FSBGV,NI - Führerscheinbeschlagnahme-Gemeinsame Verfügung

Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- und Drogeneinfluss bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten; Sicherstellung und Beschlagnahme von Führerscheinen

Bibliographie

Titel
Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- und Drogeneinfluss bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten; Sicherstellung und Beschlagnahme von Führerscheinen
Redaktionelle Abkürzung
FSBGV,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
33200000000016

Gem. Verfügung d. MJ, d. MI, d. MFAS, d. MW u. d. MWK v. 18.10.1999 (4103-301.47)

Vom 18. Oktober 1999 (Nds. Rpfl. S. 332)

Geändert am 24. Januar 2019 (Nds. Rpfl. S. 80)

- VORIS 33200 00 00 00 016 -

Bezug:

Gem. Verfügung d. MJ, d. MI, d. MFAS, d. MK u. d. MWK v. 26.5.1995 - Nds. Rpfl. S. 150 -
- VORIS 33200 00 00 00 013 -

Inhaltsübersicht(1)Abschnitt
Allgemeines1
Atemalkoholprüfung2
Verfahren bei der Atemalkoholmessung2.1
Belehrung2.1.1
Gewinnung der Atemprobe2.1.2
Messprotokoll2.1.3
Löschung der personenbezogenen Daten2.2
Körperliche Untersuchung und Blutentnahme3
Rechtliche Grundlagen3.1
Beschuldigte und Betroffene3.1.1
Andere Personen3.1.2
Verstorbene3.1.3
Gründe für die Anordnung3.2
Regelfälle für die Anordnung3.2.1
Verkehrsordnungswidrigkeiten3.2.2
Unklare Verdachtslage3.2.3
Verdacht auf Medikamenten- und Drogeneinfluss3.2.4
Verzicht auf die Anordnung3.3
Privatklagedelikte, leichte Vergehen, Ordnungswidrigkeiten, Ergebnis der Atemalkoholprüfung3.3.1
Ausnahmen3.3.2
Zuständigkeit für die Anordnung3.4
Verfahren bei der Blutentnahme3.5
Entnahme der Blutprobe3.5.1
Protokoll3.5.2
Anordnung/Anwendung von Zwang3.5.3
Zweite Blutentnahme3.5.4
Sicherung der Blutproben3.5.5
Verfahren bei der Untersuchung3.6
Urinproben4
Haarproben5
Vernichtung des Untersuchungsmaterials6
Untersuchungsproben6.1
Untersuchungsbefunde6.2
Sicherstellung/Beschlagnahme von Führerscheinen7
Voraussetzungen7.1
Atemalkoholprüfung7.1.1
Weigerung7.1.2
Verfahren7.2
Abgabe an die Staatsanwaltschaft7.2.1
Rückgabe an Betroffene7.2.2
Ausländische Führerscheine7.2.3
Bevorrechtigte Personen8
Abgeordnete8.1
Diplomatinnen, Diplomaten u. a.8.2
Stationierungsstreitkräfte8.3
Grundsätze8.3.1
Erlaubnisse zum Führen dienstlicher Kraftfahrzeuge8.3.2
Erlaubnisse zum Führen privater Kraftfahrzeuge8.3.3
Kosten9
Inkrafttreten10
UntersuchungsstellenAnlage 1

(1) Red. Anm.:

Die Inhaltsübersicht wurde redaktionell angepasst.

Abschnitt 1 FestAlkFührS - 1. Allgemeines

Bibliographie

Titel
Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- und Drogeneinfluss bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten; Sicherstellung und Beschlagnahme von Führerscheinen
Redaktionelle Abkürzung
FSBGV,NI
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Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
33200000000016

Bei Verdacht einer unter der Einwirkung von Alkohol oder anderen, allein oder im Zusammenwirken mit Alkohol auf das Zentralnervensystem wirkenden Stoffen (Medikamente, Drogen) begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit ist zu prüfen, ob eine Atemalkoholprüfung, eine körperliche Untersuchung, eine Blutentnahme, eine Urinprobe oder eine Haarprobe in Betracht kommen. Besonders wichtig sind diese Maßnahmen bei Verdacht schwerwiegender Straftaten und Verkehrsstraftaten, bei denen zudem eine Sicherstellung oder Beschlagnahme von Führerscheinen (Nr. 7) in Betracht kommen kann, sowie bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24a StVG.

Abschnitt 2 FestAlkFührS - 2. Atemalkoholprüfung

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Titel
Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- und Drogeneinfluss bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten; Sicherstellung und Beschlagnahme von Führerscheinen
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Niedersachsen
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33200000000016

Atemalkoholprüfungen (Vortest und Atemalkoholmessung) sind keine körperlichen Untersuchungen im Sinne des § 81a StPO. Eine rechtliche Grundlage für ihre zwangsweise Durchsetzung besteht nicht. Sie können daher, und weil sie ein aktives Mitwirken erfordern, nur mit Einverständnis der betroffenen Person durchgeführt werden und sollen die Entscheidung über die Anordnung einer Blutentnahme erleichtern. Die Atemalkoholmessung mittels Atemalkoholmessgeräts dient darüber hinaus auch der Feststellung, ob die in §§ 24a Abs. 1 und 24c Abs. 1 StVG genannten Atemalkoholwerte erreicht oder überschritten sind. Wird die Atemalkoholprüfung abgelehnt oder das Test- bzw. Messgerät nicht vorschriftsmäßig beatmet, sind bei Verdacht auf rechtserhebliche Alkoholbeeinflussung eine körperliche Untersuchung und die Blutentnahme anzuordnen. Für die Belehrung gilt Nr. 2.1.1 entsprechend auch für den Vortest.

2.1
Verfahren bei der Atemalkoholmessung

Die Verwertbarkeit der Atemalkoholmessung als Beweismittel hängt entscheidend davon ab, dass Fehlmessungen zu Lasten der betroffenen Person sicher ausgeschlossen werden. Deshalb darf die Atemalkoholmessung nur unter Beachtung der folgenden Regeln durchgeführt werden.

2.1.1
Belehrung

Vor Durchführung der Atemalkoholmessung ist die betroffene Person ausdrücklich darüber zu belehren, dass die Messung nur mit ihrem Einverständnis durchgeführt wird. Der betroffenen Person ist dabei zu eröffnen, welche Straftat oder Ordnungswidrigkeit ihr zur Last gelegt wird. Ablauf und Zweck der Messung sind zu erläutern, und auf die Folgen einer Weigerung oder einer nicht vorschriftsmäßigen Beatmung des Messgerätes ist hinzuweisen.

2.1.2
Gewinnung der Atemprobe

Zur Atemalkoholmessung dürfen nur von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig und Berlin zugelassene und von den zuständigen Eichbehörden gültig geeichte Atemalkoholmessgeräte verwendet werden. Die Messung muss von dazu ausgebildeten Personen unter Beachtung des in DIN VDE 0405 Teil 3 beschriebenen Verfahrens und der für das jeweilige Messgerät gültigen Gebrauchsanweisung durchgeführt werden.

Der Messvorgang, der sich aus zwei Einzelmessungen zusammensetzt, darf frühestens 20 Minuten nach Trinkende erfolgen (Wartezeit).

Das Messpersonal achtet dabei besonders auf Umstände, durch die der Beweiswert der Messergebnisse beeinträchtigt werden kann, vergewissert sich, dass die Gültigkeitsdauer der Eichung nicht abgelaufen ist, die Eichmarke unverletzt ist, das Messgerät keine Anzeichen einer Beschädigung aufweist und stellt namentlich sicher, dass die Daten der betroffenen Person ordnungsgemäß in das Messgerät eingegeben werden, das Mundstück des Messgerätes gewechselt wurde und die betroffene Person in einer Kontrollzeit von mindestens 10 Minuten vor Beginn der Messung keine Substanzen aufnimmt, also insbesondere nicht isst oder trinkt, kein Mundspray verwendet und nicht raucht. Die Kontrollzeit kann in der Wartezeit enthalten sein. Während der Messung ist auf die vorschriftsgemäße Beatmung des Messgerätes zu achten. Nach der Messung hat sich das Messpersonal davon zu überzeugen, dass die im Anzeigefeld des Messgerätes abgelesene Atemalkoholkonzentration mit dem Ausdruck des Messprotokolls übereinstimmt. Zeigt das Messgerät eine ungültige Messung an und liegt die Ursache in einem Verhalten der zu untersuchenden Person, so ist bei der Wiederholungsmessung auf eine Vermeidung zu achten.

2.1.3
Messprotokoll

Die Einhaltung des für die Atemalkoholmessung vorgeschriebenen Messverfahrens ist mittels Messprotokoll zu dokumentieren. Auf dem von dem Messgerät erstellten Ausdruck bestätigt das Messpersonal durch Unterschrift, dass es zur Bedienung des Gerätes befugt ist und die Messung nach Maßgabe der Gebrauchsanweisung des Geräteherstellers durchgeführt wurde. Auf dem Messprotokoll ist für Rückfragen neben der Unterschrift auch der Familienname und die Dienststelle der den Test durchführenden Person anzugeben. Das Messprotokoll ist zu den Ermittlungsakten zu nehmen.

2.2
Löschung der personenbezogenen Daten

Nach Durchführung der Messungen und Ausdruck des Messprotokolls sind die personenbezogenen Daten aus dem Messgerät zu löschen.

Abschnitt 3 FestAlkFührS - 3. Körperliche Untersuchung und Blutentnahme

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33200000000016

3.1
Rechtliche Grundlagen

3.1.1
Beschuldigte und Betroffene

Bei Beschuldigten und Betroffenen sind ohne ihre Einwilligung die körperliche Untersuchung sowie die Blutentnahme zur Feststellung von Tatsachen zulässig, die für das Verfahren von Bedeutung sind, wenn kein Nachteil für ihre Gesundheit zu befürchten ist (§ 81a Abs. 1 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG). Betroffene haben jedoch nur die Blutentnahme und andere geringfügige Eingriffe zu dulden (§ 46 Abs. 4 OWiG).

3.1.2
Andere Personen

Bei anderen Personen als Beschuldigten oder Betroffenen ist ohne ihre Einwilligung

  • die körperliche Untersuchung nur zulässig, wenn sie als Zeuginnen und Zeugen in Betracht kommen und zur Erforschung der Wahrheit festgestellt werden muss, ob sich an ihrem Körper eine bestimmte Spur oder Folge einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit befindet (§ 81c Abs. 1 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG);

  • die Blutentnahme nur zulässig, wenn kein Nachteil für ihre Gesundheit zu befürchten und die Maßnahme zur Erforschung der Wahrheit unerlässlich ist (§ 81c Abs. 2 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG).

In diesen Fällen können die Untersuchung und die Blutentnahme aus den gleichen Gründen wie das Zeugnis verweigert werden; beide Maßnahmen sind ferner unzulässig, wenn sie der betroffenen Person bei Würdigung aller Umstände nicht zugemutet werden können (§ 81c Abs. 3, 4 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG).

3.1.3
Verstorbene

Bei Leichen sind Blutentnahmen zur Beweissicherung nach § 94 StPO zulässig.

3.2
Gründe für die Anordnung

3.2.1
Regelfälle für die Anordnung

Eine körperliche Untersuchung und eine Blutentnahme sind in der Regel anzuordnen bei Personen, die verdächtig sind, unter der Einwirkung von Alkohol und/oder von sonstigen auf das Zentralnervensystem wirkenden Stoffen (Medikamenten, Drogen)
eine Straftat begangen zu haben, namentlich

  • ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt zu haben mit 0,3 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer solchen Blutalkoholkonzentration führt, wenn es infolge des Alkoholkonsums zu Ausfallerscheinungen, einer verkehrswidrigen Fahrweise oder einem Verkehrsunfall gekommen ist;

  • ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt zu haben mit 1,1 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer solchen Blutalkoholkonzentration führt;

  • ein Fahrrad im Straßenverkehr geführt zu haben mit 1,6 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer solchen Blutalkoholkonzentration führt;

  • ein Schienenbahn- oder Schwebebahnfahrzeug, ein Schiff oder ein Luftfahrzeug geführt zu haben, obwohl aufgrund der Gesamtumstände angenommen werden muss, dass sie nicht in der Lage waren, das Fahrzeug sicher zu führen;

eine Ordnungswidrigkeit begangen zu haben, namentlich

  • im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug unter der Wirkung eines in der Anlage zu § 24a StVG genannten berauschenden Mittels geführt zu haben (§ 24a Abs. 2 StVG);

  • ein Wasserfahrzeug geführt zu haben mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,8 oder mehr Promille oder einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer solchen Blutalkoholkonzentration führt, sofern Schifffahrtspolizeiverordnungen entsprechende Bußgeldtatbestände enthalten;

  • nach § 3 Abs. 3 und § 61 Abs. 1 Nr. 1 SeeSchStrO i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 2 Seeaufgabengesetz oder § 7 Abs. 1 Binnenschifffahrtsaufgabengesetz;

  • nach § 8 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4, 5 und § 45 Abs. 2 Nrn. 2a, 3a und 4a BOKraft i.V.m. § 61 Abs. 1 Nr. 4 PBefG;

  • nach § 1 Abs. 3 und § 43 Nr. 3 LuftVO i.V.m. § 58 Abs. 1 Nr. 10 LuftVG.

3.2.2
Verkehrsordnungswidrigkeiten

Bei Personen, die ausschließlich verdächtig sind, eine vorsätzliche oder fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1, 3 StVG begangen zu haben, kann entsprechend Nr. 3.3.1 statt der körperlichen Untersuchung und Blutentnahme eine Atemalkoholmessung (Nr. 2.1) durchgeführt werden.

Bei anderen Bußgeldtatbeständen, die entweder ebenfalls Atemalkoholgrenzwerte enthalten oder die keinen dem Wert nach bestimmten Grad der Alkoholisierung bei den Betroffenen verlangen (bspw. § 24c StVG, § 45 Abs. 2 Nrn. 2a, 3a und 4a BOKraft i.V.m. § 61 Abs. 1 Nr. 4 PBefG), gilt dies entsprechend.

3.2.3
Unklare Verdachtslage

Eine körperliche Untersuchung und eine Blutentnahme sind in der Regel auch anzuordnen

  • bei unter Alkoholeinwirkung oder der Einwirkung sonstiger auf das Zentralnervensystem wirkender Stoffe (Medikamente, Drogen) stehenden Personen, die sich in oder auf einem Fahrzeug befinden oder befunden haben, wenn die das Fahrzeug führende Person nicht mit Sicherheit festzustellen und der Tatverdacht gegen sie, das Fahrzeug geführt zu haben, nicht auszuschließen ist;

  • bei unter Alkoholeinwirkung oder unter der Einwirkung sonstiger auf das Zentralnervensystem wirkender Stoffe (Medikamente, Drogen) stehenden anderen Personen (z.B. Fußgängerinnen und Fußgänger, Beifahrerinnen und Beifahrer), wenn sie im Verdacht stehen, den Straßenverkehr gefährdet zu haben und wenn dadurch andere Personen verletzt oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist;

  • bei Verstorbenen, wenn Anhaltspunkte für die Einwirkung von Alkohol oder sonstigen auf das Zentralnervensystem wirkenden Stoffen (Medikamente, Drogen) vorhanden sind (z.B. Alkoholgeruch, Zeugenaussage, Art des zum Tode führenden Geschehens), es sei denn, ein Fremdverschulden ist auszuschließen;

  • bei schwerwiegenden Straftaten und bei schweren Unfällen, die sich anhand örtlicher oder tageszeitlicher Bedingungen, aufgrund der Straßen- und Witterungsverhältnisse oder durch übliche Fehlverhaltensweisen nicht oder nicht ausreichend erklären lassen;

  • wenn eine Atemalkoholprüfung nicht durchgeführt werden kann (vgl. Nr. 2 Satz 5).

3.2.4
Verdacht auf Medikamenten- oder Drogeneinfluss

Anhaltspunkte für das Einwirken sonstiger auf das Zentralnervensystem wirkender Stoffe (Medikamente, Drogen) sind insbesondere typische Ausfallerscheinungen oder unerklärliche Fahrfehler, die trotz auszuschließender Alkoholeinwirkung bzw. nicht eindeutiger oder ausschließlicher Alkoholbeeinflussung (z.B. nach vorhergegangenem Atemalkoholtest) festgestellt werden. Als weitere Anhaltspunkte kommen das Auffinden von Medikamenten, Drogen oder Gegenständen, die dem Konsum von Betäubungsmitteln dienen sowie die positive Kenntnis früherer Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) in Betracht.

3.3
Verzicht auf die Anordnung

3.3.1
Privatklagedelikte, leichte Vergehen, Ordnungswidrigkeiten, Ergebnis der Atemalkoholprüfung

Eine körperliche Untersuchung und eine Blutentnahme sollen grundsätzlich unterbleiben

  • bei den Privatklagedelikten des Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB), der Beleidigung (§§ 185 bis 189 StGB) und der einfachen Sachbeschädigung (§ 303 StGB);

  • bei leichten Vergehen und bei Ordnungswidrigkeiten, mit Ausnahme der unter Nr. 3.2.1 genannten Regelfälle, es sei denn, dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Täter oder die Täterin schuldunfähig oder vermindert schuldfähig sein könnte (§§ 20, 21, 323a StGB, § 12 Abs. 2, § 122 OWiG);

  • wenn im Rahmen der Atemalkoholprüfung bei vorschriftsmäßiger Beatmung des elektronischen Atemalkoholprüfgerätes (Vortest- oder Atemalkoholmessgerät) weniger als 0,25 mg/l (oder 0,5 Promille) angezeigt werden;

  • wenn die entsprechend Nr. 2.1 durchgeführte Atemalkoholmessung einen Atemalkoholwert unter 0,55 mg/l ergeben hat und lediglich der Verdacht einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StVG besteht.

3.3.2
Ausnahmen

Die Maßnahmen müssen auch in diesen Fällen angeordnet werden

  • falls sie nach pflichtgemäßer Überprüfung wegen der Besonderheiten des Einzelfalles (Schwere oder Folgen der Tat, Verdacht auf Medikamenten- oder Drogeneinfluss, relative Fahruntüchtigkeit) ausnahmsweise geboten sind;

  • falls das Testergebnis zwar einen unter 0,25 mg/l (oder 0,5 Promille) liegenden Atemalkoholwert ergibt, der Test aber erst später als eine Stunde nach der Tat durchgeführt werden konnte und

    • äußere Merkmale (z.B. gerötete Augen, enge oder weite Pupillen, Sprechweise, schwankender Gang) oder

    • die Art des nur durch alkoholtypische Beeinträchtigung erklärbaren Verkehrsverhaltens

    auf eine Alkoholbeeinflussung zur Tatzeit hindeuten;

  • auf Weisung der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft an die Polizei.

3.4
Zuständigkeit für die Anordnung

Die Anordnung einer körperlichen Untersuchung sowie einer Blutentnahme steht der Richterin oder dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft, deren Ermittlungspersonen und den Verfolgungsbehörden zu. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf dann keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Straftat nach § 315a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3, § 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 und 3 oder § 316 StGB oder eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 24a und 24c StVG begangen worden ist. Die Anordnungskompetenz liegt in diesen Fällen bei den Staatsanwaltschaften und ihren Ermittlungspersonen bzw. in Bußgeldsachen bei den Verfolgungsbehörden. Sollen Minderjährige oder Betreute, die nicht beschuldigt oder betroffen sind, körperlich untersucht oder einer Blutentnahme unterzogen werden, so kann das Gericht und, wenn dieses nicht rechtzeitig erreichbar ist, die Staatsanwaltschaft die Maßnahme anordnen, falls die gesetzliche Vertreterin oder der gesetzliche Vertreter zustimmen müsste, aber von der Entscheidung ausgeschlossen oder an einer rechtzeitigen Entscheidung gehindert ist und die sofortige Untersuchung oder Entnahme von Blutproben zur Beweissicherung erforderlich erscheint (§ 81a Abs. 2, § 81c Abs. 3 und 5, § 98 Abs. 1 StPO,§ 46 Abs. 1, 2 und 4 S. 2, § 53 Abs. 2 OWiG).

3.5
Verfahren bei der Blutentnahme

3.5.1
Entnahme der Blutprobe

Blutentnahmen dürfen nur von Ärztinnen oder Ärzten nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden. Ersuchen um Blutentnahmen sind an Ärztinnen oder Ärzte zu richten, die dazu rechtlich verpflichtet oder bereit sind. Andere Ärztinnen und Ärzte sind nicht verpflichtet, Ersuchen um Blutentnahmen nachzukommen.

Da die Richtigkeit der bei der Untersuchung auf Alkohol sowie Drogen und Medikamente gewonnenen Messwerte wesentlich von der sachgemäßen Blutentnahme abhängt, ist dabei grundsätzlich wie folgt zu verfahren:

  • Das Blut ist möglichst bald nach der Tat zu entnehmen.

  • Es ist durch Venen-Punktion mittels eines von der zuständigen Landesbehörde zugelassenen Blutentnahmesystems zu entnehmen, bei dem die Verletzungs- und Kontaminationsgefahr minimiert ist. Die Einstichstelle ist mit einem geeigneten nichtalkoholischen Desinfektionstupfer, der luftdicht verpackt gewesen sein muss, zu desinfizieren. Die Punktion ist in der Regel aus einer Vene der oberen Extremitäten vorzunehmen. Zumindest für die jeweiligen Nadelsysteme und Tupfer sind geeignete Entsorgungsgefäße vorzuhalten.

  • Bei Leichen ist das Blut in der Regel aus einer durch Einschnitt freigelegten Oberschenkelvene zu entnehmen. Dabei ist darauf zu achten, dass keine Spuren vernichtet werden. Falls bei einer Obduktion die Blutentnahme aus der Oberschenkelvene nicht möglich ist, müssen die Entnahmestelle und die Gründe für ihre Wahl angegeben werden.

3.5.2
Protokoll

Die polizeiliche Vernehmung/Anhörung über die Aufnahme von Alkohol, Drogen oder Medikamenten sowie die körperliche Untersuchung sind nach Maßgabe der hierzu verwendeten Formblätter "Protokoll und Antrag zur Feststellung der Alkoholkonzentration im Blut" und "Protokoll und Antrag zum Nachweis von Medikamenten und BtM in Blut und/oder Urin" vorzunehmen. Sie sind möglichst umgehend nach der Tat durchzuführen, um den zur Zeit der Tat bestehenden Grad der alkohol-, drogen- oder medikamentenbedingten Einwirkung festzustellen. Das Protokoll ist zu den Ermittlungsakten zu nehmen. Sofern eine Ausfertigung der Untersuchungsstelle übersandt wird, ist sie in der Weise zu anonymisieren, dass zumindest Anschrift, Geburtstag und Geburtsmonat nicht übermittelt werden.

3.5.3
Anordnung/Anwendung von Zwang

Beschuldigte oder Betroffene, die sich der körperlichen Untersuchung oder Blutentnahme widersetzen, sind mit den nach den Umständen erforderlichen Mitteln zu zwingen, die körperliche Untersuchung und die Blutentnahme zu dulden.

Gegen andere Personen als Beschuldigte oder Betroffene (vgl. Nr. 3.1.2) darf unmittelbarer Zwang nur auf besondere richterliche Anordnung angewandt werden (§ 81c Abs. 6 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG).

3.5.4
Zweite Blutentnahme

Eine zweite Blutentnahme ist im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur in Ausnahmefällen und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles anzuordnen. Dazu besteht z.B. Anlass, wenn

  • Anhaltspunkte für die Annahme gegeben sind, dass Beschuldigte oder Betroffene innerhalb einer Stunde vor der ersten Blutentnahme Alkohol zu sich genommen haben;

  • sich Beschuldigte oder Betroffene auf Nachtrunk berufen oder Anhaltspunkte für einen Nachtrunk vorliegen.

Die zweite Blutentnahme soll 30 Minuten nach der ersten Blutentnahme erfolgen.

3.5.5
Sicherung der Blutproben

Die die körperliche Untersuchung und Blutentnahme anordnende oder eine von ihr zu beauftragende Person soll bei dem gesamten Blutentnahmevorgang zugegen sein. Sie hat darauf zu achten, dass Verwechselungen von Blutproben bei der Blutentnahme ausgeschlossen sind.

Die bei der Blutentnahme anwesende Person ist auch für die ausreichende Kennzeichnung der Blutprobe(n) verantwortlich. Zu diesem Zweck sollen mehrteilige Klebezettel verwendet werden, die jeweils die gleiche Identitätsnummer tragen.

Die für die Überwachung verantwortliche Person hat die Teile des Klebezettels übereinstimmend zu beschriften. Ein Teil ist auf das mit Blut gefüllte Röhrchen aufzukleben. Der zweite Abschnitt ist auf das Untersuchungsprotokoll aufzukleben, das der Untersuchungsstelle übersandt wird. Ihm ist zugleich der dritte Abschnitt lose anzuheften. Er ist nach Feststellung des Blutalkohol- bzw. Drogengehalts für das Gutachten zu verwenden. Der vierte Teil des Klebezettels ist in die Ermittlungsvorgänge einzukleben. Bei einer zweiten Blutentnahme ist auf den Klebezetteln die Reihenfolge anzugeben. Die Richtigkeit der Beschriftung ist von der Ärztin oder dem Arzt zu bescheinigen.

Die bruchsicher verpackten Röhrchen sind auf dem schnellsten Weg der zuständigen Untersuchungsstelle (Anlage) zuzuleiten. Bis zur Übersendung sind die Blutproben möglichst kühl, aber ungefroren zu lagern.

3.6
Verfahren bei der Untersuchung

Die Untersuchungsstelle hat die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass Verwechselungen von Blutproben ausgeschlossen werden. Die Aufzeichnungen über die Kennzeichnung der Proben und die Ergebnisse der Bestimmung von Blutalkohol und/oder von berauschenden Mitteln und deren Abbauprodukten sind für die Dauer von sechs Jahren aufzubewahren, damit sie ggf. dem Gericht oder der Verfolgungsbehörde vorgelegt werden können.

Die Blutalkoholbestimmung für forensische Zwecke ist nach den vom ehemaligen Bundesgesundheitsamt aufgestellten Richtlinien durchzuführen.

Wird die rechtlich zulässige Variationsbreite überschritten, muss die Analyse wiederholt werden. Dem Gutachten sind dann nur die Ergebnisse der zweiten Untersuchung zugrunde zu legen. Tritt ausnahmsweise auch bei dieser eine Überschreitung der zulässigen Variationsbreite ein, so ist dies im Gutachten zu erläutern.

Weichen Sachverständige im Einzelfall von den vorstehenden Grundsätzen ab, so haben sie dem Gericht oder der Verfolgungsbehörde darzulegen, ob hierdurch die Zuverlässigkeit des Untersuchungsergebnisses beeinträchtigt wird.

Die Untersuchungsstellen haben zur Gewährleistung einer gleichbleibenden Zuverlässigkeit ihrer Ergebnisse laufend interne Qualitätskontrollen vorzunehmen und regelmäßig an Ringversuchen teilzunehmen.

Das Gutachten der Untersuchungsstelle ist umgehend der Behörde zuzuleiten, die die Untersuchung veranlasst hat, sofern diese nicht die Übersendung an eine andere Stelle angeordnet hat.

Die Blutprobenreste sollen gekühlt, das Blutserum muss tiefgekühlt aufbewahrt werden.

Abschnitt 4 FestAlkFührS - 4. Urinproben

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33200000000016

Ergeben sich Anhaltspunkte für die Einnahme von Medikamenten oder Drogen, ist im Fall des Verdachts einer Straftat oder einer schwerwiegenden Ordnungswidrigkeit (z.B. nach § 24a Abs. 2 StVG) neben der Blutentnahme auf die Abgabe einer Urinprobe hinzuwirken. Die Entscheidung trifft die die Blutentnahme anordnende Person grundsätzlich nach ärztlicher Beratung. Eine solche Maßnahme ist jedoch nur mit Einwilligung der betroffenen Person möglich. Diese ist hierüber zu belehren; die Belehrung ist aktenkundig zu machen. Für die Untersuchung der Urinprobe sollte Urin in ausreichender Menge (möglichst 50 bis 100 ml) zur Verfügung stehen.

Gibt die betroffene Person eine Urinprobe nicht ab, ist bei der Blutentnahme darauf zu achten, dass nicht nur die für die Alkoholfeststellung übliche Blutmenge (ca. 8-10 ml) entnommen wird. In diesen Fällen sollen im Hinblick auf weitergehende Untersuchungen mindestens 15 ml Blut der betroffenen Person entnommen werden.

Bis zur Übersendung sind Urinproben möglichst kühl zu lagern. Sie müssen in lichtschließenden Behältnissen sowie festem Verpackungsmaterial ggf. gemeinsam mit gleichzeitig entnommenen Blutproben auf schnellstem Weg der zuständigen Untersuchungsstelle zugeleitet werden. Dabei sollen mit der Blutprobe gleichlautende Identitätsnummern verwendet werden. Die Untersuchungsstelle hat die Urinprobe, soweit sie nicht einer sofortigen Untersuchung unterzogen wird, zur Sicherung einer gerichtsverwertbaren Untersuchung auf berauschende Mittel unverzüglich tiefzufrieren und tiefgefroren aufzubewahren.

Forensisch relevante Analyseergebnisse sind durch Einsatz spezieller Methoden abzusichern. Der hierzu erforderliche Standard ist durch regelmäßige interne und externe Qualitätskontrollen zu gewährleisten. Für die Entnahme von Urinproben bei Verstorbenen gilt Nr. 3.1.3 entsprechend.