Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 31.01.2025, Az.: 2 PA 5/25

Beweislast des Leistungsträgers hinsichtlich Rückforderung von Unterhaltsvorschusszahlungen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
31.01.2025
Aktenzeichen
2 PA 5/25
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2025, 10421
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2025:0131.2PA5.25.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 14.11.2024 - AZ: 3 A 125/21

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zum Vorliegen von Beweiserleichterungen im Rahmen der Rückforderung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, wenn es sich bei der Beweistatsache um in der persönlichen Sphäre der nicht beweispflichtigen Person wurzelnde Vorgänge handelt.

  2. 2.

    Erforderlich für das Eingreifen der sogen. Zugangsfiktion nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist ein sogen. Abvermerk , aus dem sich die Aufgabe zur Post ersehen lässt, es sei denn, die Behörde kann den Nachweis der Aufgabe zur Post auf andere Weise führen.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - Einzelrichter der 3. Kammer - vom 14. November 2024 aufgehoben, soweit das Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klage gegen die Rückforderung von Unterhaltsvorschusszahlungen für die Monate Juni 2017 bis einschließlich Februar 2018 abgelehnt hat.

Insoweit wird die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe an das Verwaltungsgericht Hannover zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Klägerin führt zur Aufhebung des die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht Hannover in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 572 Abs. 3 ZPO).

Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

1. Die von der Klägerin beabsichtigte, nicht mutwillige Rechtsverfolgung hat nur insoweit hinreichende Aussicht auf Erfolg, als sie sich gegen die Rückforderung von Unterhaltsvorschusszahlungen für die Monate Juni 2017 bis einschließlich Februar 2018 wendet.

Der für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche Grad der Erfolgsaussicht darf mit Blick auf Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht in einer Weise überspannt werden, dass der Zweck der Prozesskostenhilfe deutlich verfehlt wird, Unbemittelten und Bemittelten weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen. Prozesskostenhilfe ist daher immer schon dann zu bewilligen, wenn die Abschätzung der Erfolgsaussicht einer ausreichend bemittelten Person in einer vergleichbaren Situation zugunsten der Rechtsverfolgung ausfallen würde. Dazu reicht es aus, dass ein Obsiegen ebenso wahrscheinlich ist wie ein Unterliegen. Verweigert werden darf Prozesskostenhilfe aber dann, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte oder bloß theoretische ist. Hiernach dürfen schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatsachenfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren "durchentschieden" werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern erst zugänglich machen soll (vgl. z.B. BVerfG, Beschl. v. 13.7.2020 - 1 BvR 631/19 -, juris Rn. 18, v. 14.6.2006 - 2 BvR 626/06 -, juris Rn. 13, und v. 7.4.2000 - 1 BvR 81/00 -, juris Rn. 15; Senatsbeschl. v. 28.1.2025 - 2 PA 168/24 -, juris Rn. 4).

Ausgehend hiervon bestehen nur teilweise hinreichende Erfolgsaussichten.

a) Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die Rückforderung von UVG-Leistungen i.H.v. 3.252 Euro für die Zeit vom 1. Juni 2017 bis zum 30. September 2018 begegne zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen rechtlichen Bedenken.

Rechtsgrundlage für die Rückforderung der UVG-Leistungen sei § 5 Abs. 1 UVG. Danach sei, wenn die Voraussetzungen für die Zahlung von Unterhaltsvorschussleistungen in dem Kalendermonat, für den sie gezahlt worden seien, nicht vorgelegen hätten, der Elternteil, bei dem das leistungsberechtigte Kind lebe, verpflichtet, den geleisteten Betrag insoweit zu ersetzen, als er die Zahlung der Unterhaltsleistung dadurch herbeigeführt habe, dass er vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder eine Anzeige nach § 6 UVG unterlassen habe, oder gewusst oder infolge Fahrlässigkeit nicht gewusst habe, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung nicht erfüllt gewesen seien. Die UVG-Stelle dürfe den Anspruch - wie hier - durch Leistungsbescheid geltend machen.

Die Beweislast trage zwar grundsätzlich der Leistungsträger als derjenige, der sich hierauf zur Begründung des von ihm geltend gemachten Anspruchs gegen den Ersatzpflichtigen beruft. Es bestünden aber Beweiserleichterungen, wenn es sich bei der Beweistatsache um in der persönlichen Sphäre der nicht beweispflichtigen Person wurzelnde Vorgänge handle. Der Leistungsträger genüge seiner Beweislast für diese Vorgänge bereits dann, wenn er Beweisanzeichen für deren Vorliegen liefere und der Ersatzpflichtige diesen nicht substantiiert entgegentrete. Soweit die relevanten Umstände in familiären Beziehungen wurzelten oder sich als innere Tatsachen darstellten, die häufig nicht zweifelsfrei feststellbar seien, sei es gerechtfertigt, für die Feststellung des Vorliegens einer Tatbestandsvoraussetzung äußerlich erkennbare Merkmale als Beweisanzeichen (Indizien) heranzuziehen. Es reiche insofern nicht aus, einen Sachverhalt abzustreiten oder einen Alternativsachverhalt lediglich zu behaupten, wenn die Behörde substantiierte Anhaltspunkte dafür vorbringen könne, dass das Tatbestandsmerkmal nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG nicht vorliege, und es dem Leistungsempfänger möglich und zumutbar sei, seine Angaben zu substantiieren und unter Beweis zu stellen.

Der Senat vermag gegen diesen - unter Verweis auf VG Würzburg, Beschl. v. 1.8.2023 - W 3 K 20.1975 -, juris Rn. 76 ff., und VG München, Urt. v. 18.4.2024 - M 15 K 23.2666 -, juris Rn. 27, vertretenen - rechtlichen Ansatz des Verwaltungsgerichts nach vorläufiger Einschätzung nichts einzuwenden. Er ist im Kern nicht neu, sondern findet sich in der sozialgerichtlichen und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung in vergleichbaren Konstellationen, u.a. auch bei der Prüfung der Beweislastverteilung (vgl. BSG Urt. v. 15.6.2016 - B 4 AS 41/15 R -, juris Rn. 30; SächsLSG, Urt. v. 19.4.2018 - L 3 AL 71/16 -, juris Rn. 63; LSG NRW, Urt. v. 6.9.2023 - L 12 AS 348/22 -, juris Rn. 87; BVerwG, Urt. v. 4.9.2008 - 5 C 30/07 -, juris Rn. 24; NdsOVG, Beschl. v. 26.9.2018 - 4 LA 367/17 -, juris Rn. 9; VGH BW, Urt. v. 17.9.2007 - 12 S 2539/06 -, juris Rn. 22; BayVGH, Beschl. v. 4.7.2012 - 12 ZB 11.479 -, juris Rn. 13; VG Berlin, Urt. v. 10.12.2024 - 21 K 228/23 -, juris Rn. 48).

Der Senat folgt dem Verwaltungsgericht in Anknüpfung daran auch, soweit es angenommen hat, nach dem bisherigen Sach- und Streitstand sei davon auszugehen, dass die Klägerin ab dem 1. März 2018 nicht mehr von ihrem damaligen Ehemann getrennt gelebt habe. Ausschlaggebend ist dabei, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt eine Wohnung in demselben Haus wie ihr damaliger Ehemann bezogen, sie im behördlichen und gerichtlichen Verfahren teilweise grob widersprüchliche und teilweise zumindest unklare Angaben zum Zeitpunkt des erneuten Zusammenlebens gemacht und sie nähere Erläuterungen zu den Umständen des erneuten Zusammenlebens bislang gänzlich unterlassen hat. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt:

"Der im Schriftsatz vom 16.10.2024 erstmals von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt, sie habe im 2. OG gelebt und ihr damaliger Ehemann im 1. OG, weshalb sie bis Oktober 2018 getrennt gelebt hätten, ist bereits gänzlich unsubstantiiert, steht im Widerspruch zum früheren Vorbringen [Anm. des Senats: in der Klagebegründung] (Zeitraum 1.4.2018) und ist auch schwer zu glauben. Der Einzelrichter verkennt nicht, dass es in der Vielfalt der Familienkonstellationen auch Modelle gibt, in denen Eheleute getrennt im gleichen Haus wohnen, sie aber Alleinerziehend und daher auch "getrennt" im Sinne des UVG leben. Dies erfordert aber einen gesteigerten Vortrag und ggf. auch einen Beweisantritt der Klägerin zu ihrem Partnerschaftsmodell, dem Zusammen- bzw. Getrenntleben und den Umständen, wie es zu einem solchen Zusammenleben gekommen ist. Allein die Behauptung, man habe trotz der gleichen Anschrift nicht zusammengelebt, genügt nicht, um den insofern gesteigerten Darlegungserfordernissen zu ihren Lebensumständen zu genügen. Dies gilt insbesondere, da die Klägerin und ihr damaliger Ehemann bereits mehrfach voneinander getrennt gelebt und wieder zueinander gefunden haben. Ein "zufälliges" Wohnen im gleichen Haus, aus dem erst mehre Monate später wieder ein Zusammenleben geworden ist, erscheint wenig plausibel."

Diese Ausführungen hat die Klägerin auch im Beschwerdeverfahren nicht zum Anlass genommen, die erforderlichen Richtigstellungen und näheren Angaben zu machen. Für den Senat ist ihr Vorbringen, sie habe erst ab Oktober 2018 wieder mit ihrem damaligen Ehemann zusammengelebt, vor allem mit Blick auf ihre Ausführungen in der Klageschrift kaum nachvollziehbar. Dort hat sie sich - neben der Angabe, sie habe seit dem 1. April 2018 wieder mit ihrem damaligen Ehemann zusammengelebt - wie folgt eingelassen:

"Die Klägerin hat auch nicht bemerkt, dass auch für die Zeit ab April 2018 weiterhin Unterhaltsvorschusszahlungen geleistet worden sind, die Klägerin hatte aufgrund des Verständnisses einer ehelichen Lebensgemeinschaft ihres Ehemannes keinen Zugriff auf ihr Konto und insbesondere auch nicht auf die Kontoauszüge. [...] Wenn die Klägerin bemerkt hätte, dass weiterhin Unterhaltsvorschusszahlungen durch die Beklagte erbracht wurden, hätte sie die Beklagte selbstverständlich nochmals darauf hingewiesen, dass eine Berechtigung für die Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen nicht mehr bestand."

Dies stellt ihre Angabe, sie habe erst ab Oktober wieder mit ihrem damaligen Ehemann zusammengelebt, in zweifacher Hinsicht in Frage. Zum einen erklärt sie, gewusst zu haben, dass sie ab April 2018 keinen Anspruch mehr auf Zahlungen hatte, zum anderen geht sie davon aus, ab diesem Zeitpunkt in einer ehelichen Lebensgemeinschaft gelebt zu haben.

Hinreichende Erfolgsaussichten lassen sich auch nicht daraus herleiten, dass das Verwaltungsgericht offenen Fragen im Hauptsacheverfahren noch weiter nachzugehen haben wird. Selbst bei Erforderlichkeit einer späteren Beweiserhebung kommt nämlich eine Verneinung der hinreichenden Erfolgsaussichten in Betracht, wenn - wie hier - zur Überzeugung des Gerichts konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des jeweiligen Klägers ausgehen wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.5.2022 - 2 BvR 1982/20 -, juris Rn. 47 m.w.N.; Beschl. v. 8.12.2020 - 1 BvR 149/16 -, juris Rn. 14 m.w.N.; BayVGH, Beschl. v. 7.1.2025 - 5 C 24.1831 -, juris Rn. 2 m.w.N.; VGH BW, Beschl. v. 14.5.2024 - 11 S 2670/22 -, juris Rn. 4 m.w.N.; SächsOVG Beschl. v. 9.1.2024 - 3 D 14/23 -, juris Rn. 26 m.w.N.; NdsOVG, Beschl. v. 30.6.2023 - 14 PA 54/23 -, juris Rn. 7 m.w.N.; Senatsbeschl. v. 14.5.2019 - 2 PA 490/18 -, juris Rn. 2).

b) Der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, da es an einer schlüssigen Darlegung eines anderen Geschehensablaufs fehle, habe die Beklagte alle ab 2017 ausgezahlten UVG-Leistungen von der Klägerin verlangen dürfen, tritt der Senat allerdings (bis einschließlich zum 28. Februar 2018) nicht bei. Für diesen Zeitraum sind die Erfolgsaussichten der Klage vielmehr offen. Nach Auffassung des Senats fehlt es insoweit an hinreichenden objektivierbaren Anhaltspunkten für das erneute Zusammenleben der Klägerin und ihres damaligen Ehemannes. Einziger Anknüpfungspunkt ist die Angabe der Klägerin in dem am 10. Dezember 2018 von ihr unterschriebenen Fragebogen, die sie selbst nunmehr als Irrtum bezeichnet. Die Klägerin hat dort angekreuzt "Ich lebe mit dem anderen Elternteil in häuslicher Gemeinschaft seit" und hierzu angegeben "2017". Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts fehlt es aber schon an einem hinreichenden Erklärungswert, der nahelegen würde, dass die Klägerin bereits seit erneuter Beantragung der Unterhaltsvorschussleistungen mit ihrem damaligen Ehemann wieder zusammengelebt hat. Die bloße Angabe des Jahres 2017 reicht insoweit nicht; vielmehr besteht nach wie vor Aufklärungsbedarf hinsichtlich des genauen Datums. In die Angabe "2017" hineinzulesen, dass die Klägerin und ihr damaliger Ehemann im gesamten Jahr 2017 zusammengelebt haben, drängt sich keinesfalls auf, weil die Klägerin noch im Juni 2017 anlässlich einer Vorsprache bei der Beklagten erklärt hatte, sie habe sich am 29. Mai 2017 von dem Kindsvater getrennt, der bereits ausgezogen sei (Verwaltungsvorgang, Seite 40). Offenbar hat der Beklagte ihr damals geglaubt. Tatsächlich waren die Klägerin und ihr ehemaliger Ehemann im Folgenden auch unter unterschiedlichen Anschriften gemeldet. Nach alledem ist zu klären, ob der Klägerin geglaubt werden kann, dass es sich bei der Angabe in dem Fragebogen tatsächlich um einen Irrtum handelte. Verneinendenfalls ist weiter zu klären, welche Konsequenzen sich daraus ergeben.

c) Der Annahme, es bestünden im oben dargestellten Umfang hinreichende Erfolgsaussichten, stehen die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur voraussichtlichen Unzulässigkeit der Klage nicht entgegen. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X (in der hier einschlägigen bis zum 31. Dezember 2024 geltenden Fassung) gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Nach Satz 3 der Vorschrift gilt dies nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

Voraussetzung für das Eingreifen der sogen. Zugangsfiktion nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist es, dass der Tag der Aufgabe zur Post in den Behördenakten vermerkt wurde. (BSG, Urt. v. 6.5.2010 - B 14 AS 12/09 R - juris Rn. 10; Urt. v. 3.3.2009 - B 4 AS 37/08 R - juris Rn. 17; NdsOVG, Beschl. v. 8.5.2024 - 14 PA 42/24 -, juris Rn. 6). Erforderlich ist ein so genannter "Abvermerk", aus dem sich die Aufgabe zur Post ersehen lässt. Nicht ausreichend ist ein bloßes Handzeichen bzw. eine Paraphe des Sachbearbeiters (Engelmann, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 37 Rn. 29; vgl. hierzu auch Mutschler, in: beck-online.Großkommentar, Kasseler Kommentar, Stand: 15.11.2024, § 37 SGB X, Rn. 27). Ein solcher Abvermerk findet sich in dem Verwaltungsvorgang der Beklagten nicht. Fehlt ein entsprechender Vermerk über den Tag der Aufgabe des Schriftstückes zur Post, tritt grundsätzlich keine Bekanntgabefiktion ein, es sei denn, die Behörde kann den Nachweis der Aufgabe zur Post auf andere Weise führen (vgl. hierzu Mutschler, in: beck-online.Großkommentar, Kasseler Kommentar, Stand: 15.11.2024, § 37 SGB X Rn. 27). Dafür ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand aber nichts ersichtlich; in dem Verwaltungsvorgang der Beklagten findet sich keinerlei Hinweis auf die Versendung des Bescheides, und die Beklagte hat hierzu - auch auf den richterlichen Hinweis vom 11. Mai 2021 - nichts vorgetragen. Hat die Beklagte danach den vollen Beweis für den Zugang des Bescheides zu erbringen (vgl. Engelmann, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 37 Rn. 29), den die Klägerin bestreitet, ist die Frage der Zulässigkeit der Klage zumindest als offen anzusehen.

Der Senat teilt auch nicht die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass ein Zugang bereits nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin vorliegen dürfte. Die Klägerin hat in erster Linie bestritten, den Bescheid erhalten zu haben und angegeben, sie habe sich zu dem Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides bereits nicht mehr unter ihrer Meldeadresse aufgehalten. Von dem Vortrag, ihr damaliger Ehemann habe vermutlich ihre Post geöffnet, kann nicht darauf geschlossen werden, dass sie damit den Eingang des Bescheides in einem ihr zuzuordnenden Briefkasten unstreitig stellt. Denn bei diesem Vorbringen handelt es sich ersichtlich um eine Spekulation der Klägerin im Rahmen ihres Sachvortrags über den möglichen Verbleib des Bescheides, nicht aber um ein Zugeständnis.

e) Soweit das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, auch die Aufhebung des UVG-Bewilligungsbescheids ab dem 1. Oktober 2018 sei rechtmäßig, ist diese Annahme in rechtlicher Hinsicht voraussichtlich nicht zu beanstanden. Aus Sicht des Senats bedarf es allerdings noch der Klarstellung seitens der Klägerin, ob sie diese Entscheidung mit ihrer Klage überhaupt angreifen will, da sie selbst vorgetragen hat, (jedenfalls) ab dem 1. Oktober 2018 wieder mit ihrem ehemaligen Ehemann zusammen gelebt zu haben und sich auch sonst nicht gegen die Einstellung der Leistungen gewandt hat.

2. Der Senat macht von dem ihm nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 572 Abs. 3 ZPO eingeräumten Ermessen Gebrauch, die erneute Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch dem Verwaltungsgericht zu übertragen, weil sich dieses bisher noch nicht mit dem Vorliegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe befasst hat und das Verfahren außerdem insoweit derzeit nicht entscheidungsreif ist (vgl. VGH BW, Beschl. v. 7.3.2024 - 12 S 1010/22 -, juris Rn. 24; BayVGH, Beschl. v. 12.4.2021 - 6 C 21.514 -, juris Rn. 7 und v. 27.6.2008 - 4 C 08.1468 -, juris Rn. 10; BremOVG, Beschl. v. 8.1.2021 - 2 PA 270/20 -, juris Rn. 18; OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 21.1.2010 - 5 M 27.09 -, juris Rn. 6; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.7.2003 - 7 S 536/03 -, juris Rn. 5). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der wirtschaftlichen Bedürftigkeit ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag (Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 Rn. 41). Die Klägerin hat zwar Unterlagen zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorgelegt. Diese sind allerdings nicht vollständig, weil der aktuelle Kontostand des Girokontos weder im Formular beziffert noch anderweitig belegt worden ist (vgl. hierzu auch OVG NRW, Beschl. v. 18.6.2019 - 19 A 1346/19 -, juris Rn. 25; BayVGH, Beschl. v. 30.1.2017 - 4 CE 16.2575 -, juris Rn. 11). Es wird daher eine Aktualisierung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und eine Einreichung aktueller Belege erforderlich sein.

Nach § 166 Abs.1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).