese Rechte verletzt (vgl. Senatsbeschluss vom 24. September 1998 - 1 VAs 14/98 -; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. , § 24 EGGVG Rdnr. 1; Kissel, a. a. O. , § 24 EGGVG Rdnr. 1).
An einem aus sich heraus verständlichen Sachvortrag, aus dem sich ergibt, dass, der Antragsteller in seinen Rechten verletzt sein könnte, fehlt es aber hier. Um entscheiden zu können, ob der Antragsteller durch die Bescheide der Staatsanwaltschaft und des Generalstaatsanwalts in seinen Rechten verletzt sein kann, bedarf es der Kenntnis, welche Straftaten den Urteilen zu Grunde liegen, aus denen nunmehr Strafen verbüßt werden. Daran fehlt es in der Antragsbegründung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 30 Abs. 1 und 2 EGGVG i. V. m. § 2 Nr. 1 KostO. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 30 Abs. 3 EGGVG i. V. m. § 30 Abs. 1 und 3 KostO.