Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.03.2025, Az.: 7 U 77/24

Beurteilung der Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung i.R.e. Fernabsatzvertrags über den Kauf eines Fahrzeugs

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
20.03.2025
Aktenzeichen
7 U 77/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2025, 12467
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2025:0320.7U77.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 25.09.2024 - AZ: 11 O 110/24
LG Hannover - 22.01.2025 - AZ: 11 O 110/24

Redaktioneller Leitsatz

1. Ein Software-Update für die Einparkhilfe stellt keine Teillieferung dar, die den Beginn der Widerrufsfrist hemmt. 2. Eine Widerrufsbelehrung ist wirksam, wenn sie die Postanschrift und E-Mail-Adresse des Unternehmers enthält, auch wenn die Telefonnummer fehlt.

In dem Rechtsstreit
C. D., ...,
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
F., ...,
gegen
T. GmbH, ...,
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen L., ...,
hat das Oberlandesgericht Celle - 7. Zivilsenat - durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... am 20.03.2025 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers vom 15.10.2024 gegen das am 25.09.2024 verkündete und mit Beschluss vom 22.01.2025 berichtigte Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover, Aktenzeichen: 11 O 110/24, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Dieser Beschluss ist ebenso wie das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet und gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Der Kläger hat trotz des von ihm erklärten Widerrufs vom 21.11.2023 keinen Anspruch auf Rückabwicklung des mit der Beklagten geschlossenen Online-Fahrzeugkaufvertrags über das streitgegenständliche Fahrzeug und dementsprechend keinen Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises. Gleichermaßen steht ihm auch kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Erwägungen des Senats im Hinweisbeschluss vom 05.02.2025 verwiesen, auf den auch wegen der tatsächlichen Feststellungen und gestellten Anträge Bezug genommen wird.

Die auf den Hinweisbeschluss des Senats erfolgte Stellungnahme des Klägers vom 18.03.2025 gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass. Denn auch die darin angeführte, seine bisherige Argumentation im Wesentlichen wiederholende Begründung ändert nichts daran, dass trotz des bei Fahrzeuglieferung ausstehenden Software-Updates für das Kamerasystem der Einparkhilfe keine, dem Beginn des Laufs der vierzehntägigen Widerrufsfrist entgegenstehende "Teilsendung" im Sinne des § 356 Abs. 2 Nr. 1c) BGB vorlag und die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung geeignet war, den Lauf der Widerrufsfrist in Gang zu setzen mit der Folge, dass diese bei Widerrufserklärung durch den Kläger bereits abgelaufen war.

1. Wie im o.a. Hinweisbeschluss im Einzelnen ausgeführt, rechtfertigt die von der Beklagten angekündigte Nachrüstung des Fahrzeugs bezüglich der Einparkhilfe nicht die Annahme des Vorliegens einer dem Einsetzen des Laufs der Widerrufsfrist entgegenstehenden "Teilsendung". Dabei hilft dem Kläger der Hinweis in seiner Stellungnahme vom 18.03.2025 nicht weiter, dass sich die maßgeblichen öffentlichen Äußerungen der Beklagten zum Funktionsumfang der Einparkhilfe aus den Handbüchern des Fahrzeugmodells, die bereits bei Kaufvertragsabschluss vorgelegen haben sollen, ergäben und nicht wie nach dem - vermeintlich unzutreffenden - Verständnis des Senats aus den als Anlagen K7 und K8 vorgelegten Unterlagen. Diesen Handbüchern lässt sich nämlich gerade nichts dafür entnehmen, dass eine Auslieferung des Fahrzeugs mit "vorübergehend eingeschränkten oder inaktiven Funktionen" und "eine Nachlieferung der Funktion der Einparkhilfe mittels Software-Updates" vorgesehen gewesen wäre. Dies ergibt sich indes erst aus den - aus der Zeit nach dem Vertragsschluss stammenden - Mitteilungen der Beklagten auf ihrer Homepage vom April und November 2022 (Anlagen K7 und K8). Damit fehlt es jedoch von Vornherein an einer Grundlage für die Annahme, die Parteien hätten eine Lieferung in "Teilstücken" vereinbaren und das Update rechtlich als "Teillieferung" einordnen wollen.

Darauf, dass sich unabhängig davon aus der Lieferung des Fahrzeugs ohne das Software-Update ohnehin kein Unvermögen des betroffenen Verbrauchers begründet, sich ein vollständiges Bild über den Vertragsgegenstand zu machen und eine Entscheidung zu treffen, ob er das Fahrzeug behalten will, hatte der Senat ebenfalls bereits hingewiesen.

2. Gleichermaßen hat der Senat mit Hinweisbeschluss vom 05.02.2025 dargelegt, dass die im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils wörtlich zitierte Widerrufsbelehrung nicht zu beanstanden und ihr Inhalt und ihre Gestaltung nicht geeignet sind, begründete Zweifel bezüglich der tatbestandlichen Voraussetzungen des Widerrufsrechts hervorzurufen. Dabei folgt - wie der Senat im Einzelnen ausgeführt hat - Abweichendes weder aus dem Umstand, dass die Widerrufsbelehrung die Telefonnummer der Beklagten und eine Definition der Begriffe "Verbraucher" und "ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln" nicht enthält, nicht auf sämtliche in Betracht kommende Kommunikationsmittel zur Übermittlung des Widerrufs oder nicht auf die im Zusammenhang mit der Rückgabe des Fahrzeugs nach Ausübung des Widerrufsrechts zu beachtenden Einzelheiten hinweist, noch daraus, dass - vermeintlich - irreführend über die Erstattungsfähigkeit der Bestellgebühr belehrt wird. Gleichermaßen wird der Verbraucher auch nicht wegen einer - angeblich - irreführenden Belehrung zum pauschalierten Abzug von Wertersatz sowie bezüglich der Kosten der Rücksendung verunsichert. Letztlich ist auch die Angabe einer ungültigen Faxnummer unschädlich, weil auch dieser Umstand einen "normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen" Verbraucher, von dem nach der Rechtsprechung des BGH auszugehen ist, nicht davon abhält, sein Widerrufsrecht auszuüben.

Diese Rechtsprechung des Senats wird von dem Bundesgerichtshof geteilt. Dieser hat mit Beschluss vom 25.02.2025 in der Sache VIII ZR 143/24 entschieden, dass, wenn der Unternehmer nicht die Musterwiderrufsbelehrung, sondern - wie hier - eine selbst formulierte Widerrufsbelehrung verwendet, nach Maßgabe des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB, der Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2011/83/EU umsetzt und demgemäß richtlinienkonform auszulegen ist, die zusätzliche Angabe der Telefonnummer des Unternehmers nicht erforderlich ist, wenn der Unternehmer in der Widerrufsbelehrung (als beispielhafte Kommunikationsmittel für den Widerruf) seine Postanschrift sowie seine E-Mail-Adresse mitteilt. Das gilt erst recht, wenn diese - wie hier - ohne Weiteres auf seiner Internet-Seite zugänglich war. Diese Beurteilung der Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung ist derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 25.02.2025 - VIII ZR 143/24, Rn. 5). Ebenfalls steht einer ordnungsgemäßen Belehrung nicht entgegen, wenn entgegen Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EGBGB keine Angaben zu den Kosten der Rücksendung gemacht sind (vgl. BGH, Beschluss vom 25.02.2025 - VIII ZR 143/24, Rn. 28). Eine Irreführung der Verbraucher über die persönliche und sachliche Reichweite des Widerrufsrechts ist durch eine fehlende Definition der Ausdrücke "Verbraucher" und "ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln" ebenfalls zu verneinen (vgl. BGH, Beschluss vom 25.02.2025 - VIII ZR 143/24, Rn. 29).

3. Dass der Kläger die Rechtsauffassung des Senats zur Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung und die diese bestätigende des Bundesgerichtshofs nicht teilt, insbesondere im Gegensatz zu diesem die Annahme des Vorliegens eines "acte clair" nicht für überzeugend hält, nimmt der Senat zur Kenntnis. Dies hindert den Senat allerdings nicht an einer Entscheidung im Beschlusswege nach § 522 Abs. 2 ZPO und gebietet insbesondere vor dem Hintergrund der höchstrichterlich erfolgten Klärung dieser Rechtsfrage auch keine Vorlage an den EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV.

4. Einer Entscheidung im Beschlusswege steht schließlich auch der Umstand nicht entgegen, dass das Oberlandesgericht Stuttgart im Rahmen seiner Entscheidungen vom 11.03.2025 (Az. 6 U 12/24, 6 U 36/24 und 6 U 57/24, juris) - insoweit in Abweichung von der Rechtsprechung des BGH und des hiesigen Senats - die Auffassung vertritt, die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung sei nicht geeignet, den Lauf der Widerrufsfrist in Gang zu setzen, weil sie lediglich über die Voraussetzungen des Widerrufsrechts belehre, dem Verbraucher aber nicht konkret mitteile, ob er zum Widerruf berechtigt sei. Denn ein Fall einer eine Entscheidung durch Urteil des Senats und die Zulassung der Revision gebietende Divergenz ergibt sich hieraus nicht, weil auch dieser Gesichtspunkt - wie oben ausgeführt - durch die Entscheidung des BGH vom 25.02.2025 bereits höchstrichterlich geklärt ist.

Zwar verhält sich, worauf das OLG Stuttgart abstellt, die Entscheidung des BGH nicht ausdrücklich dazu, ob das Gesetz bei richtlinienkonformer Auslegung dem Unternehmer eine Widerrufsbelehrung gestattet, in der lediglich die gesetzlichen Voraussetzungen des Widerrufsrechts abstrakt wiedergegeben werden, so dass dem Verbraucher die Subsumtion unter die beschriebenen Tatbestandsmerkmale überlassen bleibt, ohne dass ihm konkret mitgeteilt wird, ob in seinem Fall ein Widerrufsrecht besteht oder nicht. Dabei übersieht das OLG Stuttgart allerdings, dass der BGH mit seiner Feststellung, dass durch die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung der Verbraucher nicht über die persönliche und sachliche Reichweite seines Widerrufsrechts irregeführt werde (vgl. Beschluss vom 25.02.2025- VIII ZR 143/24, juris Rn. 29), diese "Vorfrage" denknotwendig - und in Abweichung zur Rechtsauffassung des OLG Stuttgart - bereits mit beantwortet hat.

Vor diesem Hintergrund stehen zwar die Entscheidungen des OLG Stuttgart in Divergenz zur Rechtsprechung des BGH und des hiesigen Senats. Ein Grund für die Zulassung der Revision, der einer Entscheidung im Beschlusswege entgegenstünde, begründet sich hieraus indes nach dem Vorgesagten nicht.

Nach alledem war die Berufung des Klägers durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 Satz 2, § 711 ZPO.