Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.12.2024, Az.: 4 LA 81/24

Beschränkung einer Versammlung zum Schutz vor Infektionen mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2; Einhaltung des empfohlenen Mindestabstands

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
19.12.2024
Aktenzeichen
4 LA 81/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 28532
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:1219.4LA81.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 11.03.2024 - AZ: 10 A 4217/21

Fundstelle

  • NordÖR 2025, 52

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Gemäß § 6a Abs. 10 Satz 2 Niedersächsische Corona-Verordnung konnte die zuständige Versammlungsbehörde zum Schutz vor Infektionen mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 eine Versammlung auf der Grundlage des Niedersächsischen Versammlungsgesetzes beschränken. Die zum Schutz vor Infektionen erforderlichen Beschränkungen einer Versammlung hatte die zuständige Versammlungsbehörde einzelfallbezogen zu ermitteln.

  2. 2.

    Die zuständige Versammlungsbehörde ist vor Erlass von Versammlungsbeschränkungen zur Reduzierung des Infektionsrisikos auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 NVersG nicht verpflichtet gewesen, das Robert Koch-Institut oder das zuständige Gesundheitsamt förmlich zu beteiligen.

  3. 3.

    Die Anordnung des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung und des Einhalten eines Mindestabstands zu anderen Teilnehmern für die Dauer der Versammlung stellen keinen schwerwiegenden Grundrechtseingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG dar.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 10. Kammer - vom 11. März 2024 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der von ihm geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (BVerfG, Beschl. v. 18.3.2022 - 2 BvR 1232/20 -, juris Rn. 23; Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, juris Rn. 96; Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, juris Rn. 19). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss mithin nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens möglich sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 -, juris Rn. 8 f.; Senatsbeschl. v. 27.3.2024 - 4 LA 34/22 -, juris Rn. 2; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 29.8.2023 - 9 LA 147/22 -, juris Rn. 3). Nicht erforderlich ist, dass der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg; denn das Zulassungsverfahren hat nicht die Aufgabe, das Berufungsverfahren vorwegzunehmen (BVerfG, Beschl. v. 18.3.2022 - 2 BvR 1232/20 -, juris Rn. 23; Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, juris Rn. 96; Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, juris Rn. 19). Eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (Senatsbeschl. v. 27.3.2024 - 4 LA 34/22 -, juris Rn. 2; Niedersächisches OVG, Beschl. v. 5.2.2024 - 14 LA 71/23 -, juris Rn. 5; Beschl. v. 2.9.2021 - 11 LA 69/21 -, juris Rn. 9 und Beschl. v. 17.6.2015 - 8 LA 16/15 -, juris Rn. 10; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 206 - jeweils m.w.N.).

Gemessen daran bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Ergebnis.

Das Verwaltungsgericht hat die von ihm als zulässig erachtete Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die durch Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 2021 verfügten Beschränkungen für eine Versammlung am 19. Juni 2021 in D-Stadt als unbegründet abgewiesen. Die von dem Kläger beanstandeten versammlungsrechtlichen Beschränkungen in den Ziffern 3., 6., 7. und 17. des Bescheids seien rechtmäßig und hätten den Kläger nicht in seinen Rechten aus Art. 8 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG verletzt (Urteilsabdruck, S. 6 ff.).

Für den vom Kläger angezeigten Versammlungsaufzug am 19. Juni 2021 mit bis zu 2.500 erwarteten Teilnehmern in dem Zeitraum von 14.00 Uhr bis 19.00 Uhr (Start am E. mit einer 150-minütigen Auftaktkundgebung und Ende wiederum am E. mit einer 20-minütigen Abschlusskundgebung) hatte die Beklagte verfügt, dass die Versammlungsteilnehmer - von näher bestimmten Ausnahmen abgesehen - eine Mund-Nasenbedeckung mindestens in Form einer medizinischen Maske (OP-Maske) oder Maske mit höherem Schutzstandard zu tragen haben, wobei die Mund-Nasen-Bedeckung während der stationären Phasen abgenommen werden kann, solange die Versammlungsteilnehmer eine sitzende Position einnehmen und mit dieser das Abstandsgebot von jeweils mindestens 1,5 Metern eingehalten wird (Nr. 3), dass singende Teilnehmer zu allen Personen einen Abstand von mindestens 5 Metern einzuhalten haben (Nr. 6), dass alle Personen zu Rednern während deren Redezeit einen Abstand von mindestens 5 Metern einzuhalten haben (Nr. 7) und dass mindestens eine Ordnerin/ein Ordner je 10 Teilnehmer einzusetzen sei (Nr. 17).

Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt, dass Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Beschränkungen § 8 Abs. 1 des Niedersächsischen Versammlungsgesetzes (NVersG) vom 7. Oktober 2010 (Nds. GVBl. S. 465) ist und eine "unmittelbare Gefährdung" im Sinne dieser Vorschrift, die die Beschränkung einer Versammlung unter freiem Himmel rechtfertigt, eine konkrete Sachlage voraussetzt, die bei ungehindertem Geschehenslauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an den der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgütern führt und hierfür konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen müssen (Senatsbeschl. v. 20.4.2024 - 4 ME 77/24 -, juris Rn. 13; Niedersächsisches OVG, Urt. v. 2.12.2021 - 11 LB 231/20 -, juris Rn. 38 jeweils m.w.N.; BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris Rn. 17). Ebenfalls zutreffend ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die vom Beklagten zum damaligen Zeitpunkt vorgenommene Prognose, es sei mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit ohne die verfügten Beschränkungen mit dem Eintritt eines Schadens zu rechnen, rechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Beklagte hat - wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt - bei der vorgenommenen Gefahrenprognose insbesondere zu Recht dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich bei der Versammlung am 19. Juni 2021 um eine sich fortbewegende Versammlung gehandelt hat, bei der Mindestabstände schwieriger einzuhalten sind und Versammlungen zudem dadurch geprägt sind, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihr kommunikatives Anliegen durch gemeinsames Rufen zu höherer Aufmerksamkeit bringen, damit jedoch ein - gegenüber dem normalen Alltagsverhalten - deutlich gesteigertes Risiko besteht, feine Tröpfchen von Speichel im näheren Umfeld zu verteilen. Die hier in den Ziffern 3., 6. und 7. des angegriffenen Bescheids erfolgten Anordnungen sind daher - wie das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen im Einzelnen unter Berücksichtigung mehrerer von ihm konkret bezeichneten Erkenntnismittel überzeugend begründet hat (Urteilsabdruck, S. 12 ff.) - geeignete und auch angemessene Mittel gewesen, um das Infektionsrisiko zu reduzieren (vgl. hierzu auch den im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss des 11. Senats vom 19. Juni 2021 - 11 ME 143/21 -, V.n.b., Beschlussabdruck, S. 11 ff.; ferner Beschl. v. 26.6.2020 - 11 ME 139/20 -, juris Rn. 31 ff. zur Einhaltung eines Mindestabstands und zur Zumutbarkeit des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung während der Teilnahme an einer Versammlung; allgemein zu Maßnahmen der Kontaktbeschränkungen und der Maskenpflicht als notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG vgl. Niedersächsisches OVG, Urt. v. 17.8.2023 - 14 KN 22/22 -, juris Rn. 172 ff.). Entsprechendes gilt für die Anordnung in Ziffer 17 des Bescheids, mindestens eine Ordnerin/einen Ordner je 10 Teilnehmer einzusetzen, um die Einhaltung der gebotenen Mindestabstände und das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung zu gewährleisten (vgl. bereits den Beschluss des 11. Senats vom 19. Juni 2021 - 11 ME 143/21 -, V.n.b., Beschlussabdruck, S. 13).

Der mit dem Zulassungsantrag hiergegen erhobene Einwand des Klägers, dass die Beklagte "den erforderlichen Sachverhalt unvollständig festgestellt" habe und eine "konkrete Gefährdungslage", die eine Beschränkung der Versammlung erforderlich gemacht habe, durch die Beklagte nicht festgestellt worden sei, insbesondere es entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts insoweit nicht ausreichend sei, "dass die Beklagte, die regelmäßig mit dem zuständigen Gesundheitsamt der Region D-Stadt das erforderliche Benehmen hergestellt hat, die damals aktuelle Corona-Lage und damit die tagesaktuellen Inzidenzzahlen in den Blick genommen hat" (Urteilsabdruck, S. 9), greift nicht durch. Die Beklagte ist vielmehr ihrer Pflicht zur Ermittlung der für die Gefahrenprognose maßgeblichen Gefährdungslage durch das Infektionsrisiko mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 zum Zeitpunkt der Versammlung am 19. Juni 2021 im ausreichenden Maße nachgekommen.

Die Niedersächsische Verordnung zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 30. Mai 2021 (Nds. GVBl. S. 297) (im Folgenden Niedersächsische Corona-Verordnung) in der seit dem 5. Juni 2021 gültigen Fassung enthielt keine (allgemeinen) Regelungen zu Beschränkungen einer Versammlung unter freien Himmel nach Art. 8 des Grundgesetzes, vielmehr konnte gemäß § 6a Abs. 10 Satz 2 Niedersächsische Corona-Verordnung die zuständige Versammlungsbehörde zum Schutz vor Infektionen mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 eine Versammlung auf der Grundlage des Niedersächsischen Versammlungsgesetzes beschränken. Die danach zum Schutz vor Infektionen erforderlichen Beschränkungen einer Versammlung hatte die zuständige Versammlungsbehörde daher einzelfallbezogen zu ermitteln. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte hier ersichtlich nachgekommen. Sie hat unter Berücksichtigung des konkreten Verlaufs und der Größe der angemeldeten Versammlung, der Hinweise des Robert-Koch-Instituts vom 10. März 2020 und der Hinweise des Gesundheitsamts der Region D-Stadt darauf, dass die Niedersächsische Corona-Verordnung bei dem Besuch von Wochenmärkten das Tragen einer medizinischen Maske vorschreibe und angesichts einer insoweit gegebenen Vergleichbarkeit auch bei Versammlungen unter freiem Himmel das Tragen einer medizinischen Maske zu empfehlen sei, die zum Schutz vor Infektionen mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 erforderlichen Beschränkungen der Versammlung festgelegt. Die Beklagte hat in ihrem Bescheid insoweit auch ausdrücklich angegeben, auf welche Erkenntnisse sie ihre Gefahrenprognose stützt (Bescheid vom 17. Juni 2021, insbesondere S. 5 und 7).

Entgegen der Auffassung des Klägers erforderte die von der Beklagten für die Gefahrenprognose vorzunehmende Ermittlung des Sachverhalts nicht eine darüber hinausgehende Dokumentation, "welche eigenen Erkenntnisse die Beklagte über die Gefährdungssituation und die erforderlichen Maßmahnen zum Zeitpunkt des Erlasses der hier streitgegenständlichen Beschränkungen hatte", "in welcher Form gem. Satz 3 eine Zusammenarbeit der sie informierenden Landesbehörde mit dem Robert Koch-Institut stattgefunden hat und welche Informationen zu welchem Zeitpunkt der Beklagten zur Verfügung gestellt worden sind" und ob "die Beklagte Kenntnis von einem ein [sic] Ersuchen zur Amtshilfe bezüglich Maßnahmen zur Überwachung, Verhütung und Bekämpfung von bedrohlichen übertragbaren Krankheiten (hier Covid 19) hat, die die zuständige Landesoberbehörde gestellt hat und welcher Informationsaustausch zwischen dieser und der eingerichteten Kontaktstelle in Bezug auf die Gefährdungslage stattgefunden hat" (Zulassungsantrag, S. 6). Denn die Beklagte als zuständige Versammlungsbehörde ist vor Erlass von Versammlungsbeschränkungen zur Reduzierung des Infektionsrisikos auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 NVersG nicht verpflichtet gewesen, das Robert Koch-Institut oder das zuständige Gesundheitsamt förmlich zu beteiligen und dies zu dokumentieren.

Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 IfSG ist das Robert Koch-Institut die nationale Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen, gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 IfSG arbeitet es u.a. mit den jeweils zuständigen Landesbehörden zusammen, kann gemäß § 4 Abs. 1 Satz 5 IfSG auf Ersuchen der zuständigen obersten Landesgesundheitsbehörden den zuständigen Stellen bei Maßnahmen zur Überwachung, Verhütung und Bekämpfung von bedrohlichen übertragbaren Krankheiten Amtshilfe leisten und gemäß § 4 Abs. 1 Satz 7 IfSG wird beim Robert Koch-Institut eine Kontaktstelle für den öffentlichen Gesundheitsdienst der Länder eingerichtet, die die Amtshilfe nach Satz 5 koordiniert. Hieraus ergibt sich ersichtlich keine Verpflichtung der Versammlungsbehörde zu einer förmlichen Beteiligung des Robert Koch-Instituts und zu einer Dokumentation hierzu vor Erlass von Versammlungsbeschränkungen zur Reduzierung des Infektionsrisikos auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 NVersG. Auch eine förmliche Beteiligung des örtlich zuständigen Gesundheitsamts ist weder durch Vorschriften des IfSG noch durch andere Vorschriften vorgeschrieben. Es ist daher ausreichend, dass die Beklagte ohne eine förmliche Beteiligung sowohl die Hinweise des Robert Koch-Instituts vom 10. März 2020 als auch die Hinweise des Gesundheitsamts der Region D-Stadt berücksichtigt und diese von ihr zugrunde gelegten Erkenntnisse in dem Bescheid kenntlich gemacht hat.

Der durch die Beklagte vorgenommenen Gefahrenprognose ist auch nicht dadurch die Grundlage entzogen worden, dass durch Art. 1 Nr. 3 der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 18. Juni 2021 (Nds. GVBl. S. 385) - im Folgenden Änderungsverordnung vom 18. Juni 2021 - die Niedersächsische Corona-Verordnung vom 30. Mai 2021 (Nds. GVBl. S. 297) um die Vorschrift des § 1 g zu Wochenmärkten in Landkreisen und kreisfreien Städten mit einer 7-Tage-Inzidenz von nicht mehr als 10 ergänzt worden ist, wonach Kundinnen, Kunden, Besucherinnen und Besucher eines Wochenmarktes in Landkreisen und kreisfreien Städten eine Mund-Nasen-Bedeckung nicht zu tragen brauchen. Diese Vorschrift trat gemäß Art. 2 Sätze 1 und 2 der Änderungsverordnung vom 18. Juni 2021 am 21. Juni 2021 in Kraft und galt damit nicht bereits zum Zeitpunkt der Durchführung der Versammlung am 19. Juni 2021, an dem die 7-Tage Inzidenz nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts bei 9,3 gelegen hat (Urteilsabdruck, S. 8). Demzufolge ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei der von ihr am 17. Juni 2021 angeordneten Maskenpflicht der Empfehlung des Gesundheitsamts der Region D-Stadt gefolgt ist mit dem Hinweis auf die Corona-Verordnung, die in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung das Tragen einer medizinischen Maske auf Wochenmärkten in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vorgeschrieben hat, und "einer insoweit gegebenen Vergleichbarkeit auch bei Versammlungen unter freiem Himmel". Die danach nach der Niedersächsischen Corona-Verordnung in der seinerzeit gültigen Fassung vorgesehene Maskenpflicht auf Wochenmärkten begegnet wiederum keinen rechtlichen Bedenken. Ihr liegt die nachvollziehbare Erwägung des Verordnungsgebers (vgl. Begründung zur Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30. Mai 2021, Nds. GVBl. S. 323, 327) zugrunde, dass bei dem Geschehen auf einem Markt aufgrund der zu erwartenden Personenzahl oder der zu erwartenden Nichteinhaltung des Abstandsgebots die Gefahr einer Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 auch im Freien deutlich erhöht und deshalb die Pflicht zum Tragen einer geeigneten, bestimmten Anforderungen genügenden Mund-Nasen-Bedeckung eine notwendige Schutzmaßnahme ist (vgl. hierzu Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 21.7.2021 - 13 MN 342/21 -, juris Rn. 25). Unabhängig davon war bei der angemeldeten Versammlung - wie vom Verwaltungsgericht richtigerweise ausgeführt - aufgrund der erwarteten Teilnehmerzahl von etwa 2.500 mit einer größeren Menschenansammlung als auf Wochenmärkten zu rechnen (Urteilsabdruck, S. 11). Hinzu kommt, dass es nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts in der Vergangenheit bei Versammlungen von Querdenkern mehrfach zu Verstößen gegen die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m gekommen war (Urteilsabdruck, S. 10). Die Anordnung des Tragens einer geeigneten, bestimmten Anforderungen genügenden Mund-Nasen-Bedeckung wäre daher auch dann nicht zu beanstanden gewesen, wenn die Vorschrift des § 1 g Niedersächsische Corona-Verordnung zu Wochenmärkten in Landkreisen und kreisfreien Städten mit einer 7-Tage-Inzidenz von nicht mehr als 10 bereits am 19. Juni 2021, dem Tag der Versammlung, gegolten hätte.

Abschließend merkt der Senat an, dass entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts die Fortsetzungsfeststellungsklage des Klägers mangels des nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderlichen berechtigten Interesses an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 17. Juni 2021 nicht zulässig ist.

Das Verwaltungsgericht hat ein besonderes Feststellungsinteresse bejaht und insoweit die vom 11. Senat des erkennenden Gerichts in seinem Beschluss vom 17. Dezember 2018 - 11 LA 66/18 - vertretene Auffassung zugrunde gelegt, dass es für das Vorliegen eines besonderen Feststellungsinteresses in der Fallgruppe sich kurzfristig erledigender Verwaltungsakte eines schwerwiegenden Grundrechtseingriffs nicht bedarf, sondern insoweit auch einfach-rechtliche Rechtsverletzungen, die - von der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG abgesehen - kein Grundrecht tangieren, und weniger schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte und Grundfreiheiten ausreichend sind (11. Senat des erkennenden Gerichts, Beschl. v. 17.12.2018 - 11 LA 66/18 -, juris Rn. 8). Diese Rechtsprechung ist mit Blick auf die jüngere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erfordernis eines qualifizierten Grundrechtseingriffs für ein besonderes Feststellungsinteresse nicht aufrechtzuerhalten. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) verlangt danach, ein berechtigtes Feststellungsinteresse über die einfach-rechtlichen Konkretisierungen hinaus anzuerkennen, wenn ein qualifizierter (tiefgreifender, gewichtiger bzw. schwerwiegender) Eingriff in die Grundrechte sich typischerweise so kurzfristig erledigt, dass gerichtlicher Rechtsschutz in einem Hauptsacheverfahren regelmäßig nicht erlangt werden kann (BVerwG, Urt. v. 24.4.2024 - 6 C 2.22 -, juris Rn. 21 ff. m.w.N.; ferner Beschl. v. 29.1.2024 - 8 AV 1.24 -, juris Rn. 11). Danach muss ein Rechtsschutzbegehren zur nachträglichen gerichtlichen Überprüfung jedenfalls immer dann zulässig sein, wenn eine Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) in Frage steht (BVerwG, Urt. v. 24.4.2024 - 6 C 2.22 -, juris Rn. 33 m.w.N.). Als schwerwiegend sind darüber hinaus solche Grundrechtseingriffe anzusehen, die das Grundgesetz selbst - wie in den Fällen der Art. 13 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 2 und 3 GG - unter Richtervorbehalt gestellt hat. Hinsichtlich anderer Grundrechte ist im Rahmen einer Einzelfallwürdigung zum einen dessen besondere Bedeutung im Gesamtsystem der Grundrechte zu berücksichtigen und zum anderen zu bewerten, inwieweit die fragliche Maßnahme die Möglichkeit individueller Selbstbestimmung in dem durch das Grundrecht erfassten Lebensbereich beschränkt (BVerwG, Urt. v. 24.4.2024 - 6 C 2.22 -, juris Rn. 34 m.w.N.). Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) sind nur ausnahmsweise als so gewichtig anzusehen, dass sie in dem Fall ihrer Erledigung die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses rechtfertigen. Ein das Fortsetzungsfeststellungsinteresse bei folgenlos erledigten Maßnahmen rechtfertigender qualifizierter Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG setzt deshalb typischerweise voraus, dass das individuelle Verhalten, welches mangels spezieller Grundrechtsgarantien nur dem Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG unterfällt, eine gesteigerte, dem Schutzgut der übrigen Grundrechte vergleichbare Relevanz für die Persönlichkeitsentfaltung besitzt (BVerwG, Urt. v. 24.4.2024 - 6 C 2.22 -, juris Rn. 34 m.w.N.).

Die durch den streitgegenständlichen Bescheid erfolgte Anordnung des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung und das angeordnete Einhalten eines Mindestabstands zu anderen Teilnehmern für die Dauer der Versammlung stellen keinen schwerwiegenden Grundrechtseingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG dar, da diese die allgemeine Handlungsfreiheit und die Persönlichkeitsentfaltung nur geringfügig beeinträchtigt haben (vgl. insoweit auch Bayerischer VGH, Beschl. v. 11.3.2024 - 10 ZB 24.219 -, juris Rn. 12; ferner VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 11.4.2024 - 1 S 930/23 -, juris Rn. 83). Die vom Kläger angegriffenen Beschränkungen der Versammlung aus Gründen des Infektionsschutzes greifen auch nicht schwerwiegend in die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG ein, da sie die Teilnahme an der Versammlung am 19. Juni 2021 nicht in unzumutbarer Weise erschwert oder verhindert haben. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass am Tag der Versammlung aufgrund einer Hitzewelle im Juni 2021 auch in der Region D-Stadt sehr hohe Temperaturen zu verzeichnen gewesen sind. Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auch bei sehr hohen Temperaturen erfüllt entgegen der vom Kläger im erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Auffassung ersichtlich weder den Tatbestand der Folter noch verletzt es die Versammlungsteilnehmer in ihrer Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Versammlung aufgrund der hier streitgegenständlichen Auflagen nur in einer Weise durchgeführt werden konnte, die ihren spezifischen Charakter verändert, insbesondere die Verwirklichung ihres kommunikativen Anliegens wesentlich erschwert hat. Auch bei Versammlungen, die sich kritisch mit staatlichen Maßnahmen aufgrund der Corona-Pandemie auseinandergesetzt haben, ist dies nicht stets der Fall (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 13.1.2023 - 10 ZB 22.1408 -, juris Rn. 10 mit Hinweis auf BVerfG, Beschl. v. 27.6.2020 - 1 BvQ 74/20 - juris Rn. 3, wonach die Anordnung des Tragens einer geeigneten Mund-Nasen-Bedeckung den Demonstrationserfolg einer Versammlung, die sich auch gegen bestehende Verpflichtungen zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im öffentlichen Raum richtet, nicht in einer einen schweren Nachteil im Sinne des § 32 Abs. 1 BVerfGG bewirkenden Weise gefährdet).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 47 Abs. 1 Satz und 3, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).