Amtsgericht Stade
Beschl. v. 01.04.2025, Az.: 34 Gs 143 Js 24725/24 (1039/25)

Anspruch auf Akteneinsicht in einem Verfahren wegen des Verdacht des Abrechnungsbetruges

Bibliographie

Gericht
AG Stade
Datum
01.04.2025
Aktenzeichen
34 Gs 143 Js 24725/24 (1039/25)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2025, 13547
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Wer Verletzter im Sinne des § 406e Abs. 1 StPO ist, bestimmt sich nach der Legaldefinition des § 373b StPO. Zwingende Voraussetzung für die Verletzteneigenschaft ist stets eine unmittelbare Beeinträchtigung bzw. ein unmittelbarer Schaden. Ein ggfls. in Betracht kommender mittelbarer Schaden genügt nicht.

In dem Ermittlungsverfahren
gegen
I.
T. K.
Verteidiger:
Rechtsanwalt F. B.
II.
G. K.
Verteidiger:
Rechtsanwalt A. U.
wegen Betruges
hat das Amtsgericht - Strafabteilung - Stade durch die Richterin am Amtsgericht K. am 01.04.2025 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 21.03.2025 wird zurückgewiesen.

Es wird festgestellt, dass die Staatsanwaltschaft S. mit der Entscheidung vom 10.01.2025 zu Recht das Akteneinsichtsgesuch des Anzeigeerstatters B. e. V., vertreten durch die erste Vorsitzende C. H., abgelehnt hat.

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft S. führte unter dem o.g. Aktenzeichen ein Verfahren wegen des Verdacht des Abrechnungsbetruges gegen die vormals Beschuldigten als Verantwortliche der T & F. GmbH in G. als Betreiber der M. in G.

Ausgangspunkt des Ermittlungsverfahrens war eine Strafanzeige des B. e. V., vertreten durch die erste Vorsitzende C. H. vom XX.XX.XXXX (Bl. 1 ff. d. A.). Hierin warf der Anzeigeerstatter den Beschuldigten vor jedenfalls die Zeugin E. als Übungsleiterin im Rahmen der durch die T & F. GmbH angebotenen Rehabilitationssportgruppen und Funktionstrainings eingesetzt und abgerechnet zu haben, obwohl die Zeugin nicht über die hierfür erforderliche Lizenz verfügt habe. Erst im Jahr 2024 habe die Zeugin die Ausstellung einer entsprechenden Lizenz beantragt. Eine Abrechnung gegenüber den Krankenkassen dürfe aber nur erfolgen, wenn ein anerkannter Leistungserbringer den Rehabilitationssport durch lizensierte Übungsleiter durchführen lasse. Dies sei hier gerade nicht der Fall gewesen.

Die Staatsanwaltschaft S. daraufhin die Ermittlungen aufgenommen und unter anderem Auskünfte bei der A. und dem D. eingeholt sowie die Zeugin E. vernommen.

Mit Schreiben vom 22.08.2024 (Bl. 77 d. A.) begehrte der Anzeigeerstatter Akteneinsicht.

Diesem Gesuch trat der Beschuldigte T. K., vertreten durch RA F. B., mit Schreiben vom 26.11.2024 (Bl. 84 d. A.) entgegen.

Mit Schreiben vom 28.11.2024 (Bl. 81 d. A.) hörte die Staatsanwaltschaft S. die A. nach Nr. 90 RiStBV an und gab insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme, als dass die Staatsanwaltschaft beabsichtigte das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO einzustellen, da sich jedenfalls ein Täuschungs- und Bereicherungsvorsatz nicht nachweisen lasse. Der beabsichtigten Verfahrensweise trat die A. mit Schreiben vom 08.01.2025 (Bl. 87 d. A.) nicht entgegen.

Mit Verfügung vom 10.01.2025 stellte die Staatsanwaltschaft S. das Ermittlungsverfahren sodann nach § 170 Abs. 2 StPO ein.

Mit Schreiben vom selben Tage wies sie zudem das Akteneinsichtsgesuch des Anzeigeerstatters zurück (Bl. 89 d. A.), da dieser nicht Verletzter im Sinne des § 373b StPO bzw. § 172 StPO sei.

Hierauf beantragte der Anzeigeerstatter mit Schreiben vom 21.03.2025 gerichtliche Entscheidung. Das berechtigte Interesse ergeben sich aus dem Umstand, dass der Anzeigeerstatter anerkannter Leistungserbringer nach § 64 SGB IX für Rehabilitationssport/Funktionstraining sei und seit 2010 entsprechende Kurse in der M. anbiete, die durch die Beschuldigten als Geschäftsführer der T & F. GmbH betrieben werde. Dem Anzeigeerstatter seien zur eigenen Nutzung durch die T & F. GmbH zahlreiche Nutzungszeiten entzogen worden. Auch sei zwischenzeitlich der Zugang zum Aktivbecken vollständig verwehrt worden. Hierdurch sei dem Anzeigeerstatter ein existenzbedrohender Schaden entstanden. Die T & F. GmbH habe durch den Einsatz einer nicht lizensierten Übungsleiterin eine wirtschaftliche Konkurrenz zum Anzeigeerstatter verhindert. Er sei mithin jedenfalls mittelbar geschädigt worden und damit auch Verletzter, woraus sich das Akteneinsichtsrecht ergebe.

II.

Dem gemäß § 406e Abs. 5 S. 2 StPO zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung bleibt der Erfolg versagt.

Nach § 406e Abs. 1 StPO kann ein Rechtsanwalt für den Verletzten Einsicht in die Akten nehmen, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse hat. Wer Verletzter im Sinne des § 406e StPO ist bestimmt sich nach dem Verletztenbegriff des § 373b Abs. 1 StPO (vgl. BeckOK StPO/Weiner StPO § 406e Rn. 2). Hiernach sind Verletzte diejenigen, die durch die Tat, ihre Begehung unterstellt oder rechtskräftig festgestellt, in ihren Rechtsgütern unmittelbar beeinträchtigt sind oder unmittelbar einen Schaden erlitten haben.

Es ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Legaldefinition des § 373b Abs. 1 StPO, dass zwingende Voraussetzung stets eine unmittelbare Beeinträchtigung bzw. ein unmittelbarer Schaden ist. Eine solche Unmittelbarkeit liegt vor, wenn der eingetretene Schaden bzw. die Beeinträchtigung des Rechtsguts sich als Folge der begangenen Straftat darstellt, mit dieser einhergeht und sich der tatbestandspezifische Zusammenhang realisiert hat. Die dem Straftatbestand anhaftende Gefahr muss sich also gerade in dem Eintritt des Schadens bzw. der Beeinträchtigung des Rechtsguts niedergeschlagen haben (vgl. dazu MüKoStPO/Schreiner StPO § 373b Rn. 16, 20).

Vorliegend kommt der Anzeigeerstatter aber unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt als unmittelbar Geschädigter in Betracht. Soweit er den beiden Beschuldigten als Verantwortliche der T & F. GmbH im Rahmen der Anzeigenerstattung vorgeworfen hat, nicht lizensierte Übungsleiter eingesetzt und dies im Rahmen der Abrechnung mit den Krankenkassen nicht offengelegt zu haben, kämen ausschließlich die Krankenkassen als Geschädigte in Betracht. Denn Erstattung der Kosten für die Erbringung von Rehabilitationssport/Funktionstraining durch die Krankenkassen ist erforderlich, dass diese Kurse von lizensierten Übungsleitern angeleitet werden. Sollte dies - wie nach dem Vorwurf des Anzeigeerstatters - nicht der Fall gewesen sein, so ergibt sich der Verdacht des Betruges. Der Schaden wäre in einem solchen Fall aber ausschließlich bei der die Erstattung übernehmenden Krankenkasse eingetreten. Der Anzeigeerstatter selbst hätte hierdurch gerade keinen unmittelbaren Schaden erlitten.

Soweit er vorträgt, dass ihm durch den Einsatz von nicht lizensierten Übungsleitern Kapazitäten zum Betrieb eigener Kurse verwehrt worden sei, ist bereits nicht ersichtlich, dass dies überhaupt tatsächlich der Fall gewesen sein könnte. Unabhängig davon, könnte es sich hierbei aber - wenn überhaupt - (wie der Anzeigeerstatter auch selbst erkennt) lediglich um einen mittelbaren Schaden handeln. Dieser begründet nach dem eindeutigen Wortlaut des § 373b Abs. 1 StPO aber gerade keine Verletzteneigenschaft.

Der Anzeigeerstatter kommt daher gerade nicht als Verletzter im Sinne des § 406e Abs. 1 StPO in Betracht. Die Staatsanwaltschaft S. hat das Akteneinsichtsgesuch des Anzeigeerstatters B. e. V., vertreten durch die erste Vorsitzende C. H., mithin zu Recht abgelehnt.