Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.10.2024, Az.: 8 Sa 363/23

Anrechnung der Pflegezulage als eine monatliche tätigkeitsbezogene Zulage auf die persönliche Zulage

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
09.10.2024
Aktenzeichen
8 Sa 363/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 29836
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2024:1009.8Sa363.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Oldenburg - 05.04.2023 - AZ: 3 Ca 206/22

Fundstelle

  • öAT 2025, 62

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    § 6 Abs. 3 Satz 6 TVUmBw ist dahingehend auszulegen, dass alle monatlichen tätigkeitsbezogenen Zulagen, die im Rahmen der neuen Tätigkeit gezahlt werden, auf die persönliche Zulage aus § 6 Abs. 1 TVUmBw anzurechnen sind.

  2. 2.

    Die in § 6 Abs. 3 Satz 6 TVUmBw verwendete Formulierung "aus der neuen Tätigkeit" ist nicht derart eingeschränkt zu verstehen, dass nur solche Zulagen auf die persönliche Zulage anrechenbar sind, die mit der neuen Tätigkeit in einem engen kausalen Zusammenhang stehen.

  3. 3.

    Die Pflegezulage aus § 15 Abs. 2.7 TVöD-K stellt eine monatliche tätigkeitsbezogene Zulage dar, welche gem. § 6 Abs. 3 S. 6 TVUmBw auf die persönliche Zulage aus § 6 Abs. 1 TVUmBw angerechnet wird.

  4. 4.

    Der Umstand, dass der von der Anrechnung betroffene Arbeitnehmer lediglich eine gekürzte persönliche Zulage gem. § 6 Abs. 1 TVUmBw erhält, während anderen Arbeitnehmern, die keine Pflegezulage gem. § 15 Abs. 2.7 TVöD-K erhalten, die persönliche Zulage in ungekürzter Höhe gewährt wird, verstößt nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 05.04.2023 - 3 Ca 206/22 Ö - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung ungekürzter Zulagen zur Einkommenssicherung gem. § 6 Abs. 1 des Tarifvertrags über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr (nachfolgend: TVUmBw).

Zwischen den Parteien besteht seit dem Jahr 2000 ein Arbeitsverhältnis. Der Kläger wurde zunächst als Krankenpfleger eingestellt. In den Jahren 2018 bis 2020 arbeitete er auf dem Dienstposten "Gesundheits- und Krankenpfleger innerbetriebliche Fort- und Weiterbildung (IBF)" und erhielt dort seit März 2018 Entgelt nach der Entgeltgruppe P 10 gemäß dem TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser (TVöD-K). Als dieser Dienstposten entfiel, wurde der Kläger zum 01. Januar 2021 auf den Dienstposten "Pflegeexperte" versetzt. Dieser Dienstposten ist nur mit der Entgeltgruppe P 9 bewertet.

Die Beklagte zahlt dem Kläger seit Beginn seiner Tätigkeit als Pflegeexperte eine persönliche Zulage zur Einkommenssicherung gem. § 6 Abs. 1 TVUmBw. Darüber hinaus zahlt sie dem Kläger seit März 2021 eine Pflegezulage gem. § 15 Abs. 2.7 des TVöD-K. Diese Pflegezulage betrug gem. § 15 Abs. 2.7 S. 1 TVöD-K zunächst 70,00 € monatlich und erhöhte sich gem. § 15 Abs. 2.7 S. 2 TVöD-K ab dem 1. März 2022 auf 120,00 € monatlich. Die Beklagte rechnet in Anwendung des § 6 Abs. 3 TVUmBw diese Pflegezulage auf die persönliche Zulage zur Einkommenssicherung an. Der Kläger erhält daher seit März 2021 lediglich die um den Betrag der Pflegezulage gekürzte persönliche Zulage.

Der TVUmBw trifft in der Fassung vom 24. März 2017 folgende Regelungen:

"§ 1 Geltungsbereich

(1) Abschnitt I dieses Tarifvertrages gilt für die im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (nachfolgend Beschäftigte), die unter den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) fallen und deren Arbeitsplätze in der Zeit vom 1. Juni 2001 bis zum 31. Dezember 2023 durch Auflösung oder Verkleinerung von Dienststellen oder durch eine wesentliche Änderung des Aufbaus oder der Aufgaben einer Dienststelle einschließlich damit verbundener Umgliederung oder Verlegung auf Grund der Neuausrichtung der Bundeswehr wegfallen.

...

§ 3 Arbeitsplatzsicherung

...

(5) 1Kann der/dem Beschäftigten kein gleichwertiger Arbeitsplatz ... gesichert werden, hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob ihr/ihm bei einer anderen Dienststelle im Bundesdienst ein anderer Arbeitsplatz angeboten werden kann.

...

§ 6 Einkommenssicherung

(1) 1Verringert sich bei Beschäftigten auf Grund einer Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 bei demselben Arbeitgeber das Entgelt, wird eine persönliche Zulage in Höhe der Differenz zwischen ihrem Entgelt und dem Entgelt gewährt, das ihnen in ihrer bisherigen Tätigkeit zuletzt zugestanden hat. 2Als Entgelt aus der bisherigen Tätigkeit wird berücksichtigt:

a) das Tabellenentgelt (§ 15 TVöD),

b) in Monatsbeträgen festgelegte Zulagen, die in den letzten drei Jahren der bisherigen Tätigkeit ohne schädliche Unterbrechung bezogen wurden und

c) der monatliche Durchschnitt der Erschwerniszuschläge nach § 19 TVöD einschließlich entsprechender Sonderregelungen (§ 46 Nr. 4 Abs. 5 TVöD BT-V (Bund)) der letzten zwölf Monate, sofern in den letzten fünf Jahren mindestens in 48 Kalendermonaten solche Zuschläge gezahlt wurden.

...

(3) 1Die persönliche Zulage nimmt an allgemeinen Entgelterhöhungen teil. ... 5Ungeachtet der Sätze 1 bis 4 verringert sich die persönliche Zulage um die Summe der Entgeltsteigerungen aus Höhergruppierungen nach § 17 Abs. 5 TVöD, aus Maßnahmen nach §§ 8 und 9 TVÜ-Bund, aus persönlichen Zulagen nach § 14 TVöD, § 10 und § 18 TVÜ-Bund. 6Entgelt im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 Buchst. b und c aus der neuen Tätigkeit wird jeweils in dem Monat, in dem es gezahlt wird, auf die persönliche Zulage angerechnet.

..."

Der TVöD-K regelt in der Fassung vom 25. Oktober 2020 in § 15 Abs. 2.7 die Pflegezulage wie folgt:

"...

(2.7) 1Beschäftigte, die in eine der Entgeltgruppen P 5 bis P 16 eingruppiert sind, erhalten ab 1. März 2021 zuzüglich zu dem Tabellenentgelt gemäß § 15 Abs. 1 eine Pflegezulage in Höhe von monatlich 70,00 Euro. 2Die Pflegezulage gemäß Satz 1 erhöht sich ab dem 1. März 2022 auf monatlich 120,00 Euro. 3Ab dem 1. Januar 2023 verändert sich die Pflegezulage bei allgemeinen Entgeltanpassungen um den von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Vomhundertsatz. 4§ 24 Abs. 2 findet Anwendung.

..."

Der Kläger machte im Oktober 2021 und erneut im April 2022 gegenüber der Beklagten die Zahlung der ungekürzten persönlichen Zulage geltend. Die Beklagte verweigerte die Zahlung.

Mit seiner am 13. Oktober 2022 erhobenen und der Beklagten am 20. Oktober 2022 zugestellten Klage hat der Kläger seinen Anspruch vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht.

Er hat erstinstanzlich seine Auffassung vorgetragen, die Pflegezulage sei nicht auf die persönliche Zulage anzurechnen. Die Pflegezulage falle nicht in den Geltungsbereich von § 6 Abs. 3 TVUmBw. Zudem stelle die Anrechnung eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber anderen Beschäftigten gem. Art. 3 Abs. 1 GG dar. So würde bei Beschäftigten, die keine Pflegezulage erhielten, auch keine Anrechnung auf die persönliche Zulage stattfinden.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.400 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von jeweils 70 € seit dem 1.4.21, 1.5.21, 1.6.21, 1.7.21, 1.8.21, 1.9.21, 1.10.21, 1.11.21, 1.12.21, 1.1.22, 1.2.22, 1.3.22 und aus einem Betrag von jeweils 120 € seit dem 1.4.22, 1.5.22, 1.6.22, 1.7.22, 1.8.22, 1.9.22, 1.10.22, 1.11.22, 1.12.22, 1.1.23, 1.2.23, 1.3.23, 1.4.23 zu zahlen.

  2. 2.

    festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn eine Zulage zur Einkommenssicherung gem. § 6 Abs. 1 TVUmBw zu zahlen, ohne auf diese eine vom Kläger bezogene Pflegezulage anzurechnen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vor dem Arbeitsgericht ihre Ansicht vorgetragen, die Pflegezulage sei auf die persönliche Zulage anzurechnen. So ergebe sich aus § 6 Abs. 3 TVUmBw, dass sämtliche unter § 6 Abs. 1 lit. b, c TVUmBw fallende Zulagen auf die persönliche Zulage angerechnet werden könnten. Darunter falle auch die Pflegezulage. Die Abschmelzung der Einkommenssicherung durch nachträglich gewährte Zulagen bewirke zudem langfristig eine Gleichstellung von Betroffenen und Nichtbetroffenen und vermeide damit eine Besserstellung der Betroffenen. Eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gem. Art. 3 Abs. 1 GG könne hierin nicht gesehen werden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 05.04.2023, der Beklagten zugestellt am 27.04.2023, stattgegeben. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf Zahlung der ungekürzten persönlichen Zulage. Bei der Pflegezulage handele es sich nicht um anrechnungsfähiges Entgelt i.S.v. § 6 Abs. 3 TVUmBw. Es seien gem. § 6 Abs. 3 S. 6 i.V.m Abs. 1 S. 2 Lit. b TVUmBw nur solche Zulagen auf die persönliche Zulage anzurechnen, die "aus der neuen Tätigkeit" stammten. Die Pflegezulage erfülle diese Voraussetzung nicht, da hier kein enger sachlicher Zusammenhang zur neuen Tätigkeit des Klägers bestehe, welcher die Schmälerung der persönlichen Zulage rechtfertigen könne. Vielmehr diene die Pflegezulage dem Ausgleich coronabedingter Belastungen des Pflegepersonals unabhängig von einer spezifischen Tätigkeit.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19.05.2023, bei Gericht eingegangen am 20.05.2023, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Fristverlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.07.2023 mit Schriftsatz vom 26.07.2023, bei dem erkennenden Gericht am gleichen Tage eingegangen, begründet.

Die Beklagte rügt die rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht. Entgegen dessen Auffassung ergebe eine Auslegung der Regelungen aus § 6 Abs. 3 S. 6 i.V.m Abs. 1 S. 2 lit. b TVUmBw, dass die Pflegezulage im Sinne der Tarifnorm aus der neuen Tätigkeit des Klägers stamme. Sinn und Zweck der persönlichen Zulage sei nicht die dauerhafte Aufrechterhaltung einer Einkommensdifferenz, sondern das Abschmelzen dieser Differenz durch Anrechnung anderweitigen Entgeltes. Es sei irrelevant, welchem Zweck die Pflegezulage konkret diene, da es sich in jedem Fall um eine feste monatliche Zulage und damit um anrechenbares Entgelt handele.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 05.04.2023 - 3 Ca 206/22 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts als zutreffend. Es bestehe insbesondere kein Zusammenhang zwischen der Pflegezulage und seiner neuen Tätigkeit. Durch den Umstand, dass die Pflegezulage nicht auf die persönliche Zulage angerechnet werden dürfe, ergebe sich auch keine dauerhafte Aufrechterhaltung einer Einkommensdifferenz. Diese Differenz sei durchaus im Laufe der Zeit durch Anrechnung anderweitigen Entgelts abzuschmelzen. Die Tarifparteien hätten durch die Regelungen in § 6 Abs. 3 TVUmBw deutlich gemacht, dass gerade nicht jedes anderweitige Entgelt auf die persönliche Zulage anzurechnen sei. Eine Anrechnung von Zulagen aufgrund von Umstrukturierungs- und Einsparungsmaßnahmen in der kritischen Infrastruktur des Gesundheitswesens hätten die Tarifpartner nicht bezweckt.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen in erster und zweiter Instanz sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

I.

Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung ist auch begründet, da die Klage zwar zulässig, aber unbegründet ist.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der ungekürzten persönlichen Zulage aus § 6 Abs. 1 TVUmBw. Die Beklagte hat diese Zulage rechtmäßig gem. § 6 Abs. 3 S. 6 TVUmBw um den Betrag der Pflegezulage aus § 15 Abs. 2.7 TVöD-K gekürzt und kann diese Kürzung auch zukünftig rechtmäßig vornehmen.

1.

Der TVUmBw gilt ausweislich § 1 Abs. 1 S. 1 für Beschäftigte, deren Arbeitsplätze im betreffenden Zeitraum durch Auflösung oder Verkleinerung von Dienststellen oder durch eine wesentliche Änderung des Aufbaus oder der Aufgaben einer Dienststelle einschließlich damit verbundener Umgliederung oder Verlegung auf Grund der Neuausrichtung der Bundeswehr wegfallen. Nehmen diese Beschäftigten aufgrund des Wegfalls ihres Arbeitsplatzes eine schlechter bezahlte Tätigkeit bei demselben Arbeitgeber wahr (vgl. § 3 Abs. 5 TVUmBw), erhalten sie gem. § 6 Abs. 1 TVUmBw zur Einkommenssicherung die persönliche Zulage. § 6 TVUmBw unterscheidet die "bisherige" (besser vergütete) und die "neue" (schlechter vergütete) Tätigkeit. Sinn und Zweck der Regelung ist es, die finanziellen Nachteile, die einem Arbeitnehmer durch die Aufnahme einer schlechter vergüteten Tätigkeit entstehen, abzumildern. Die Zulage verringert sich i.d.R. über die Zeit (vgl. § 6 Abs. 3 S. 2 ff.). Einer der Mechanismen, durch den diese Verringerung erreicht wird, ist die Anrechnung anderer Zulagen (Vgl. § 6 Abs. 3 S. 5, 6 TVUmBw).

2.

Rechtsgrundlage für die Anrechnung von tätigkeitsbezogenen Zulagen aus der "neuen" Tätigkeit auf die persönliche Zulage des § 6 Abs. 1 TVUmBw ist § 6 Abs. 3 S. 6 TVUmBw. Diese Bestimmung erfasst in Verbindung mit § 6 Abs. 1 S. 2 lit. b) TVUmBw alle tätigkeitsbezogenen Zulagen, die der Arbeitnehmer im Rahmen seiner neuen Tätigkeit erhält. Dies ergibt die Auslegung der Tarifnorm.

a.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Dabei ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm ist zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Im Zweifel können weitere Kriterien berücksichtigt werden wobei diejenige Tarifauslegung zu wählen ist, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (vgl. BAG, Urt. v. 05.03.2024 - 9 AZR 46/23 m.w.N.).

b.

Nach diesen Maßgaben ist die Bestimmung des § 6 Abs. 3 S. 6 TVUmBw dahingehend zu verstehen, dass alle monatlichen tätigkeitsbezogenen Zulagen, die im Rahmen der neuen Tätigkeit gezahlt werden, auf die persönliche Zulage aus § 6 Abs. 1 TVUmBw anzurechnen sind.

aa.

§ 6 Abs. 3 S. 6 TVUmBw erfasst alle monatlichen Zulagen aus der neuen Tätigkeit des Arbeitnehmers und nicht lediglich solche, die "in den letzten drei Jahren der bisherigen Tätigkeit ohne schädliche Unterbrechung bezogen wurden" (vgl. § 6 Abs. 3 S. 6 i.V.m. Abs. 1 S. 2 lit. b) TVUmBw).

Der Wortlaut der Bestimmung bedarf der Auslegung. Verstünde man § 6 Abs. 3 S. 6 TVUmBw derart, dass er auf den gesamten Inhalt des Abs. 1 S. 2 lit. b) verweist, hätte dies zur Folge, dass die Bestimmung nur solche Zulagen erfassen würde, die in den letzten drei Jahren der bisherigen Tätigkeit ohne schädliche Unterbrechung bezogen wurden. Dies stünde jedoch in direktem Widerspruch zu § 6 Abs. 1 S. 1 iVm S. 2 lit. b), demzufolge die in den letzten drei Jahren der bisherigen Tätigkeit ohne schädliche Unterbrechung bezogenen Zulagen als Entgelt aus der bisherigen Tätigkeit berücksichtigt werden und damit gerade nicht auf die persönliche Zulage anzurechnen sind. Hieraus folgt, dass die Tarifparteien sich mit dem Verweis "Entgelt im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 Buchst. b" lediglich auf die dort geregelten "in Monatsbeträgen festgelegte(n) Zulagen" bezogen haben.

bb.

§ 6 Abs. 3 S. 6 TVUmBw erfasst zudem alle monatlichen tätigkeitsbezogenen Zulagen, die im Rahmen der neuen Tätigkeit gezahlt werden, und nicht lediglich solche Zulagen, die mit der neuen Tätigkeit in einem engen kausalen Zusammenhang stehen. Die Formulierung "aus der neuen Tätigkeit" ist nicht derart eingeschränkt zu verstehen. Hierfür spricht bereits der Wortlaut der Bestimmung unter Berücksichtigung des Willens der Tarifvertragsparteien.

(1)

Betrachtet man § 6 Abs. 3 S. 6 TVUmBw isoliert, erscheint die Formulierung "aus der neuen Tätigkeit" nicht eindeutig. So ist einerseits denkbar, dass die Tarifvertragsparteien hierdurch eine kausale Verknüpfung zwischen der neuen Tätigkeit und der Zulage zur Voraussetzung der Anrechnung machen wollten. Andererseits erscheint es möglich, dass die Tarifvertragsparteien mit der Formulierung "aus der neuen Tätigkeit" lediglich klarstellen wollten, dass die Bestimmung sich auf tätigkeitsbezogene Zulagen bezieht.

Allerdings verwenden die Tarifvertragsparteien in § 6 Abs. 1 S. 2 TVUmBw eine ganz ähnliche Formulierung, mit dem einzigen Unterschied, dass die Bestimmung sich auf "Entgelt aus der bisherigen Tätigkeit" bezieht. Diese Regelung bestimmt unter anderem, dass die monatlichen Zulagen, die in den letzten drei Jahren der bisherigen Tätigkeit ohne schädliche Unterbrechung bezogen wurden, als Entgelt aus der bisherigen Tätigkeit berücksichtigt werden. Hier gelten also sämtliche monatliche Zulagen, die in den letzten drei Jahren der bisherigen Tätigkeit bezogen wurden, als Entgelt "aus der bisherigen Tätigkeit", ohne dass eine kausale Verknüpfung zwischen diesen Zulagen und der Tätigkeit selbst erforderlich wäre.

Da die Tarifvertragsparteien in § 6 Abs. 1 S. 2 TVUmBw die Formulierung "aus der bisherigen Tätigkeit" verwenden und hier keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit und der Zulage fordern, ist nicht anzunehmen, dass eine solche kausale Verknüpfung der Formulierung "aus der neuen Tätigkeit" in § 6 Abs. 3 S. 6 TVUmBw innewohnen sollte. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien mit der Formulierung "aus der bisherigen/neuen Tätigkeit" lediglich klarstellen wollten, dass hier tätigkeitsbezogene Zulagen geregelt werden sollen.

(2)

Die Tarifsystematik stützt diese Auslegung der Tarifnorm.

Die persönliche Zulage aus § 6 Abs. 1 TVUmBw nimmt gem. Abs. 3 S. 1 an allgemeinen Entgelterhöhungen teil. Die Sätze 2-6 enthalten Ausnahmen von diesem Grundsatz. S. 5 enthält unter anderem eine abschließende Aufzählung anrechenbarer persönlicher Zulagen. S. 6 enthält keine derartige Aufzählung oder andere explizite Einschränkungen der Anrechenbarkeit von Zulagen "aus der neuen Tätigkeit".

Hätten die Tarifvertragsparteien die Anrechnung von tätigkeitsbezogenen Zulagen unter die Bedingung der kausalen Verknüpfung mit der neuen Tätigkeit stellen oder anderweitig einschränken wollen, so liegt nahe, dass sie dies - wie in Satz 5 - ausdrücklich geregelt hätten.

c.

Die Pflegezulage aus § 15 Abs. 2.7 TVöD-K stellt eine monatliche tätigkeitsbezogene Zulage dar, welche gem. § 6 Abs. 3 S. 6 TVUmBw auf die persönliche Zulage aus § 6 Abs. 1 TVUmBw angerechnet wird.

Die Zulage wird allen Beschäftigten gezahlt, die in die Entgeltgruppen P 5 bis P 16 eingruppiert sind. Es handelt sich bei diesem Personenkreis um Beschäftigte in der Pflege. Die Zulage knüpft damit an die Tätigkeit als Pflegekraft an.

d.

Die Anrechnung der Pflegezulage auf die persönliche Zulage verstößt auch nicht gegen den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Dieser an Art. 3 Abs. 1 GG angelehnte und in der Rechtsprechung allgemein anerkannte Grundsatz untersagt dem Arbeitgeber die Ungleichbehandlung eines Arbeitnehmers gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmer sowie die Gleichbehandlung nicht vergleichbarer Arbeitnehmer, sofern kein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung bzw. Gleichbehandlung vorliegt (vgl. BAG 26.04.2023 - 10 AZR 137/22, juris Rn. 22 m.w.N.). Differenzierungen sind nicht untersagt. Sie müssen jedoch durch Sachgründe gerechtfertigt sein, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (BVerfG 26.05.2020 - 1 BvL 5/18, juris Rn. 94).

Anhand dieses Maßstabes kann eine Ungleichbehandlung des Klägers nicht gesehen werden.

Zwar trifft es zu, dass der Kläger lediglich eine gekürzte persönliche Zulage gem. § 6 Abs. 1 TVUmBw erhält, während anderen Arbeitnehmern, die keine Pflegezulage gem. § 15 Abs. 2.7 TVöD-K erhalten, die persönliche Zulage in ungekürzter Höhe gewährt wird. Allerdings wird die persönliche Zulage des Klägers lediglich um den Betrag der Pflegezulage gekürzt, sodass der Kläger im Ergebnis dasselbe Entgelt aus Zulagen erhält wie diejenigen Arbeitnehmer, die eine ungekürzte persönliche Zulage erhalten. Ein Nachteil gegenüber diesen anderen Arbeitnehmern besteht für den Kläger somit nicht.

e.

Der Kläger kann auch aus dem Gebot von Treu und Glauben aus § 242 BGB kein für ihn günstigeres Ergebnis herleiten.

Die Ausübung eines Rechts kann im Einzelfall unzulässig sein, wenn überwiegende schutzwürdige Interessen der Gegenpartei entgegenstehen und die Rechtsausübung damit zu einem grob unbilligen und mit der Gerechtigkeit nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde (vgl. Mansel in: Jauernig BGB, 2023, § 242 Rn. 37).

Einer Anrechnung der Pflegezulage auf die persönliche Zulage stehen indes keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen des Klägers gegenüber.

aa.

Die Pflegezulage aus § 15 Abs. 2.7 TVöD-K dient der Kompensation von Mehrbelastungen, die mit einer Tätigkeit in der Pflege verbunden sind. Diese Zulage erhält der Kläger auch ungekürzt. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben ist daher bezüglich der Pflegezulage von vornherein ausgeschlossen.

bb.

Eine Anrechnung findet lediglich bei der persönlichen Zulage aus § 6 Abs. 1 TVUmBw statt. Diese vermögen die Tarifvertragsparteien Kürzungsregelungen zu unterwerfen, ohne dass hierin ein grob unbilliges Ergebnis zu sehen ist.

Hinsichtlich des Zweckes tariflicher Leistungen kommt den Tarifvertragsparteien ein Gestaltungsspielraum zu (vgl. BAG, Urt. v. 03.07.2019 - 10 AZR 300/18 Rn. 22;25). Gleichbehandlungen ungleicher Arbeitnehmer durch die unterschiedliche Gewährung tariflicher Leistungen sind gerechtfertigt, solange sich die Tarifvertragsparteien bei der Leistungsgewährung im Rahmen dieses Gestaltungsspielraumes bewegen vgl. BAG, Urt. v. 03.07.2019 - 10 AZR 300/18 Rn. 57).

Die persönliche Zulage des § 6 Abs. 1 TVUmBw dient nicht der dauerhaften Aufrechterhaltung des Entgeltniveaus der vorherigen Tätigkeit. Vielmehr sollen hierdurch die finanziellen Nachteile, die dem Arbeitnehmer durch die Versetzung auf eine schlechter vergütete Position entstehen, vorübergehend abgemildert werden. Die persönliche Zulage soll also nicht auf Dauer bestehen, sondern im Verlauf der Zeit abschmelzen. Ein zentraler Mechanismus, durch den diese Abschmelzung bewirkt wird, ist die Anrechnung anderweitiger Zulagen. Dem zugrunde liegt das berechtigte Interesse des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer auf lange Sicht nur noch entsprechend seiner neuen Tätigkeit zu vergüten, sodass der Vergütung durch den Arbeitgeber eine entsprechende Tätigkeit des Arbeitnehmers gegenübersteht. Der Zweck der Regelung liegt damit innerhalb des Gestaltungsspielraumes, der den Tarifvertragsparteien im Hinblick auf die Gewährung tariflicher Leistung zusteht.

f.

Auch der Umstand, dass die Pflegezulage nur kurze Zeit nach der Versetzung des Klägers initiiert wurde, führt zu keinem abweichenden Ergebnis.

Selbst die Beklagte dem Kläger die Pflegezulage bereits einige Zeit vor seiner Versetzung gezahlt hätte, wäre die Pflegezulage nicht als Entgelt aus der bisherigen Tätigkeit berücksichtigt worden. Dies folgt aus § 6 Abs. 1 S. 2 lit. b) TVUmBw, wonach nur Zulagen, die in den letzten drei Jahren ohne schädliche Unterbrechung bezogen wurden, als Entgelt aus der bisherigen Tätigkeit berücksichtigt werden. Die Pflegezulage wäre damit auch dann auf die persönliche Zulage anzurechnen gewesen, wenn der Kläger diese innerhalb der letzten zwei Jahre und elf Monate vor seiner Versetzung erhalten hätte.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO. Der Kläger, der bei zutreffender Rechtsanwendung bereits in erster Instanz hätte unterliegen müssen, hat die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen.

Die Entscheidung über die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Da eine Vielzahl von Arbeitnehmern den streitgegenständlichen Tarifregelungen unterfällt, ist die hier entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und -fähige Frage der Anrechenbarkeit der Pflegezulage aus § 15 Abs. 2.7 TVöD-K auf die persönliche Zulage aus § 6 Abs. 1 TVUmBw von grundsätzlicher Bedeutung.