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  • ab 01.06.2016 (aktuelle Fassung)

Anlage SiGewPMRdErl - Gewaltprävention in der Schule

Bibliographie

Titel
Sicherheits- und Gewaltpräventionsmaßnahmen in Schulen in Zusammenarbeit mit Polizei und Staatsanwaltschaft
Redaktionelle Abkürzung
SiGewPMRdErl,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
22410

Das Ziel einer gewaltfreien Schule ist nur gemeinsam mit allen an Schule Beteiligten zu erreichen. Deshalb sind die Schülerinnen und Schüler sowie die Erziehungsberechtigten frühzeitig in den Prozess der Entwicklung eines Sicherheitskonzepts einzubeziehen. Die Grundlage hierfür bildet ein innerschulischer Konsens über die Art und Weise des Umgangs mit gefährdenden Konflikten und Gewaltvorfällen. Neben räumlichen und technischen Sicherheitsaspekten sollte in dem Sicherheitskonzept ein verbindliches Vorgehen festgelegt werden. Dazu gehört die Entwicklung eines Regelsystems (Leitlinien) der Schule, das zur Klarheit bei Werten und Normen und zum rechtssicheren Verhalten bei Gewaltvorkommnissen beiträgt. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie zukünftig Gewalttaten jeglicher Art (physisch oder psychisch) kurz-, mittel- und langfristig verhütet und aufgearbeitet werden können. Vorfälle, die im Zusammenhang mit Gewaltdelikten stehen, sollten nicht beschönigt oder verschwiegen werden. Eine sorgfältige Aufarbeitung eines Gewaltgeschehens ist nicht nur zur Aufklärung des Vorfalls, seiner Ursachen und Folgen erforderlich, sie wirkt langfristig gewaltpräventiv.

Die Dienstbesprechungen sollten dazu genutzt werden, ein abgestimmtes Vorgehen der Lehrkräfte zu gewährleisten, regelmäßig Schwerpunkte der Prävention festzulegen und alle Lehrkräfte der Schule über auffällig gewordene Schülerinnen und Schüler zu informieren. Die dadurch verstärkte Beobachtung und Wahrnehmung schafft die Voraussetzung für ein offensives Zugehen auf diese Schülerinnen und Schüler.

Um Gewalt in der Schule einzudämmen, darf auf eindeutiges und nachdrückliches Reagieren nicht verzichtet werden. Schülerinnen und Schülern muss deutlich werden, dass gesellschaftliche, individuelle oder soziale Umstände in keinem Fall rechtsverletzendes Verhalten rechtfertigen. Beharrliche und uneinsichtige Verletzungen der schulischen Ordnung können es erfordern, Ordnungsmaßnahmen zu ergreifen.

Jede Gewalttat (gegen Personen oder Sachen) muss geächtet werden. Sie bedarf auch auf der Täterseite der Aufarbeitung. Dazu gehören eine nicht beschönigende, sachliche, konfrontierende Auseinandersetzung mit dem Vorfall und seinen Folgen sowie Geschädigten ebenso wie die Anleitung zur Wiedergutmachung. Gegebenenfalls anzuwendende Erziehungsmittel und Ordnungsmaßnahmen (§ 61 NSchG) sollten so gewählt sein, dass sie sich als logische und soziale Folgen aus dem Fehlverhalten ergeben. Stigmatisierungen und Demütigungserfahrungen sollte entgegen gewirkt werden.

Schülerinnen und Schüler sollten dazu ermutigt werden, sich in Problemlagen einer Lehrkraft oder der Schulleitung anzuvertrauen. Hierzu muss eine unaufdringliche und diskrete Möglichkeit geschaffen werden. Schülerinnen und Schüler, die von Gewalt betroffen sind oder Kenntnisse darüber haben, müssen sich auch anonym mitteilen können. Allen Hinweisen muss zeitnah nachgegangen werden. Auch die Eltern sollten aufgefordert werden, ihnen bekannt gewordene Fälle, in denen Schülerinnen oder Schüler Opfer von Gewalt werden, der Schule mitzuteilen.

Eine Gewalttat darf nicht ohne Folgen bleiben. Geschädigte, Gefährdete und Beobachtende sollten die deutliche Botschaft erhalten: Gewalt wird nicht hingenommen. Es wird dafür gesorgt, dass derartige Vorfälle sich nicht wiederholen. Eingeleitete Sanktionen für die Täterinnen und Täter sollten als logische Folge aus dem Geschehen nachvollziehbar sein. Neben dem Beistand für die Opfer sollte auf eine soziale Wiedergutmachung Wert gelegt und möglichst auf einen Ausgleich zwischen Täterin oder Täter und Opfer hingewirkt werden.

Vereinbarungen zur sozialen Wiedergutmachung müssen jedoch auch auf ihre Einhaltung überprüft werden. Nach erfolgter Wiedergutmachung sollte Täterinnen und Tätern die Chance zur Wiedereingliederung in die Schulgemeinschaft gegeben werden.

Ein zeitnah zum Vorfall geführtes auswertendes Gespräch sollte die Aufarbeitung abschließen. Opfern wie Täterinnen und Tätern sollte am Ende klar sein, wer ihre innerschulische Ansprechpartnerin oder ihr innerschulischer Ansprechpartner bei einem Wiederaufleben des Konflikts ist.

Gewaltgeprägte und andere vom Sozialverhalten her nicht hinnehmbare Vorfälle bedürfen unabhängig von der jeweils einzuleitenden Maßnahme einer eingehenden pädagogischen Behandlung. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen, aber auch bei weniger schwerwiegenden Vorfällen. Es empfiehlt sich, mit den Eltern hierüber möglichst das Gespräch zu suchen oder sie schriftlich über Auffälligkeiten oder ein Fehlverhalten ihrer Kinder zu informieren. Dabei sollte der Sachverhalt kurz dargestellt, mit den für die Schulen geltenden Leitlinien gegen Gewalt verbunden und auf die erzieherische Verantwortung der Eltern in geeigneter Weise hingewiesen werden.

Bei der Erarbeitung des Sicherheitskonzepts können die den Schulen vorliegenden "Handreichungen zum Umgang mit Krisen und Notfällen in Schulen" sowie der nachfolgende Katalog hilfreich sein.

1. Verhütung von Gewalt

1.1 Gestaltung der Umgebung

In die Abklärung nachstehender Gesichtspunkte ist der Schulträger unbedingt einzubeziehen.

  • Können Sichtverhältnisse und Beleuchtung an Stellen verbessert werden, an denen ein Gewaltrisiko besteht?

  • Kann der Zugang zum Schulbereich besser überwacht und die Einsehbarkeit von Eingängen verbessert werden, um Kontrollen von Besucherinnen und Besuchern zu ermöglichen?

  • Können Hilfsmittel, Geräte, Ausrüstung und Mobiliar, die als Waffen benutzt werden könnten, ersetzt werden?

  • Können technische Sicherheitsmaßnahmen (z. B. Alarmanlagen) verbessert werden?

  • Kann die Umgebung positiv gestaltet werden (z. B. durch Farben, Klimaregelung)?

1.2 Maßnahmen im inneren Schulbetrieb

  • Kann die Strategie der Gewaltbekämpfung verbessert und besser dargestellt werden?

  • Sind Schülerinnen, Schüler, Eltern und Lehrkräfte über ihre Rechte und Pflichten unterrichtet?

  • Wurde ein Sicherheitsausschuss eingesetzt, der sich mit dem Thema Gewalt auseinandersetzen kann?

  • Wurde - für den Fall, dass es zu Gewalttaten kommt - ein Präventions- und Sicherheitskonzept erarbeitet? Wann wurde es zuletzt überarbeitet?

  • Sind die schuleigenen Arbeitspläne auf das Präventions- und Sicherheitskonzept abgestimmt?

  • Kann die Kommunikation über das Thema Gewalt innerhalb des Kollegiums verbessert werden?

  • Wurde das Thema Gewalt bei der Risikobewertung, die vor dem Erstellen eines Sicherheitskonzepts erforderlich ist, in angemessenem Umfang berücksichtigt?

  • Ist die Beaufsichtigung der Schülerinnen und Schüler während des Unterrichts und der Pausen in ausreichendem Maße gewährleistet?

  • Werden vorhandene Unterstützungsstrukturen (z. B. Beratungsstellen, Beratungslehrkräfte, schulpsychologische Beratung) einbezogen?

  • Wie wird das Verhalten von schulfremden Personen innerhalb des Schulgeländes kontrolliert?

  • Besteht eine Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften, Schülerinnen, Schülern und Eltern?

  • Sind die Verwaltungs- und Polizeibehörden sowie die örtlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe an der Erstellung des Sicherheits- und Gewaltpräventionskonzepts beteiligt?

  • Sind die Beschäftigten und die Schülerinnen und Schüler in gewaltfreiem Verhalten und gewaltfreier Konfliktlösung geschult?

  • Werden Schulungen im Hinblick auf die Erkennung früher Anzeichen von möglichen Gewalttaten durchgeführt?

  • Sind Schülerinnen, Schüler und Eltern in die Ausarbeitung einer Null-Toleranz-Politik gegenüber Gewalt, diskriminierender Ausdrucksweise und diskriminierendem Verhalten, Mobbing und Belästigung eingebunden?

  • Wird die Entwicklung von Gemeinschaftssinn und Zusammenarbeit gefördert?

  • Werden positive Einstellungen und Toleranz gegenüber anderen und Achtung vor anderen gefördert?

  • Werden Informationen über Beispiele bewährter Praktiken verbreitet?

  • Betreibt die Schule eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit zur Gewaltprävention?

2. Maßnahmen bei einem akuten Gewaltvorfall

2.1 Verhaltensstrategien

  • Beenden der Gewalttat, soweit dies realisierbar ist, ggf. Dritte zu Hilfe rufen.

  • In dringenden Fällen: Notruf der Feuerwehr 112, Notruf der Polizei 110.

  • Sorge für die Sicherheit des Opfers in der akuten Situation.

  • Weitere Fürsorge für das Opfer einleiten (z. B. Heimwegbegleitung).

  • Verhindern, dass die gewalttätige Auseinandersetzung eine Fortsetzung findet.

  • Prüfung, ob eine Anzeige zu erstatten ist. Die zuständige Jugendbeauftragte oder den zuständigen Jugendbeauftragten der Polizei als Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner der Schulen einbeziehen.

  • Befragung der Beteiligten und normverdeutlichende Stellungnahme zum Geschehen. Eine knappe Information über die weitere Aufarbeitung des Geschehens, denn dies ermöglicht eine Orientierung für alle Beteiligten. Hilfreich ist es, einen Bericht zum Vorgang zu schreiben.

  • Information an die Erziehungsberechtigten der direkt Betroffenen bei schweren Vorfällen.

  • Sicherung der Fakten, die zu der weiteren Aufarbeitung des Falles notwendig sind (schriftliche Berichte der Beteiligten, ggf. Fotos von Sachverhalten, Symbolen oder Texten).

  • Bei strafrechtlich relevanten Vorfällen werden Befragungen von den Ermittlungsbehörden durchgeführt.

2.2 Schadensbegrenzung nach Gewalttaten

Im Fall einer Gewalttat ist es notwendig, das Opfer vor weiterem Schaden zu schützen und den von ihm erlittenen Schaden zu begrenzen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass

  • die Person, die Opfer oder Zeugin oder Zeuge einer Gewalttat geworden ist, in den Stunden nach dem Vorfall nicht sich selbst überlassen wird,

  • Lehrkräfte einbezogen werden, Anteilnahme zeigen und das Opfer unterstützen,

  • örtliche Opferschutzstellen sowie die notfallpsychologischen Teams der NLSchB für eine psychologische Erstversorgung des Opfers unmittelbar nach dem Vorfall wie auch später bei posttraumatischem Stress eingeschaltet werden,

  • das Opfer bei der Erledigung der notwendigen Schritte (z. B. der Erstattung einer Strafanzeige) unterstützt wird,

  • andere Lehrkräfte und die Erziehungsberechtigten informiert werden,

  • die Risikobewertungen einer Überprüfung unterzogen werden, um festzustellen, welche Maßnahmen ggf. zusätzlich erforderlich sind.

Außer Kraft am 1. Januar 2024 durch Nummer 7 des Runderlasses i.d.F. vom 27. August 2021 (Nds. MBl. S. 1447, SVBl. Nr. 10/2021 S. 526)