Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 12.02.2025, Az.: 11 U 11/23
Ausreichende Belehrung über die einzuhaltenden Fristen i.R.e. Anspruchs auf Leistungen aus einem Unfallversicherungsvertrag
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 12.02.2025
- Aktenzeichen
- 11 U 11/23
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2025, 11214
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2025:0212.11U11.23.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - 15.02.2023 - AZ: 7 O 2256/22
Rechtsgrundlage
- § 186 S. 1, 2 VVG
Fundstelle
- zfs 2025, 280-282
Amtlicher Leitsatz
Eine ausreichende Belehrung gem. § 186 Satz 1 VVG über die einzuhaltenden Fristen erfordert keinen zusätzlichen Hinweis darauf, dass der Versicherte seinen Anspruch bei Fristversäumung verliert.
In dem Rechtsstreit
der J. Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand, ......
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte K. Versicherungsrecht, ......
Geschäftszeichen: .....
gegen
Frau B. K., ..........
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Sch. & P., ....
Geschäftszeichen: ..............
hat das Oberlandesgericht Braunschweig - 11. Zivilsenat - durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. X, den Richter am Oberlandesgericht Y und die Richterin am Oberlandesgericht Z auf die mündliche Verhandlung vom 22.01.2025 für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 15.02.2023 - 7 O 2256/22 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
- 2.
Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
- 3.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
- 4.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
- 5.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einem Unfallversicherungsvertrag.
Zwischen den Parteien besteht ein Unfallversicherungsvertrag, bei dem unter anderem ihr Ehemann mitversichert ist, und für den die Bedingungen für die M. Unfallversicherung (Stand 01.01.2008) - im Folgenden AUB - sowie die Zusatzbedingungen für die M. Unfallversicherung M. Classic 2007 - im Folgenden Zusatzbedingungen - gelten. Der Ehemann der Klägerin stürzte am 21.06.2020 von einer Leiter und zog sich eine Wirbelsäulenfraktur zu, die operativ versorgt wurde. Mit Schadensanzeige vom 07.07.2020 meldete die Klägerin der Beklagten das Unfallereignis. Die Beklagte übersandte an die Klägerin die Bestätigung des Eingangs der Schadensmeldung mit Schreiben vom 07.08.2020 (Anlage B2), bat um Übersendung der ärztlichen Unterlagen und wies auf folgendes hin:
"Der Anspruch auf Invaliditätsleistung muss innerhalb von 21 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und bei uns geltend gemacht werden."
Mit Schreiben vom 01.06.2022 (Anlage K5) beantragte der Ehemann der Klägerin bei der Beklagten die Schadensregulierung für den Unfallschaden und legte einen
Entlassungsbrief vom 06.07.2020 (Anlage K4) sowie einen Arztbrief vom 20.05.2022 (Anlage B4) vor. Die Beklagte lehnte die Erbringung der Leistung mit dem Hinweis auf die verspätete Geltendmachung ab.
Die Klägerin behauptet, bei ihrem Ehemann sei durch das Unfallereignis eine unfallbedingte Invalidität von 20 % eingetreten. Sie ist der Ansicht, die Beklagte könne sich nicht auf den Fristablauf berufen, weil die Belehrung gem. § 186 VVG unzureichend sei, da nicht auf die Rechtsfolge einer Fristversäumung hingewiesen worden sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht Braunschweig hat der Klage mit Ausnahme der Rechtsanwaltskosten durch Urteil vom 15.02.2023 stattgegeben.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 10.600,- € aus dem privaten Unfallversicherungsvertrag habe. Der Ehemann der Klägerin sei unstreitig mitversichert. Die Beklagte könne Ansprüche aus dem Unfallereignis nicht mit der Begründung zurückweisen, dass die Klägerin den Anspruch verspätet geltend gemacht habe. Die Belehrung genüge nicht den Ansprüchen des § 186 VVG, da die Klägerin hieraus nicht habe klar entnehmen können, dass sie im Falle der Nichteinhaltung der im Hinweis vom 07.08.2020 genannten Frist keine Ansprüche mehr geltend machen können.
Die Beklagte könne sich auch nicht darauf zurückziehen, dass eine unfallbedingte Invalidität in der geltend gemachten Höhe von 20 % nicht vorliege. Das einfache Bestreiten dieser Behauptung reiche nicht aus, weil die Klägerin zu den Einschränkungen, die ihr Ehemann aufgrund des Unfalls erlitten habe, unter Vorlage des fachärztlichen Befundberichts vom 03.08.2022 (Anlage K3) substantiiert vorgetragen habe. Aus welchem Grund die fachärztlicherseits getroffenen Feststellungen hätten falsch sein sollen, habe die Beklagte nicht dargelegt.
Ein Anspruch auf Ersatz der außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten bestehe hingegen nicht, da die Klägerin nicht vorgetragen habe, dass sie den geltend gemachten Betrag gezahlt habe bzw. ob eine Rechtsschutzversicherung eingetreten sei bzw. eine Deckungszusage erteilt habe. Daher könne dahinstehen, ob eine erhöhte Geschäftsgebühr angemessen sei.
Gegen dieses ihr am 17.02.2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.02.2024 Berufung eingelegt und diese am 12.04.2023 begründet. Die zur Berufungserwiderung bis zum 16.06.2023 aufgeforderte Klägerin hat mit bei Gericht am 08.05.2023 eingegangenem Schriftsatz Anschlussberufung eingelegt.
Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte aus, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen sei, dass der Hinweis im Schreiben vom 07.08.2020 unzureichend gewesen sei, weil die Beklagte die Klägerin nicht über die Rechtsfolgen einer versäumten Frist belehrt habe. Ob dies erforderlich sei, sei umstritten. Hiermit habe sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.
Das Landgericht habe die Beklagte auch nicht darauf hingewiesen, dass es das Bestreiten der Unfallkausalität als unzureichend betrachte. Der fachärztliche Befundbericht vom 03.08.2022 (Anlage K3) nehme zunächst Bezug auf eine MdE-Bemessung von 10% und verdoppele diese schlicht angesichts des Umstands, dass insgesamt vier Segmente versteift seien. Da vorher lediglich eine MdE-Bemessung zugrunde gelegt worden sei, sei schon nicht ersichtlich, wie hieraus eine Invaliditätsbemessung habe gewonnen werden können. Darüber hinaus handele es sich um einen kurzen fachärztlichen Befundbericht, nicht aber um ein umfassendes Gutachten nach einer ausführlichen Untersuchung. So sei auch nicht Bezug genommen worden auf die medizinische Begutachtungsliteratur zur Invaliditätsbemessung. Im Übrigen sei weiterer Vortrag der Beklagten nicht geschuldet; schließlich sei die Klägerin beweisbelastet für das Vorliegen einer unfallbedingten Invalidität.
Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 15.02.2023 abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen,
hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Die hinsichtlich der vom Landgericht nicht zuerkannten Rechtsanwaltskosten eingelegte Anschlussberufung begründet sie damit, dass der Rechtsschutzversicherer der Klägerin seinen Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich der vorgenannten Kosten an sie abgetreten habe. Die Kosten seien außergerichtlich gezahlt worden, so dass die Klägerin bereits erstinstanzlich legitimiert gewesen sei, die Kosten im eigenen Namen geltend zu machen.
Im Wege der Anschlussberufung beantragt sie,
unter Abänderung des angegriffenen Urteils über den erstinstanzlichen Tenor hinaus die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die außergerichtlich entstandenen nicht anrechenbaren außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu erstatten, soweit diese nicht auf Gebühren der gerichtlichen Tätigkeit anzurechnen sind in Höhe von brutto 618,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 15.10.2022 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
II.
Die Berufung ist zulässig und begründet.
1.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Invaliditätsleistungen aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Unfallversicherungsvertrag.
a)
Zwar hat der unstreitig mitversicherte Ehemann der Klägerin durch seinen Sturz von einer Leiter am 21.06.2020 und der dadurch verursachten Fraktur des 2. Lendenwirbels einen Unfall im Sinne von Ziff. 1.3 der AUB (Anlage K 2) erlitten, indem er durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erlitt.
b)
Dahinstehen kann demgegenüber der zwischen den Parteien streitige Umstand, ob der Ehemann der Klägerin durch den Unfall invalide geworden ist.
Ein Anspruch auf Invaliditätsleistungen ist bereits deshalb ausgeschlossen, da weder die Invalidität fristgerecht schriftlich ärztlich festgestellt noch der Anspruch rechtzeitig gegenüber der Beklagten geltend gemacht wurde.
aa)
Als Voraussetzung für einen Anspruch auf Invaliditätsleistung sieht Ziff. 2.1.1.1 AUB vor, dass die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und gegenüber der Versicherung geltend gemacht werden muss. Gem. Ziff. 26 der Zusatzbedingen muss die Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall eingetreten sein und spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren 6 Monaten von einem Arzt schriftlich festgestellt und vom Versicherungsnehmer bei der Versicherung geltend gemacht werden.
Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit dieser Klauseln bestehen nicht und werden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Insbesondere verstoßen die Klauseln nicht gegen das Transparenzgebot. Unschädlich ist vorliegend auch, dass die Frist in den Zusatzbedingungen von der Frist in den AUB abweicht.
(1)
Das Transparenzgebot verlangt vom Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, dass die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar dargestellt sind und die Klauseln darüber hinaus die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH, Urteil vom 13. Januar 2016 - IV ZR 38/14 -, Rn. 24, juris; Urteil vom 11. Juli 2012 - IV ZR 164/11 -, BGHZ 194, 39-60, Rn. 40, juris; Urteil vom 26. September 2007 - IV ZR 252/06, Rn. 16, juris). Eine Regelung ist deshalb intransparent, wenn sie etwa an verschiedenen Stellen in den Bedingungen niedergelegt ist, die nur schwer miteinander in Zusammenhang zu bringen sind, oder wenn der Regelungsgehalt auf andere Weise durch die Verteilung auf mehrere Stellen verdunkelt wird (BGH, Urteil vom 18. September 2024 - IV ZR 436/22 -, Rn. 94, juris; Urteil vom 11. Juli 2012 - IV ZR 164/11 -, BGHZ 194, 39-60, Rn. 40, juris).
(2)
Nach diesen Maßstäben sind die Klauseln transparent. Die Frist nach Ziff. 2.1.1.1 AUB steht als Anspruchsvoraussetzung direkt unter dem Titel "Welche Leistungsarten können vereinbart werden?". Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann sich in keinem Falle ersparen, die diesbezüglichen Regelungen über den Versicherungsumfang zu lesen, wenn er einen Anspruch auf Invaliditätsentschädigung geltend machen will. Dies gilt nicht nur dann, wenn ein Dauerschaden schon unmittelbar nach dem Unfall feststeht, sondern auch dann, wenn sich eine dauernde Beeinträchtigung infolge des Unfalles erst später abzeichnet. Daran anschließend wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer die Fristenregelung und deren Inhalt zur Kenntnis nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 2012 - IV ZR 39/11 -, Rn. 24, juris). Die Verlängerung der Fristen gem. Ziff. 26 der Zusatzbedingungen, in denen die Abänderung der Frist von Ziff. 2.1.1.1 der AUB ausdrücklich geregelt ist, lässt die Transparenz nicht entfallen; sie hat eine für den Versicherungsnehmer ausschließlich positive Wirkung. Es kommt nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2024 - IV ZR 436/22, Rn. 92, juris). Eine Belastung stellt die Verlängerung einer Frist aber gerade nicht dar.
Entscheidend ist überdies, dass die gewählte Regelungstechnik auch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer hinreichend verdeutlicht, dass von den Standardbedingungen abweichende Klauseln existieren und welche dieser Abänderungen für seinen Vertrag gelten (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2024 - IV ZR 436/22 -, Rn. 94, juris). Angesichts der Überschrift der Ziff. 26 "Fristenverlängerung bei Invaliditätsansprüchen" und dem Hinweis auf die Abänderung der Frist gem. Ziff. 2.1.1.1 AUB ergeben sich aus dem Inhalt der Änderungsbedingungen keine Unklarheiten oder Widersprüchlichkeiten.
(3)
Eine etwaige Unklarheit ist auch nicht darin zu erblicken, dass die Klausel Ziff. 26 der Zusatzbedingungen für die schriftliche ärztliche Feststellung der Invalidität eine Frist von "sechs weiteren Monaten" regelt und etwa offenbliebe, ob diese Frist an den Zeitpunkt des Invaliditätseintritts selbst oder an den Ablauf der Frist von 15 Monaten nach dem Unfall, innerhalb derer die Invalidität eintreten muss, anknüpft. Stellt man auf die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers bei aufmerksamer Durchsicht und verständiger Würdigung ab (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2024 - IV ZR 436/22 -, Rn. 92, juris; Urteil vom 1. April 2015 - IV ZR 104/13 -, Rn. 13, juris), liegt durch die Bezifferung der Monate eine Addition nahe, so dass der Versicherungsnehmer von einer Frist von 21 Monaten für die schriftliche ärztliche Feststellung ausgehen darf.
Hiervon geht auch die Beklagte selbst ausweislich ihres Schreibens vom 07.08.2020 (Anlage B 2) aus, indem sie die Klägerin darüber belehrt hat, dass der Anspruch auf Invaliditätsleistung innerhalb von 21 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und bei der Versicherung geltend gemacht werden muss.
bb)
Vorliegend wurde die Invalidität des Ehemanns der Klägerin nicht innerhalb der Frist von 21 Monaten nach dem Unfall ärztlich schriftlich festgestellt.
(1)
Die fristgerechte ärztliche Feststellung der Invalidität soll dem Versicherer eine Grundlage für die Überprüfung seiner Leistungspflicht schaffen; außerdem sollen schwer aufklärbare Spätschäden ausgegrenzt werden. Das Versäumen der Frist für die ärztliche Feststellung, deren Einhaltung nach den Bedingungen als Anspruchsvoraussetzung ausgestaltet ist, führt daher selbst dann zum Leistungsausschluss, wenn den Versicherungsnehmer daran kein Verschulden trifft (vgl. BGH, Urteil vom 1. April 2015 - IV ZR 104/13 -, Rn. 21, juris; Urteil vom 7. März 2007 - IV ZR 137/06 -, Rn. 10, juris).
(2)
Im Streitfall fehlt es an einer solchen fristgerechten Feststellung der Invalidität durch einen Arzt. Die zu den Akten gereichten Arztberichte genügen diesen Anforderungen nicht.
Zwar sind an die Feststellung der Invalidität keine hohen Anforderungen zu stellen. So muss sie sich nicht abschließend zu einem bestimmten Invaliditätsgrad äußern. Die Feststellung der Unfallbedingtheit eines bestimmten Dauerschadens braucht noch nicht einmal richtig zu sein und dem Versicherer auch nicht innerhalb der Frist zuzugehen, sofern sie nur fristgerecht getroffen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2007 - IV ZR 137/06 -, Rn. 10, juris). Allerdings muss die ärztliche Feststellung, um den Anforderungen zu genügen, in der Sache bestätigen, dass innerhalb der Frist ein bestimmter, die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit beeinträchtigender gesundheitlicher Dauerschaden eingetreten ist, der auf den Unfall ursächlich zurückzuführen ist (BGH, Urteil vom 7. März 2007 - IV ZR 137/06 -, Rn. 12, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 14. März 2019 - 11 U 107/16 - , Rn. 2, juris; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 18. Oktober 2023 - 5 U 41/23 -, Rn. 17, juris). Unzureichend ist die bloße Darstellung der erhobenen Befunde und Diagnosen, wenn hierin keine wertende Prognose einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit enthalten ist (OLG Karlsruhe, Urteil vom 23. Februar 2018 - 12 U 111/17 -, Rn. 66, juris m.w.N.).
Dem genügt der als Anlage K 4 vorgelegte Entlassungsbrief des Städtischen Klinikums B. von Prof. Dr. G., Dr. B. und S. R. vom 06.07.2020 nicht, da dieser lediglich den "Zustand nach einem Leitersturz" angibt und die Bestätigung einer frischen, nicht dislozierten Fraktur des LWK 2 mit Beteiligung der Deckplatte sowie Vorderkante und einen Verdacht auf eine diskoligamentäre Verletzung im Bewegungssegment LWK 1/2 enthält. Weder ergibt sich hieraus ein konkreter, die körperliche Leistungsfähigkeit des Herrn K. beeinträchtigter Dauerschaden, noch dass dieser auf dem Leitersturz beruhen würde. Allein eine Fraktur stellt keinen Dauerschaden dar.
Der Arztbrief von Dr. med. C. vom 20.05.2022 sowie der Befundbericht von Herrn Dr. O. vom 03.08.2022 sind außerhalb der 21monatigen Frist erstellt worden.
cc)
Die Klägerin hat die Ansprüche auch nicht fristgerecht innerhalb der 21 Monate nach dem Unfall gegenüber der Versicherung geltend gemacht. Das Schreiben des Herrn K. vom 01.06.2022 (Anlage B3) erfolgte fast 24 Monate nach dem Unfall und damit erst nach Fristablauf.
dd)
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es der Beklagten auch nicht gemäß § 186 Satz 2 VVG versagt, sich auf die unterbliebene fristgerechte Feststellung eines unfallbedingten Dauerschadens oder Geltendmachung zu berufen.
§ 186 Satz 2 VVG sieht vor, dass sich der Versicherer auf die Fristversäumung nicht berufen kann, wenn sein Hinweis auf die vertraglichen Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie die einzuhaltenden Fristen in Textform unterblieben ist. Dies findet sich auch in Ziff. 25 der Zusatzbedingungen, der das Erfordernis der schriftlichen Belehrung nach Eingang der Schadensanzeige fordert. Soweit Ziff. 25 der Zusatzbedingungen dazu auf die Frist gem. Ziff. 2.1.1.1 AUB verweist, die eine kürzere Frist vorsieht als Ziff. 26, ist dies unschädlich. Für die Belehrung ist maßgeblich, welche Frist als Anspruchsvoraussetzung vertraglich vereinbart ist.
Vorliegend war die Belehrung in dem Schreiben der Beklagten vom 07.08.2020 richtig und ausreichend.
(1)
Die Beklagte hat in ihrer Belehrung mit Schreiben vom 07.08.2020, also nach Schadensmeldung durch die Klägerin, die Fristen zutreffend benannt. Unter der fett gedruckten Überschrift "Beachten Sie bitte auch die folgenden Fristen im Fall einer Invalidität" ist unter anderem ausgeführt: "Der Anspruch auf Invaliditätsleistung muss innerhalb von 21 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und bei uns geltend gemacht werden".
(2)
Die Belehrung ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil die Beklagte der Klägerin mitgeteilt hat, dass der Anspruch auf Invaliditätsleistung innerhalb von 21 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und bei der Versicherung geltend gemacht werden müsse. Zwar kann der Anspruch selbst nicht von einem Arzt festgestellt werden, da es sich um das Ergebnis einer juristischen Prüfung handelt, ob der Versicherungsnehmer einen Anspruch hat. Allerdings definiert der vorherige Satz in dem Schreiben der Beklagten vom 07.08.2020 den Begriff der Invalidität und nennt als Voraussetzung des Anspruchs auf Invaliditätsleistung, dass die (zuvor definierte) Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall eintreten muss. Damit ist aus Sicht des durchschnittlichen verständigen Versicherungsnehmers klar, dass der Arzt nicht über den Anspruch entscheidet, sondern deren Voraussetzung, nämlich den Eintritt der Invalidität binnen 15 Monaten, feststellen muss. Dies wird von der Klägerin auch nicht gerügt.
(3)
Entgegen der Ansicht der Klägerin musste die Beklagte auch nicht über die Rechtsfolgen einer versäumten Frist belehren.
Ob die Aufklärung über die Rechtsfolge der versäumten Frist erforderlich ist, ist in der Literatur umstritten. Teilweise wird dies mit Hinweis auf den Sinn und Zweck der Norm bejaht (Dörner, in: Langheid/Wandt, Münchener Kommentar zum VVG, 3. Aufl., § 186 Rn. 5; Rüffer, in: HK-VVG, 4. Aufl., VVG § 186 Rn. 5; Knappmann, in: Prölss/Martin, 31. Aufl., § 186 VVG, Rn. 2 (siehe aber dagegen Piontek, in: Prölss/Martin, 32. Aufl., § 186 VVG, Rn. 2); Leverenz in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2011, § 186, Rn. 23, juris; offengelassen: Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 27. April 2016 - 5 U 36/15 - , Rn. 44, juris, sowie OLG Dresden, Beschluss vom 12. Oktober 2018 - 4 U 1097/18 - , Rn. 8, juris). Der Versicherungsnehmer müsse zutreffend beurteilen können, ob die Fristeinhaltung notwendig sei teil (Dörner, a.a.O. Rn. 5). Andernfalls sei der Hinweis auf einzuhaltende Fristen unvollständig (Rüffer, a.a.O., § 186 Rn. 5).
Dem schließt sich der Senat nicht an. Dass der Versicherer den Versicherungsnehmer über die Rechtsfolgen der Fristversäumung zu informieren hat, sieht der Wortlaut des § 186 Satz 1 VVG nicht vor (vgl. auch Jacob, Unfallversicherung, 3. Aufl., Ziff. 2.1 AUB 2020 Rn. 110 c; Piontek, in: Prölss/Martin, 32. Aufl., § 186 VVG, Rn. 2; Kloth, Private Unfallversicherung, G.II. Rn. 53). Auch die Gesetzesbegründung weist lediglich darauf hin, dass den Versicherer eine Informationsobliegenheit treffen solle, den Versicherungsnehmer auf die speziellen Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen hinzuweisen, nennt aber keine Hinweispflicht bezüglich der Rechtsfolgen (BT-Drucks. 16/3945, S. 109). Da der Gesetzgeber an anderen Stellen ausdrücklich geregelt hat, dass nicht nur Informationen zu Verhaltensnormen, sondern auch zu den Rechtsfolgen der Missachtung dieser Vorgaben zu erteilen sind (vgl. z.B. §§ 19 Abs. 5 Satz 1 VVG, 28 Abs. 4 VVG oder auch § 12 Abs. 3 Satz 2 VVG a.F.), spricht das Fehlen in § 186 Satz 1 VVG gegen ein solches Erfordernis. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass in der Literatur bereits vor Inkrafttreten der VVG-Reform 2008 gefordert wurde, in der Belehrung deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass bei Fristversäumnis ein Anspruchsverlust droht (Manthey, NVersZ 2001, S. 55, 60; Knappmann, r + s 2002, 485, 489), so dass der Gesetzgeber entsprechende Vorgaben auch hier hätte regeln können.
Auch Sinn und Zweck der Vorschrift erfordern nicht, den Versicherten auf die Rechtsfolge des Fristablaufs hinzuweisen. Mit der Belehrung über die Fristen soll der Gefahr vorgebeugt werden, dass dem Versicherungsnehmer möglicherweise berechtigte Ansprüche allein wegen Ablaufs einer ihm nicht immer geläufigen Frist verloren gehen (BGH, Urteil vom 22. Mai 2019 - IV ZR 73/18 -, Rn. 27, juris; Urteil vom 14. Januar 2015 - IV ZR 43/14, VersR 2015, 230 Rn. 12; BT-Drucks. 16/3945 S. 109). Wird ein Versicherungsnehmer aber dahingehend belehrt, dass er innerhalb einer bestimmten, näher bezeichneten Frist bestimmte Handlungen vorzunehmen hat, muss ihm klar sein, dass die Missachtung von Fristen für ihn nachteilige Rechtsfolgen haben kann. Dies gilt insbesondere, wenn der Versicherer - wie vorliegend - darauf hinweist, dass die ärztliche Feststellung sowie die Geltendmachung der Invaliditätsleistung innerhalb der Frist erfolgen müsse.
ee)
Der Beklagten ist es im Übrigen auch nicht deshalb verwehrt, sich auf den Fristablauf zu berufen, weil der Hinweis gem. § 186 Satz 1 VVG gegenüber dem Begünstigten Herrn K. hätte erteilt werden müssen. Bei einer Versicherung für fremde Rechnung obliegt es dem Unfallversicherer grundsätzlich nicht, die versicherte Person neben oder an Stelle des Versicherungsnehmers entsprechend § 186 Satz 1 VVG zu informieren; das gilt auch im Falle der Anzeige des Versicherungsfalles durch den Versicherten (BGH, Urteil vom 22. Mai 2019 - IV ZR 73/18 -, Rn. 23, juris). Dies rügt die Klägerin auch nicht.
ff)
Die Berufung der Beklagten auf den Fristablauf ist auch nicht treuwidrig.
Selbst bei Einhaltung der Hinweispflicht aus § 186 VVG kann es im Einzelfall als Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) angesehen werden, wenn der Versicherer aus einer Fristversäumnis des Versicherungsnehmers Rechtsvorteile herleiten will. Das ist beispielsweise der Fall bei der Versäumung der Frist zur rechtzeitigen ärztlichen Invaliditätsfeststellung, wenn der Eintritt einer dauerhaften Gesundheitsschädigung innerhalb der Frist in einem Arztbericht festgestellt wird oder die ärztlichen Befunde einen solchen Eintritt nahe legen, es aber noch an einer ausdrücklichen Feststellung der Invalidität fehlt und der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht auf die Unzulänglichkeit des vorgelegten ärztlichen Zeugnisses hinweist (BGH, Urteil vom 23. Februar 2005 - IV ZR 273/03 -, BGHZ 162, 210-218, Rn. 23, juris; BGH, Urteil vom 30. November 2005 - IV ZR 154/04, BGHZ 165, 167-172, Rn. 8, juris). In diesen Fällen muss der Versicherer nicht mehr vor dem überraschenden Eintritt unkalkulierbarer Spätschäden geschützt werden (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 18. Juli 2024 - 4 U 266/24, Rn. 14, juris; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 18. Oktober 2023 - 5 U 41/23 -, Rn. 19, juris; Dörner, a.a.O., § 186 Rn. 13). Ein - ohnehin nur in Ausnahmefällen anzunehmendes - rechtsmissbräuchliches Handeln des Versicherers setzt aber voraus, dass die dem Versicherer bis zum Ablauf der maßgeblichen Frist zugänglichen ärztlichen Unterlagen den Eintritt eines Dauerschadens als Unfallfolge nahelegen (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2005 - IV ZR 154/04, Rn. 11, juris), so dass sich Anhaltspunkte für einen erneuten Belehrungsbedarf des Versicherungsnehmers ergeben (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 18. Oktober 2023 - 5 U 41/23 -, Rn. 19, juris).
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der mitversicherte Ehemann der Klägerin hat erst nach Ablauf der Frist überhaupt Belege eingereicht, so dass die Beklagte Kenntnis der eingereichten ärztlichen Belege erst nach Ablauf der Frist erlangen konnte. Eine weitergehende Belehrungspflicht durch die Beklagte scheidet schon aus diesem Grund aus.
2.
Aus diesen Gründen hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zinsen bzw. den Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten, so dass die Anschlussberufung zurückzuweisen war.
3.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
4.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
5.
Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache dann, wenn eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 23. Februar 2022 - IV ZR 150/20 -, Rn. 14, juris; Beschluss vom 8. Dezember 2020 - VIII ZR 271/18 -, Rn. 18, juris; Beschluss vom 21. November 2017 - VIII ZR 28/17, NJW 2018, 1008 Rn. 6). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn ihre Beantwortung zweifelhaft ist, weil sie vom BGH noch nicht entschieden ist und in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt wird oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2022 - IV ZR 150/20 -, Rn. 14, juris; Beschluss vom 13. Oktober 2021 - VII ZR 164/21, juris Rn. 12 m.w.N.). Letzteres ist der Fall. Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob eine Belehrung gem. § 186 Satz 1 VVG auch den Hinweis auf die Rechtsfolge für den Fall der Fristversäumung enthalten muss, nicht entschieden. Auch die Oberlandesgerichte haben diese Frage offengelassen (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 27. April 2016 - 5 U 36/15 -, Rn. 44, juris; OLG Dresden, Beschluss vom 12. Oktober 2018 - 4 U 1097/18 -, Rn. 8, juris). Die Frage ist aber, wie oben ausgeführt, in der Literatur umstritten.
6.
Der Streitwert war auf die Wertstufe bis 13.000,- € festzusetzen. Die Streitwerte der Berufung und der Anschlussberufung waren gemäß §§ 47 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GKG zu addieren.