Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.08.2025, Az.: 4 LA 86/23

Zulassung der Berufung wegen einer Versagung des rechtlichen Gehörs i.R.d. Verzichts auf mündliche Verhandlung im Asylprozess

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.08.2025
Aktenzeichen
4 LA 86/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2025, 20435
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2025:0805.4LA86.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 20.09.2023 - AZ: 7 A 1632/20

Amtlicher Leitsatz

Ob das Gebot rechtlichen Gehörs die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gebietet, wenn nach bereits erteiltem Verzicht der Beteiligten auf mündliche Verhandlung ein gerichtliches Hinweisschreiben ergeht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichter der 7. Kammer - vom 20. September 2023 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des Verfahrensmangels der Versagung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO), einer Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) und einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegen nicht vor bzw. sind von dem Kläger bereits nicht hinreichend dargelegt worden.

Die Berufung ist nicht wegen einer Versagung des rechtlichen Gehörs zuzulassen. Entgegen der Auffassung des Klägers (Zulassungsantrag, S. 4) hat das Verwaltungsgericht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht dadurch verletzt, dass es über seine Asylklage ohne mündliche Verhandlung entschieden hat.

Das in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Recht auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Als Prozessgrundrecht soll es sicherstellen, dass die gerichtliche Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und mangelnder Berücksichtigung des Sachvortrags eines Beteiligten haben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.1.2024 - 1 B 50.23 -, juris Rn. 3 m.w.N.). Ein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung folgt aus Art. 103 Abs. 1 GG nicht unmittelbar. Vielmehr ist es Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, in welcher Weise rechtliches Gehör gewährt werden soll. Hat eine mündliche Verhandlung aber von Gesetzes wegen stattzufinden, begründet der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG ein Recht auf Äußerung in der mündlichen Verhandlung und zugleich auf deren Durchführung durch das Gericht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 3.7.2019 - 1 BvR 2811/18 -, juris Rn. 9 m.w.N.). Die Verfahrenswahl einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung verletzt daher den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerwG, Beschl. v. 4.6.2014 - 5 B 11.14 -, juris Rn. 11). Dies lässt sich im Falle des Klägers aber nicht feststellen.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass beide Beteiligten ihre Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO gegeben haben (Urteilsabdruck, S. 4). Im Anschluss an die Beklagte, die mit Schriftsatz vom 26. Juni 2020 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet hat (VG-Akte, Bl. 23), hat der bereits erstinstanzlich anwaltlich vertretene Kläger im Zusammenhang mit der Begründung seiner Klage sein Einverständnis nach § 101 Abs. 2 VwGO erklärt (VG-Akte, Bl. 34). Wirksamkeitszweifel ergeben sich nicht. Die in dem betreffenden Schriftsatz vom 25. September 2020 enthaltenen Erklärungen "Zur Übertragung der Sache auf den Einzelrichter sowie einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erteilt der Kläger sein Einverständnis." und "Auf eine mündliche Verhandlung kann verzichtet werden." genügen ersichtlich den durch den Grundsatz der Klarheit einer verfahrensbestimmenden Prozesserklärung gestellten Anforderungen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 4.6.2014 - 5 B 11.14 -, juris Rn. 11). Nicht von Belang ist, mit welchem Motiv bzw. Ziel das Einverständnis erklärt wird (BVerwG, Beschl. v. 4.6.2014 - 5 B 11.14 -, juris Rn. 12). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auch geklärt, dass das Verfahren der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung in § 101 Abs. 2 VwGO für den Verwaltungsprozess eine eigenständige und abschließende Regelung erfahren hat. Für eine Anwendung des § 128 Abs. 2 Satz 1 und/oder 3 ZPO über § 173 Satz 1 VwGO ist daneben kein Raum. Demgemäß unterliegt die Einverständniserklärung keiner zeitlichen Befristung und ist der Verzicht auf mündliche Verhandlung selbst bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage nicht widerruflich (vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 4.6.2014 - 5 B 11.14 -, juris Leitsatz und Rn. 11 f.; Beschl. v. 18.6.2024 - 4 B 3.23 -, juris Rn. 9 m.w.N.; siehe auch Senatsbeschl. v. 11.5.2020 - 4 LA 163/18 - , juris Rn. 4). Daher ließen die Erklärungen des Klägers mit Schriftsatz vom 31. Juli 2023, die Mitteilung des Verzichts auf eine mündliche Verhandlung sei versehentlich erfolgt, er bestehe darauf, im Klageverfahren angehört zu werden, insoweit werde das Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nicht erteilt bzw. widerrufen (VG-Akte, Bl. 48), die Wirksamkeit der von ihm abgegebenen Einverständniserklärung nicht entfallen (vgl. zu Ausnahmen z.B. im Fall der bewussten Täuschung oder Drohung BFH, Beschl. v. 8.6.2004 - IV B 180/02 -, juris Leitsatz 1 und Rn. 2). Insoweit ist auch rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht den Widerruf des Klägers als unerheblich angesehen hat (Urteilsabdruck, S. 4).

Allerdings bezieht sich der Verzicht auf mündliche Verhandlung seinem Inhalt nach lediglich auf die nächste Entscheidung des Gerichts und wird durch eine nachfolgende gerichtliche Entscheidung, die die Endentscheidung wesentlich sachlich vorbereiten soll, wie z.B. einen Beweis- oder Auflagenbeschluss, "verbraucht" (stRspr; vgl. BVerwG, Urt. v. 24.5.1984 - 3 C 49.82 -, juris Leitsatz 1 und Rn. 13; Beschl. v. 4.6.2014 - 5 B 11.14 -, juris Rn. 11; Beschl. v. 18.6.2024 - 4 B 3.23 -, juris Rn. 8, jeweils m.w.N.). Dies gilt im Asylrechtsstreit jedenfalls mit der Durchführung einer Erörterungsverhandlung und der Einführung neuer Erkenntnismittel in den Prozess zum Zwecke der Beweisverwertung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.12.1995 - 9 B 199.95 -, juris Leitsatz und Rn. 4). Der Kläger hat aber nicht geltend gemacht, dass das von ihm mit Schriftsatz vom 25. September 2020 erteilte Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Zeitpunkt des Erlasses des Urteils des Verwaltungsgerichts knapp drei Jahre später verbraucht gewesen sei, und dafür ist auch nichts ersichtlich. Denn zwar enthält das den "Widerrufsschriftsatz" des Klägers vom 31. Juli 2023 offensichtlich veranlassende Schreiben des Verwaltungsgerichts vom 28. Juli 2023, mit dem - wohl im Hinblick auf den zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablauf - unter Verweis auf die von den Beteiligten abgegebenen Verzichtserklärungen angekündigt wurde, ohne mündliche Verhandlung durch den Einzelrichter zu entscheiden, auch die Anfrage, ob seitens des Klägers noch beabsichtigt sei, zu seiner individuellen Verfolgung aufgrund seiner Religion weiter vorzutragen. Insofern werde darauf hingewiesen, dass sich aus der Klagebegründung keine das individuelle Schicksal des Klägers betreffenden Tatsachen ergäben, die über die im Protokoll zur Anhörung genannten Tatsachen hinausgingen. Insbesondere werde die Vermutung, dass die gerichtliche Verurteilung mit der Religionszugehörigkeit des Klägers zusammenhänge, nicht weiter untermauert. Auch würden keine individuellen Ereignisse vorgetragen, aufgrund derer der Kläger wegen seiner Religion benachteiligt worden wäre. Weiter heißt es, dass im Hinblick auf die etwaige Gewährung subsidiären Schutzes auch die Frage zu klären sein dürfte, ob dem Kläger bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Haft drohen würde. Eine Übersendung etwaiger Dokumente aus dem gerichtlichen Verfahren (insbesondere des Urteils) sei bisher trotz Ankündigung nicht erfolgt. Es werde gebeten, dies nachzuholen (VG-Akte, Bl. 46). Einem Auflagenbeschluss, mit dem den Beteiligten eine Stellungnahme zur Sache aufgegeben oder abgefordert wird (vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 20.5.1976 - VII B 66.76 -, juris Rn. 5; Beschl. v. 18.6.2024 - 4 B 3.24 -, juris Rn. 8), steht das Schreiben vom 28. Juli 2023 jedoch nicht gleich, wie auch seine abschließende Wendung "Den Parteien wird Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von vier Wochen gegeben." (VG-Akte, Bl. 46) bestätigt.

Dies hat der Kläger ersichtlich auch nicht anders verstanden, denn zu einer inhaltlichen Reaktion auf die Anfrage und die Hinweise des Verwaltungsgerichts hat er sich nicht gehalten gesehen. Sein Schriftsatz vom 31. Juli 2023 enthält neben den vorstehend benannten Erklärungen (Beschlussabdruck, S. 3) lediglich die Frage, ob bereits über den von ihm gestellten Prozesskostenhilfeantrag entschieden worden sei (VG-Akte, Bl. 48). Auch zu der Nachfrage des Verwaltungsgerichts mit Schreiben vom 1. August 2023, ob vor einer Beschlussfassung zu dem gerichtlichen Hinweis vom 28. Juli 2023 noch Stellung genommen werden solle (VG-Akte, Bl. 50), äußerte er sich nicht. Schließlich erfolgte auch nach Ergehen des den Prozesskostenhilfeantrag wegen Fehlens einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Asylklage ablehnenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 31. August 2023 (VG-Akte, Bl. 51 bis 55) kein weiterer Vortrag des Klägers mehr.

Soweit der Kläger den von ihm geltend gemachten Gehörsverstoß dennoch aus dem Schreiben des Verwaltungsgerichts vom 28. Juli 2023 herleiten will, überzeugt dies nicht. Zwar trifft sein Vortrag (Zulassungsantrag, S. 3) zu, dass es ungeachtet wirksamer Einverständniserklärungen nach § 101 Abs. 2 VwGO im Ermessen des Gerichts steht, ob es gleichwohl aufgrund mündlicher Verhandlung entscheidet. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang dafür Sorge zu tragen, dass durch seine Verfahrensweise das rechtliche Gehör der Beteiligten nicht verletzt wird (stRspr; vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.8.2003 - 6 B 32.03 -, juris Leitsatz und Rn. 10; Beschl. v. 18.6.2024 - 4 B 3.23 -, juris Rn. 9 m.w.N.). Danach kann eine mündliche Verhandlung dann geboten sein, wenn ein Beteiligter geltend macht, eine wesentliche Änderung der Prozesslage erfordere unter dem Gesichtspunkt seines rechtlichen Gehörs deren Durchführung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 1.3.2006 - 7 B 90.05 -, juris Rn. 14; Beschl. v. 13.12.2013 - 6 BN 3.13 -, juris Rn. 12; Beschl. v. 18.6.2024 - 4 B 3.23 -, juris Rn. 9). Ein entsprechender Fall, der zu einer Ermessensreduzierung auf null führen würde, liegt hier entgegen der Auffassung des Klägers (Zulassungsantrag, S. 3) jedoch nicht vor. Zwar kann auch eine Änderung des entscheidungserheblichen Sachverhalts eine wesentliche Änderung der Prozesslage bewirken (vgl. Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 101 Rn. 30 unter Verweis auf BVerwG, Beschl. v. 18.11.2002 - 8 B 79.02 -, juris Rn. 3, nach dem bei Eingang eines umfangreichen Schreibens eines Beteiligten mit zahlreichen Anlagen nach gewährter Schriftsatzfrist allerdings ohnehin schon von einem Verbrauch der ursprünglich erteilten Zustimmungen auszugehen ist). Eine Veränderung des seiner Asylklage zugrundeliegenden entscheidungserheblichen Sachverhalts hat der Kläger aber gerade nicht herbeigeführt. Denn auf das Schreiben des Verwaltungsgerichts vom 28. Juli 2023 hat er inhaltlich nicht reagiert; insbesondere hat er einen Beleg für die von ihm behauptete strafgerichtliche Verurteilung in Ägypten nicht eingereicht. Mit seiner Auffassung, allein aufgrund der in dem Schreiben vom 28. Juli 2023 enthaltenen Anfrage und Hinweise wäre das Verwaltungsgericht verpflichtet gewesen, ihn noch einmal vor einer Entscheidung anzuhören (Zulassungsantrag, S. 3 bis 4), vermag der Kläger nicht durchzudringen. Für die Vorlage von Dokumenten bedurfte es offenkundig nicht der Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Auch ist weder dargelegt noch ersichtlich, warum es dem Kläger nicht möglich gewesen sein sollte, zu der Anfrage und den Hinweisen des Verwaltungsgerichts (zunächst) schriftlich Stellung zu nehmen.

Auch der richterliche Hinweis in dem Schreiben des Verwaltungsgerichts vom 28. Juli 2023 für sich genommen hat nicht zu einer grundlegend geänderten Prozesslage geführt, die grundsätzlich auch zu einem "Verbrauch" einer Verzichtserklärung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO führen kann (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 27.1.2022 - 1 B 91.21 - , juris Rn. 7). Denn der Hinweis durch das Verwaltungsgericht hatte ersichtlich nicht den Zweck, die Beteiligten darüber zu informieren, dass es an einer früheren, den Beteiligten mitgeteilten Auffassung nicht mehr festhalten möchte (zu einer grundlegend geänderten Prozesslage in einer solchen Konstellation vgl. BSG, Beschl. v. 12.4.2005 - B 2 U 135/04 B -, juris Leitsatz 2 und Rn. 10). Das Verwaltungsgericht hatte den Beteiligten zuvor nicht mitgeteilt, wie es das bisherige Vorbringen des Klägers bewertet.

Die Berufung ist auch nicht wegen einer Divergenz zuzulassen.

Der Zulassungsgrund der Divergenz liegt nur vor, wenn das Verwaltungsgericht seinem Urteil einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit einem in einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts aufgestellten, dieselbe Rechts- oder Tatsachenfrage betreffenden oder einem in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten, dieselbe Rechtsfrage betreffenden und die Entscheidung tragenden Rechtssatz nicht übereinstimmt (vgl. GK-AsylG, Stand Februar 2025, § 78 Rn. 161 ff. m.w.N.). Dabei muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied deutlich werden, weil die bloße unrichtige oder unterbliebene Anwendung eines obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Rechtssatzes den Zulassungsgrund der Divergenz nicht erfüllt (vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 18.3.2022 - 8 B 49.21 -, juris Rn. 3; GK-AsylG, Stand Februar 2025, § 78 Rn. 179 ff. m.w.N.). Die Darlegung der Divergenz, die § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG verlangt, erfordert daher die Angabe des Rechtssatzes, mit dem das Verwaltungsgericht von dem obergerichtlich oder höchstrichterlich gebildeten Rechtssatz abgewichen sein soll, die konkrete Bezeichnung der Entscheidung, die den obergerichtlich oder höchstrichterlich entwickelten Rechtssatz enthalten soll, die Wiedergabe dieses Rechtssatzes und Erläuterungen dazu, worin die Abweichung konkret bestehen soll (vgl. BVerwG, Beschl. 18.3.2022 - 8 B 49.21 -, juris Rn. 3; GK-AsylG, Stand Februar 2025, § 78 Rn. 614 ff. m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen schon deswegen nicht gerecht, weil der Kläger eine Abweichung des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts nicht von einer Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, sondern von einer Entscheidung eines anderen Verwaltungsgerichts, nämlich des Urteils des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 23. Oktober 2017 - 12 K 12692/17.A - (Zulassungsantrag, S. 4), für das im Übrigen eine Veröffentlichung weder angegeben noch ersichtlich ist, geltend macht. Darüber hinaus benennt der Kläger auch keinen konkreten Rechtssatz, den das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat und mit dem es von einem von dem Verwaltungsgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 23. Oktober 2017 - 12 K 12692/17.A - gebildeten Rechtssatz abgewichen sein soll, sondern trägt eine Abweichung hinsichtlich "der Begründungsweise" vor (Zulassungsantrag, S. 4). Dabei lässt der Kläger auch noch außer Acht, dass sich das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf nach den im Zulassungsantrag zitierten Gründen auf in ihrem Herkunftsland vorverfolgte koptische Christen ägyptischer Staatsangehörigkeit bezieht (Zulassungsantrag, S. 4: "Nach dem oben dargestellten Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit besteht gemäß Art. 4 Abs. 4 QRL eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung ist im vorliegenden Fall nicht widerlegt. [...] Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass eine Verfolgung der Kläger sich im Falle ihrer Rückkehr nicht wiederholen würde." und Zulassungsantrag, S. 6: "Es gibt nach Überzeugung des Gerichts keinen Landesteil in Ägypten, in dem nach dem anzuwendenden Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit die tatsächliche Vermutung dafür, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden, widerlegt ist."). Demgegenüber ist das Verwaltungsgericht in seinem hier streitgegenständlichen Urteil gerade nicht von der Glaubhaftigkeit des vom Kläger behaupteten Vorfluchtgeschehens und damit nicht von dessen Vorverfolgung ausgegangen. Insoweit ist in den Gründen der Entscheidung ausgeführt:

"Das Gericht konnte [...] nicht die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals, nämlich, dass dieser tatsächlich verurteilt wurde, erlangen.

Es ist aufgrund der Mitwirkungspflichten (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO, § 15 AsylG) Aufgabe des Schutzsuchenden, von sich aus unter Angabe von Einzelheiten den die Verfolgungsgefahr bzw. die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründenden Lebenssachverhalt zu schildern. Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Hierzu gehört, dass der Betreffende zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. Gewährung subsidiären Schutzes lückenlos zu tragen (BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2001 - 1 B 24/01 -, Rn. 5, juris; BVerwG, Urteil vom 22. März 1983 - 9 C 68/81 -, Rn. 5, juris). Er ist hierzu nach § 15 Abs. 2 Nr. 5 AsylG insbesondere verpflichtet, alle erforderlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen auszuhändigen. Demnach scheitert die richterliche Überzeugungsbildung - insbesondere im Zusammenhang mit dem auch im Übrigen bloß vagen Vortrag - schon daran, dass der Kläger, der sich im Hinblick auf seine Schutzbedürftigkeit im Besonderen auf eine strafrechtliche Verurteilung stützt, seit seiner Anhörung zum Asylantrag im März 2020 keine Unterlagen zu der von ihm behaupteten Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe (Urteil, Schriftsätze, etc.) vorgelegt hat und auch keine Erklärung dafür abgegeben hat, warum er diese nicht habe vorlegen können. Nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln ist auch davon auszugehen, dass in Ägypten Strafurteile schriftlich ergehen, von den Richtern unterschrieben und den Verurteilten übermittelt werden. Der Aufbau der Justiz folgt insoweit formell und materiell weitgehend europäischen Mustern (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Libanon [Stand: 9. Oktober 2022] des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, S. 8). Dem Kläger wurde zuletzt mit gerichtlichem Hinweis vom 28. Juli 2023 aufgeben, entsprechende Unterlagen vorzubringen. Auf die erneute ausdrückliche Nachfrage des Gerichts vom 2. August 2023, ob vor der Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren noch Stellung zu der Anforderung der Unterlagen genommen werden soll, erfolgte ebenso wenig eine Reaktion wie auf den die Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss vom 31. August 2023."

(Urteilsabdruck, S. 4 bis 5).

Auf die von dem Kläger zusätzlich angeführte Abweichung des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts von "aktuellen tatsächlichen Ausführungen des Auswärtigen Amtes" (Zulassungsantrag, S. 6) lässt sich eine Divergenzrüge ebenfalls nicht stützen.

Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Eine Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich bislang noch nicht beantwortete Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf (Senatsbeschl. v. 25.10.2022 - 4 LA 225/20 -, juris Rn. 3; GK-AsylG, Stand April 2025, § 78 Rn. 88 ff. m.w.N.). Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG erfordert daher, dass eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum sie im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren. Des Weiteren muss substantiiert dargetan werden, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren anders als im angefochtenen Urteil zu entscheiden sein könnte und - im Falle einer Tatsachenfrage - welche (neueren) Erkenntnismittel eine anderslautende Entscheidung nahelegen (Senatsbeschl. v. 25.10.2022 - 4 LA 225/20 -, juris Rn. 3; GK-AsylG, Stand April 2025, § 78 Rn. 591 ff. m.w.N.). Im Rahmen dieser Darlegung ist eine konkrete und im Einzelnen begründete Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung geboten (BVerwG, Beschl. v. 2.5.2022 - 1 B 39.22 -, juris Rn. 18, 21 m.w.N.; Senatsbeschl. v. 25.10.2022 - 4 LA 225/20 -, juris Rn. 3).

Diese Anforderungen erfüllt der Zulassungsantrag des Klägers schon deswegen nicht, weil weder dargelegt noch ersichtlich ist, dass sich die von ihm aufgeworfene Tatsachenfrage (Zulassungsantrag, S. 7),

"ob sich eine der christlichen Minderheit angehörige Person nach einer illegalen Ausreise aus Ägypten, der zugleich Blasphemie und eine weitere Straftat inklusive einer Verurteilung vorgeworfen wird, in der aktuellen Lage bei einer potentiellen Rückkehr ohne asylrelevante Gefahren ein neues Leben aufbauen kann",

in dem angestrebten Berufungsverfahren tatsächlich stellen würde. Denn wie oben ausgeführt (Beschlussabdruck, S. 7), ist das Verwaltungsgericht gerade nicht von der Glaubhaftigkeit des behaupteten Vorfluchtgeschehens, insbesondere der angegebenen strafgerichtlichen Verurteilung ausgegangen. An diese Tatsachenfeststellung ist der Senat im Zulassungsverfahren gebunden, da der Kläger sie nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen hat.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang noch anführt, das Verwaltungsgericht habe eine unzutreffende Situation bei Abschiebungen nach Ägypten zugrunde gelegt, es habe irrig angenommen, dass Minderheiten, vorliegend Christen, unbehelligt abgeschoben werden und sich ein Leben in Ägypten aufbauen könnten (Zulassungsantrag, S. 7), macht er in der Sache ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils geltend. Dieser in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestimmte Zulassungsgrund ist aber für den Asylprozess nicht in § 78 Abs. 3 VwGO übernommen worden.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).