Abschnitt 2 DfBArmVOl - II.
Bibliographie
- Titel
- Durchführung der Verordnung zum Schutz gegen die ansteckende Blutarmut der Einhufer
- Redaktionelle Abkürzung
- DfBArmVOl,NI
- Normtyp
- Verwaltungsvorschrift
- Normgeber
- Niedersachsen
- Gliederungs-Nr.
- 78510000038001
Zu § 1
1.1
Ansteckende Blutarmut kann auf Grund pathologischanatomischer Untersuchungsverfahren festgestellt werden (vgl. Nr. 2.4). Dagegen reichen klinische, hämatologische und serologische Befunde jeweils allein zur Feststellung der Seuche nicht aus. Die ansteckende Blutarmut muß mindestens auf Grund von zwei der genannten Untersuchungsverfahren nachgewiesen sein.
1.2
Klinische oder hämatologische Befunde allein oder verdächtige pathologisch-anatomische Befunde führen zur Feststellung des Verdachts des Ausbruchs der ansteckenden Blutarmut. Ein positiver serologischer Untersuchungsbefund begründet allein derzeit nur einen "Ansteckungsverdacht" (vgl. zu § 10).
1.3
Werden mit einem Untersuchungsverfahren von den "Normalwerten" abweichende, verdächtige oder positive Befunde festgestellt, sind stets auch die anderen für die Feststellung der ansteckenden Blutarmut vorgeschriebenen Untersuchungen - soweit bei den Tieren ausführbar -durchzuführen. Dies gilt insbesondere bei Vorliegen klinischer Symptome. Zusätzlich ist das Ergebnis epidemiologischer Ermittlungen zu berücksichtigen.
2.1
Die Feststellung klinischer, auf ansteckende Blutarmut hinweisender Symptome kann Schwierigkeiten bereiten, da die Seuche in den verschiedenen Verlaufsformen (akut; subakut; chronisch-inapparent) auftritt. In der Mehrzahl der Fälle wird die klinische Diagnose daher eine Ausschlußdiagnose sein.
Das noch am auffälligsten klinische Krankheitssymptom ist das intermittierende Fieber, fieberfreie Tage und Tage mit Fieber wechseln in unregelmäßigen Abständen, die Körpertemperatur steigt im akuten Stadium auf über 40 Grad Celsius an, im subakuten und chronischen Stadium sind geringere Temperatursteigerungen bis zu 39 Grad Celsius häufig zu beobachten; in chronischen Fällen kann der fieberfreie Zustand mehrere Wochen oder Monate, sogar Jahre anhalten, bevor die Temperatur wieder ansteigt. Voraussetzung ist daher, daß die Körpertemperatur regelmäßig morgens und abends zuverlässig über einen längeren Zeitraum gemessen und aufgezeichnet wird. Konditions- und Gewichtsverlust treten bei den heutigen Haltungsbedingungen nur in akuten klinischen Fällen oder am Ende der Krankheit, subepithelische Blutungen in den Kopfschleimhäuten und an der Zunge sowie anämische Erscheinungen an den sichtbaren Schleimhäuten, ferner Ödeme an Bauch und Unterbrust nur bei einem Teil der erkrankten Tiere und nicht selten nur im Endstadium der Krankheit auf. Belastungsproben mit Herz-, Puls- und Atemfrequenzregistrierung vor und nach der Belastung zur Kontrolle der Herz- und Kreislauffunktion sind infolge des individuell unterschiedlichen "Trainingszustandes" der Pferde in der Regel nur sehr bedingt aussagekräftig.
2.2
Bei der hämatologischen Untersuchung ist insbesondere die Gesamtzahl der Erythrozyten und der Leukozyten sowie der Hämoglobingehalt (Berechnung des Farbindex) zu bestimmen und die Sedimentierprobe durchzuführen. Für die Beurteilung sind folgende Werte zugrunde zu legen:
Normalwerte pro ml | Abweichung bei ansteckender Blutarmut pro ml | ||
---|---|---|---|
Erythrozyten: | Warmblut | 7,0 - 13 Mill. | weniger als 5,0 Mill. |
(Mittel 9,75) | |||
Kaltblut | 5,5 - 9,5 Mill. | weniger als 4,0 Mill. | |
(Mittel 7,5) | |||
Farbindex: | 0,8 - 1,2 | mehr als 1,2 | |
Leukozyten: | Warmblut | 7.000 - 14.000 | weniger als 5.000 |
(Mittel 10.000) | |||
Kaltblut | 6.000 - 12.000 | ||
(Mittel 8.500) | |||
Sedimentierung: Bestimmung des Anteils des Plasmas im Gesamtblut im graduierten Zylinder oder geeichten Blutsenkungspipetten | bis zu 60 % der Gesamtblutsäule | mehr als 60 % |
Für die hämatologische Untersuchung sind nur nicht geronnene Blutproben geeignet, das Blut ist daher in Röhrchen, die mit einem Antikoagulans versetzt sind (z. B. 3,8 Prozent Natrium citricum), einzubringen.
Zur Abklärung von Veränderungen des Blutbildes sind ggf. auch Kotproben (aus dem Rektum) zu entnehmen und parasitologisch auf das Vorhandensein von Magen-Darm-Würmern zu untersuchen.
2.3
Als serologisches Untersuchungsverfahren gilt der Agargel-Immunodiffusionstest (nach Coggins). Dieser Test wird - im Rahmen amtlicher Untersuchungen - für den gesamten Landesbereich im Staatlichen Veterinäruntersuchungsamt Braunschweig durchgeführt.
In den übrigen Fällen bleibt es dem Besitzer des Tieres freigestellt, in welchem Amt er die Untersuchung durchführen lassen will.
Für die serologische Untersuchung ist eine Blutprobe von mindestens 10 ml ohne gerinnungshemmende Zusätze zu entnehmen. Zur Entnahme der Probe sind Einmal-Kanülen oder sterilisierte Kanülen zu verwenden.
2.4
Der pathologisch-anatomische Befund kann von ausgeprägten Organveränderungen bis zu einem fast negativen Ergebnis schwanken (Leber-, Milz- und Lymphknotenveränderungen; petechiale Blutungen). Die "pathologisch-anatomischen Untersuchungsverfahren" schließen die histologische Untersuchung ein. Sofern nicht die zur Untersuchung erforderlichen Organe Leber, Milz, Niere, Herz, Lunge, Milzlymphknoten und ggf. andere Lymphknoten in gekühltem und frischem Zustand unmittelbar an das Untersuchungsinstitut gebracht werden, sind würfelförmige Stücke dieser Organe von ca. 1 bis 2 cm Kantenlänge, in einer Lösung, die etwa 10 Prozent wirksames Formaldehyd enthält (1 Teil Formalin auf 3 Teile eingelegt), zu versenden. Finden sich bei der Zerlegung andere Veränderungen - wie geschwulstartige Wucherungen usw. - in den Organen, so sind auch von diesen Stellen Proben mit einzusenden. Die Formalinlösung muß so reichlich bemessen sein, daß die eingelegten Organstücke allseits von der Lösung umgeben sind.
3.
Untersuchungsmaterial (Blut-, Organ- und Kotproben) ist auf dem schnellstem Wege an das Staatliche Veterinäruntersuchungsamt Braunschweig zu senden. Das Material ist unter Beachtung der Vorschriften über die Versendung von Krankheitserregern vom 21.11.1917 (RGBl. I S. 1069) - Abschn. B - und der entsprechenden Vorschriften der Deutschen Bundesbahn in der 74. Verordnung zur Eisenbahn-Verkehrsordnung vom 6.3.1967 (BGBl. II S. 941) - Anlage C 11. Teil Klasse VI Ekelerregende oder ansteckungsverdächtige Stoffe - und der Sondergenehmigung Nr. 322 hierzu vom 8.7.1971 (veröffentlicht unter Nr. 1077/971 im Tarif- und Verkehrsanzeiger S. 387) zu versenden. Die Vorschriften der Bundespost stimmen mit denen der Eisenbahn-Verkehrsordnung überein (Postordnung vom 16.5.1963, BGBl. IS. 341, zuletzt geändert durch Verordnung vom 26.2.1974, BGBl. I S. 426, hier Anhang 3).
Zu § 2
1.
Gegen Impfungen, Maßnahmen diagnostischer Art oder Heilversuche an seuchenkranken Einhufern werden im Rahmen wissenschaftlicher Versuche dann keine veterinärpolizeilichen Bedenken bestehen, wenn diese Versuche unter Leitung eines wissenschaftlichen Instituts in einem isolierten Stall oder sonstigen Standort mit Quarantäne-Charakter so durchgeführt werden, daß eine Seuchenverschleppung nicht zu befürchten ist.
2.
Auf die Gefahr einer Übertragung des Virus der ansteckenden Blutarmut mit dem Blut infizierter Tiere wird hingewiesen.
3.
Zur Durchführung der Desinfektion vgl. zu § 11.
Zu § 3
Die Anordnung der Untersuchung von Einhuferbeständen wird in der Regel nur dann erforderlich sein, wenn die Gefahr besteht, daß sich die Seuche in einem Gebiet oder in mehreren Einhuferbeständen bereits ausgebreitet hat. Es sollte hierbei vor allem die serologische Untersuchung auf Antikörper im Agargel-Immunodiffusionstest durchgeführt werden.
Zu § 4
1.
Zur hämatologischen und serologischen Untersuchung auf ansteckende Blutarmut sowie zur Entnahme von Blutproben wird auf Nr. 2.2 und 2.3 zu § 1 verwiesen.
2.
Bei den Blutprobenentnahmen durch die beamteten Tierärzte handelt es sich um eine amtliche Tätigkeit im Rahmen der Seuchenermittlung.
Zu § 5
1.
Wird die infektiöse Anämie bei Pferden anläßlich eines Pferderennens oder -turniers festgestellt, gelten als "sonstiger Standort" nur die Räumlichkeiten zur Unterbringung der Tiere, nicht jedoch der Abreiteplatz, der Vorführring und der Parcours.
2.1
Eine Genehmigung zur Entfernung seuchenkranker Einhufer aus dem Gehöft oder sonstigen Standort darf nur zur sofortigen Tötung der Tiere erteilt werden.
2.2
Die Entfernung seuchenverdächtiger Einhufer ist zur sofortigen Tötung der Tiere oder nur aus zwingenden Gründen zu genehmigen und nur, wenn die Tiere an einem anderen Standort oder in einem anderen Gehöft, in dem keine Einhufer gehalten werden, abgesondert gehalten werden können. Zwingende Gründe sind z. B. bauliche Unzulänglichkeiten der Absonderungs- oder Unterbringungsräumlichkeiten oder - zur Verhütung unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Verluste - Freimachung eines sonstigen Standortes für regelmäßige Veranstaltungen (Pferdeturniere u. ä.).
2.3
Für die Entfernung ansteckungsverdächtiger Einhufer gilt Nr. 2.2 entsprechend, abweichend darf jedoch ausnahmsweise gestattet werden, daß die Tiere in ein anderes Gehöft oder einen anderen Standort eingestellt werden, in dem Einhufer gehalten werden (z. B. Rückführung eines Turnierpferdes in den Herkunftsbestand). Eine Genehmigung zur Entfernung ansteckungsverdächtiger Einhufer zur Schlachtung darf regelmäßig erteilt werden.
3.1
Genehmigungen zur Entfernung von Einhufern sind mit der Auflage zu verbinden, daß seuchenkranke, seuchenverdächtige und ansteckungsverdächtige Tiere nur in geschlossenen Fahrzeugen befördert werden, die so beschaffen sind, daß tierische Abgänge, Streu und Futter weder durchsickern noch herausfallen können.
3.2
Voraussetzung für die Erteilung einer Genehmigung ist, daß die Sperrvorschriften in dem neuen Standort eingehalten werden können. Ferner ist in allen Fällen, in denen für den neuen Standort eine andere Behörde zuständig ist, vorher deren Zustimmung einzuholen.
4.
Wird eine Genehmigung zum Verbringen von Einhufern in das Gehöft oder den sonstigen Standort erteilt, ist der Besitzer auf die Vorschrift des § 69 Abs. 2 des Viehseuchengesetzes hinzuweisen.
Zu § 6
Genehmigungen nach § 6 können auf Grund der Beurteilung der Verhältnisse im Einzelfall erteilt werden, wenn ein dringendes wirtschaftliches Bedürfnis besteht oder eine länger dauernde Aufstallung zu erheblichen Schwierigkeiten oder zu unverhältnismäßigen Härten führt. Für die Genehmigung der Nutzung ansteckungsverdächtiger Reit- oder Rennpferde, z. B. auf Reitplätzen oder im Trainingsgelände, ist zu prüfen, ob diese als zu dem Gehöft oder sonstigen Standort dazugehörig anzusehen sind; auf Satz 2 und 3 des § 6 wird in diesem Zusammenhang hingewiesen.
Zu § 7
1.
Auf § 6 der Ausführungsbestimmungen A über die Untersuchung und gesundheitspolizeiliche Behandlung der Schlachttiere und des Fleisches bei Schlachtungen im Inland - AB.A - wird hingewiesen (Schlachtverbot für an ansteckender Blutarmut erkrankte und für seuchenverdächtige Einhufer).
2.
Von der Ermächtigung, die Tötung verdächtiger Einhufer anzuordnen, soll nur ausnahmsweise Gebrauch gemacht werden, z. B. wenn keine für die Aufstallung und Absonderung oder nur völlig unzulängliche Räumlichkeiten zur Verfügung stehen.
3.
Zu Absatz 2 gelten die Hinweise zu § 2 Nr. 1 sinngemäß.
Zu § 9
1.
Bezüglich der Absonderung und amtlichen Beobachtung wird auf § 19 Abs. 4 des Viehseuchengesetzes verwiesen.
2.
Für die Genehmigung zum Entfernen ansteckungsverdächtiger Einhufer aus dem Gehöft oder sonstigen Standort gelten die Hinweise zu §§ 5 und 6 sinngemäß.
3.
Zur hämatologischen und serologischen Untersuchung sowie zur Blutprobenentnahme vgl. Nr. 2.2 und 2.3 zu § 1 sowie Nr. 2 zu § 4.
Zu § 10
1.
Bei klinisch gesunden Einhufern weist ein positives Ergebnis der serologischen Untersuchung im Agargel-Immunodiffusionstest darauf hin, daß sich der Organismus zu irgendeinem Zeitpunkt mit dem Erreger der ansteckenden Blutarmut auseinandergesetzt hat. Ein solcher Befund gibt für die Behörde, sofern er ihr bekannt wird, Anlaß zur Untersuchung des gesamten Bestandes. Werden bei den Tieren mit serologisch positiven Befunden nicht gleichzeitig andere Erscheinungen, die auf ansteckende Blutarmut hindeuten, festgestellt, so sagt dieser serologische Befund allein nichts darüber aus, ob das Tier das Virus ausscheidet, zu irgendeinem späteren Zeitpunkt ausscheiden wird oder an der Seuche erkranken wird. In Anbetracht der besonderen epizootologischen Verhältnisse und der bisherigen Erfahrungen bei der Bekämpfung der infektiösen Anämie der Einhufer sowie der begrenzten Aussagefähigkeit des Agargel-Immunodiffusionstestes bei klinisch und hämatologisch unverdächtigen Tieren ist es - unter Abwägung von Seuchenrisiko und Verhältnismäßigkeit der Mittel - vertretbar, den Bestand nach zweimaliger serologischer, hämatologischer und klinischer Untersuchung aller Einhufer des Bestandes freizugeben, wenn außer den serologischen Befunden keinerlei verdächtige Erscheinungen festgestellt werden.
2.
Zur hämatologischen und serologischen Untersuchung sowie zur Blutprobenentnahme vgl. Nr. 2.2 und 2.3 zu § 1 sowie Nr. 2 zu § 4.
Zu § 11
Die Reinigung und Desinfektion ist in sinngemäßer Anwendung der Abschnitte I bis III der Anlage A (§ 3) der Viehseuchenpolizeilichen Anordnung (zugleich Ausführungsanweisung zum Viehseuchengesetz) - VAVG - vom 1.5.1912 (Nds. GVBl. Sb. III S. 392) in der jeweils geltenden Fassung durchzuführen. Zur Desinfektion können neben den in § 11 Abs. 1 der Anlage A genannten Mitteln und Verfahren auch andere geeignete Desinfektionsmittel mit viruzider Wirkung verwendet werden. Geeignet sind besonders Desinfektionsmittel, die auf der Grundlage von Formalin hergestellt sind.
Flüssige Abgänge sind, soweit sie nicht mit zu Dung verwendet werden, durch Zusatz von Kalkstickstoff oder dicker Kalkmilch (20 kg Kalkstickstoff auf einen Kubikmeter Flüssigmist oder dicke Kalkmilch : Flüssigmist = 6 : 100) zu desinfizieren. Der eingebrachte Kalkstickstoff bzw. die dicke Kalkmilch sind durch intensives maschinelles Umrühren bzw. Umpumpen gut zu verteilen. Die Einwirkungszeit muß bei dicker Kalkmilch und bei Kalkstickstoff mindestens 4 Tage betragen.
Zu § 12
Der Seuchenverdacht auf ansteckende Blutarmut hat sich in der Regel als unbegründet erwiesen, wenn
- a)
bei den seuchenverdächtigen Einhufern frühestens 21 Tage nach Feststellung des Verdachts zwei im Abstand von vier Wochen entnommene Blutproben hämatologisch und serologisch auf ansteckende Blutarmut mit negativem Ergebnis untersucht worden sind und weder bei den betreffenden Tieren noch den übrigen Einhufern des Bestandes für ansteckende Blutarmut verdächtige klinische, hämatologische, serologische oder pathologische Erscheinungen festgestellt worden sind, oder
- b)
bei den seuchenverdächtigen und den übrigen Einhufern des Bestandes innerhalb von 180 Tagen nach Feststellung des Seuchenverdachtes keine für ansteckende Blutarmut verdächtigen klinischen, hämatologischen oder pathologischanatomischen Erscheinungen festgestellt worden sind, oder
- c)
die seuchenverdächtigen Einhufer verendet sind, getötet oder entfernt worden sind und bei den übrigen Einhufern des Bestandes die Voraussetzungen des Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b vorliegen.