Anlage 2 RiStBV - B Richtlinien über die Inanspruchnahme von Publikationsorganen zur Fahndung nach Personen bei der Strafverfolgung(1))
Bibliographie
- Titel
- Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV)
- Amtliche Abkürzung
- RiStBV
- Normtyp
- Verwaltungsvorschrift
- Normgeber
- Niedersachsen
- Gliederungs-Nr.
- 33300000000003
I.
Allgemeines
1.
Grundsätzliches zur Einschaltung von Publikationsorganen
Die Strafverfolgungsbehörden sind gehalten, alle gesetzlich zulässigen Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, zur Aufklärung von Straftaten beizutragen. Sie dürfen dabei grundsätzlich auch Publikationsorgane (Presse, Rundfunk, Fernsehen), die im Hinblick auf ihre Breitenwirkung in vielen Fällen wertvolle Fahndungshilfe leisten können, um ihre Mitwirkung bitten. Das gilt sowohl für die Fahndung nach einem bekannten oder unbekannten Tatverdächtigen als auch für die Suche nach anderen Personen, insbesondere Zeugen (vgl. Nr. 39ff. RiStBV).
Bei der Fahndungshilfe durch Publikationsorgane ist zu beachten, dass bei allzu häufiger Inanspruchnahme der Massenmedien das Interesse und die Bereitschaft der Öffentlichkeit, an der Aufklärung von Straftaten mitzuwirken, erlahmen kann.
2.
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Bei einer Beteiligung von Publikationsorganen an der Fahndung ist der für das gesamte Strafverfahrensrecht geltende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. In jedem Einzelfall bedarf es daher einer sorgfältigen Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung einerseits und den schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten und anderer Betroffener andererseits. Dabei sind namentlich folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:
Die Einschaltung von Publikationsorganen zum Zwecke der Fahndung kann dazu führen, dass Straftaten beschleunigt aufgeklärt werden und der Täter bald ergriffen wird. Die zügige Aufklärung von Straftaten und die Aburteilung des Täters können verhindern, dass der Täter weitere Straftaten begeht. Eine schnelle und wirksame Strafverfolgung hat auch einen bedeutenden generalpräventiven Effekt. Sie dient der Sicherheit und dem Schutz des Bürgers und schafft dadurch Voraussetzungen für eine wirksame Verbrechensbekämpfung.
Andererseits entsteht durch die Erörterung eines Ermittlungsverfahrens mit Namensnennung des Tatverdächtigen in den Publikationsorganen die Gefahr einer erheblichen Rufschädigung. Die spätere Resozialisierung des Täters kann durch unnötige Publizität seines Falles schon vor der Verhandlung erschwert werden. Auch andere Personen, die in den Tatkomplex verwickelt sind oder die in nahen Beziehungen zu dem Tatverdächtigen stehen, können durch eine öffentliche Erörterung schwer benachteiligt werden. Eine Bloßstellung oder Schädigung des Täters oder anderer Betroffener muss nicht nur in deren Interesse, sondern auch im Interesse der Strafrechtspflege möglichst vermieden werden.
Daher dürfen in der Regel nur dann Publikationsorgane in die Fahndung eingeschaltet werden, wenn andere, den Betroffenen weniger beeinträchtigende Fahndungsmittel nicht genügend Erfolg versprechend erscheinen und die Inanspruchnahme der Fahndungshilfe nicht außer Verhältnis steht zu der Bedeutung der Sache und zu den erwartenden Rechtsfolgen der Tat. Es ist stets zu prüfen, ob dem Täter oder anderen Betroffenen drohende Nachteile dadurch vermindert werden können, dass nur Publikationsorgane von geringerer Breitenwirkung in Anspruch genommen werden oder dass die Fahndungshilfe örtlich oder in anderer Weise, etwa durch Verzicht auf die Verbreitung des Bildes eines Gesuchten beschränkt wird.
Auf die schutzwürdigen Interessen von Personen, die von einer Straftat betroffen sind, ist Rücksicht zu nehmen. In der Regel ist dies dadurch zu erreichen, dass die Namen solcher Personen nicht publiziert werden. Sollte die Publizierung eines solchen Namens aus Fahndungsgründen zwingend notwendig sein, so ist vor Einschaltung der Publikationsorgane mit diesen Personen ins Benehmen zu treten, soweit der Fahndungszweck dadurch nicht gefährdet wird.
3. Entscheidungen über die Einschaltung von Publikationsorganen
Der Staatsanwalt trägt die Verantwortung für das Ermittlungsverfahren. Grundsätzlich entscheidet daher der Staatsanwalt - in der Regel nach Anhörung der Polizei - über die Inanspruchnahme der Fahndungshilfe durch Publikationsorgane. Die Polizei wird zu einer Fahndungshilfe durch Publikationsorgane die Zustimmung der Staatsanwaltschaft einholen. Bei Gefahr im Verzuge kann die Polizei eine solche Fahndungshilfe auch ohne Zustimmung des Staatsanwalts in Anspruch nehmen.
II
Besonderheiten bei einzelnen Fallgruppen
1. Fahndung nach einem bekannten Tatverdächtigen
Bei der Fahndung nach einem namentlich bekannten Tatverdächtigen ist Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Publikationsorganen, dass dringender Tatverdacht wegen einer nach Art und Umfang schwer wiegenden Straftat (Verbrechen, Vergehen von erheblichem Gewicht, z.B. schwere oder gefährliche Körperverletzung, Betrug, Unterschlagung hoher Geldbeträge, Serientaten) gegeben ist.
Grundsätzlich muss ein Haftbefehl oder ein Unterbringungsbefehl vorliegen. Bei Gefahr im Verzuge genügt es, dass deren Voraussetzungen gegeben sind.
2. Fahndung nach einem unbekannten Tatverdächtigen
Bei der Fahndung nach einem unbekannten Tatverdächtigen ist Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Publikationsorganen, dass eine nicht unerhebliche Straftat vorliegt. Den schutzwürdigen Interessen Dritter soll auch durch die Fassung des Fahndungsersuchens Rechnung getragen werden. Bis zur Vorlage ihrer Verhandlungen bei der Staatsanwaltschaft (§ 163 Abs. 2 StPO) kann auch die Polizei die Fahndungshilfe durch Publikationsorgane in Anspruch nehmen, es sei denn, der Staatsanwalt widerspricht einer solchen Inanspruchnahme.
3. Fahndung nach Zeugen
Für die Fahndung nach Zeugen gilt Nr. 2 Satz 2 und 3 entsprechend.
4. Fahndung nach einem flüchtigen Verurteilten
In die Fahndung nach einem flüchtigen Verurteilten sollen Publikationsorgane nur eingeschaltet werden, wenn der Verurteilte noch mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, wenn seine Unterbringung angeordnet ist oder wenn seine Ergreifung aus anderen Gründen, etwa wegen der Gefahr weiterer erheblicher Straftaten, im öffentlichen Interesse liegt.
Über die Einschaltung der Publikationsorgane entscheidet die Vollstreckungsbehörde. Ist der Verurteilte aus einer Vollzugsanstalt geflohen, so können bei Gefahr im Verzuge auch der Leiter der Vollzugsanstalt und die Polizei die Fahndungshilfe von Publikationsorganen in Anspruch nehmen.
III
Die Inanspruchnahme der Fahndungshilfe durch Publikationsorgane für andere Aufgaben als die der Strafverfolgung, insbesondere für präventivpolizeiliche Zwecke, zur Identifizierung von unbekannten Toten und zur Auffindung von Vermissten bleibt von dieser Regelung unberührt. Dies gilt auch dann, wenn die Fahndungshilfe durch Publikationsorgane für eine andere Aufgabe als die der Strafverfolgung in Anspruch genommen wird, zugleich aber auch der Strafverfolgung dient und die andere öffentliche Aufgabe vorrangig ist.
IV
Das Informationsrecht, das den Publikationsorganen nach dem Presserecht zusteht, bleibt von dieser Regelung unberührt.
- a)in Baden-Württemberg
durch Allgemeine Verfügung des Justizministeriums vom 19. März 1973
(Die Justiz, S. 129); - b)in Bayern
durch Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 4. April 1973
(JMBl., S. 76); - c)in Berlin
durch Allgemeine Verfügung der Senatsverwaltung für Justiz vom 11. November 1992
(Amtsblatt für Berlin 1992, S. 3482); - d)in Brandenburg
nicht in Kraft gesetzt.
Es gelten die Richtlinien für die Zusammenarbeit der Justizbehörden des Landes Brandenburg mit den Medien; Allgemeine Verfügung des Ministers der Justiz vom 2. März 1992
(JMBl. Bbg., S. 57); - e)in Bremen
durch Gemeinsame Allgemeine Verfügung des Senators für Rechtspflege und Strafvollzug vom 9. März 1973; - f)in Hamburg
durch Allgemeine Verfügung der Justizbehörde Nr. 6/1973 vorn 15. Februar 1973
(HmbJVBl., S. 189); - g)in Hessen
durch Runderlass des Ministers der Justiz vom 31. Juli 1987
(JMBl., S. 514); - h)in Mecklenburg-Vorpommern
durch Allgemeine Verfügung des Ministers für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten vom 1. März 1992
(AmtsBl. M-V 1992, S. 371); - i)in Niedersachsen
durch Allgemeine Verfügung des Ministers der Justiz vom 13. Dezember 1993
(Nds.Rpfl. 1994, S. 8); - j)in Nordrhein-Westfalen
durch Rundverfügung des Justizministers vorn 22. Januar 1973
(4701 - IIIA.11 - Sig JVV NW); - k)in Rheinland-Pfalz
durch Verwaltungsvorschrift des Justizministers vom 27. Februar 1973
(JBl., S. 50; 1991, S. 288),
zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift des Justizministers vom 7. November 1986
(JBl., S. 269); - l)im Saarland
durch Allgemeine Verfügung des Justizministers vom 9. März 1973
(GMBl., S. 279); - m)in Sachsen
durch Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz vom 14. Mai 1991
(SächsABl. vom 21. Mai 1991, S. 4); - n)in Sachsen-Anhalt
durch Allgemeine Verfügung des Ministers der Justiz und des Ministers des Innern vom 28. Dezember 1992; - o)in Schleswig-Holstein
durch Allgemeine Verfügung des Justizministers vom 7. März 1973
(SchlHA 1974, S. 65); - p)in Thüringen
durch Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten vom 29. April 1991
(JMBl., S. 48); - q)im Bund
durch Allgemeine Verfügung des Bundesministers der Justiz vom 12. März 1973
(BAnz Nr. 52 vom 15. März 1973).