Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.03.2025, Az.: 10 TaBV 56/24
Rechtmäßigkeit der Bildung eines Wirtschaftsausschusses
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 04.03.2025
- Aktenzeichen
- 10 TaBV 56/24
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2025, 13018
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2025:0304.10TaBV56.24.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 10.07.2024 - AZ: 8 BV 10/23
Rechtsgrundlage
- § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 Halbs. 1 BetrVG
Fundstelle
- ArbRB 2025, 142-143
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Ein Unternehmen dient karitativen Bestimmungen iSv. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG, wenn es den sozialen Dienst am körperlich oder seelisch leidenden Menschen zum Ziel hat und auf Heilung oder Milderung innerer oder äußerer Nöte des Einzelnen oder auf deren vorbeugende Abwehr gerichtet ist, sofern diese Betätigung ohne die Absicht der Gewinnerzielung erfolgt und das Unternehmen selbst nicht von Gesetzes wegen unmittelbar zu derartiger Hilfeleistung verpflichtet ist.
- 2.
Das Unternehmen muss den karitativen Bestimmungen unmittelbar dienen. Das ist nur dann der Fall, wenn die Hilfe von dem Unternehmen gegenüber körperlich, geistig oder seelisch leidenden Menschen direkt erbracht wird.
- 3.
Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit eines Unternehmens führt nicht notwendig dazu, dass dieses auch unmittelbar karitativen Bestimmungen iSv. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG dient.
- 4.
Bestehen die satzungsmäßigen Zwecke insbesondere darin, dem Gesellschafter der Arbeitgeberin Mittel zu beschaffen, und darf die Gesellschaft an den Gesellschafter dafür Gewinne ausschütten, steht dies einer Tendenzträgerschaft der Gesellschaft entgegen. Darauf, ob der Gesellschafter als gemeinnützig anerkannt ist und ob er mit Gewinnerzielungsabsicht handelt, kommt es nicht an. Die Tendenzeigenschaft ist anhand des Unternehmens zu bestimmen; gesellschaftsrechtliche Verflechtungen mit anderen Unternehmen bleiben außer Betracht. Die Tendenzträgereigenschaft des herrschenden Unternehmens führt daher nicht automatisch zum Tendenzschutz für das abhängige Unternehmen.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 10. Juli 2024 - 8 BV 10/23 - abgeändert:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Rechtmäßigkeit der Bildung eines Wirtschaftsausschusses.
Die Antragstellerin (Arbeitgeberin) betreibt mit ca. 380 Arbeitnehmern Rettungswachen mit Einsatzfahrzeugen; sie ist vorrangig für die Notfallrettung und die qualifizierte Krankenbeförderung verantwortlich. Das zuständige Finanzamt erkennt an, dass sie gemeinnützige Zwecke, nämlich die Förderung des Wohlfahrtswesens iSv. § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 AO, verfolgt. Ihr Gesellschaftsvertrag, wegen dessen vollständigen Inhalts auf Bl. 14 bis 30 d.A. I. Instanz Bezug genommen wird, lautet auszugsweise:
§ 3 Gegenstand der Gesellschaft
(1) Die Gesellschaft verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnitts "steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung. Dies sind folgende Zwecke:
(a) Unterstützung von Personen, die infolge ihres körperliche, geistigen oder seelischen Zustand auf Hilfe Anderer angewiesen sind,
(b) Förderung des Wohlfahrtswesens,
(c) Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung,
(d) Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege, des medizinischen Bevölkerungsschutzes,
(e) Förderung der Rettung aus Lebensgefahr, sowie
(f) Förderung des Katastrophen- und Zivilschutzes.
(2) Der Zweck der Gesellschaft wird insbesondere verwirklicht durch die Beschaffung von Mitteln für den DRK-Region B-Stadt e.V. zur Verwirklichung von o.g. steuerbegünstigten Zwecken. Daneben kann die Gesellschaft ihren Förderzweck auch unmittelbar selbst verwirklichen durch:
(a) Beteiligung am Rettungsdienst nach niedersächsischen [sic] Rettungsdienstgesetz, Krankentransporte und Fahrdienste aller Art für Menschen mit Handikap,
(b) Mitwirkung im Katastrophenschutz nach niedersächsisches [sic] Katastrophenschutzgesetz,
(c) Mithilfe beim Schutz der Zivilbevölkerung,
(d) Hilfeleistungen bei Notfällen aller Art,
(e) Ausbildung der Bevölkerung in Erste [sic] Hilfe und im Gesundheitsschutz sowie Erwachsenbildung, Aus- und Fortbildungen und Berufsbildung,
(f) Hilfsangebote für hilfebedürftige Menschen im Krankheitsfall, im Pflegefall oder Behinderung oder im hohen Alter,
(g) Projekte in Rahmen der Integration und Inklusion.
Die Gesellschaft unterhält hierzu Einrichtungen und Rettungswachen.
(3) Die Gesellschaft ist berechtigt, bereits bestehende ähnliche Organisationen zu übernehmen oder [sic] an solchen zu beteiligen, soweit dies gemeinnützigkeitsrechtlichen Bestimmungen nicht widerspricht.
§ 4 Einbindung, Kennzeichen
(1) Die Gesellschaft ist eine Einrichtung des Deutschen Roten Kreuzes und ist Mitglied des Deutschen Roten Kreuzes Region B-Stadt e.V. Durch Einbindung in die Gesamtorganisation des Deutschen Roten Kreuzes nach Maßgabe dieses Gesellschaftsvertrages ist sie ein Teil der nationalen Rotkreuzgesellschaft der Bundesrepublik Deutschland.
(...)
(4) Die Gesellschaft hat die Satzungen der Gesellschafter zu beachten und darf im Gebiet eines anderen Deutschen Roten Kreuz Kreisverbandes nur unter Beachtung der dort geltenden Satzungsbestimmungen tätig werden.
§ 5 Gemeinnützigkeit
(1) Die Gesellschaft verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnitts "steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung. Sie ist selbstlos tätig und verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. Der Gesellschafter DRK-Region B-Stadt e.V. darf Gewinnanteile und sonstige Zuwendungen aus Mitteln der Gesellschaft im Rahmen des § 58 Nr. 1 AO erhalten. Gesellschafter, die nicht steuerbegünstigt sind, dürfen keine Gewinnanteile und keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Gesellschaft erhalten.
(2) Mittel der Gesellschaft dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Die Gesellschaft kann, soweit es zur nachhaltigen Erfüllung ihres Zweckes erforderlich ist, in gemeinnützigkeitsrechtlich zulässigem Umfang Rücklagen bilden.
(3) Keine Person darf durch Ausgaben, die dem Zweck der Gesellschaft fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden.
(4) Die Gesellschafter erhalten bei Auflösung der Gesellschaft das Stammkapital nur bis zur Höhe des eingezahlten Anteiles zurück. Zu dem eingezahlten Anteil im Sinne dieser Bestimmung gehören nicht auch solche Anteile, die aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln hervorgegangen sind.
(5) Im Falle der Auflösung der Gesellschaft oder Wegfall steuerbegünstigter Zwecke fällt das Vermögen der Körperschaft, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile der Gesellschafter übersteigt, an den DRK-Region B-Stadt e.V., der es unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke zu verwenden hat.
Der bei der Arbeitgeberin bestehende Beteiligte zu 2. (Gesamtbetriebsrat) bildete einen Wirtschaftsausschuss.
Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, der Bildung des Wirtschaftsausschusses stehe entgegen, dass sie ausschließlich karitativen Bestimmungen diene.
Sie hat beantragt,
festzustellen, dass die Bildung des Wirtschaftsausschusses durch den Beteiligten zu 2. unwirksam ist.
Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, die gesellschaftsvertraglich vorgesehene Möglichkeit einer Gewinnentnahme stehe der karitativen Bestimmung entgegen, denn sie zeige, dass die Erzielung und Weitergabe von Gewinnen beabsichtigt sei. Ob und in welchem Umfang die Arbeitgeberin Gewinne erwirtschafte und an ihren Gesellschafter DRK Region B-Stadt e.V. weitergebe, lasse sich nicht überprüfen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag entsprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Ein Wirtschaftsausschuss sei nicht zu bilden, weil die Arbeitgeberin unmittelbar und überwiegend karitativen Bestimmungen diene: Sie erbringe medizinische Erstversorgung, Hilfe für krankheits- oder verletzungsbedingt notleidende Menschen sowie Intensiv- und Krankentransporte. Dies seien Tätigkeiten im Dienste Hilfsbedürftiger. Am Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht bestünden keine Zweifel. Der Gesellschaftsvertrag stelle sicher, dass Gewinne nur für satzungsmäßige Zwecke verwendet werden dürften. Dass die Arbeitgeberin tarifliche Sonderzahlungen vorfinanziert habe, stehe nicht entgegen; bei den dafür aufgebrachten Mitteln handele es sich um Rücklagen. Dass der Gesellschaftsvertrag die Gewinnabführung an den ebenfalls gemeinnützigen Gesellschafter DRK-Region B-Stadt e.V. erlaube, spreche ebenfalls nicht für eine Gewinnerzielungsabsicht. Es sei anzunehmen, dass dahinter steuerrechtliche Erwägungen stünden.
Gegen den ihm am 16. Juli 2024 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat der Gesamtbetriebsrat am 14. August 2024 Beschwerde eingelegt und sie innerhalb der verlängerten Frist am 15. Oktober 2024 begründet.
Die Beschwerde führt aus: Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die fehlende Gewinnerzielungsabsicht ein getrenntes, notwendiges Element der karitativen Bestimmung sei. Der Gesamtbetriebsrat habe in Ermangelung eines Wirtschaftsausschusses keine Möglichkeit, sich mit der wirtschaftlichen Situation der Arbeitgeberin vertraut zu machen; daher sei es ausreichend, wenn er auf Ausgaben hinweise, die auf das Vorhandensein von Gewinnen und damit auf eine Gewinnerzielungsabsicht hindeuteten. Eine Einordnung der erzielten Gewinne, aus denen eine Sonderzahlung habe finanziert werden können, als "Rückstellung" (recte: Rücklage) stelle eine unzulässige Spekulation des Arbeitsgerichts dar. Die Formulierung des Gesellschaftsvertrages, wonach nicht "in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke" verfolgt würden, schließe nicht aus, dass die Arbeitgeberin solche "mindestens in zweiter Linie" verfolge und daher mit Gewinnerzielungsabsicht tätig werde, selbst wenn sie diese Gewinne an ein anderes Konzernunternehmen weiterreiche. Die Tätigkeiten der Arbeitgeberin stellten ein lohnendes Geschäft auf dem Gesundheitsmarkt dar; die daraus resultierenden Gewinne bildeten aus Sicht der Arbeitgeberin den eigentlichen Zweck ihrer Tätigkeit und überlagerten einen möglichen karitativen Zweck.
Der Gesamtbetriebsrat beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie führt aus: Sie sei gemeinnützig; "entsprechend" liege keine Gewinnerzielungsabsicht vor. Sie generiere auch tatsächlich keine Gewinne "im wirtschaftlichen Sinne"; etwaige Gewinne dürften nur für den satzungsgemäßen Zweck verwendet werden. Das Vorbringen des Gesamtbetriebsrats zu erzielten erheblichen Gewinnen erfolge ins Blaue hinein. Ihr Engagement erfolge ausschließlich zur Milderung und Heilung der Leiden der verletzten und erkrankten Personen. Sie erbringe die Hilfeleistungen insgesamt unmittelbar an notleidenden Menschen, indem sie Rettungswachen betreibe, ohne dass sie hierzu eine gesetzliche Verpflichtung treffe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der Anhörung vor dem Beschwerdegericht gewesen sind.
II.
Die Beschwerde hat Erfolg.
1.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG an sich statthaft sowie frist- und formgerecht (§ 87 Abs. 2, § 89 Abs. 1 und 2, § 66 ArbGG) eingelegt und begründet worden.
2.
Die Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen für die Bildung eines Wirtschaftsausschusses gemäß § 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sind erfüllt. Die Arbeitgeberin beschäftigt in der Regel mehr als 100 ständig beschäftigte Arbeitnehmer. Die Bereichsausnahme nach § 118 Abs. 1 Satz 2 BetrVG greift nicht ein, denn bei der Arbeitgeberin handelt es sich nicht um ein Tendenzunternehmen iSv. § 118 Abs. 1 BetrVG.
a)
Nach § 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist in allen Unternehmen mit in der Regel mehr als 100 ständig beschäftigten Arbeitnehmern ein Wirtschaftsausschuss zu bilden. Die Bildung des Wirtschaftsausschusses erfolgt unternehmens-, nicht betriebsbezogen. Die Vorschriften der §§ 106 bis 110 BetrVG sind nach § 118 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG nicht auf tendenzgeschützte Unternehmen iSv. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG anzuwenden. Dazu gehören Unternehmen, die unmittelbar und überwiegend karitativen Bestimmungen dienen. Für den Tendenzschutz kommt es nur auf die Bestimmung oder den Zweck des Unternehmens an (BAG 19. November 2019 - 7 ABR 3/18 - Rn. 17, BAGE 168, 360; 22. Juli 2014 - 1 ABR 93/12 - Rn. 18; 22. Mai 2012 - 1 ABR 7/11 - Rn. 18, BAGE 141, 367; 15. März 2006 - 7 ABR 24/05 - Rn. 26).
b)
Ein Unternehmen dient karitativen Bestimmungen iSv. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG, wenn es den sozialen Dienst am körperlich oder seelisch leidenden Menschen zum Ziel hat und auf Heilung oder Milderung innerer oder äußerer Nöte des Einzelnen oder auf deren vorbeugende Abwehr gerichtet ist, sofern diese Betätigung ohne die Absicht der Gewinnerzielung erfolgt und das Unternehmen selbst nicht von Gesetzes wegen unmittelbar zu derartiger Hilfeleistung verpflichtet ist (BAG 19. November 2019 - 7 ABR 3/18 - Rn. 19, BAGE 168, 360; 22. Juli 2014 - 1 ABR 93/12 - Rn. 20; 15. März 2006 - 7 ABR 24/05 - Rn. 30; Boemke/Lakies in: Düwell BetrVG 6. Aufl. § 118 Rn. 24; ). Das Unternehmen muss den karitativen Bestimmungen unmittelbar dienen. Das ist nur dann der Fall, wenn die Hilfe von dem Unternehmen gegenüber körperlich, geistig oder seelisch leidenden Menschen direkt erbracht wird (BAG 19. November 2019 - 7 ABR 3/18 - Rn. 19, BAGE 168, 360 mwN).
c)
Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit eines Unternehmens führt nicht notwendig dazu, dass dieses auch unmittelbar karitativen Bestimmungen iSv. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG dient (BAG 22. Mai 2012 - 1 ABR 7/11 - Rn. 23; LAG Thüringen 13. Juni 2023 - 1 TaBV 29/22 - Rn. 54). Dies ergibt sich bereits aus der Systematik der §§ 51 ff. AO. § 52 AO bezieht sich auf die Gemeinnützigkeit und unterscheidet sich von der Mildtätigkeit (§ 53 AO), die zwar strukturell dem Begriff des "Karitativen" nahekommt, ihn aber nicht für andere Regelungszusammenhänge vorgibt (BAG 22. Mai 2012 - 1 ABR 7/11 - Rn. 23, BAGE 141, 367).
d)
Gemessen daran ist die Arbeitgeberin kein Tendenzunternehmen.
aa)
Gemäß § 3 Abs. 2 ihres Gesellschaftsvertrages verwirklicht die Arbeitgeberin ihren Zweck "insbesondere ... durch die Beschaffung von Mitteln für den DRK-Region B-Stadt e.V." Lediglich "daneben kann die Gesellschaft ihren Förderzweck auch unmittelbar selbst verwirklichen". § 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages regelt, dass der Gesellschafter DRK-Region B-Stadt e.V. Gewinnanteile und sonstige Zuwendungen aus Mitteln der Gesellschaft erhalten darf.
bb)
Daraus folgt zum einen, dass die Betätigung der Arbeitgeberin jedenfalls nicht ausschließlich unmittelbar karitativen Zwecken dient: "Insbesondere" soll der Zweck verfolgt werden, ihrem Gesellschafter Mittel zu beschaffen; lediglich "daneben" ist eine unmittelbar karitative Betätigung vorgesehen. Karitative Betätigung iSv. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG setzt aber voraus, dass die Hilfe von dem Unternehmen gegenüber körperlich, geistig oder seelisch leidenden Menschen direkt erbracht, also der Tendenzzweck in dem Unternehmen oder Betrieb selbst verwirklicht wird. Mit dieser Einschränkung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Prinzip der Nächstenliebe Maßstab jedes - unternehmerischen - Handelns sein könnte, ohne dass es sich unmittelbar bei den Hilfsbedürftigen selbst verwirklicht. Daher bedarf eine karitative Zielsetzung eines Unternehmens einer in konkreten Handlungen erkennbaren Umsetzung des Prinzips der Nächstenliebe gegenüber den Hilfsbedürftigen selbst (BAG 22. Mai 2012 - 1 ABR 7/11 - Rn. 22, BAGE 141, 367). Hieran fehlt es bei einer Tätigkeit, die nur der Beschaffung von Mitteln dient, mit denen eine andere Person karitativ tätig werden soll.
cc)
Zum anderen zeigt der Gesellschaftsvertrag, dass die Arbeitgeberin nicht ohne Gewinnerzielungsabsicht handelt.
(1)
Zwar fehlt es an einer Gewinnerzielungsabsicht auch dann, wenn ein etwaiger Gewinn nur für satzungsmäßige Zwecke verwendet werden darf und daher lediglich den Charakter einer Rücklage hat (BAG 19. November 2019 - 7 ABR 3/18 - Rn. 25, BAGE 168, 360 mwN; LAG Thüringen 13. Juni 2023 - 1 TaBV 29/22 - Rn. 66).
(2)
Vorliegend bestehen die "satzungsmäßigen Zwecke" nach dem Gesellschaftsvertrag jedoch "insbesondere" darin, dem Gesellschafter der Arbeitgeberin Mittel zu beschaffen. An diesen darf die Arbeitgeberin nach § 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages Gewinne ausschütten. Mithin darf die Arbeitgeberin ihre Einnahmen nicht allein für ihre karitative Tätigkeit aufwenden, sondern sie an einen Dritten weitergeben. Dies steht einer Tendenzträgerschaft der Arbeitgeberin entgegen.
(3)
Das Vorbringen der Arbeitgeberin, besagter Gesellschafter sei ebenfalls als gemeinnützig anerkannt, ist unbehelflich. Auf dessen Gewinnerzielungsabsicht kommt es nicht an. Die Tendenz-eigenschaft ist anhand des Unternehmens zu bestimmen; gesellschaftsrechtliche Verflechtungen mit anderen Unternehmen bleiben außer Betracht. Sind mehrere Unternehmen in einem Konzern oder in anderer Weise verbunden, kommt es ausschließlich auf das Unternehmen an, dessen Tendenzeigenschaft jeweils gesondert zu prüfen ist (BAG 19. November 2019 - 7 ABR 3/18 - Rn. 26, BAGE 168, 360; 22. Juli 2014 - 1 ABR 93/12 - Rn. 30; 30. Juni 1981 - 1 ABR 30/79 - zu B III der Gründe, BAGE 35, 352; LAG Thüringen 13. Juni 2023 - 1 TaBV 29/22 - Rn. 69). Die Tendenzeigenschaft des herrschenden Unternehmens führt daher nicht automatisch zum Tendenzschutz für das abhängige Unternehmen (GK/Weber BetrVG 12. Aufl. § 118 Rn. 58 mwN). Diese Rechtsprechung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG 29. April 2003 - 1 BvR 62/99 - Rn. 14).
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
IV.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde folgt aus der grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage, § 92 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.