Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 15.12.2010, Az.: 1 A 235/10

Anlaufphase; Ermäßigung; Ferienanlage; Rundfunkgebühr; Zweitgerät

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
15.12.2010
Aktenzeichen
1 A 235/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 48033
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Rundfunkgebührenstaatsvertrag berücksichtigt rechtmäßigerweise typisierend Minderausnutzungen in mit Empfangsgeräten ausgestatteten Ferienwohnanlagen; eine weitere Absenkung für eine Anlaufphase ist daneben nicht geboten. Erstgerät in Gemeinschaftseinrichtungen sind bei der Bestimmung der begünstigten Zweitgeräte zu berücksichtigen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die lediglich um 25 v.H. reduzierte Heranziehung zu Rundfunk- und Fernsehgebühren für die Zeit vom April bis Dezember 2009.

Die Klägerin bewirtschaftet zwischenzeitlich insgesamt 250 private Ferienhäuser sowie ein Innenzentrum in einem Ferienzentrum im gebiet des Landkreises G. in Niedersachsen. Die Ferienhäuser wurden in drei Abschnitten errichtet bzw. fertig gestellt und mit Fernsehern und mit Rundfunkgeräten ausgestattet. In der Zeit von April bis Juli 2009 wurden dadurch 307 Hörfunk- und 348 Fernsehgeräte, in der Zeit von August bis November 2009 insgesamt 379 Hörfunk- und 444 Fernsehgeräte und im Dezember 2009 dann im endgültigen Ausbauzustand 501 Hörfunk- und 591 Fernsehgeräte vorgehalten. Von diesen berücksichtigte die GEZ bei der Gebührenbemessung die im Innenzentrum der Anlage vorhandenen Fernsehgeräte zu 100 % sowie ein Fernsehgerät im ersten aufgeführten Ferienhaus ebenfalls zu 100 %, ab dem zweiten die in den Ferienhäusern vorgehaltenen Fernsehgeräte zu jeweils 75 %. Ziel der Klägerin ist es, in der Anlaufphase des Ferienparks eine geringere Heranziehung als die im vorgenannten Umfang beschriebene zu erreichen. Hierzu verwies sie im vorprozessualen, wie im Vorverfahren und im gerichtlichen Verfahren auf die zu erwartenden bzw. tatsächlich eingetretenen Auslastungen der Anlage, die sie im Jahr 2009 auf 10 %, im Jahr 2010 auf 25 % und im Jahr 2011 auf 30 % der Gesamtkapazität bezifferte. Dies seien die typischen Anlaufauslastungen von vergleichbaren Einrichtungen. Deshalb sei es ihr auch möglich gewesen, in einer vergleichbaren Anlage, die im Bereich H. in der Vergangenheit errichtet und betrieben worden sei, mit dem dort zuständigen SWR eine an der Auslastung orientierte Gebührenerhebung in der Anlaufphase zu vereinbaren. Die Gebührenbemessung des Beklagten berücksichtige die anwachsende Auslastung unzureichend, diese müsse bei der Differenzierung über die Regelung in § 5 Abs. 2 Nr. 2 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages berücksichtigt werden. Im Übrigen seien von den 250 Ferienhäuser 194 an niederländische Eigentümer veräußert worden, die es an die Klägerin als Betreiberin ebenso wie die I. GmbH G. zurückvermietet hätten; diese nutzten die Angebote des niederländischen Fernsehens.

Die Klägerin beantragt,

den Gebührenbescheid des Beklagten vom 04.06.2010 und deren Widerspruchsbescheid vom 01.10.2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt die Heranziehung als in dieser Höhe allein den Anforderungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages entsprechend und sieht sich nicht in der Lage, über die pauschale Berücksichtigung der Ermäßigung wegen der nicht ständigen Auslastung weitere Abschläge von den zu erhebenden Rundfunkgebühren zu gewähren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Sie sind in ihrem wesentlichen Bestandteilen Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die gemäß § 6 VwGO der Einzelrichter entscheiden kann, hat nur in geringem Umfang Erfolg.

Die Klägerin ist, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, Rundfunkteilnehmerin, weil sie Rundfunkempfangsgeräte im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 des RGebStV zum Empfang bereithält. Sie hat die Verfügungsgewalt über die in der Zeit vom April bis Dezember 2009 in der Ferienanlage vorgehaltenen Hörfunk- und Fernsehgeräte auf Grund der zivilgerichtlich zwischen ihr und den privaten Eigentümern bzw. der I. GmbH G. vereinbarten Vertragsverhältnisse.

Sie kann für die vorgehaltenen Geräte keine weitere Gebührenbefreiung als die in § 5 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 RGebStV vorgesehene beanspruchen. Die bis 1991 zunächst vorgesehene und im dritten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 15.11.1996 (Nds. GVBl. S. 446) wieder eingeführte Ausdehnung des sogenannten Hotelprivilegs auf Rundfunkgeräte in gewerblich vermieteten Ferienwohnungen, beruht auf dem Gesetzentwurf des Ministerpräsidenten vom 01.10.1996 (Landtagsdrucksache 13/2270), der nach erster Plenarberatung am 16.10.1996 zuer Behandlung in die Ausschüsse verwiesen und auf Grund der zweiten und dritten Lesung vom 13.11.1996 (Landtagsdrucksache 13/67) angenommen worden und durch Gesetz vom 15.11.1996 (GVBl. S. 446) verabschiedet worden ist. In der Begründung des Gesetzentwurfs ist als Zielsetzung für § 5 Abs. 2 Satz 3 RGebStV ausgeführt, aus Billigkeitsgründen solle pauschal die nicht vollständige Auslastung der Betriebe des Beherbergungsgewerbes zu berücksichtigen (Landtagsdrucksache 13/2270 S. 78, wie wohl auch im Beschluss des Nds. Oberverwaltungsgericht vom 15.12.2005 - 10 LA 142/05 - S. 3 u.a. gemeint ist). Der Gesetzgeber hatte also die Notwendigkeit anerkannt, auch für gewerblich vermietete Ferienwohnungen den Umstand zu berücksichtigen, dass diese nicht wie typischerweise durchgängig bereitgehaltene und genutzte Geräte in Privathaushalten nur während einer schwankenden Vermietungsdauer tatsächlich zum Empfang der angebotenen Programme genutzt werden. Dieser Mindernutzung sollte durch pauschale Abschläge Rechnung getragen werden. Es sollten also aus Billigkeitsgründen wegen der starken saisonalen Schwankungen keine Gebühren erhoben werden, denen zeitweilig keine Einnahmen gegenüberstehen, weil Gästezimmer zeitweise ungenutzt leer stehen (OVG Lüneburg, B. v. 22.04.2009 - 4 LC 644/07 -). Dabei war mutmaßlich auch erwogen, dass eine An- und Abmeldung von ganzjährig vermietbaren Ferienwohnungen in den Zeiten, in denen eine Vermietung tatsächlich nicht erfolgt, nicht möglich ist (vgl. dazu Göhmann/Naujock/Siekmann, RGebStV, § 5 Rdnr. 50).

Die Angriffe der Klägerin auf diese Ermäßigungsvorschriften greifen nicht durch: Zum einen erscheint eine Differenzierung von Rundfunkgeräten in gewerblich vermieteten Ferienwohnungen zwischen Betrieben mit einer Größenordnung bis zu und von Betrieben mit einer Größenordnung von mehr als 50 Ferienwohnungen ein sachgerechtes Anknüpfungskriterium zu liefern: Ausweislich der für Niedersachsen erhobenen Werte (vgl. statistische Berichte in Niedersachen, Nds. Landesamt für Statistik - G IV 1-m 1/2004 „Gäste und Übernachtungen im Reiseverkehr Januar 2004“) steigt die durchschnittliche Auslastung von Betrieben in Abhängigkeit von ihrer Größe signifikant an. So zeigt die Auswertung der Daten unter Ziffer 6, dass beispielsweise in Hotels die durchschnittliche Auslastung im Sinne des Verhältnisses der Zahl der belegten Gästezimmer zur Zahl der angebotenen Gästezimmer x geöffneter Tage x 100 bei Hotels unter 12 Gästebetten mit 12,7 % auf eine Auslastung von 35,0 % bei Betrieben mit 100 bis 240 Gästebetten ansteigt. Zunehmende Betriebsgröße erscheint deshalb als sachgerechter Anknüpfungspunkt, um die an eine Minderausnutzung anknüpfende Ermäßigung zu bemessen. Dabei sieht das Gericht keinen entscheidungserheblichen Fehler darin, dass auch andere Staffelungen nach der Größe der Betriebe möglich bzw. denkbar wären. Jedenfalls ist die betriebsgröße ein sachlich gerechtfertigter Anknüpfungspunkt.

Darüber hinaus wäre es zwar möglich andere Gesichtspunkte für eine Differenzierung zu nutzen, es erscheint aber nicht gleichheitswidrig, wenn solche unberücksichtigt bleiben. So hat auf die Auslastung der Betriebe nicht nur deren Größe, sondern auch die regionale Verteilung erheblichen Einfluss. So betrug in Niedersachsen in den ersten sieben Monaten des Jahres 2010 die Auslastung angebotener Schlafgelegenheiten 34,4 %, wobei sie schwankte zwischen einer Auslastung von 53,2 % auf den ostfriesischen Inseln und 21,5 % an der Mittelweser (Nds. Landesamt für Statistik zitiert nach IHK Hannover, Niedersachsen: Gästeankünfte und Übernachtungen Juli 2010). Möglich wäre es also neben der Betriebsdauer, die nach Darlegung der Klägerin typischerweise Einfluss auf die Auslastung hat, auch die regionalen Gegebenheiten neben den möglicherweise auch weiter zu staffelnden Betriebsgrößen und Betriebsarten aufzugliedern. Wenn der Gesetzgeber davon abgesehen hat, weitere denkbare Differenzierungskriterien aufzunehmen, hat er damit eine Typisierung und Pauschalierung vorgenommen, die auch dem Umstand Rechnung trägt, dass die Erhebung der Rundfunkgebühren als typisches Massengeschäft einer weitgehenden Annäherung nach der wirklichen Inanspruchnahme entzogen ist. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass der Anknüpfungspunkt für die Gebührenpflicht nicht der Vorteil der tatsächlichen Nutzung der Rundfunk- und Fernsehempfangsgeräte ist, sondern deren Bereithaltung.

Durch die pauschalierte Vergünstigung ist dabei erkennbar auch in Kauf genommen worden, dass nach Ablauf der Betriebseinführungsphase höhergradige Auslastungen dauerhaft erzielt werden, die pauschale Ermäßigung allein in Abhängigkeit von der Betriebsgröße jedoch erhalten bleibt.

Die Klägerin kann daher nicht mit Aussicht auf Erfolg geltend machen, der Gesetzgeber habe es gleichheitswidrig unterlassen, weitere Differenzierungskriterien, insbesondere eine typische anfängliche Minderauslastung von Beherbergungsbetrieben bei der Bemessung der Gebührenlast zu berücksichtigen.

Erfolg hat die Klage lediglich insoweit, als die Beklagte die ungeminderte Gebühr auch für das erste Rundfunk- und Fernsehgerät im ersten Ferienhaus vorgesehen hat. Erst- und Zweitgerät müssen nämlich nicht in einer räumlich funktionalen Einheit, einer Wohnung vergleichbar, bereitgehalten werden, sondern nur in räumlicher Hinsicht im Zusammenhang mit dem Betriebsgelände bzw. der Betriebsstätte, also dem Ort, an dem die zu vermietenden Ferienwohnungen samt der betroffenen Geräte befindlich sind. Dafür reicht es aus, dass ein Erstgerät auf dem Betriebsgelände vorhanden ist, für das eine volle Gebühr entrichtet wird; das kann auch in einer Gemeinschaftseinrichtigung bzw. in allgemein zugänglichen Räumen des Rundfunkteilnehmers bereitgehalten werden (OVG MV, U. v. 02.08.2006 -1 L 566/06 -; OVG SH, U. v. 25.02.2005 - 3 LB 18/04 -). Rundfunk- und Fernsehempfangsgeräte hält die Klägerin im Innenzentrum ihrer Anlage vor. Bei diesem handelt es sich nicht um vermietete Ferienwohnungen oder Teile davon, so dass diesen Geräten die Privilegierung aus § 5 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 RGebStV nicht zu Gute kommen kann. Sie sind, wegen des räumlichen und funktionalen Zusammenhangs, jedoch Erstgeräte, die es erlauben, alle anderen, in den Ferienwohnungen vorgehaltenen Geräte als Zweitgeräte anzusehen. Dies betrifft also auch das erste im ersten Ferienhaus vorgehaltene Empfangsgerät.

Da die Klägerin nur zu einem geringfügigen Teil mit ihrem Klagbegehren erfolgreich ist, ergibt sich die umfassende Kostenpflicht aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

Im Übrigen beruhen die Nebenentscheidungen aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.