Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 11.04.2002, Az.: 6 B 947/02
Ausschluss eines Schülers vom Unterricht für die Dauer von drei Monaten und anschließende Versetzung in eine Parallelklasse wegen Gewalttätigkeit gegen einen Mitschüler; Beschlussfassung der Klassenkonferenz
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 11.04.2002
- Aktenzeichen
- 6 B 947/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 31804
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2002:0411.6B947.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 80 Abs. 5 VwGO
- § 61 Abs. 2 NSchG
- § 61 Abs. 3 Nr. 4 NSchG
Fundstelle
- SchuR 2006, 10-12 (Urteilsbesprechung von der Redaktion)
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 6. Kammer -
am 11. April 2002
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der am 15. März 1984 geborene Antragsteller ist Schüler der Antragsgegnerin und besuchte bisher das erste Jahr der zweijährigen Berufsfachschule Wirtschaft am Schulstandort in H.. Am 11. Februar 2002 verletzte der Antragsteller während der Unterrichtszeit in Gegenwart der Lehrkraft einen Mitschüler durch Faustschläge in das Gesicht derart, dass dieser sich unter anderem einen Nasenbeinbruch zuzog, sich in ärztliche Behandlung begeben und operiert werden musste.
Der Antragsteller wurde daraufhin zunächst von einem Mitglied der Schulleitung der Antragsgegnerin am 18. Februar 2002 unter Anordnung des Sofortvollzuges im Wege der Eilmaßnahme vom Unterricht ausgeschlossen. Am 21. Februar 2002 beschloss die Klassenkonferenz der Klasse BFW1A, den Antragsteller aus Anlass seines Verhaltens für die Dauer von drei Monaten seit dem Vorfall vom Unterricht auszuschließen und ihn im Anschluss an den Unterrichtsausschluss in eine am Schulstandort in C. eingerichtete Parallelklasse zu versetzen. Für den Fall weiterer Gewalttätigkeit wurde dem Antragsteller eine Verweisung von der Schule angedroht. Mit einem an den Antragsteller und seine damaligen Erziehungsberechtigten gerichteten Bescheiden vom 25. Februar 2002 gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller diese Ordnungsmaßnahmen bekannt. Die Bescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung enthielt den Hinweis, dass die sofortige Vollziehung der Ordnungsmaßnahme angeordnet werde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Widerspruch. Mit der am 7. März 2002 bei Gericht eingegangenen Antragsschrift beansprucht der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gegen die sofortige Vollziehung der angeordneten Ordnungsmaßnahmen. Im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens trat die Klassenkonferenz der Klasse der Klasse BFW1A am 21. März 2002 erneut zusammen. Nach erneuter Anhörung des Antragstellers, von Mitschülern sowie Lehrkräften und der Sozialpädagogin der Schule beschloss sie, dem Widerspruch des Antragstellers nicht abzuhelfen und die sofortige Vollziehung der am 21. Februar 2002 beschlossenen Ordnungsmaßnahmen anzuordnen. Daraufhin erging der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Hannover vom 28. März 2002, mit dem der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Februar 2002 als unbegründet zurückgewiesen und die sofortige Vollziehung der Ordnungsmaßnahmen im besonderen öffentlichen Interesse angekündigt worden ist.
Der Antragsteller kündigt an, gegen den Widerspruchsbescheid Klage erheben zu wollen. Er macht geltend, die Antragsgegnerin habe die sofortigen Vollziehung des dreimonatigen Unterrichtsausschlusses unter dem 25. Februar 2002 nicht schriftlich begründet und ohne Konferenzbeschluss durch ihren Schulleiter angeordnet. Auch liege ein überwiegendes Vollzugsinteresse nicht vor. Bei dem Vorfall vom 11. Februar 2002 handele es sich um keine vorsätzliche Körperverletzung. Vielmehr habe der Antragsteller seinen Mitschüler einen Faustschlag ins Gesicht versetzt, nachdem ihn dieser aus einer freundschaftlichen Rangelei heraus ebenfalls mit der Faust in das Gesicht geschlagen habe. Außerdem habe er sich bei dem Mitschüler, dessen Nasenbein bereits vorgeschädigt gewesen sei, entschuldigt. Eine ernstliche Gefährdung anderer durch seinen Schulbesuch liege nicht vor. Wegen der Erstmaligkeit des Vorfalls hätten weniger beeinträchtigende Maßnahme wie die Überweisung in eine Parallelklasse gewählt werden können. Im Übrigen seien die angeordneten Ordnungsmaßnahmen auch der von der Antragsgegnerin gewählten Häufung unverhältnismäßig.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 28. März 2002 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie macht geltend, der Antragsteller habe am 11. Februar 2002 eine vorsätzliche Körperverletzung begangen und damit seine Pflichten als Schüler grob verletzt. Die daraufhin ergriffenen Ordnungsmaßnahmen seien angesichts der durch die massive Gewaltausübung des Antragstellers gefährdete Sicherheit anderer verhältnismäßig. Nach ihren Erkenntnissen habe er seinen Mitschüler im Rahmen einer verbalen Auseinandersetzung zunächst vom Stuhl gezogen. Dann habe er den am Boden liegenden Mitschüler auf den Rücken geschlagen und diesem dadurch Blutergüsse zugefügt. Als der Mitschüler aufstehen wollte und die Lehrerin den Antragsteller mehrfach zum Aufhören aufgefordert habe, habe der Antragsteller seinen Mitschüler getreten. Als der Mitschüler daraufhin zurückgeschlagen habe, habe der Antragsteller dem Mitschüler viermal gezielt Faustschläge in dessen Gesicht versetzt und diesem dabei das Nasenbein gebrochen. Danach habe der Antragsteller keine besondere Einsicht oder Reue gezeigt, sondern der Familie des Antragstellers lediglich telefonisch eine Entschuldigung übermitteln lassen. Die Anwesenheit des Antragstellers im Unterricht habe bei Mitschülerinnen und Mitschülern sowie bei Lehrkräften Angst verursacht; Mitschüler hätten angegeben, von ihm beleidigt, belästigt, eingeschüchtert oder bedroht worden zu sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verweist die Kammer ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin.
II.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zulässig, aber nicht begründet.
Die von dem Antragsteller gerügten verfahrensrechtlichen Mängel einer fehlenden Beschlussfassung der Klassenkonferenz über die Anordnung der sofortigen Vollziehung und ihrer nicht ausreichenden schriftlichen Begründung sind beseitigt, nachdem beides in der Abhilfekonferenz vom 21. März 2002 und dem Widerspruchsbescheid vom 28. März 2002 nachgeholt worden ist.
In der Sache kann das Gericht im Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs wiederherstellen, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts im besonderen öffentlichen Interesse nicht gerechtfertigt ist. Danach setzt der Erfolg des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, vor einer Entscheidung über seinen Widerspruch vom Vollzug des angegriffenen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, gegen das öffentliche Interesse an dessen sofortiger Durchsetzung voraus. Für den Ausgang dieser Interessenabwägung können auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Widerspruchs berücksichtigt werden.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist abzulehnen, weil der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Februar 2002 und die nach Ergehen des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2002 beabsichtigte Anfechtungsklage aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben werden und bei dieser Sachlage ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Unterrichtsausschlusses besteht.
Die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Antragsteller für drei Monate vom Unterricht auszuschließen, lässt sich rechtlich nicht beanstanden. Sie findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 61 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 4 NSchG. Danach kann die zuständige Klassenkonferenz (§ 61 Abs. 5 Satz 1 NSchG) einen Schüler bis zu drei Monate vom Unterricht ausschließen, wenn der Schüler seine Pflichten grob verletzt, indem er gegen rechtliche Bestimmungen verstößt, den Unterricht stört, geforderte Leistungen verweigert oder dem Unterricht unentschuldigt fernbleibt. Der gesetzliche Zweck des § 61 Abs. 2 NSchG erschöpft sich nicht darin, repressiv Sanktionen für das schülerische Fehlverhalten zu ermöglichen; vielmehr sollen die aus Anlass von groben Pflichtverletzungen ergriffenen Ordnungsmaßnahmen die von dem Schüler gestörte Erziehungs- und Unterrichtsarbeit in der Schule sicherstellen.
Diese Rechtsgrundsätze sind von der Klassenkonferenz der Klasse BFW1A beachtet worden. Das dem Antragsteller vorgeworfene und in der Antragserwiderung zusammengefasste Verhalten beinhaltet eine besonders grobe Verletzung seiner Schülerpflichten und kann zum Anlass für einen dreimonatigen Unterrichtsausschluss genommen werden. Die Kammer geht nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsvorgänge, insbesondere der Konferenzniederschrift vom 21. Februar und 21. März 2002 sowie der dokumentierten Beobachtungen der Lehrkräfte davon aus, dass der Antragsteller seinen Mitschüler I. R. zu Boden gezogen, auf den Rücken geschlagen und diesem dadurch Blutergüsse zugefügt hat. Sie geht ferner davon aus, dass der Antragsteller die Aufforderungen der - wegen einer dazwischen stehenden Tischreihe hilflosen - Lehrerin zum Aufhören negiert und den Mitschüler stattdessen getreten hat. Dabei geht die Kammer davon aus, dass der Antragsteller mindestens einmal einen gezielten Fußtritt in Richtung des Gesichts des Mitschülers I. R. getan hat. Sie entnimmt dieses den Äußerungen der Lehrerin J., die in unmittelbarer Nähe der Auseinandersetzung gestanden und das Geschehen verfolgt hatte. Als der Mitschüler daraufhin zurückgeschlagen hat, hat der Antragsteller dem Mitschüler viermal gezielt Faustschläge in dessen Gesicht versetzt und diesem dabei das Nasenbein gebrochen. Wie sich eine derart massive Gewaltentwicklung - wie vom Antragsteller jetzt vorgebracht - in ihrer Anfangsphase als "freundschaftliche Rangelei" darstellen soll, ist nicht nachvollziehbar, zumal der Antragsteller die zu der ernsten Verletzung des Mitschülers führenden Faustschläge eingeräumt hat. Dieses Verhalten des Antragstellers stellt eine vorsätzlich begangene, gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) und damit einen schweren Rechtsverstoß im Sinne von 61 Abs. 2 NSchG dar. Dass der Antragsteller dabei in zulässiger Weise Notwehr ausgeübt und demzufolge keine grobe Pflichtverletzung begangen haben könnte, ist nicht ersichtlich und wird von dem Antragsteller auch nicht behauptet.
Dass die Klassenkonferenz den rechtlichen Rahmen des § 61 Abs. 3 Nr. 4 NSchG auf den ersten Blick vollständig ausgeschöpft und die höchstzulässige Dauer des Unterrichtsausschlusses von drei Monaten beschlossen hat, ist nicht ermessensfehlerhaft. Allerdings ist anzumerken, dass sich die Dauer des vom 18. Februar bis 13. Mai 2002 verfügten Unterrichtsauschlusses des Antragstellers bei Berücksichtigung der Osterferien und des Maifeiertages tatsächlich nur eine Unterrichtszeit von zwei Monaten umfasst. Damit hat die Klassenkonferenz von ihrem Ermessen in einer der gesetzlichen Ermächtigung des § 61 Abs. 2 NSchG entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 40 VwVfG). Sie hat, wie der Inhalt der Niederschriften der beiden Konferenzen und die aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlichen Berichte zeigen, den Sachverhalt gründlich ermittelt und sich mit auch mit den Einwendungen des Antragstellers gegen die ihm gemachten Vorwürfe befasst und das Verhalten des Antragstellers rechtsfehlerfrei gewürdigt. Mag auch bei der einmaligen Beteiligung an einer Schlägerei in der Schule im Regelfall ein kürzerer Unterrichtsausschluss ausreichend sein, liegen jedenfalls im Fall des Antragstellers Umstände vor, welche die Erziehungs- und Unterrichtsarbeit der Schule in besonderem Maße gefährden. Der Antragsteller ist kein Schüler des Sekundarbereichs I im Kindes- oder Jugendlichenalter mehr, sondern inzwischen Erwachsener. Von einer massiven Schlägerei zwischen erwachsenen oder fast erwachsenen Schülern an einer berufsbildenden Schule gehen wesentlich andere Gefahren für das Schulleben aus, als von den üblichen Auseinandersetzungen von Kindern und Jugendlichen in der Regelschule (Beschluss der Kammer vom 22.1.2002 - 6 B 5389/01 -) Sie können erfahrungsgemäß weitaus mehr zur Störung der Unterrichtsarbeit - z.B. durch Verunsicherung und Verängstigung anderer Schülerinnen und Schüler - beitragen, als dieses in anderen Altersstufen der Fall ist. Es kommt hinzu, dass die Schule bei der Erfüllung ihres staatlichen Auftrags auch im Hinblick auf die von den Lehrkräften zu leistende Beaufsichtigung der ihr anvertrauten Schülerinnen und Schüler (§ 62 Abs. 1 NSchG) darauf angewiesen ist, dass Schülerinnen und Schüler die Regeln des Schullebens akzeptieren und umsetzen. Dazu zählt auch der Respekt vor den durch die Rechtsordnung vorgegebenen Regeln, insbesondere vor der Einhaltung der durch die Strafgesetze vorgegebenen Verbote.
Dem vom Antragsteller letztendlich eingeräumten enthemmten Verhalten gegenüber seinem Mitschüler kommt eine besonders schwerwiegende Bedeutung zu, weil das Verhalten des Antragstellers offenbar einer aggressiven Grundeinstellung oder Veranlagung entspricht. So wird der Antragsteller von der Lehrkraft K. als latent aggressiv eingeschätzt. Er hat sich im Anschluss an die Klassenkonferenz gegenüber den Konferenzteilnehmern abfällig geäußert ("Verarschung") und wird nach Einschätzung seiner Lehrkräfte von den Mitschülerinnen und Mitschülern als drohend und einschüchtern empfunden. In diesem Zusammenhang war die Klassenkonferenz im Rahmen der erneuten Würdigung des Sachverhalts am 21. März 2002 auch nicht gehindert, das weitere Verhalten des Antragstellers in ihre Ermessenserwägungen einzubeziehen. Danach hat der Antragsteller ein Schreiben verfasst, in dem der Hergang der Schlägerei und insbesondere das Verletzung beider daran beteiligter Schüler durch eine Unterschrift des verletzten Mitschülers I. R. bestätigt werden sollte. In den dazu von der Koordinatorin Schulz in Anwesenheit eines Mitglieds der Schulleitung und der Klassenlehrerin geführten Gesprächen mit Schülern ergab sich, dass ein Freund des Antragstellers dem Schüler I. R. dieses Schreiben übergeben hatte und diesen unter Druck gesetzt hatte, es zu unterschreiben sowie ihm gedroht hatte, ihn umzubringen, wenn er das Schreiben den Lehrkräften gebe.
Wenn die Klassenkonferenz ausweislich der Konferenzniederschrift vom 21. März 2002 auch dieses Verhalten des Antragstellers mit der Verängstigung und Verunsicherung seiner Mitschülerinnen und Mitschüler und der dadurch begründeten Gefährdung der Unterrichtsarbeit in der Schule Verbindung bringt und daher an der zusätzlich zum Unterrichtsausschluss verfügten Überweisung in eine auswärtige Parallelklasse festhält, ist dieses nicht ermessenfehlerhaft, insbesondere nicht unverhältnismäßig. § 61 Abs. 2 NSchG ermöglicht es entgegen der vom Antragsteller gegenüber seinen Mitschülern geäußerten Auffassung durchaus, in geeigneten Fällen mehrere Ordnungsmaßnahmen nebeneinander anzuordnen, wenn diese sich ihrer Zielsetzung nach sinnvoll ergänzen können. Sinnvoll ergänzen können sich auch ein Unterrichtsausschluss und die Überweisung in eine Parallelklasse. Dabei ist auch nicht entscheidend, ob der Antragsteller mit seinen Faustschlägen am 11. Februar 2002 die gravierende Verletzung des Mitschülers in Kauf genommen hat oder sich allein von einer ungezügelten Aggressivität hat leiten lassen. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer darf für Schulordnungsmaßnahmen unabhängig von der Höhe und der Absehbarkeit des tatsächlichen eingetretenen Schadens entscheidend auf die Sozialschädlichkeit eines exzessiven und ungehemmten Verhaltens abgestellt werden (vgl. Beschlüsse vom 19.6.1998 - 6 B 4156/98 -,12.1.2001 - 6 B 494/01 - und 29.3.2001 - 6 B 1159/01 -). Dieser Grundsatz gilt nicht nur für Vandalismus in der Schule, sondern auch für alle Erscheinungsformen der Gewalt, Rache und Selbstjustiz. Ihre Ansätze können, wenn der Eindruck entsteht, dass ihnen nicht entgegengewirkt wird, durch gruppendynamische Prozesse eskalieren und größere Personen- und Sachschäden verursachen, insbesondere dann, wenn sie von dem Verursacher nachträglich verteidigt oder verharmlost werden oder wenn dieser aufgrund einer vermeintlichen Position der Überlegenheit den angerichteten Schaden ins Lächerliche zieht. Die Schule darf ihnen daher mit den Mitteln des § 61 NSchG konsequent entgegenwirken.
In Anbetracht dieser besonderen Umstände ist die Wirkung beider Ordnungsmaßnahmen nicht unverhältnismäßig. Es ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller ein Alter erreicht hat, in dem er bereits in die Selbstständigkeit entlassen ist. Ihm wird deshalb zugemutet, seine Situation auch in der Schule selbst zu erkennen und für sein eigenes Verhalten und dessen Folgen Verantwortung zu übernehmen.
Abgesehen davon, dass beide Ordnungsmaßnahmen danach offensichtlich rechtmäßig sind, besteht schließlich auch ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung sowohl des Unterrichtsausschlusses als auch der Überweisung in eine Parallelklasse. Angesichts der Gefahr, dass enthemmte Gewalt und das Verbreiten von Angst in der Schule leicht zu Nachahmungen führen kann, lässt sich bei derartigen Vorfällen ein sofortiges Handeln der Schule rechtfertigen und das Rechtsschutzinteresse des betroffenen Schülers einstweilen zurücktreten. Liegt wie hier ein Fall vor, der schulintern große Aufmerksamkeit auf sich zieht und deshalb Präzedenzwirkung erzeugt, spricht Überwiegendes dafür, dass die angewandte Ordnungsmaßnahme nur im Fall ihrer sofortigen Vollziehung effektiv etwas bewirken kann.
Abschließend geht die Kammer davon aus, dass die mit dem Bescheid vom 25. Februar 2002 im Übrigen bekannt gegebene Androhung der "Verweisung von der Schule" nicht Gegenstand der im Widerspruchsbescheid vom 28. März 2002 getroffenen Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ordnungsmaßnahmen ist. Dieses folgt mit hinreichender Deutlichkeit aus der Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges, die ausschließlich und ausdrücklich nur auf die Erforderlichkeit der sofortigen Umsetzung des Unterrichtsausschlusses und des Klassenwechsels abstellt. Danach ist offenbar eine sofortige Vollziehung der Androhung der Verweisung von der Schule nicht beabsichtigt, so dass es insoweit auch am Rechtsschutzinteresse für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO fehlte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 25 Abs. 2 Satz 1, 20 Abs. 3 und 13 Abs. 1 Satz 2 GKG und trägt mit der Halbierung des Auffangwertes der nur vorläufigen Wirkung einer gerichtlichen Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO Rechnung.
Heidmann
Oppenborn