Abschnitt IV. EAÜ-RdErl - Verfahren
Bibliographie
- Titel
- Niedersächsisches Konzept für die Vorbereitung und Durchführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung im Rahmen der Führungsaufsicht (EAÜ-Konzept)
- Redaktionelle Abkürzung
- EAÜ-RdErl,NI
- Normtyp
- Verwaltungsvorschrift
- Normgeber
- Niedersachsen
- Gliederungs-Nr.
- 33350
1. Prüfung der formalen Voraussetzungen und Überprüfung
Die zuständige Vollstreckungsbehörde (§ 451 Abs. 1 StPO, § 82 Abs. 1 JGG) prüft spätestens neun Monate vor der voraussichtlich vollständigen Verbüßung einer Freiheits-, Gesamtfreiheits- oder Jugendstrafe von mindestens drei Jahren, in den Fällen von § 68b Abs. 1 Satz 5 StGB von mindestens zwei Jahren, ob die formalen Voraussetzungen nach § 68b Abs. 1 Satz 3 Nrn. 1 und 2 StGB vorliegen. Ist dies der Fall, so fordert sie unverzüglich eine Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt, der Jugendanstalt oder der Maßregelvollzugseinrichtung zu den Voraussetzungen nach § 68b Abs. 1 Satz 3 Nrn. 3 und 4 und Satz 5 Halbsatz 2 StGB an. Bei der Abfassung sämtlicher Stellungnahmen sind Aspekte des Opferschutzes zu beachten. So sind insbesondere Angaben zum Wohnort nach Möglichkeit zu vermeiden. Überdies besteht für die Justizvollzugsanstalten, die Jugendanstalt oder die Maßregelvollzugseinrichtungen die Möglichkeit, eigeninitiativ die Anordnung einer Weisung gemäß § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB anzuregen.
Sofern es sich bei der Anlasstat um eine dem Bereich der Politisch motivierten Kriminalität zuzuordnende Straftat (Definitionssystem Politisch motivierte Kriminalität, Bundeskriminalamt vom 29.11.2017) handelt, fordert die zuständige Vollstreckungsbehörde zugleich einen Bericht des LKA zu den dort vorhandenen, für eine Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 68b Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 und Satz 5 Halbsatz 2 StGB relevanten Erkenntnisse an.
Tritt Führungsaufsicht nach der Erledigung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung ein oder ist dies zu erwarten, so verfährt die Vollstreckungsbehörde entsprechend. Die Führungsaufsichtsstellen sind ebenfalls berechtigt, ein Verfahren auf Anordnung der EAÜ anzuregen. Die Führungsaufsichtsstellen arbeiten hierbei eng mit dem AJSD zusammen.
Gemäß § 68d Abs. 2 StGB ist durch das Gericht spätestens vor Ablauf von zwei Jahren zu prüfen, ob die Weisung aufzuheben ist.
2. Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt, der Jugendanstalt oder der Maßregelvollzugseinrichtung
2.1 Die Justizvollzugsanstalt, die Jugendanstalt oder die Maßregelvollzugseinrichtung übersendet der Vollstreckungsbehörde möglichst zeitnah ihre Stellungnahme dazu,
- a)
ob die Gefahr besteht, dass die Person weitere Straftaten der in § 66 Abs. 3 Satz 1 oder § 129a Abs. 5 Satz 2, auch i. V. m. § 129b Abs. 1 StGB genannten Art begehen wird (Einschätzung des Rückfallrisikos),
- b)
ob die Anordnung einer EAÜ geeignet und erforderlich ist, um die Person durch die Möglichkeit der Verwendung ihres Bewegungsprofils von der Begehung weiterer derartiger Straftaten abzuhalten.
Die Justizvollzugsanstalt, die Jugendanstalt oder die Maßregelvollzugseinrichtung soll in ihrer Stellungnahme zugleich Anregungen für die Erteilung konkreter Weisungen zur effektiven Minderung des Rückfallrisikos geben.
2.2 Die Übersendung der Stellungnahme erfolgt spätestens sechs Monate vor der voraussichtlich vollständigen Verbüßung der Freiheits-, Gesamtfreiheits- oder Jugendstrafe. Tritt Führungsaufsicht nach der Erledigung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung ein oder ist dies zu erwarten, so erfolgt die Übersendung möglichst zeitnah.
2.3 Zur Einschätzung des Rückfallrisikos (nach Nummer 2.1 Buchst. a) dienen die in Anhang 1 genannten Aspekte als Orientierungshilfe. Die Berücksichtigung weiterer Aspekte ist nicht ausgeschlossen. Die Einholung eines externen Gutachtens ist regelmäßig nicht erforderlich.
2.4 Die Stellungnahme zur Erforderlichkeit der EAÜ erfolgt unter Berücksichtigung der in Anhang 2 genannten Aspekte.
2.5 Hält die Justizvollzugsanstalt, die Jugendanstalt oder die Maßregelvollzugseinrichtung die Voraussetzungen der EAÜ für gegeben, so benennt sie eine Ansprechpartnerin oder einen Ansprechpartner nebst Erreichbarkeit per Telefon, Telefax und E-Mail.
3. Vorprüfung der Vollstreckungsbehörde
3.1 Die Vollstreckungsbehörde prüft die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt, der Jugendanstalt oder der Maßregelvollzugseinrichtung sowie im Fall einer Straftat, die der Politisch motivierten Kriminalität zuzuordnenden ist, die nach Nummer 1 übermittelten Erkenntnisse des LKA. Ferner prüft sie, welche Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht in Betracht kommen. Sofern die elektronische Überwachung von Ge- und Verbotszonen vorgeschlagen oder in Erwägung gezogen wird, prüft die Vollstreckungsbehörde auch, ob entsprechende Weisungen mit Blick auf die technischen und örtlichen Gegebenheiten hinreichend konkretisiert und für die Person verhältnismäßig ausgestaltet werden können. Hierbei sind die zwingenden technischen Anforderungen an eine spätere Überwachung, insbesondere zur Gestaltung der Ge- und Verbotszonen, die sich aus Nummer 3 des Anhangs 3 ("Erfassungsbogen Erstanlegung EAÜ") ergeben, mit in den Blick zu nehmen. Hierzu bedient sich die Vollstreckungsbehörde ggf. der Unterstützung der Zentralstelle KURS/EAÜ im LKA.
3.2 Sieht die Vollstreckungsbehörde trotz des Vorliegens der formalen Voraussetzungen (§ 68b Abs. 1 Satz 3 Nrn. 1 und 2 sowie Satz 5 Halbsatz 1 StGB) die Voraussetzungen für die Anordnung der EAÜ als offensichtlich nicht gegeben an, so ist dies in den Akten zu vermerken. Eine Beteiligung der Zentralen Fallkonferenz findet in diesem Fall nicht statt.
3.3 Anderenfalls übersendet die Vollstreckungsbehörde spätestens vier Monate vor der voraussichtlich vollständigen Verbüßung der Freiheits-, Gesamtfreiheits- oder Jugendstrafe gemäß § 474 Abs. 1 StPO Ablichtungen aus dem Vollstreckungsheft, insbesondere vom Urteil der Anlasstat, eventuell vorhandene Gutachten zur Frage der Schuldfähigkeit (sofern nicht bereits im Vollstreckungsheft enthalten), im Vollstreckungsverfahren eingeholte Prognosegutachten, etwaige KURS-Meldebögen, die Stellungnahme der Justiz- oder Maßregelvollzugseinrichtung sowie ein Datenblatt nach dem Muster des Anhangs 4 an die Koordinierungsstelle der Zentralen Fallkonferenz bei der Staatsanwaltschaft in Hannover (KFK). Im Fall einer Anlasstat, die der Politisch motivierten Kriminalität zuzuordnen ist, übersendet sie überdies den Bericht des LKA. Die KFK bringt den Fall spätestens drei Monate vor dem Entlassungstermin in die Zentrale Fallkonferenz ein.
4. Nachträgliche Prüfung
In Fällen, in denen in der zeitlichen Abfolge nicht wie in Nummer 3 verfahren werden kann, ist eine nachträgliche Prüfung der formalen Voraussetzungen vorzunehmen, um eine ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens in Vorbereitung einer Entscheidung sicherzustellen. Hinsichtlich des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer zum Eintritt und zur Ausgestaltung der Führungsaufsicht sollte in diesen Fällen durch die Vollstreckungsbehörde angeregt werden, einen Hinweis über den Vorbehalt einer entsprechenden Entscheidung aufzunehmen. Die Empfehlung der Zentralen Fallkonferenz (siehe Abschnitt V) soll auch in diesen Fällen eingeholt werden.
Außer Kraft am 1. Januar 2031 durch Nummer 2 des RdErl. vom 2. Dezember 2024 (Nds. MBl. 2024 Nr. 606, Nds. RPfl. 2025 S. 25)