4.1 Anzeigepflicht der Schule
Neben der allgemeinen sich aus § 138 StGB ergebenden Anzeigeverpflichtung für geplante Straftaten sind die Lehrkräfte darüber hinaus auch verpflichtet, bei Kenntnisnahme von strafrechtlich relevanten Geschehnissen die Schulleitung zu unterrichten.
Die Schulleitung hat, sobald sie Kenntnis davon erhält, dass eine Straftat an ihrer Schule oder im unmittelbaren Zusammenhang mit der Schule gegen oder durch ihre Schülerinnen und Schüler begangen worden ist oder eine solche Straftat bevorsteht, unverzüglich die Polizei zu informieren.
Anzeigepflichtig sind insbesondere Gewalttaten von außen, schwere innerschulische Straftaten und Fehlverhalten, dem mit schulpädagogischen Mitteln nicht mehr begegnet werden kann.
Exemplarisch sind die nachfolgenden Beispiele angeführt, bei der eine entsprechende Intensität zu bejahen sein wird:
Straftaten gegen das Leben,
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung,
gefährliche Körperverletzung (z. B. mit Waffen, gefährlichen Werkzeugen oder gemeinschaftlich begangen),
sonstige Gewaltdelikte,
politisch oder religiös motivierte Kriminalität,
Verstöße gegen das WaffG,
Raub,
Einbruchsdiebstahl,
Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs (z. B. erheblicher Missbrauch digitaler Medien),
Ausspähen und Abfangen von Daten,
Computerbetrug bzw. Sabotage,
Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz,
gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr (z. B. Steinwürfe).
Darüber hinaus ist die Intensität der Straftat im Einzelfall bei weniger schwerwiegenden Straftaten wie z. B.
zu prüfen.
Die Lehrkräfte sind verpflichtet, sofort die Schulleitung zu unterrichten, sobald sie Kenntnis von solchen oder vergleichbaren Straftaten erhalten. Bei Erkennen von Anzeichen für delinquentes oder extremistisches Verhalten, einer Radikalisierung oder entsprechender Entwicklungen ist präventiv fachkundige Beratung in Anspruch zu nehmen. Weniger schwerwiegendem Fehlverhalten und Regelverstößen begegnet die Schule mit angemessenen pädagogischen Maßnahmen und Erziehungsmitteln. Die Reaktion sollte zeitnah erfolgen, nicht überzogen sein, jedoch deutliche Grenzen aufzeigen.
Im Fall von Jugendstrafverfahren können die bereits von der Schule getroffenen Maßnahmen nach dem NSchG oder von der Polizei durchgeführte erzieherische Maßnahmen von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht berücksichtigt werden. Berücksichtigungsfähig sind erzieherische Maßnahmen, die geeignet sind, die Einsicht der oder des Jugendlichen in das Unrecht der Tat und deren Folgen zu fördern. In solchen Fällen kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung absehen; das Gericht kann das Verfahren einstellen. In der Beurteilung, welche strafrechtliche Reaktion sachgerecht ist, sollen Informationen der Schule einfließen, beispielsweise über die unerlaubte Abwesenheit vom Unterricht.
Ferner kann die Schule an die Staatsanwaltschaft Anregungen für eine besondere (z. B. beschleunigte) Verfahrensbehandlung herantragen, um eine möglichst umgehende Wiederherstellung des Rechtsfriedens an der Schule zu gewährleisten. Dazu können auch die allgemeinen Vereinbarungen zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft, Amtsgericht und Jugendgerichtshilfe über vorrangige Jugendverfahren einen wertvollen Beitrag leisten.
Die Polizei unterstützt die Schule im Einzelfall auf Anforderung durch die Schulleitung bei der Durchsetzung von Ordnungsmaßnahmen nach dem NSchG. Soweit die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich erscheint, leistet sie Vollzugshilfe.
Die sonstigen gesetzlichen Aufgaben der Polizei im Bereich der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr bleiben davon unberührt.
4.2 Informationspflicht der Polizei
Die Polizei ist verpflichtet, Informationen über Personen, Taten oder Sicherheitslagen, die für den schulischen Bereich zur Abwehr einer Gefahr oder zur Erfüllung der Aufgaben der Polizei erforderlich sind, der Schulleitung unverzüglich mitzuteilen.
Für die Information der Staatsanwaltschaft durch die Polizei gelten die allgemeinen Vorschriften.
4.3 Informationen an und durch die Justiz
Staatsanwaltschaft und Gericht unterrichten in geeigneten Fällen die Schule von der Einleitung des Verfahrens oder der Erhebung einer Klage und vom Ausgang des Verfahrens.
Die Schule unterrichtet ihrerseits die Staatsanwaltschaft nach § 70 Satz 2 JGG, wenn ihr bekannt wird, dass gegen die Beschuldigte oder den Beschuldigten noch ein anderes Strafverfahren anhängig ist.
Die Polizei wird von der Staatsanwaltschaft über den Verfahrensausgang in Kenntnis gesetzt.
Bei der Vollstreckung von Jugendstrafe und Jugendarrest soll die Vollstreckungsleitung regelmäßig zugleich mit der Ladung u. a. die Schulleitung davon unterrichten, wo und in welcher Zeit die Vollstreckung erfolgt. Der oder dem Jugendlichen oder Heranwachsenden kann auch aufgegeben werden, die Ladung der Schulleitung vorzulegen und von ihr die Kenntnisnahme auf der Ladung bescheinigen zu lassen.
Entsprechendes gilt für die Vollstreckung von Freiheitsstrafen gegen Heranwachsende.