Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.04.2024, Az.: 7 Sa 465/23
Außerordentliche Kündigung eines Pastors wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 08.04.2024
- Aktenzeichen
- 7 Sa 465/23
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2024, 27585
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2024:0408.7Sa465.23.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hameln - 08.06.2023 - AZ: 1 Ca 83/23
Rechtsgrundlage
- § 626 BGB
Fundstelle
- öAT 2025, 39
Amtlicher Leitsatz
Begründete Zweifel an der Fähigkeit eines Pastors, die psychische und physische Integrität, die Intimsphäre sowie die sexuelle Selbstbestimmung der Kinder und Jugendlichen zu respektieren, können einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses darstellen. Die Kündigung kann trotz Vorliegens eines solchen Grundes unwirksam sein, wenn die Möglichkeit besteht, den Pastor zu anderen Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.
7 Sa 465/23
hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 8. April 2024 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Bartels sowie den ehrenamtlichen Richter Herrn Liebau und den ehrenamtlichen Richter Herrn Minits als Beisitzer für Recht erkannt:
Tenor:
- 1)
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 8. Juni 2023 - 1 Ca 83/23 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Beklagten im Übrigen - teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
- (1)
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 01.03.2023 aufgelöst worden ist.
- (2)
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- 2)
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 25% und die Beklagte zu 75%.
- 3)
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Der 1969 geborene Kläger war bei der Beklagten ab dem 00.00.2019 als Pfarrverwalter nach Maßgabe des Dienstvertrages vom 00.00.2019 und des Nachtrags zum Dienstvertrag vom 00.00.2022 beschäftigt. Mit Wirkung zum 00.00.2022 wurde der zuvor als Pfarrverwalter auf Probe beschäftigte Kläger als Pfarrverwalter tätig. Aufgrund seiner Ordination trägt der Kläger die Amtsbezeichnung "Pastor". Der Kläger hatte ab dem 00.00.2023 die Pfarrstelle der Ev.-luth. Kirchengemeinde A. inne, nachdem zwei Kirchengemeinden, für die er zuvor tätig war, zu dieser Kirchengemeinde verschmolzen worden waren. Der Kläger erzielte zuletzt ein monatliches Grundgehalt in Höhe von 6.037,38 Euro brutto.
Der Kläger war bereits vor seiner Tätigkeit für die Beklagte in Diensten anderer kirchlicher Arbeitgeber tätig. 1996 wurde der damals 27-jährige Kläger zum Diakon eingesegnet. In den neunziger Jahren gab es zu dem Thema Kindeswohlgefährdung und sexualisierte Gewalt keine Schulungen oder ähnliche Lehrveranstaltungen der Kirche. Das Thema war nicht Bestandteil des pädagogischen Curriculums.
Von 1996 bis 2008 war der Kläger Diakon der Kirchengemeinde B., wobei er auch für die Jugendarbeit zuständig war. Daneben war der Kläger in den Jahren 2001 bis 2005 in Teilzeit als Jugendpfleger der Gemeinde G. tätig. Im Zeugnis der Gemeinde G. vom 00.00.2003 wurde zusammenfassend ausgeführt, dass sich die Jugendarbeit der Gemeinde durch die Tätigkeit des Klägers positiv entwickelt habe. Die Leistungen des Klägers wurden von dem damaligen Gemeindedirektor mit "gut" bewertet (Bl. 69 und 70 d. A.). Im Anschluss an die Stelle bei der Kirchengemeinde B. wechselte der Kläger als Diakon zum Kirchenkreis G. Dort war er in Vollzeit in der regionalen Seniorenbetreuung beschäftigt. Die Tätigkeit für den Kirchenkreis G. endete im Jahr 2017 mit Beginn des Vorbereitungsdienstes zum Pfarrverwalter. Den Vorbereitungsdienst schloss der Kläger zum Jahr 2019 ab.
Berufsbegleitend absolvierte der Kläger ein Supervisionsstudium. Im Jahr 2007 nahm der Kläger an einem 12-Wochen-Kurs in Klinischer Seelsorgeausbildung teil. Hier wirkte er u. a. an der Vorbereitung und Durchführung einer thematischen Einheit über "Nähe und Distanz" mit. Am 00.00.2022 nahm der Kläger freiwillig an einer Grundschulung "Prävention sexualisierter Gewalt" teil. Außerdem hatte sich der Kläger zu einer Mentoren-Fortbildung in dem genannten Bereich angemeldet. Die Fortbildung fand jedoch nicht mehr statt.
Bei der Beklagten gibt es eine Fachstelle "Sexualisierte Gewalt". An diese Fachstelle wendete sich Herr L. per E-Mail am 00.00.2023. In dieser E-Mail, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf Bl. 38 bis 43 d. Akte Bezug genommen wird, wurde dem Kläger vorgeworfen, er habe im Rahmen seiner Tätigkeit als Diakon Verhaltensweisen gezeigt, die eindeutig einen sexuellen Bezug gehabt hätten. Der Kläger habe beim Autofahren mit dem damals minderjährigen Herrn L. Händchen gehalten und auch versucht, die Hand in seinen Schritt zu ziehen. Darüber hinaus sei es zu einer Massage beim Kläger zu Hause gekommen, nachdem Herr L. diese als Wetteinsatz verloren habe. Bei diesem Treffen habe der Kläger unterstellt, dass Herr L. (ebenso wie der Kläger) eine homosexuelle Orientierung habe. Die Massage habe Herr L. als eklig empfunden. Zuletzt habe er mitbekommen, dass der Kläger bei einem Ausflug gesagt habe, dass er einem Freund einer der Gruppenmitgliederinnen 1.000,00 DM bieten würde, wenn er mit ihm schlafen würde.
Diese E-Mail wurde von der Fachstelle "Sexualisierte Gewalt" am 00.00.2023 an das L. weitergeleitet. Nach Beteiligung verschiedener Gremien der Beklagten - konkret des Dienstrechtsausschusses und des Kollegiums - lud die Beklagte den Kläger zur Aufklärung der Vorwürfe aus der E-Mail zu einem Personalgespräch ein, das am 00.00.2023 stattfand. Bei diesem Personalgespräch räumte der Kläger ein, dass es zu Massagen im Gemeindehaus mit nacktem Oberkörper gekommen sei. Dafür sei er von der Kirchgemeinde B. auf die Beschwerde einer Konfirmandenmutter hin abgemahnt worden. Er habe auch mit Jugendlichen Hände gehalten, aber es habe kein "Händchenhalten" gegeben, und er habe nie die Hand eines Jugendlichen in die Nähe seines Schritts geführt. Er habe auch nicht 1.000,00 DM dafür geboten, dass ein Jugendlicher mit ihm schlafe. Die Beklagte behauptet, der Kläger habe geäußert, es könne sein, dass er gesagt habe, dass ein Jugendlicher so gut aussehe, dass er "für den sogar Geld bezahlen würde". Eventuell habe er auch mit Geld gewedelt. Im Termin zur Kammerverhandlung beim Landesarbeitsgericht hat der Kläger ausgeführt, es könne sein, dass er in etwa so etwas gesagt habe wie: "Der wird mal bestimmt ein attraktiver Mann, und ich könnte mir eine Beziehung dann gut mit ihm vorstellen."
Dem Kläger wurde eingeräumt eine ergänzende schriftliche Stellungnahme bis zum 00.00.2023, 12:00 Uhr abzugeben. Der Kläger verlangte eine Verlängerung dieser Frist, gab jedoch keine ergänzende Stellungnahme ab.
Nach Durchführung des Anhörungsgesprächs am 00.00.2023 und Bericht hierüber an den Dienstrechtsausschuss beschloss der Dienstrechtsausschuss die außerordentliche und fristlose Kündigung des Klägers.
Wegen weiterer Einzelheiten zu den Abläufen der Beteiligung des Dienstrechtsausschusses und des Kollegiums aufseiten der Beklagten wird auf Seite 9 und 10 des Schriftsatzes der Beklagten vom 00.00.2023 (Bl. 45 und 46 d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit Schreiben vom 00.00.2023 fristlos außerordentlich aus wichtigem Grund (Bl. 10 d. Akte). Die Kündigung wurde dem Kläger am 00.00.2023 übergeben. Die bei der Beklagten bestehende Mitarbeitervertretung wurde vor Ausspruch dieser Kündigung nicht beteiligt.
Die Beklagte stützt die Kündigung auf weitere - streitige - Vorfälle, die der Zeuge M. der Beklagten am 00.00.2023 schilderte.
Mit seiner am 00.00.2023 bei dem Arbeitsgericht Hameln eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die außerordentliche Kündigung vom 00.00.2023 gewandt und für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag seine Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Pfarrverwalter der Pfarrstelle der Ev.-luth. Kirchengemeinde A. verlangt.
Der Kläger hat behauptet, dass es ihm um den Aufbau einer freundschaftlichen und vertrauensvollen Beziehung zu den Jugendlichen gegangen sei. Er habe keine sexuell motivierten Hintergedanken gehabt. Er habe zu keinem Zeitpunkt Macht- oder Abhängigkeitsverhältnisse zur Befriedigung eigener Interessen und Bedürfnisse für sexuelle Kontakte oder andere grenzüberschreitende Verhaltensweisen missbraucht.
Der Kläger hat unbestritten ausgeführt, dass er nach seiner Erinnerung nach der Abmahnung im Jahr 1998 keine Rückenmassagen bei Kindern oder Jugendlichen mehr durchgeführt habe. Ihm sei durch die Abmahnung bewusst geworden, dass er sein Verhalten ändern müsse.
Der Kläger hat beantragt,
- 1.
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 01.03.2023 aufgelöst worden ist;
- 2.
für den Fall der Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsanträge zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Pfarrverwalter in der Pfarrstelle der Ev.-luth. Kirchengemeinde A. weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass sich der Kläger aufgrund der ihm vorgeworfenen Verhaltensweisen als ungeeignet für die Tätigkeit als Pfarrverwalter, verbunden mit seiner Ordination und der öffentlichen Wortverkündung und Sakramentsverwaltung erwiesen habe. Da der Kläger als Diakon in der Vergangenheit das Distanz- und Abstandsgebot massiv verletzt habe, könne die Beklagte keiner Gemeinde mehr die Tätigkeit des Klägers, die aufgabenbedingt auch den Kontakt zu minderjährigen Gemeindemitgliedern beinhalte, zumuten. Anderweitige Einsatzmöglichkeiten, die aufgrund der Ausbildung des Klägers geeignet seien, aber keinen Kontakt zu Kirchenmitgliedern beinhalteten, stünden nicht zur Verfügung.
Die Beklagte hat gemeint, der Vortrag des Klägers zur Abmahnung sei pauschal und unsubstantiiert.
Darüber hinaus hat die Beklagte behauptet, dass der Zeuge M. von weiteren Verfehlungen des Klägers berichtet habe. Der Zeuge M. habe u. a. ausgesagt, dass der Kläger im Jahr 1999 während einer Jugendfreizeit, die dem Erwerb der Jugendleitercard gedient habe, offen kommuniziert habe, dass er homosexuell sei. Er habe mit minderjährigen Jungen in einem Stuhlkreis gesessen und erklärt, dass das Thema der Stunde "Selbstbefriedigung" sein solle. Der Kläger habe von den Jugendlichen verlangt, dass diese Fragen dazu beantworten sollten, wann sie erstmalig masturbiert hätten, was sie dabei gedacht hätten und wie oft dies geschehe. Zum Schluss habe der Kläger Auskunft über seine eigenen Masturbationspraktiken gegeben.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass der Kläger seine grundsätzliche Einstellung zum Abstands- und Abstinenzgebot nicht geändert habe. Sie hat behauptet, der Kläger habe anlässlich eines Vikariatskurses zur Konfirmandenarbeit im September 2019 eine neben ihm sitzende Vikarin berührt. Thema in dem Vikariatskurs, an dem der Kläger als Gast teilnahm, war unstreitig die Frage, inwieweit Pastoren und Pastorinnen Konfirmanden berühren dürfen. Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe geschildet, wir er eine/n Konfirmandin/en im Nacken berührt habe. Dieses Verhalten sei in der Runde als grenzüberschreitend bewertet worden. Der Kläger habe dem widersprochen. Um sein Verhalten zu demonstrieren, habe er die neben ihm sitzende Vikarin kurz gefragt, ob er sie einmal anfassen dürfe und ohne die Antwort abzuwarten, ihr eine Hand in den Nacken gelegt. Dieses Verhalten zeige, dass der Kläger das Distanz- und Abstandsgebot weiterhin nicht einhalte.
Der Kläger hat hierzu behauptet, es sei thematisch nicht um das Berühren im Nacken, sondern um ein Strubbeln durch die Haare gegangen. Er habe stets versucht, sein Verhalten zu hinterfragen und zu optimieren. Deshalb habe er sich aktiv an dieser Lehrveranstaltung beteiligt. Er habe sich die Ansichten und das Feedback in der Veranstaltung zu Herzen genommen.
Mit Urteil vom 8. Juni 2023 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger - sofern das dem Kläger vorgeworfene Verhalten tatsächlich so geschehen sei - durch dieses Verhalten das Abstands- und Distanzgebot in erheblicher Weise verletzt habe. Das Verhalten des Klägers stelle sich - sofern die Behauptungen zutreffen - als erhebliche Verletzung der dem Kläger im damals bestehenden Arbeitsverhältnis obliegenden Pflichten dar. Auf der anderen Seite sei jedoch zu berücksichtigen, dass diese Verhaltensweisen nicht im Arbeitsverhältnis der Parteien, sondern im Rahmen der Tätigkeit bei einer anderen kirchlichen Gemeinde und - dies sei für die Kammer bei der Bewertung des Verhaltens in besonderer Weise von Bedeutung - vor einem erheblichen Zeitraum stattgefunden hätten. Auch die Beklagte habe nicht behauptet, dass der Kläger nach den behaupteten Vorfällen in der zweiten Hälfte der 90er Jahre nochmals vergleichbare Verhaltensweisen gezeigt habe. Demzufolge sei davon auszugehen, dass der Kläger sein Verhalten in späterer Zeit geändert und das Abstands- und Distanzgebot in der erforderlichen Weise eingehalten habe. Dies führe dazu, dass der Kläger sich aufgrund der mehr als 20-jährigen störungsfreien Tätigkeit im kirchlichen Dienst eine "zweite Chance" verdient habe. Das von der Beklagten im Vikariatskurs geschilderte Verhalten sei von der Wertigkeit her mit den Geschehnissen Ende der 90er Jahre nicht vergleichbar. Bei dem Anfassen der Kollegin im Vikariatskurs fehle jeder sexuelle Bezug. Die Kollegin sei keine Untergebene oder Jugendliche. Es habe sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt, der möglicherweise mit dem Ausspruch einer Abmahnung zu ahnden gewesen wäre.
Gegen das der Beklagten am 28. Juni 2023 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. Juli 2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangene und innerhalb verlängerter Frist am 28. September 2023 begründete Berufung.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung beim Landesarbeitsgericht hat die Beklagte ausgeführt, dass die Kündigung auf personenbedingte Gründe, d. h. die fehlende Eignung des Klägers für seine Tätigkeit gestützt werde.
Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, dass ein wichtiger Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorliege. Es sei der Beklagten und den Gemeindemitgliedern insbesondere nicht zuzumuten, dass der Kläger in der Konfirmandenarbeit und Seelsorge tätig werde. Sowohl die Seelsorge als auch die Konfirmandenarbeit seien begleitete spirituelle Prozesse, in denen die Begleitperson und diejenige, die sie begleite, in einer asymmetrischen Beziehung zueinander stünden. Diese asymmetrische Beziehung sei für sexuellen Missbrauch anfällig. Von dem Pfarrer müsse erwartet werden, dass er das Verhältnis von Nähe und Distanz zwischen sich und der zu begleitenden Person sensibel und adäquat einschätzen könne und sein Verhalten so ausrichte, dass die begleitete Person vor Grenzverletzungen und Missbrauch geschützt sei. Wie die teilweise vom Kläger eingestandenen Vorwürfe von Ende der 90er Jahre zeigten, habe der Kläger als junger Mensch das Nähe- und Distanzverhältnis zu den ihm anvertrauten Personen nicht adäquat einschätzen können und sich nicht verantwortungsvoll verhalten. Geschehnisse in der Ausbildung zum Pfarrverwalter machten deutlich, dass der Kläger weiterhin eine unzulängliche Selbstwahrnehmung im Hinblick auf ein angemessenes Nähe- und Distanzverhältnis habe. Die Beklagte behauptet, der Kläger habe einem Konfirmanden ohne dessen Einverständnis durch die Haare gestrubbelt. Dieses Verhalten habe er dadurch verteidigt, dass er seiner Sitznachbarin im Vikariatskurs gegen ihren Willen in den Nacken gefasst habe. Dadurch habe er demonstrieren wollen, dass derartige Berührungen rechtens seien. Außerdem habe sich der Kläger im März 2019 in distanzverachtender Weise gegenüber einem Konfirmanden geäußert. Zudem habe er einem ihm anvertrauten Konfirmanden seinen Arm um die Schulter gelegt. Auf sein Verhalten angesprochen, habe der Kläger die erforderliche Einsicht und das Verständnis für das Abstands- und Distanzgebot vermissen lassen. Auch bei der Konfrontation mit den Vorwürfen aus der E-Mail des Herrn L. am 00.00.2023 habe der Kläger durch seine Äußerungen gezeigt, dass er die missbräuchliche Qualität seiner damaligen Grenzverletzungen bis heute nicht anerkenne. Wegen des genauen Inhalts der Äußerungen wird auf Seite 8 der Berufungsbegründung vom 28. September 2023, Bl. 137 d. A., Bezug genommen. Dies alles zeige, dass der Kläger persönlich ungeeignet sei, die Evangelische Kirche und ihre Werte angemessen zu repräsentieren. Wenn die Beklagte eine Person beschäftige, die gegenüber Minderjährigen durch sexuell belästigendes Verhalten aufgefallen sei, drohe dies zudem ihre Integrität und ihr Ansehen in der Öffentlichkeit erheblich zu beschädigen und zu untergraben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 8. Juni 2023 - 1 Ca 83/23 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger behauptet, er habe im Umgang mit Minderjährigen niemals sexuelle Hintergedanken gehabt. Im Nachgang zu der ihm von der Gemeinde B. erteilten Abmahnung habe er eingesehen, dass sein Verhalten falsch gewesen sei und fortan physischen Kontakt zu Kindern und Jugendlichen gemieden. Er habe sich fortgebildet und persönlich weiterentwickelt. Für das Nähe- und Distanzverhältnis sowie für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen sei er sensibilisiert. Seine Selbstwahrnehmung und geistige Haltung in dieser Frage sei in jeder Hinsicht einwandfrei und entspreche den Werten der Evangelischen Kirche. Der Vortrag der Beklagten zu einer distanzverachtenden Kommunikation gegenüber einem Konfirmanden im März 2019 lasse jede Substanz vermissen. Es sei korrekt, dass er einem etwa neun Jahre alten Jungen den Arm um die Schulter gelegt habe. Dies sei - von der Beklagten unbestritten - geschehen, als sich der Junge verletzt gehabt und weinend auf dem Boden gesessen habe. Die Pastorin, die den Vorbereitungsdienst des Klägers begleitet habe, sei - unstreitig - anwesend gewesen.
Der Kläger ist der Auffassung, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls durch Zuweisung anderer Tätigkeiten fortgeführt werden könne. Der Kläger sei bereit, dauerhaft als Krankenhaus- oder Altenheimseelsorger eingesetzt zu werden. Aufgrund seiner Ausbildung sei er hierfür bestens geeignet.
Die Beklagte vertritt den Standpunkt, dass auch ein Einsatz des Klägers in der Seniorenarbeit ausscheide. Wie in der Arbeit mit Konfirmanden sei auch hier ein Gefälle - eine asymmetrische Beziehung - vorhanden. Denn Seniorenarbeit sei auch Seniorenseelsorge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, auf die Sitzungsprotokolle sowie auf die in der mündlichen Verhandlung vom 8. April 2024 abgegebenen Erklärungen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und teilweise - hinsichtlich der Verurteilung zur Weiterbeschäftigung des Klägers als Pfarrverwalter in der Pfarrstelle der Ev.-luth. Kirchengemeinde A. - begründet. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 1. März 2023 nicht beendet worden.
I,
Die gem. § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und ordnungsgemäß begründete Berufung ist zulässig (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).
II.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 1. März 2023 nicht beendet worden.
1.
Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsverhältnis und kein kirchengesetzlich geregeltes öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis. Die Parteien haben durch Vertrag vom 00.00.2019 ein Arbeitsverhältnis begründet, das durch den Nachtrag vom 00.00.2022 Änderungen erfahren hat. Es wurden die Dienstvertragsordnung sowie weitere Regelungen zugrunde gelegt, die die Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern regeln. Nach § 108 PfDG.EKD können Pfarrerinnen und Pfarrer in begründeten Einzelfällen in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis beschäftigt werden. Auch die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass der Kläger in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis steht.
2.
Die Kündigung gilt nicht gemäß §§ 13 Abs. 2 Satz 1, 7, 4 Satz 1 KSchG als wirksam. Der Kläger hat sich rechtzeitig mit seiner am 6. März 2023 eingegangenen Klage gegen die Kündigung vom 1. März 2023 gewandt.
3.
Für die fristlose Kündigung fehlt es an einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.
a)
Nach dieser Bestimmung kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich" und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 -, BAGE 159, 278-293, Rn. 13). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein "schonenderes" Gestaltungsmittel - etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung - gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (vgl. BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 6 AZR 471/15 -, BAGE 157, 84-96, Rn. 30).
b)
Die Beklagte stützt die Kündigung auf Eignungsmängel des Klägers.
c)
Gravierende persönliche Eignungsmängel können je nach den Umständen des Einzelfalls einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen (vgl. [zu früherer MfS-Tätigkeit]: BAG, Urteil vom 25. Oktober 2001 - 2 AZR 559/00 -, Rn. 40, juris). Mit der Befugnis zur personenbedingten Kündigung wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn der Arbeitnehmer die erforderliche Eignung oder Fähigkeit nicht (mehr) besitzt, die geschuldete Arbeitsleistung vertragsgerecht zu erfüllen. Auch außerdienstliches Verhalten kann Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Beschäftigten begründen (vgl. [ordentliche Kündigung wegen außerdienstlicher Straftaten]: BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 2 AZR 583/12 -, Rn. 14, juris).
d)
Begründete Zweifel an der Fähigkeit eines Pastors, die körperliche Distanz gegenüber Minderjährigen zu wahren, die es als fraglich erscheinen lassen, dass er die psychische und physische Integrität, die Intimsphäre sowie die sexuelle Selbstbestimmung der Kinder und Jugendlichen ausnahmslos in der gebotenen Weise respektiert (vgl. [zu verhaltensbedingter Kündigung eines Lehrers]: BAG, Urteil vom 2. März 2017 - 2 AZR 698/15 -, Rn. 38, juris), können zur Überzeugung der Kammer - je nach den Umständen des Einzelfalls - einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses darstellen. Das Abstands- und Abstinenzgebot kommt inzwischen ausdrücklich in § 11 Abs. 3 des Kirchengesetzes über die Rechtsstellung der privatrechtlich beschäftigten Mitarbeitenden (Mitarbeitendengesetz - MG) vom 12. Dezember 2019 zum Ausdruck. Das Mitarbeitendengesetz ist kraft ausdrücklicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar. Auch wenn Ende der 90er Jahre eine entsprechende ausdrückliche Regelung noch nicht bestand, gebot auch damals die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Kinder und Jugendlichen und letztlich auch des Arbeitgebers die Einhaltung des Abstands- und Abstinenzgebots.
e)
Allein die Geschehnisse Ende der 90er Jahre begründen aufgrund der hier vorliegenden Umstände des Einzelfalls keine ausreichenden Zweifel an der Eignung des Klägers für die Tätigkeit als Pastor. Die dem Kläger vorgeworfenen Verhaltensweisen liegen inzwischen über 20 Jahre zurück. Es ist davon auszugehen, dass die Kirchengemeinde B. den Kläger für das Durchführen der Rückenmassagen abmahnte. Denn die für das Vorliegen des Kündigungsgrundes beweisbelastete Beklagte ist dem Vortrag des Klägers zum Vorliegen einer solchen Abmahnung nicht substantiiert entgegengetreten. Der Zweck der Abmahnung wurde erreicht. Der Kläger änderte sein Verhalten. Er war langjährig weiterhin im kirchlichen Dienst - auch in der Jugendarbeit - tätig. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich oder von der Beklagten vorgetragen, dass der Kläger nach Ende der 90er Jahre das Abstands- und Abstinenzgebot gegenüber Kindern oder Jugendlichen in vergleichbarer Weise überschritt. Soweit die Beklagte sich auf Verhaltensweisen ab dem Jahr 2019 beruft (Verstrubbeln der Haare eines Konfirmanden im Konfirmandenunterricht, Anfassen einer Vikarin in einem Vikariatskurs im Nacken zur Demonstration solcher Verhaltensweisen, Äußerungen in distanzverachtender Weise, In-den-Arm-nehmen eines 9jährigen, weinenden, am Boden sitzenden Jungen nach einem Sturz in Anwesenheit einer Pastorin) sind diese in ihrer Schwere nicht mit denen von Ende der 90er Jahre vergleichbar. Der Vortrag der Beklagten zu den Äußerungen in distanzverachtender Weise ist zudem unsubstantiiert. Die Beklagte mahnte das von ihr beschriebene Verhalten des Klägers ab dem Jahr 2019 nicht ab, sondern übertrug ihm dennoch die von ihm zuletzt innegehabte Pfarrstelle. Die Beklagte zog aus dem geschilderten Verhalten des Klägers ab dem Jahr 2019 also selbst nicht den Schluss, dass dieses den Kläger für die Ausübung der Aufgaben eines Pastors ungeeignet erscheinen lasse.
f)
Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, dass der Kläger durch Äußerungen im Zusammenhang mit den ihm vorgeworfenen Verhaltensweisen deutlich gemacht habe, dass ihm die charakterliche Eignung für die Ausübung der Pastorenstelle fehle. Es kann dahinstehen, ob aus den von der Beklagten angeführten Äußerungen auf die mangelnde charakterliche Eignung des Klägers für die Tätigkeit als Pfarrverwalter unter Einschluss der Durchführung von Konfirmandenunterricht und -seelsorge geschlossen werden kann. Selbst wenn von einem Fehlen für diese Tätigkeit auszugehen ist, kann der Kläger mit Alternativtätigkeiten bei der Beklagten beschäftigt werden.
Der Kläger ist bereit, bei der Beklagten dauerhaft als Krankenhaus- oder Altenheimseelsorger eingesetzt zu werden. Unbestritten hat der Kläger hierfür die erforderliche Ausbildung. In der Seniorenseelsorge war er zudem bereits als Diakon in der Zeit von 2008 bis 2017 tätig. Die Beklagte hat ausgeführt, dass aus ihrer Sicht eine Tätigkeit in der Seniorenseelsorge ausscheide, da dort ebenfalls ein Gefälle - eine asymmetrische Beziehung - zwischen Seelsorger und zu begleitender Person bestehe. Dieser Einschätzung folgt die Kammer nicht. Verhalten und Äußerungen, die aus Sicht der Beklagten die Ungeeignetheit des Klägers für die Ausübung der Pfarrstelle begründen, liegen in der fehlenden ausreichenden Einsicht in das Abstands- und Distanzgebot gegenüber Minderjährigen. Dem einzig gerügten Verhalten gegenüber einem Erwachsenen - konkret der Vikarin - fehlte sexueller Bezug. Es diente der Darstellung von Verhaltensweisen gegenüber Minderjährigen. Dass der Kläger in anderen asymmetrischen Beziehungen - insbesondere zu älteren Menschen - nicht in der Lage ist, das Abstands- und Abstinenzgebot einzuhalten, ist nicht ersichtlich. Überwiegende Interessen der Beklagten, den Kläger nicht in der Seniorenseelsorge zu beschäftigen, bestehen nicht. Es fehlen Vortrag und jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass es an einem Arbeitsplatz in der Seniorenseelsorge fehlt, auf dem der Kläger weiterbeschäftigt werden könnte.
4.
Die Voraussetzungen gem. § 140 BGB für eine Umdeutung der erklärten außerordentlich fristlosen in eine ordentliche Kündigung liegen nicht vor.
Eine nach § 626 Abs. 1 BGB unwirksame außerordentliche Kündigung kann in eine ordentliche Kündigung nach § 140 BGB umgedeutet werden, wenn dies dem mutmaßlichen Willen des Kündigenden entspricht und dieser Wille dem Kündigungsempfänger im Zeitpunkt des Kündigungszugangs erkennbar ist (vgl. BAG, Urteil vom 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 -, Rn. 39, juris).
Die Gremien der Beklagten (Dienstrechtsausschuss wie Kollegium) empfohlen bzw. beschlossen ausdrücklich, dass eine fristlose Kündigung erfolgen solle. Entsprechend wurde das Kündigungsschreiben formuliert. Dementsprechend beruft sich die Beklagte auch nicht auf eine Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung.
Im Übrigen wäre auch eine ordentliche Kündigung aus den oben unter 3 e) und f) genannten Gründen unwirksam.
III.
Der Kläger verlangt mit der vorliegenden Klage im Wege des Hilfsantrags zudem seine Weiterbeschäftigung als Pfarrverwalter der Ev.-luth. Kirchengemeinde A. bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag.
Da der Kündigungsschutzklage stattzugeben war, ist die Bedingung für die Prüfung des Weiterbeschäftigungsanspruchs eingetreten.
Zwar besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei Unwirksamkeit der Kündigung in der Regel ein Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens. Diesem Anspruch können jedoch überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitsgebers an einer solchen Beschäftigung entgegenstehen (vgl. BAG, Beschluss vom 27. Februar 1985 - GS 1/84 -, BAGE 48, 122-129).
Der Kläger verlangt die Beschäftigung als Pfarrverwalter auf seiner bisherigen Pfarrstelle der Ev.-luth. Kirchgemeinde A.. Dieser konkreten Beschäftigung - auch nur bis zu einer etwaigen Versetzung durch die Beklagte - stehen überwiegende schutzwerte Interessen der Beklagten entgegen.
Aufgabe des Klägers als Pfarrverwalter sind u. a. der Konfirmandenunterricht und die Konfirmandenseelsorge. Durch diese Aufgabe hat ein Pfarrverwalter besondere Verantwortung gegenüber Minderjährigen. Ein Pfarrverwalter hat zudem als Repräsentant der Ev.-luth. Kirche eine besondere Stellung in der Kirchengemeinde und angesichts der öffentlichen Wahrnehmung seines Amtes auch darüber hinaus inne. Der Umgang in der Kirche mit Minderjährigen steht im besonderen Fokus der Öffentlichkeit. Zwar liegen die dem Kläger gegenüber erhobenen Vorwürfe über 20 Jahre zurück, ohne dass Vorwürfe in vergleichbarer Schwere erneut erhoben wurden. Aufgrund der Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 8. April 2024 hat die Kammer jedoch den Eindruck gewonnen, dass dem Kläger das vertiefte Verständnis für die gegenüber Minderjährigen zu wahrende Distanz fehlt. Es fehlt zur Überzeugung der Kammer ein Grundverständnis dafür, wann nach allgemeinem Verständnis Grenzen der psychischen und physischen Integrität, der Intimsphäre und sexuellen Selbstbestimmung Jugendlicher überschritten werden. Der Kläger hat sich im Verfahren auf den Standpunkt gestellt, dass er keine sexuell motivierten Hintergedanken gehabt habe und Macht- oder Abhängigkeitsverhältnisse nicht zur Befriedigung eigener Interessen und Bedürfnisse für sexuelle Kontakte oder andere grenzüberschreitende Verhaltensweisen missbraucht habe. Hinsichtlich der Rückenmassagen hat der Kläger erklärt, dass er durch die Massagen die Bedürfnisse der Jugendlichen nach Nähe habe auffangen wollen. Herr L. habe dies anders verstanden, was er rückgängig machen würde, dies sei aber nicht möglich. Der vom Kläger angebrachte Grund für die Rückenmassagen und der aus seiner Sicht fehlende sexuelle Bezug machen deutlich, dass ihm Zugang dazu fehlt, wann aus objektiver Sicht eine Grenzüberschreitung gegenüber Minderjährigen vorliegt. Auf die weitere Frage, wie der Kläger heute dazu stehe, hat er geäußert, dass Händehalten mit Jugendlichen nicht gehe. Erst auf weitere Nachfrage seiner Prozessbevollmächtigten hat er erklärt, auch die "anderen Sachen" gingen nicht.
IV.
Da es bereits an dem wichtigen Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses fehlt, kann dahinstehen, ob die Mitarbeitervertretung vor der Kündigung zu beteiligen gewesen wäre.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Parteien haben die Kosten entsprechend ihrem jeweiligen Unterliegen zu tragen.
Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.