Amtsgericht Northeim
Urt. v. 14.12.2023, Az.: 3 C 270/23
Anspruch eines Insolvenzschuldnerns auf Vergütung aus einem Dienstvertrag über die Gebäudereinigung von Geschäftsräumen
Bibliographie
- Gericht
- AG Northeim
- Datum
- 14.12.2023
- Aktenzeichen
- 3 C 270/23
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 58069
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 611 Abs. 1 BGB
- § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO
Tenor:
- 1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1187,40 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.03.2023 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- 2.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert: 1187,40 €
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung der ausstehenden Beträge aus einem Dienstleistungsverhältnis.
Zwischen der Beklagten und Herrn R. N. (im Folgenden Insolvenzschuldner), dem Inhaber einer Gebäudereinigungsfirma, besteht seit 2016 ein Dienstleistungsvertrag in der Form eines Dauerschuldverhältnisses, welches die Gebäudereinigung der Geschäftsräume der Beklagten zum Gegenstand hat.
Der Insolvenzschuldner erlitt am 12.08.2019 einen unverschuldeten Unfall mit seinem Pkw. Der an dem Fahrzeug entstandene Schaden wurde von der Beklagten behoben. Eine entsprechende Rechnung der Beklagten wurde am 26.09.2019 erstellt. Dabei wurden von der Versicherung zwei Kostenpunkte nicht übernommen, die Mehrwertsteuer bezüglich der Reparaturkosten und zwei neue Winterreifen.
Der Insolvenzschuldner rechnete Leistungen gegenüber der Beklagten in Höhe von 1.761,20 € wegen erbrachter Leistung aus dem bestehende Dienstleistungsverhältnis ab. Kurz darauf (am 07.10.2019) beantragte der Insolvenzschuldner das Insolvenzverfahren beim Amtsgericht Goslar. Das vorläufige Insolvenzverfahren wurde am 16.10.2019 eröffnet, die Klägerin wurde dabei zur Insolvenzverwalterin bestellt.
Am 15.11.2019 wurde auf dem Konto des Insolvenzschuldner eine Zahlung durch die Beklagte in Höhe von lediglich 573,80 € verbucht. Mit einem Schreiben vom 09.03.2023 forderte die Klägerin die Beklagte auf, den ausstehenden Rechnungsbetrag (1.187,40 €) bis zum 23.03.2023 an die Klägerin als Verwalterin des Insolvenzvermögens zu überweisen. Daraufhin entgegnete die Beklagte, den fraglichen Betrag gegen ihre ausstehenden Forderungen der Reparaturleistung 14.11.2019 aufgerechnet zu haben.
Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe den ausstehenden Betrag nicht mit ihren Forderungen verrechnen dürfen. Dabei käme es gerade auf den Zeitpunkt des Antrags zum Insolvenzverfahren an und nicht auf die tatsächliche Eröffnung des Verfahrens. Sie ist der Ansicht, die Aufrechnung sei vorliegend aufgrund des Insolvenzfalls unzulässig.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.187,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.03.2023 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, es käme nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern auf den Zeitpunkt der Abnahme der Reparaturleistung an. Im Zeitpunkt der tatsächlich erfolgten Abnahme habe weder ein Insolvenzantrag vorgelegen, noch wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Sie ist der Auffassung, dass sie berechtigt war, die Aufrechnung nach BGB oder der InsO zu erklären und diese Aufrechnung auch zulässig war. Sie behauptet des Weiteren, dass sie keine Kenntnis vom Antrag über das Insolvenzverfahren hatte. Darüber hinaus sehe der Reinigungsdienstliche Vertrag gerade ausdrücklich die Aufrechnung von gegenseitig entstehenden Forderungen vor, weshalb die Aufrechnungsmöglichkeit ausdrücklich vereinbart gewesen sei.
Das Gericht hat die Parteien persönlich angehört. Die Klage ist der Beklagten am 26.06.2023 zugestellt worden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Amtsgerichts Northeim gem. §§ 12, 17 ZPO in Verbindung mit § 4a GmbHG das örtlich zuständige Gericht, da sich der Sitz der Beklagten sich in N. befindet. Es kann daher dahinstehen, ob sich die örtliche Zuständigkeit daneben auch auf den besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß § 29 ZPO stützen ließe, der Kläger hat gemäß § 35 ZPO unter mehreren zuständigen Gerichten die Wahl und wählte vorliegend das Amtsgericht Northeim.
Zudem ist das Amtsgericht Northeim auch gemäß § 23 Nr. 1 GVG sachlich zuständig, da der Zuständigkeitsstreitwert gemäß § 3 ZPO die Summe von EUR 5.000,00 nicht übersteigt.
Die Klägerin ist Kraft Amtes gemäß § 80 InsO Partei des Rechtsstreits und gemäß § 51 Abs. 1 ZPO prozessführungsbefugt. Somit kann sie im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft die Rechte des Insolvenzschuldners im eigenen Namen geltend machen.
Die Beklagte ist als juristische Person gemäß § 50 ZPO in Verbindung mit § 13 Abs. 1 GmbHG parteifähig, jedoch gemäß §§ 51, 52 ZPO nicht prozessfähig, sondern muss sich gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG vom Geschäftsführer vertreten lassen.
Die Erhöhung des Klageantrags von den ursprünglichen 1187,14 € auf 1187,40 € ist eine zulässige Klageerweiterung im Sinne des § 264 Nr. 2 Alt. 1 ZPO.
II.
Die Klage ist in der Hauptsache begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch in voller Höhe zu. Die Einwendungen des Beklagten greifen nicht durch.
1.
Die Beklagte ist gemäß § 611 Abs. 1 BGB zur Gewährung der vereinbarten Vergütung nach erbrachter Dienstleistung verpflichtet. Ein Dienstvertrag über die Reinigung der Geschäftsräume der Beklagten war seit 2016 in Form eines Dauerschuldverhältnisses vereinbart. Ein Anspruch auf die Gegenleistung ist entstanden.
Entgegen des Vorbringens der Beklagten ist dieser Anspruch nicht durch Aufrechnung mit Wirkung des § 389 BGB erloschen. Der Vortrag der Beklagten, mit erfolgter Aufrechnung sei bereits Erfüllungswirkung eingetreten, greift nicht. Im Fall eines Insolvenzverfahrens sind an die Aufrechnung besondere Voraussetzungen geknüpft, die mit einer einfachen Aufrechnung nach § 387 ff. BGB keine Berücksichtigung finden.
Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg vortragen, dass die Aufrechnung sich vorliegend nach der Regelung in § 94 InsO richte und § 96 InsO nicht greife. Vorliegend ist die Aufrechnungslage mit der fälligen Leistung des Insolvenzschuldners nach erfolgter Reparatur am 26.09.2019 und der fälligen Leistung des Beklagten nach erbrachter Dienstleistung am 21.10.2019 im Sinne des § 94 InsO bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (01.01.2020) entstanden. Somit besteht zwar weiter hin die Möglichkeit der Aufrechnung während eines Insolvenzverfahrens. Allerdings sind auch die Regelungen zur Unzulässigkeit der Aufrechnung bei Insolvenzverfahren gemäß § 96 InsO zu beachten.
Vorliegend ist die Aufrechnung unzulässig gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Demzufolge muss der Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne der §§ 129 ff. InsO erlangt haben. Dies wird davon abhängig gemacht, ob eine kongruente (§ 130 InsO) oder eine inkongruente Deckung (§ 131 InsO) gegeben ist.
Die Beklagte macht geltend, an die Aufrechnung sind in diesem Fall die Voraussetzungen des § 130 InsO zu knüpfen, da eine kongruente Deckung gegeben sei. Eine kongruente Aufrechnungslage liegt grundsätzlich vor, wenn die aufzurechnenden Ansprüche aus einem einheitlichen Vertrag entstanden sind (Uhlenbruck InsO/Borries, Hirte, § 131 Rn. 52). Die Aufrechnungslage setzt sich jedoch vorliegend aus Forderungen zweier verschiedener Verträge zusammen. Der Anspruch der Beklagten auf Reparaturzahlung derjenigen Posten, die nicht von der Versicherung übernommen wurden, stammen aus einem einmalig vereinbarten Werkvertrag. Mit diesem Anspruch möchte sie gegen die Forderung aus dem fortlaufenden Reinigungsdienstleistungsvertrag aufrechnen. Die Deckung folgt nicht aus einem einheitlichen Vertrag, eine Kongruenz ist somit nicht gegeben. Es handelt sich um eine inkongruente Deckung im Sinne des § 131 InsO und der Vortrag der Beklagten geht somit fehl.
Allerdings bringt die Beklagte vor, dass der seit 2016 geschlossene Reinigungsvertrag ausdrücklich die Aufrechnung der Forderungen aus diesem Vertrag mit etwaigen Forderungen aus Reparaturverträgen vorsieht. Damit könnte eine die Aufrechnungsbefugnis begründende Verknüpfung zwischen der Forderung aus dem Dienstvertrag und dem Anspruch der Beklagten auf Reparaturzahlung vor Herstellung der Aufrechnungslage vorgenommen worden sein (vgl. BGH 08.12.2022 - IX ZR 175/21).
Die Klägerin trägt an dieser Stelle vor, dass eine solche Vereinbarung über die Aufrechnungsmöglichkeit zwischen der Beklagten und dem Insolvenzschuldner nie vorgelegen hat.
Das Gericht muss den Vortrag der Klägerin als richtig unterstellen. Denn die Beklagte, die insoweit beweispflichtig ist, konnte für ihre Behauptung keinen Beweis antragen. Den prozessualen Nachteil daraus trägt sie mit Rücksicht auf ihre Beweislast.
Die anfechtbare Rechtshandlung, also die Aufrechnung bei einer inkongruenten Deckung, wahrt darüber hinaus auch den zeitlichen Rahmen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Die Aufrechnung ist am 14.11.2019 erfolgt. Es wurde erst nach dem Antrag auf Durchführung des Insolvenzverfahrens aufgerechnet. Die Beklagte trägt an dieser Stelle vor, dass es gerade nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern auf den des Vertragsschlusses ankommt. Dies ist nicht mit dem Wortlaut des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO vereinbar und kann keine Berücksichtigung finden.
Des Weiteren wendet die Beklagte ein, sie habe keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Mandanten der Klägerin gehabt. Anders als bei § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO kommt es jedoch gerade bei § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht auf die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners an, weshalb auch dieser Einwand keinen Erfolg hat.
2.
Schließlich steht der Klägerin auch ein Anspruch auf Zahlung der Verzugszinsen seit dem 24.03.2023 gemäß §§ 288, 286 BGB zu.
III.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert wird auf 1187,40 € festgesetzt.