Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.11.2024, Az.: 2 Sa 769/23

Zulässigkeit einer tarifvertraglich geregelten Obergrenze von Zuschlägen für Nachtarbeit, Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
20.11.2024
Aktenzeichen
2 Sa 769/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 29150
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2024:1120.2Sa769.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Oldenburg - 11.10.2023 - AZ: 3 Ca 15/23

Amtlicher Leitsatz

Das sich aus der Anlage 3 zum Tronc- und Gehaltstarifvertrag (TGTV) vom 23. März 2022 für die Betriebe der Spielbanken Niedersachsen GmbH ergebende monatliche Zuschlagsgehalt stellt eine tarifvertragliche Obergrenze der insgesamt zu zahlenden Zuschläge dar. Die Regelung der Obergrenze des monatlichen Zuschlagsgehaltes verstößt nicht gegen Art. 3 GG.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts B-Stadt vom 11. Oktober 2023 - 3 Ca 15/23 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 253,91 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob eine tarifvertraglich geregelte Obergrenze von Zuschlägen für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit zulässig ist.

Der Kläger ist seit dem 1. Juni 1987 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Kassierer, zuletzt als Kassenleiter beschäftigt.

Auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis findet unter anderem der zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossene Manteltarifvertrag vom 28. März 2019 (im Folgenden: MTV, ArbG Bl. ff 12 d. A.) sowie der ebenfalls zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossene Tronc- und Gehaltstarifvertrag vom 23. März 2022, gültig ab 1. Januar 2022 (im Folgenden: TGTV, ArbG Bl. 162 ff d. A.) Anwendung.

In dem MTV heißt es:

"...

§ 5 Gehaltsregelung

1. Die Gehälter werden als Monatsgehälter vereinbart.

2. Abrechnungszeitraum hinsichtlich der Errechnung der Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit ist der jeweilige Kalendermonat.

3. Alle ArbeitnehmerInnen erhalten zum 20. des Monats eine Abschlagszahlung, in der Regel in Höhe von 60% auf das Festgehalt. Die Höhe dieser Abschlagszahlung kann durch Betriebsvereinbarung abweichend festgelegt werden. Das Restgehalt wird durch Banküberweisung grundsätzlich so rechtzeitig ausgezahlt, dass die Gutschrift auf dem Empfängerkonto bis spätestens zum 12. des Folgemonats erfolgt.

...

§ 14 Tronc- und Gehaltstarifvertrag

Die Tronc- und Gehaltsbedingungen werden in einem Tronc- und Gehaltstarifvertrag geregelt.

..."

In dem TGTV heißt es u.a.:

"...

§ 6 TGTV Vergütungen im Servicebereich"

...

II. Für Arbeitnehmer/innen, die vor dem 01.01.2012 eingruppiert wurden

...

2. Die ArbeitnehmerInnen im Servicebereich, die vor dem 01.01.2012 eingruppiert wurden, erhalten ein monatliches Gehalt, wie es sich aus der Anlage 3 und 3a ergibt.

In dem Gehalt ist für die ArbeitnehmerInnen der bis zum 30. Juni 2002 maßgebenden Gruppe A des bis dahin geltenden TGTV vom 7. Februar 2000 ein Zuschuss zur Dienstkleidung für die Dauer der Gehaltszahlung (einschließlich der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und der Urlaubsentgeltfortzahlung) von monatlich 102,26 € enthalten. Kürzungen der Gehaltszahlung von weniger als 7 Kalendertagen führen nicht zur Minderung des Zuschusses zur Dienstkleidung. Für Aushilfen ist der Kleidergeldzuschuss im Stundenlohn enthalten.

Dieser Zuschuss zur Dienstkleidung ist die Barablösung des in § 11 Ziffer 6 eingeräumten Anspruchs auf Gestellung der typischen Berufskleidung bis zum Wert von 1.227,10 € jährlich.

3. Weiterhin erhalten die ArbeitnehmerInnen im Servicebereich monatlich eine Prämie. Maßgebend ist das monatliche Gesamtprämienvolumen jeder einzelnen Spielbank, das auf die anspruchsberechtigten ArbeitnehmerInnen des Servicebereiches jeder Spielbank zu gleichen Teilen verteilt wird.

Das monatliche Gesamtprämienvolumen wird aus zwei Komponenten ermittelt

1. aus 3,5 ‰ des Gesamtbruttospielertrages des Unternehmens vor Abgaben abzüglich der Zuwendungen der Multi-Roulette-Automaten, die automatisch oder im Einvernehmen von dem Gast gegeben werden sowie

2. aus 9,5 % des monatlichen Gesamttroncs der einzelnen Spielbank zuzüglich der Zuwendungen der Multi-Roulette-Automaten der einzelnen Spielbank, die automatisch oder im Einvernehmen von dem Gast gegeben werden. Vorab werden 4 % des genannten Troncaufkommens und der Zuwendungen der Multi-Roulette-Automaten, die automatisch oder im Einvernehmen von dem Gast gegeben werden, zur Finanzierung der "Betrieblichen Altersversorgung" abgeführt.

Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Prämie ist die tarifliche Arbeitszeit gemäß § 3 MTV. ArbeitnehmerInnen, deren Gehalt nach Stunden bemessen ist, erhalten die Prämie auf Basis der tatsächlich geleisteten Stunden des laufenden Monats einschließlich der Stunden für die Entgeltfortzahlung (gemäß § 4,2 und § 6,2 MTV).

3. In der Gesamtvergütung der Ziffern 1 und 2 bzw. der Ziffer 3 sind die Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit gemäß § 12 Abs. 3 TGTV enthalten.

Die Prämie wird im gleichen Verhältnis wie beim Festgehalt (Anlagen 3 und 3a) in Grundlohn und Zuschlag aufgeteilt.

...

§ 9 Gehaltsregelungen

1. Die Höhe der Vergütungen ist in den Anlagen zu diesem Tarifvertrag geregelt.

...

§ 12 Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- oder Feiertagsarbeit

...

2. Alle ArbeitnehmerInnen, die betriebsbedingt Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit leisten, erhalten folgende Zuschläge zur Grundvergütung:

25 % für Nachtarbeit von 20.00 - 06.00 h

40 % für Nachtarbeit von 00.00 - 04.00 h wenn die Nachtarbeit vor 00.00 h aufgenommen worden ist

50 % für Sonntagsarbeit von 00.00 - 24.00 h

125 % für Arbeit an den gesetzlichen Feiertagen von 00.00 - 24.00 h sowie für Arbeit am 31. Dezember ab 14.00 h

150 % für Arbeit am 24. Dezember ab 14.00 h am 25. und 26. Dezember und am 1. Mai (00.00 - 24.00 h)

Höhere Zuschläge für Sonntags- und Feiertagsarbeit werden auch für Arbeiten von 00.00 - 04.00 h des folgenden Tages gewährt, wenn die Nachtarbeit noch vor 00.00 h aufgenommen wurde.

Es obliegt den Betriebsparteien, eine weitestgehend gerechte Verteilung der Zuschläge nach § 3 b EStG in der vorliegenden Fassung in Form von Dienstplan- und/oder Arbeitszeitgestaltung zu erreichen.

..."

Die Anlage 3 zum TGTV regelt in Abhängigkeit von der jeweils bekleideten Funktion die Festgehälter vom 1. Januar bis 31. Dezember 2022 für Mitarbeiter, die vor dem 1. Januar 2012 ein-/umgruppiert wurden. Das Festgehalt setzt sich aus einem Grund- und einem Zuschlagsgehalt zusammen. Die Summe aus Grund- und Zuschlagsgehalt ist das Endgehalt (ArbG Bl. 182 d. A.)

Der Kläger wünschte keine Umgruppierung. Aus diesem Grund vergütet die Beklagte den mittlerweile als Kassenleiter beschäftigten Kläger nach wie vor nach der sich aus der Anlage 3 zum TGTV ergebenden Funktion "Croupier I a" mit einem Grundgehalt in Höhe von monatlich 2.895,46 €, einem Zuschlagsgehalt von monatlichen 914,80 € und einem daraus folgenden monatlichen Endgehalt in Höhe von 3.810,26 €.

Die Dienstpläne der Beklagten werden entsprechend den betrieblichen Anforderungen aufgestellt. Bei der Schichtplanung wird eine möglichst gleiche Verteilung der Mitarbeiter angestrebt. Dabei sollen die Vor- und Nachteile der Schichten finanzieller Natur, aber auch der Verlust besonderer Zeiten wie Sonn- und Feiertage in einen gerechten Ausgleich gebracht werden.

Bei dem Monat Mai handelt es sich dabei um einen besonderen Monat, da hier vergleichsweise viele zuschlagspflichtige Feiertage liegen. Das Zusammenspiel der Feiertage und der arbeitgeberseitigen Schichtplanung führte dazu, dass der Kläger im Monat Mai 2022 in mehrere zuschlagspflichtige Schichten eingeteilt wurde. Die Beklagte wies in der Entgeltabrechnung für Mai 2022 vom 7. Juni 2022 das Zuschlagsgehalt von 914,80 € als "Stfr. svfr. Zuschlag" aus. Gleichzeitig führte die Beklagte in dieser Entgeltabrechnung die einzelnen Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge in unterschiedlicher Höhe mit der Bezeichnung "St/SV fr.", summiert auf 1.168,71 €, auf. Die Summe der Zuschläge war als "Info" bezeichnet (ArbG Bl. 101 d. A.).

Im Jahr 2022 hat der Kläger insgesamt 10.944,93 € brutto als Zuschlagsgehalt erhalten, tatsächlich erarbeitet hat er bei entsprechender und tariflich festgelegter Kompensation gemäß § 12 Abs. 2 TGTV einen Betrag von 6.066,78 € brutto, den er steuer- und sozialversicherungsfrei ausbezahlt erhielt. Den darüberhinausgehenden Betrag von 4.878,15 € brutto erhielt der Kläger versteuert und verbeitragt.

Mit seiner am 16. Januar 2023 beim Arbeitsgericht B-Stadt eingegangen Klage macht der Kläger die Differenz zwischen den aufsummierten, aber nicht ausgezahlten Zuschlägen im Mai 2022 von insgesamt 1.168,71 € und dem gezahlten Zuschlag von 914,80 € geltend. Er hat die Ansicht vertreten, ihm stehe der Differenzbetrag von 253,91 € brutto zu, weil die Kappung der Zuschläge auf maximal 914,80 € brutto unzulässig sei. Das sich aus der Anlage zum TGTV ergebende Zuschlagsgehalt sei als Mindestzuschlag zu verstehen. Eine Vergütungsobergrenze im Sinne eines Maximalgehalts sehe der Tarifvertrag ebenso wenig vor wie eine Regelung zur maximalen Anzahl vergütungspflichtiger Zuschlagsstunden. Anderenfalls würde zuschlagspflichtige Arbeit jenseits dieses Zuschlagsgehalts unbezahlt bleiben, was auch mit dem Sinn und Zweck der Zuschläge, bestimmte Arbeitsformen finanziell unattraktiv zu machen, unvereinbar wäre. § 6 Abs. 5 ArbZG stehe einer Regelung entgegen, nach der Nachtarbeitszuschläge ab einem bestimmten Umfang dann nicht mehr zu zahlen seien. Die Begrenzung des Zuschlagsgehaltes auf 914,80 € würde dazu führen, dass Arbeitnehmer, die jenseits dieses Betrages zuschlagspflichtige Arbeit zu erbringen hätten, wegen der Nichtvergütung dieser zuschlagspflichtigen Arbeit unter Verstoß gegen Art. 3 GG im Verhältnis zu Arbeitnehmern schlechter gestellt würden, die zuschlagspflichtige Arbeit in einem Umfang leisten, welche den Wert von 914,80 € nicht erreiche.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 253,91 € brutto zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 13.06.2022.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, bei dem sich aus der Anlage 3 zum TGTV ergebenden Zuschlagsgehalt von 914,80 € handele es sich um eine zulässige tarifvertraglich geregelte Obergrenze des Zuschlagsgehalts. § 6 II. Ziffer 2. TGTV i.V.m. Anlage 3 sehe als monatliches Endgehalt die Summe aus Grund- und Zuschlagsgehalt vor. Gemäß § 6 II. Ziffer 3. Unterziffer 3. TGTV seien in der Gesamtvergütung die Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit enthalten. Die 1.168,71 € seien in der Entgeltabrechnung Mai 2022 nur deshalb als "Summe Zuschläge" rein informatorisch mit aufgeführt, um die Berechtigung der steuer- und sozialversicherungsfreien Auszahlung der 914,80 € darzulegen. Das Zuschlagsgehalt von 914,80 € werde unabhängig von der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung monatlich gezahlt. Der Zuschlag von 914,80 € sei nur dann steuer- und sozialversicherungsfrei zu zahlen, wenn die Summe zuschlagspflichtiger tatsächlich geleisteter Arbeit diesen Betrag übersteige. Unterschreite die erbrachte zuschlagspflichtige Arbeit während der Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen diesen Betrag, müssten Steuern- und Sozialversicherungsbeiträge auf den Differenzbetrag zu den 914,80 € gezahlt werden, während die für tatsächlich erbrachte Arbeit geleisteten Zuschläge unterhalb von 914,80 € steuer- und sozialversicherungsfrei zu zahlen seien. Bei den 1.168,71 € handele es sich um eine fiktive Rechengröße.

§ 12 Ziffer 2. TGTV regele u.a. den Ausgleich zuschlagspflichtiger Nachtarbeit und sehe vor, dass die Betriebsparteien für eine weitestgehend gerechte Verteilung der Zuschläge nach § 3 b EStG in Form von Dienstplan- und/oder Arbeitszeitgestaltung Sorge zu tragen hätten. Eine Ungleichbehandlung liege daher nicht vor.

Mit Urteil vom 11. Oktober 2023 hat das Arbeitsgericht Oldenburg der Klage stattgegeben. Die zulässige Klage sei begründet. Der Anspruch ergebe sich aus § 12 Ziffer 2. TGTV. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass der Kläger in dem Umfang, in dem die Beklagte mit der Entgeltabrechnung für Mai 2022 vom 7. Juni 2022 Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit abgerechnet habe, nachts sowie an Sonn- und Feiertagen gearbeitet habe, und dass die Vergütung für Arbeit zur Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen zuschlagspflichtig sei.

Im Streit stehe zwischen den Parteien lediglich, ob die Beklagte berechtigt sei, die Zuschläge auf 914,80 € zu kappen, weil sich eine entsprechende Obergrenze aus der Anlage 3 TGTV ergebe. Dort sei für die vom Kläger bekleidete Funktion Croupier I a das Zuschlagsgehalt mit 914,80 € beziffert. Bei dem sich aus der Anlage 3 zu TGTV ergebenden Zuschlagsgehalt von 914,80 € handele es sich nicht um eine tarifvertragliche Obergrenze der maximal zu zahlenden Zuschläge, auch wenn § 6 II. Ziffer 3. Unterziffer 3. TGTV regele, dass die Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit gemäß § 12 Ziffer 3. TGTV (gemeint sei § 12 Ziffer 2. TGTV) in der Gesamtvergütung der Ziffern 1. und 2. bzw. der Ziffer 3. enthalten seien. Dies folge aus der Auslegung der Regelungen des TGTV einschließlich der dazugehörigen Anlage 3 sowie des MTV.

Die Auslegung von § 12 Ziffer 2. TGTV einschließlich der dazugehörigen Anlage 3 sowie von § 5 Ziffern 1. bis 3. MTV ergebe, dass das Zuschlagsgehalt in Höhe von 914,80 € als Gehaltsbestandteil zu verstehen, eine Vergütung sämtlicher verdienter Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit dadurch aber nicht ausgeschlossen sei. Dem Kläger stünden die von der Beklagten abgerechneten Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge ausgehend vom Wortlaut von § 12 Ziffer 2. TGTV in voller Höhe zu. Bei dieser Regelung handele es sich um die tarifvertragliche Anspruchsgrundlage hinsichtlich Grund und Höhe der zu bestimmten Zeiten erbrachten zuschlagspflichtigen Arbeit, ohne dass die Regelung eine Begrenzung der zu zahlenden Zuschläge vorsehe. Bereits die Formulierung "erhalten folgende Zuschläge zur Grundvergütung" verdeutliche, dass Zuschläge zusätzlich zur Grundvergütung zu zahlen seien. Aus der genannten Formulierung "erhalten" folge weiter unmissverständlich, dass § 12 Ziffer 2. TGTV Anspruchsgrundlage für Vergütung für geleistete Arbeit an Sonntagen, Feiertagen sowie zur Nachtzeit sein solle. Eine Begrenzung der zu zahlenden Zuschläge auf eine bestimmte Höhe sehe § 12 Ziffer 2. TGTV ebenso wenig vor wie einen Verweis auf Anlage 3 des TGTV und die dortige Bezifferung des Zuschlagsgehalts mit 914,80 €. Der Verweis in § 12 Ziffer 2. TGTV auf § 3 b EStG sei lediglich so zu verstehen, dass über die Dienstplan- und/oder Arbeitszeitgestaltung alle bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer gleichermaßen in den Genuss der nach § 3 b Abs. 1 EStG steuerfreien Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit kommen sollten. Bereits dem Wortlaut nach sei mit der Regelung nicht gemeint, dass die Zuschläge für betriebsbedingte Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit nur abgerechnet würden, um den steuerfreien Anteil der Zuschläge zu Abrechnungszwecken zu ermitteln. Im Übrigen würde die Regelung der prozentual unterschiedlichen Vergütung von Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit keinen eigenständigen Sinn ergeben, wenn es sich bei dem in der Anlage 3 zum TGTV festgeschriebenen Zuschlagsgehalt von 914,80 € um die Obergrenze der zu zahlenden Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit handeln sollte. Die Regelung in § 12 Ziffer 2. TGTV betreffend die angestrebte weitestgehend gerechte Verteilung der Zuschläge nach § 3 b EStG spiegele das grundsätzliche Interesse von Arbeitnehmern wieder, möglichst viel Sonntags-, Feiertags- bzw. Nachtarbeit zu leisten, um dadurch in den Genuss der sich aus § 3 b EStG ergebenden steuerlichen Vergünstigungen zu kommen.

Darüber hinaus sei bei der Auslegung zu berücksichtigen, dass § 5 Ziffer 2. MTV vorsehe, dass Abrechnungszeitraum hinsichtlich der Errechnung der Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit der jeweilige Kalendermonat sei. Die Regelung verdeutliche, dass die genannten Zuschläge bezogen auf den jeweiligen Kalendermonat zu berechnen seien. Ob dies, wie die Beklagte meine, lediglich zur Berechnung der Steuerfreiheit von Zuschlägen nach § 3 b Abs. 1 EStG erfolge und aus diesem Grund in der Entgeltabrechnung für Mai 2022 die Summe dieser Zuschläge ausschließlich und lediglich zur Information des Klägers mit 1.168,71 € berechnet worden sei, sei bereits deshalb fragwürdig, weil ausweislich § 5 Ziffer 3. MTV die Arbeitnehmer zum 20. des Monats eine Abschlagszahlung in Höhe von regelmäßig 60 % auf das Festgehalt erhielten und das Restgehalt sodann bis spätestens zum 12. des Folgemonats eingehend auf dem Empfängerkonto zu zahlen sei. § 5 Ziffer 3. MTV sei dahingehend zu verstehen, dass mit Festgehalt das sich aus der Anlage 3 zum Tronc- und Gehaltstarifvertrag ergebende Endgehalt gemeint sei. Die tabellarische Auflistung von Grundgehalt, Zuschlagsgehalt und Endgehalt in Abhängigkeit von der bekleideten Funktion sei in der Anlage 3 zum TGTV überschrieben mit "Festgehälter vom 01.01.2022 bis 31.12.2022". Restgehalt im Sinne von § 5 Ziffer 3. MTV könnte im Hinblick auf die gemäß § 5 Ziffer 2. MTV zu errechnenden Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit nicht nur die restlichen 40 % des sich z. B. aus der Anlage 3 zum TGTV ergebenden End- bzw. Festgehalts, sondern darüber hinaus auch die am Ende des jeweiligen Kalendermonats errechneten Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sein. Die in § 5 Ziffer 2. und 3. MTV getroffenen Regelungen zur Zahlung des Fest- und Restgehalts sowie zur Errechnung der Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit verdeutlichten, dass die genannten Zuschläge nicht nur errechnet, sondern als Bestandteil des Restgehalts bis spätestens zum 12. des Folgemonats zu zahlen seien. Es handele sich bei der Errechnung der genannten Zuschläge gemäß § 5 Ziffer 2. MTV nicht nur um eine bloße Berechnung des steuerfrei zu zahlenden Anteils der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit, zumal sich die von der Beklagten angeführte Aufnahme der verdienten Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit in der Entgeltabrechnung für Mai 2022 zur Berechnung des Anteils der steuerfrei zu zahlenden Zuschläge weder aus § 5 MTV noch aus § 12 TGTV ergebe.

Das Urteil ist der Beklagten am 6. November 2023 zugestellt worden. Hiergegen hat sie mit einem am 24. November 2023 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 25. Januar 2024 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren Antrag vom 23. November 2023 durch Beschluss vom 5. Dezember 2023 die Berufungsbegründungsfrist bis zum 8. Februar 2024 verlängert worden war.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Ziel der Klagabweisung weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hätten die Tarifvertragsparteien in § 6 II. TGTV eine monatliche Verdienstobergrenze festgelegt. Dies folge aus § 6 II. Ziffer 2. TGTV, in dem die Regelung im Hinblick auf das monatliche Gehalt ausdrücklich auf die Anlagen 3 und 3a Bezug nehme. In den Anlagen 3 und 3a seien die Festgehälter nach der jeweiligen Funktion definiert. Danach setzen sich die Festgehälter/Endgehälter aus einem Grundgehalt und einem konstanten Zuschlagsgehalt zusammen. In der wesentlichen Regelung in § 6 II. Ziffer 3. Unterziffer 3. TGTV sei ferner klar definiert, dass in der Gesamtvergütung der Ziffern 1. und 2., die ausdrücklich Bezug nähmen auf die Anlagen 3 und 3a und die Zusammensetzung der Festgehälter, die Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit gemäß § 12 Abs. 2 TGTV enthalten seien. Hieran ändere auch der Wortlaut in § 12 Ziffer 2. TGTV nichts, wonach "alle Arbeitnehmer, die betriebsbedingt Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit leisteten, Zuschläge zur Grundvergütung erhielten". Soweit die Zuschläge in den monatlichen Abrechnungen informatorisch ausgewiesen würden, diene dies allein der Feststellung, ob die geleistete Zuschlagsarbeit steuer- und sozialversicherungsfrei ausbezahlt werde oder ob das tariflich festgelegte Zuschlagsgehalt vollständig oder nur teilweise zu versteuern sei. Der Wortlaut "erhalten" bedeute nicht, dass diese Zuschläge zusätzlich zum tariflich vereinbarten Zuschlagsgehalt abgerechnet und ausgezahlt würden. Der Wortlaut bedeute nichts anderes, als dass diese Zuschläge je nach geleisteter Arbeit entsprechend der prozentualen Anteile gemäß § 12 Ziffer 2. TGTV berechnet würden, jedoch im bereits festgelegten tariflich konstanten Zuschlagsgehalt aufgingen. § 12 Ziffer 2. TGTV sei zwingend im Kontext zu § 6 II. Ziffer 3 TGTV zu lesen. Mit der Regelung und Festlegung der Verdienstobergrenze als Endgehalt und im gleichbleibenden Zuschlagsgehalt sollten gerade auch mit Blick auf eine gerechte Verteilung zuschlagspflichtiger und mithin steuerfrei zu vergütender Arbeit monatliche Gehaltsschwankungen vermieden und eine Regelhaftigkeit und eine Konstante der Gehälter erreicht werden. Das Arbeitsgericht verkenne darüber hinaus im Zusammenhang mit den Zuschlägen auch den Sinn der Regelung von § 3 b EStG. Mitnichten spiegele § 3 b EStG grundsätzlich das Interesse von Arbeitnehmern wider, möglichst viel Sonntags-, Feiertags- bzw. Nachtarbeit zu leisten, um dadurch in den Genuss der steuerlichen Vergünstigungen zu kommen. Sinn und Zweck von § 3 b EStG sei, worauf auch die tarifliche Regelung in § 12 Ziffer 2 Abs. 3 TGTV abstelle, die Belastung aller Mitarbeiter in der Nacht oder an Feiertagen gering zu halten. Zweck der Steuerbefreiung gemäß § 3 b EStG sei es, den Arbeitnehmern einen Ausgleich für "besonderes Arbeitsleid" zu gewähren. Nach § 3 b Abs. 1 EStG seien die zum Grundlohn gewährten Zuschläge nur dann steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt würden und grundsätzlich Einzelaufstellungen der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden an Sonn-, Feiertagen oder zur Nachtzeit erfolgt seien. Mit den monatlichen Abrechnungen liste sie die tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeiten auf, um auf diese Weise zu ermitteln, in welcher Höhe die Zuschläge steuerfrei an die Arbeitnehmer ausgezahlt werden könnten. Dies ändere allerdings nichts am verstetigten und konstanten monatlichen Zuschlagsgehalt. Lediglich die Beurteilung des Ob und der Höhe der Steuerfreiheit des Zuschlagsgehaltes variierten je nach tatsächlich geleisteter zuschlagspflichtiger Arbeit. Dieses Vorgehen entspreche den Anforderungen und dem Maßstab des Bundesfinanzhofes, den er in seiner Entscheidung vom 8. Dezember 2011 (- VI R 18/11 -) festgeschrieben habe.

Entgegen der Auffassung des Klägers entstünden durch die Regelung einer Obergrenze von Zuschlägen auch nicht zwei Gruppen, die ungleich behandelt würden. Alle Arbeitnehmer erhielten regelmäßig entsprechend ihrer Funktion ein gleichbleibendes Zuschlagsgehalt. Hierdurch werde vermieden, dass beispielsweise Arbeitnehmer öfter zuschlagspflichte Arbeiten in "ungünstigen Zeiten" leisteten als ihre Kollegen, um auf diese Weise eine höhere monatliche Vergütung zu erzielen. Dieser "Unfrieden" und die Schwankungen der Gehälter sollten gerade durch die Verdienstobergrenze vermieden werden, wobei tatsächlich geleistete Zuschlagsarbeit bis zur Obergrenze steuerfrei erzielt werden könne. Auch der Kläger habe im Ergebnis ein höheres Zuschlagsgehalt erhalten, ohne es in dieser Höhe tatsächlich erarbeitet zu haben. Der Kläger habe im Jahr 2022 lediglich etwa 55 % an zuschlagspflichtiger Arbeit geleistet. Aufgrund der tariflich festgelegten Obergrenze der Zuschläge habe er jedoch vollständig das maximale Zuschlagsgehalt erhalten.

Ferner habe der Kläger seinen Anspruch falsch berechnet. Die Abrechnung für Mai 2022 weise ein Grundgehalt in Höhe von 2.793,20 €, einen Zuschuss für Dienstkleidung von 102,26 € sowie ein Zuschlagsgehalt von 914,80 € aus, welches steuer- und sozialversicherungsfrei gezahlt worden sei. Zusätzlich sei ein weiterer Betrag in Höhe von 74,84 € als Prämie zu berücksichtigen, der in den steuer- und sozialversicherungsfreien Zuschlag einzubeziehen sei. Hieraus resultiere eine Differenz zwischen der fiktiven Gesamtzuschlagssumme und dem tatsächlich gezahlten sowie berücksichtigten Zuschlagsgehalt in Höhe von 179,07 €.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 11. Oktober 2023 - 3 Ca 15/23 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 27. März 2024 (LAG Bl. 113 ff. d. A.) und seines Schriftsatzes vom 12. November 2024 (LAG Bl. 198 ff. d. A.).

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den zu den Akten gereichten Anlagen sowie auf das Protokoll der Kammerverhandlung vom 20. November 2024 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO). Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 - 4 ZPO. Sie lässt erkennen, in welchen Punkten tatsächlicher und rechtlicher Art nach Ansicht der Beklagten das angefochtene Urteil unrichtig ist und worauf dies im Einzelnen beruht.

B.

Die Berufung ist begründet.

I.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch in Höhe von 253,91 € brutto gemäß § 611 a Abs. 2 BGB i. V. m. dem TGTV einschließlich der zugehörigen Anlage 3 sowie gemäß den Regelungen des MTV.

1.

Die Vergütung des Klägers richtet sich nach der Anlage 3 zum TGTV betreffend Mitarbeiter, die vor dem 1. Januar 2012 ein-/umgruppiert wurden. Da der Kläger keine Umgruppierung wünschte, ist er nach wie vor nach der sich aus der Anlage 3 zum TGTV ergebenden Funktion "Croupier I a" zu vergüten.

2.

Die Beklagte hat an den Kläger im Monat Mai 2022 entsprechend der sich aus der Anlage 3 zum TGTV ergebenden Funktion "Croupier I a" ein Grundgehalt in Höhe von 2.895,46 € sowie ein Zuschlagsgehalt in Höhe von 914,80 € gezahlt. In dem gezahlten Grundgehalt ist ein Zuschuss für Dienstkleidung in Höhe von 102,26 € enthalten (LAG Bl. 182 d. A.).

3.

Ein weitergehender Anspruch für den Monat Mai 2022 steht dem Kläger nicht zu. Dies folgt aus der Auslegung des TGTV einschließlich der dazugehörigen Anlage 3 sowie des MTV.

a.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dem die Kammer folgt, den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, so wie sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG, 20. Juli 2022 - 7 AZR 247/21 - Rn. 20). Außerdem sind Tarifnormen, soweit sie dies zulassen, grundsätzlich so auszulegen, dass sie nicht in Widerspruch zu höherrangigem Recht stehen und damit Bestand haben (Gebot der gesetzeskonformen Auslegung; BAG, 1. Dezember 2020 - 9 AZR 104/20 - Rn. 29).

b.

Der Wortlaut der tariflichen Gehaltsregelung ist eindeutig. Die Tarifvertragsparteien haben eine monatliche Verdienstobergrenze festgelegt.

Gemäß § 14 MTV sind die die Tronc- und Gehaltsbedingungen in einem Tronc- und Gehaltstarifvertrag (TGTV) geregelt. Gemäß § 6 II. Ziffer 2. TGTV erhalten Arbeitnehmer im Servicebereich, die vor dem 1. Januar 2012 eingruppiert wurden, ein monatliches Gehalt, wie es sich aus der Anlage 3 und 3a ergibt. Nach der Anlage 3 zum TGTV für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2022 setzt sich das darin so benannte Festgehalt/Endgehalt aus einem Grundgehalt und einem Zuschlagsgehalt zusammen. Gemäß § 6 II. Ziffer 3. Unterziffer 3. TGTV ist geregelt, dass in der Gesamtvergütung der Ziffern 1. und 2. bzw. der Ziffer 3. die Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit gemäß § 12 Abs. 3 TGTV (gemeint ist § 12 Abs. 3 TGTV) enthalten sind. Auch durch die Verwendung der Begriffe Festgehälter sowie Endgehalt in der Anlage 3 haben die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck gebracht, dass es sich hier um eine Verdienstobergrenze handeln soll.

c.

Dieses Auslegungsergebnis ist auch vernünftig, sachgerecht, zweckorientiert und praktisch brauchbar.

Mit der Regelung und Festlegung des Grundgehaltes und eines festen Zuschlagsgehaltes können mit Blick auf eine gerechte Verteilung zuschlagspflichtiger und mithin steuerfrei zu vergütende Arbeiten monatliche Gehaltsschwankungen der Mitarbeiter der Beklagten vermieden und eine Regelhaftigkeit und Konstante der Gehälter erreicht werden.

Der Auslegung steht nicht entgegen, dass in § 12 Ziffer 2. TGTV differenzierte Zuschlagshöhen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit geregelt sind. Auch wenn in § 12 Ziffer 2 TGTV geregelt ist, dass Arbeitnehmer die darin benannten Zuschläge zur Grundvergütung "erhalten", führt die Auslegung der TGTV nicht dazu, dass die in der Anlage 3 zum TGTV geregelten Endgehälter bzw. Festgehälter in einzelnen Monaten überschritten werden sollen. In § 6 II. Ziffer 3. Unterziffer 3. TGTV kommt der Wille der Tarifvertragsparteien zum Ausdruck, dass Zuschläge in regelmäßiger, verstetigter, konstanter Weise gezahlt werden und sich die Steuerfreiheit gemäß § 3 b EStG nach der tatsächlich geleisteten zuschlagspflichtigen Arbeit und deren Zuschläge gemäß § 12 Ziffer 2. TGTV richtet.

Alle Mitarbeiter erhalten regelmäßig entsprechend ihrer Funktion ein gleichbleibendes monatliches Zuschlagsgehalt. Hierdurch wird vermieden, dass Mitarbeiter öfter zuschlagspflichte Arbeiten in "ungünstigen Zeiten" leisteten als ihre Kollegen, um auf diese Weise eine höhere monatliche Vergütung zu erzielen. Dieser "Unfrieden" und die Schwankungen der Gehälter kann durch die Verdienstobergrenze vermieden werden.

Das Zuschlagsgehalt - für den Kläger monatlich 914,80 € - ist dann steuer- und sozialversicherungsfrei zu zahlen, wenn die Summe zuschlagspflichtiger tatsächlich geleisteter Arbeit diesen Betrag übersteigt. Unterschreitet die erbrachte zuschlagspflichtige Arbeit während der Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen diesen Betrag, müssen Steuern- und Sozialversicherungsbeiträge auf den Differenzbetrag zu den 914,80 € gezahlt werden, während die für tatsächlich erbrachte Arbeit geleisteten Zuschläge unterhalb von 914,80 € steuer- und sozialversicherungsfrei zu zahlen sind.

Die Beklagte hat ausgeführt, dass zur Ermittlung der im jeweiligen Monat geleisteten zuschlagspflichtigen Stunden und Beträge von ihr ein fiktiver Stundenlohn errechnet wird. Dieser fiktive Stundenlohn wird dem jeweiligen prozentualen Anteil der Zuschläge gemäß § 12 Ziffer 2 TGTV und mit den tatsächlich geleisteten zuschlagspflichtigen Arbeitsstunden multipliziert, so dass schließlich die fiktiven Zuschlagsbeträge resultieren und mithin die Beträge, die im jeweiligen Monat steuer- und sozialversicherungsfrei ausbezahlt werden (können). Verbleibt der tatsächlich erarbeitete Zuschlagsbetrag im jeweiligen Monat unterhalb des Zuschlagsgehaltes, so werden die tatsächlichen Arbeitszuschläge im jeweiligen Monat steuer- und sozialversicherungsfrei ausgezahlt, und der darüberhinausgehende Betrag bis zum maximalen Zuschlagsgehalt bleibt steuer- und sozialversicherungspflichtig.

Diese Umsetzung der Regelungen des Tarifvertrages durch die Beklagte ist auch gesetzeskonform. Es entspricht den Anforderungen von § 3 b EStG, wie es der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 8. Dezember 2011 - VI R 18/11 - dargelegt hat. Danach sind nach § 3 b Abs. 1 EStG die zum Grundlohn gewährten Zuschläge nur dann steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden und grundsätzlich Einzelaufstellungen der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden an Sonn-, Feiertagen oder zur Nachtzeit erfolgt sind. Je nach geleisteter Zuschlagsarbeit wird das maximale Zuschlagsgehalt entweder vollständig sozialversicherungs- und steuerfrei ausgezahlt oder lediglich in der Höhe, in der tatsächlich zuschlagspflichte Arbeit geleistet wurde oder, wenn im jeweiligen Monat überhaupt keine zuschlagspflichtige Arbeit geleistet worden ist, vollständig versteuert.

d.

Vorstehender Auslegung des TGTV stehen die Regelungen des MTV nicht entgegen.

Gemäß § 14 MTV werden die Tronc- und Gehaltsbedingungen in einem Tronc- und Gehaltstarifvertrag geregelt. Hierdurch haben die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck gebracht, dass sich die Gehaltshöhe ausschließlich nach dem TGTV richtet und nicht nach § 5 MTV.

§ 5 Ziffer 2. MTV regelt nur die Frage des Abrechnungszeitraums. Gemäß § 5 Ziffer 3. MTV erhalten die Arbeitnehmer zum 20. des Monats eine Abschlagszahlung in Höhe von 60 % auf das Festgehalt. Das Restgehalt ist bis spätestens zum 12. des Folgemonats zu zahlen. § 5 MTV trifft keine Regelung zur Gehaltshöhe und regelt auch nicht, dass es sich bei dem Restgehalt um Zuschläge handeln soll, die über das maximale Zuschlagsgehalt gemäß Anlage 3 zum TGTV hinausgehen (können).

4.

Die Regelung der Obergrenze des monatlichen Zuschlagsgehaltes in Anlage 3 TGTV verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

a.

Die Tarifvertragsparteien sind nicht unmittelbar an Grundrechte gebunden, wenn sie tarifliche Normen setzen. Die Tarifautonomie ist darauf angelegt, die strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeitsverträgen durch kollektives Handeln auszugleichen und damit ein annähernd gleichgewichtiges Aushandeln der Vergütungen und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Mit der Normsetzung auf Grundlage der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie üben die Tarifvertragsparteien daher keine delegierte Staatsgewalt aus. Sie nehmen vielmehr privatautonom ihre Grundrechte wahr, wobei ihre Normsetzung durch den in § 4 Abs. 1 TVG enthaltenen staatlichen Geltungsbefehl tariflicher Rechtsnormen getragen wird. Mit der kollektiv ausgeübten privatautonomen Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge ist eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien nicht zu vereinbaren. Sie führte zu einer umfassenden Überprüfung tarifvertraglicher Regelungen am Maßstab der Verhältnismäßigkeit und damit zu einer "Tarifzensur" durch die Arbeitsgerichte (vgl. BAG, 22. März 2023, 10 AZR 553/20, Rn. 18).

b.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bildet aber als fundamentale Gerechtigkeitsnorm eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie. Der Schutzauftrag der Verfassung verpflichtet die Arbeitsgerichte dazu, gleichheitswidrige Differenzierungen in Tarifnormen zu unterbinden. Dementsprechend ist Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheitswidrigen Differenzierungen führen. Diese Grenze ist zu beachten, obwohl Tarifnormen nicht selten Ergebnisse tarifpolitischer Kompromisse sind ("Gesamtpaket"), und kann da- mit zur Beschränkung der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Rechte der Tarifvertragsparteien führen (vgl. BAG, 22. März 2023, 10 AZR 553/20, Rn. 19).

c.

Bei der Erfüllung ihres verfassungsrechtlichen Schutzauftrags haben die Gerichte allerdings zu beachten, dass den Tarifvertragsparteien als selbständigen Grundrechtsträgern bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht. Sie bestimmen in diesem Rahmen nicht nur den Zweck einer tariflichen Leistung. Ihnen kommt auch eine Einschätzungsprärogative zu, soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen zu beurteilen sind. Darüber hinaus verfügen die Tarifvertragsparteien über einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelungen. Die Gerichte dürfen nicht eigene Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle von Bewertungen der zuständigen Koalitionen setzen. Die Tarifvertragsparteien sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund besteht. Ob ein Sachgrund eine Differenzierung rechtfertigt, ist auch dann zu prüfen, wenn die ggf. erforderliche Anpassung nach oben mit erheblichen Mehrkosten für die betroffenen Arbeitgeber verbunden ist (BAG, 22. März 2023, 10 AZR 553/20, Rn. 20).

d.

Dies bedingt im Ergebnis eine deutlich zurückgenommene Prüfungsdichte durch die Gerichte. Ein Verstoß gegen das allgemeine Gleichheitsgrundrecht ist erst dann anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen. Bei der Gruppenbildung dürfen sie generalisieren und typisieren. Allerdings müssen die Differenzierungsmerkmale im Normzweck angelegt sein und dürfen ihm nicht widersprechen. Auf abstrakt denkbare Zwecke kommt es dabei nicht an, sondern auf solche, die den Tarifnormen im Weg der Auslegung zu entnehmen sind. Diese können sich insbesondere aus den in der Regelung selbst normierten Voraussetzungen sowie den Ausschluss- und Kürzungstatbeständen ergeben, die die Tarifvertragsparteien unter Beachtung ihres Gestaltungsspielraums festgelegt haben. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um Verbandstarifverträge, unternehmensbezogene Verbandstarifverträge oder Tarifverträge mit einzelnen Arbeitgebern handelt (BAG, 22. März 2023, 10 AZR 553/20, Rn. 21).

e.

Bei der gebotenen Anwendung vorstehender Grundsätze liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.

In der Systematik des maximalen Zuschlagsgehaltes ist kein Gleichheitsverstoß zu sehen, weil die Frage, ob und inwieweit ein Mitarbeiter das Zuschlagsgehalt voll oder teilweise brutto oder netto erhält, keine Frage unterschiedlicher Arbeitnehmergruppen ist, sondern dem Schichtsystem bei der Beklagten geschuldet ist. Maßgeblich ist allein, ob ein Mitarbeiter in einem bestimmten Monat zu zuschlagspflichtigen Schichten eingeteilt ist oder nicht. Dabei handelt es sich um Zufälligkeiten, die dem Schichtsystem geschuldet sind und sich daher in einem längeren Zeitraum wieder ausgleichen. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass sie bei der Aufstellung der Schichtpläne gemäß § 12 Ziffer 2. TGTV für eine weitestgehend gerechte Verteilung der Zuschläge nach § 3 b EStG Sorge trägt. Dabei sollen die Vor- und Nachteile der Schichten finanzieller Natur, aber auch der Verlust der Freizeit zu besonderen Zeiten wie Sonn- und Feiertagen in einen gerechten Ausgleich gebracht werden. Dass es aufgrund dieser Regelung auf lange Sicht zu merklichen Ungleichbehandlungen bei den Mitarbeitern der Beklagten kommt, ist nicht ersichtlich und hat der Kläger auch nicht dargelegt. Es wird nicht wesentlich Gleiches ungleich und nicht wesentlich Ungleiches gleichbehandelt.

Soweit der Kläger im Mai 2022 zu häufigen zuschlagspflichtigen Arbeitszeiten eingesetzt worden ist, hat er die Zuschläge gemäß § 3 b EStG steuerfrei erhalten, in den weiteren 11 Monaten des Jahres 2022 hat er das tarifliche Zuschlagsgehalt in Höhe von 914,80 € erhalten, welches signifikant höher war als das, was er tatsächlich zuschlagspflichtig erarbeitet hat. In diesen Monaten waren die tatsächlichen Arbeiten und Zuschläge geringer als das Zuschlagsgehalt. Er hat im Jahr 2022 insgesamt 10.944,93 € maximales Zuschlagsgehalt erhalten, wobei er allerdings nur 6.066,78 € effektiv erarbeitet hat. Dieser Betrag wurde dem Kläger steuer- und sozialversicherungsfrei abgerechnet und ausgezahlt, der Differenzbetrag wurde versteuert.

Insgesamt führt die Regelung der monatlichen Verdienstobergrenze in § 6 II. Ziffer 2. und Ziffer 3. Unterziffer 3. TGTV zu keinem Gleichheitsverstoß, den die Tarifvertragsparteien hätten berücksichtigen müssen.

II.

Auch das weitere Vorbringen der Parteien, auf das in diesem Urteil nicht mehr gesondert eingegangen wird, weil die Entscheidungsgründe gemäß § 313 Abs. 3 ZPO lediglich eine kurze Zusammenfassung der tragenden Erwägungen enthalten sollen, führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 3 ff. ZPO und entspricht der Höhe der bezifferten Klageforderung.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.