Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.12.2024, Az.: 5 SLa 60/24

Vereinbarung der Erhöhung der Arbeitszeit während der Freistellungsphase eines Betriebsratsmitgliedes bei linearer Erhöhung der Arbeitsvergütung als Verstoß gegen das Begünstigungsverbot

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
05.12.2024
Aktenzeichen
5 SLa 60/24
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 31463
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2024:1205.5SLa60.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Braunschweig - 20.12.2023 - AZ: 3 Ca 228/23

Amtlicher Leitsatz

Die Arbeitszeiterhöhung eines freigestellten Betriebsratsmitgliedes ist eine unzulässige Begünstigung, es sei denn, sie ist durch besondere Umstände gerechtfertigt

Tenor:

wird auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 20.12.2023 - 3 Ca 228/23 - teilweise abgeändert und wie folgt neu tenoriert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.039,95 € netto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten auf jeweils 185,45 € seit dem 01.07.2023, seit dem 01.08.2023, seit dem 01.09.2023, seit dem 01.10.2023, seit dem 01.11.2023, seit dem 01.12.2023, seit dem 01.01.2024, seit dem 01.02.2024, seit dem 01.03.2024, seit dem 01.04.2024 und seit dem 01.05.2024 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Es wird festgestellt, dass die Vereinbarung der Parteien vom 13.05.2022 zu Erhöhung der Arbeitszeit des Klägers von 35 auf 40 Wochenstunden mit einer entsprechenden Vergütungserhöhung (40/35) für die Zeit vom 01.06.2022 bis 31.05.2026 unwirksam und nichtig ist.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtstreits haben die Beklagte 3 % und der Kläger 97 % zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der Vergütung, die dem Kläger als freigestelltem Betriebsratsmitglied zusteht.

Der Kläger ist ausgebildeter Koch und hat erfolgreich eine zweijährige Qualifikation zum staatlich geprüften Betriebswirt, Fachrichtung Hotel- und Gaststättengewerbe, absolviert. Er ist seit dem 01.10.2006 bei der Beklagten tätig. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Tochterunternehmen der V., die deutschlandweit ca. 10.000 Arbeitnehmer beschäftigt.

Seit dem 24.10.2010 ist der Kläger Betriebsratsmitglied und als solches seit dem 15.06.2011 von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt. Vor seiner Freistellung war er zuletzt als Projektleiter für Veranstaltungen beschäftigt. Zunächst hatte der Kläger laut Arbeitsvertrag eine betriebsübliche Arbeitszeit. Diese orientierte sich für den Kläger als einem außertariflichen Mitarbeiter an einer 40-Stunden-Woche, wohingegen Tarifmitarbeiter eine 35-Stunden-Woche haben. Als der Kläger sein Betriebsratsamt übernahm, ist seine Arbeitszeit auf 35 Stunden ohne schriftliche Vereinbarung herabgesetzt worden. Die Herabsetzung erfolgte ohne Kürzung der Arbeitsvergütung.

Bevor er das Betriebsratsamt übernahm, gab es mindestens zwei weitere Projektleiter, nämlich die Herren F. und V. Diese Projektleiter sind ca. ein halbes Jahr vor seiner Amtsübernahme zu Projektmanagern befördert worden und erhalten gegenwärtig ein Bruttomonatsentgelt von 7.791,00 € (F.) und 8.122,00 € (V.).

Auf Basis einer Betriebsvereinbarung vom 09.07.2012 überprüfte eine Kommission, in der sowohl zwei Vertreter der Personalleitung als auch der Betriebsratsvorsitzende und sein Stellvertreter tätig waren, die Betriebsratsvergütung. Bis zum Mai 2018 erhöhte sich das Monatseinkommen des Klägers aufgrund zahlreicher Kollektiverhöhungen und einiger Individualanpassungen auf 4.959,00 €.

Mit Wirkung zum 01.06.2021 erhöhten die Parteien die Wochenstundenzahl des Klägers befristet zum 31.05.2022, längstens für seine Tätigkeit "in dem Projekt Betriebsrat" während seiner fortlaufenden Freistellung als Betriebsratsmitglied mit der Ergänzungsvereinbarung vom 09.06.2021 von 35 auf 40 Stunden und passten sein Bruttomonatsentgelt entsprechend auf 5.667,00 € an. Unter dem 13.05.2022 verständigten sich die Parteien auf eine weitere Zusatzvereinbarung: "Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt ab dem 01.06.2022 bis zum 31.05.2026 40 Stunden. Das Bruttomonatsentgelt beträgt entsprechend dieser Arbeitszeit 40/35 des tariflichen Entgelts. Ein Zuschlag für Mehrarbeit erfolgt nicht. Nach Ablauf dieses Zeitraums richtet sich die Arbeitszeit wieder nach ihrem Arbeitsvertrag in seiner ursprünglichen Fassung. Die 40 Stunden Zusatzvereinbarung gilt für ihre Tätigkeit in dem Projekt Betriebsrat und endet automatisch im Falle eines Projektwechsels. Dies gilt unabhängig davon, ob der Wechsel auf ihre Veranlassung oder auf Veranlassung des Unternehmens erfolgt. Sodann richtet sich die Arbeitszeit nach ihrem Arbeitsvertrag in seiner ursprünglichen Fassung".

In Folge einer weiteren Kollektiverhöhung mit Wirkung zum 01.01.2022 belief sich das Bruttomonatsentgelt des Klägers sodann auf 5.798,00 € brutto.

Zum 01.10.2022 reduziert die Beklagte die Wochenarbeitszeit des Klägers wieder auf 35 Wochenstunden und nahm eine entsprechende Reduzierung seines Bruttomonatseinkommens auf 5.101,60 € vor, die sie jedenfalls im daraus sich ergebenen Nettolohn zur Auszahlung brachte. Im Folge einer weiteren Kollektiverhöhung zum 01.06.2023 von 5,2 % gewährte die Beklagte dem freigestellten Betriebsratsmitglied ab diesem Zeitpunkt 5.300,67 € brutto monatlich.

Das Urteil des BGH in Strafsachen vom 10.01.2023 nahm die Beklagte zum Anlass, ihr System der Betriebsratsvergütung kritisch zu überprüfen. Mit Schreiben vom 30.01.2023 kündigte die Beklagte in Folge dessen auch die Überprüfung der Betriebsratsvergütung des Klägers an und stellte weitere Vergütungszahlungen unter den Vorbehalt dieser Überprüfung. Daran anschließend hat sie mit Schreiben vom 21.04.2023 eine Rückforderung iHv. 3.482,00 € brutto geltend gemacht, die ihrer Meinung nach aus der Reduzierung der Bruttomonatsvergütung für die Zeit Oktober 2022 bis Februar 2023 und einer daraus sich ergebenden Überzahlung resultiere. Sodann behielt sie für die Monate Juni 2023 bis April 2024 monatlich 185,45 € netto von der auszuzahlenden Vergütung des Klägers aufgrund einer Aufrechnung ein.

Mit seiner Klage hat der Kläger erstinstanzlich die Zahlung der Bruttomonatsvergütungen für die Monate März bis Mai 2023 iHv. 5.798,00 € und ab Juni 2023 bis November 2023 iHv. 6.099,50 € geltend gemacht. Die erhaltenen Nettozahlungen hat er sich anrechnen lassen.

Die Beklagte hat die Klageabweisung beantragt und im Wege der Widerklage beantragt, festzustellen, dass die Vereinbarung der Parteien vom 13.05.2022 zur Erhöhung der Arbeitszeit des Klägers von 35 auf 40 Stunden mit einer entsprechenden Vergütungserhöhung (40/35) für die Zeit vom 01.06.2022 bis zum 31.05.2022 unwirksam und nichtig ist.

Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (dort Bl. 2 bis 5 desselben) verwiesen.

Mit Urteil vom 20.12.2023 hat das Arbeitsgericht die Klage im vollem Umfang abgewiesen und der Widerklage entsprochen. Wegen der genauen Einzelheiten der rechtlichen Würdigung wird auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils (dort Bl. 6 - 8 desselben) verwiesen. Dieses Urteil ist dem Kläger am 02.01.2024 zugestellt worden. Mit einem am 26.01.2024 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat er Berufung eingelegt und diese mit einem am 29.03.2024 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor das Rechtsmittelgericht mit Beschluss vom 01.03.2024 die Berufungsbegründungsfrist bis zum 02.04.2024 verlängert hatte.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger im vollen Umfang das erstinstanzliche Klageziel der Zuerkennung seiner Vergütungsansprüche und der Abweisung seiner Widerklage weiter und erweitert seine Klage um Bruttovergütungsansprüche abzgl. erhaltener Nettozahlungen für die Monate Dezember 2023 - August 2024. Er beanstandet, die Vorinstanz habe übersehen, dass er bereits erstinstanzlich bestritten habe, dass die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge und Steuern ordnungsgemäß abgeführt habe. Unabhängig von der Problematik, ob die Heraufsetzung der Arbeitszeit von 35 auf 40 Stunden rechtswidrig oder rechtmäßig gewesen ist, hätte das angefochtene Urteil die beiden Vergleichspersonen F. und V. nicht unberücksichtigt lassen dürfen. Die Gehälter dieser beiden Vergleichspersonen seien deutlich höher als das Gehalt des Klägers. Bereits deswegen erleide er eine Benachteiligung in Folge seiner Tätigkeit als Betriebsrat. Darüber hinaus rügt der Kläger die von der Beklagten gebildete Vergleichsgruppe als fehlerhaft. Schlussendlich sei auch die Heraufsetzung seiner Arbeitszeit während der Freistellung keine ungerechtfertigte Begünstigung, da auch die Vergleichspersonen F. und V. 40 Stunden in der Woche gearbeitet hätten.

Der Kläger beantragt unter Abänderung des angefochtenen Urteils,

die Beklagte zu verurteilen,

  1. 1.

    an den Kläger 11.596,00 € brutto abzüglich bereits gezahlter 7.018,62 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2023 zu zahlen,

  2. 2.

    an den Kläger 6.298,00 € brutto abzüglich bereits gezahlter 3.889,68 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2023 zu zahlen,

  3. 3.

    an den Kläger 5.798,00 € brutto abzüglich bereits gezahlter 3.385,23 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2023 zu zahlen,

  4. 4.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.099,50 € brutto abzüglich bereits gezahlter 3.556,33 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 01.07.2023 zu zahlen,

  5. 5.

    die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.099,50 € brutto abzüglich bereits gezahlter 3.558,67 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 01.08.2023 zu zahlen,

  6. 6.

    an den Kläger 7.575,43 € brutto abzüglich bereits gezahlter 4.482,69 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 01.09.2023 zu zahlen,

  7. 7.

    an den Kläger 6.099,50 € brutto abzüglich bereits gezahlter 3.549,94 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2023 zu zahlen,

  8. 8.

    an den Kläger 6.099,50 € brutto abzüglich bereits gezahlter 3.549,94 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2023 zu zahlen,

  9. 9.

    an den Kläger 6.099,50 € brutto abzüglich bereits gezahlter 3.549,94 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2023 zu zahlen.

  10. 10.

    Die Widerklage wird kostenpflichtig abgewiesen,

    unter Erweiterung der Klage die Beklagte zu verurteilen,

  11. 11.

    an den Kläger 6.099,50 € brutto abzüglich bereits gezahlter 3.549,94 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2024 zu zahlen,

  12. 12.

    an den Kläger 6.099,50 € brutto abzüglich bereits gezahlter 3.549,94 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2024 zu zahlen,

  13. 13.

    an den Kläger 7.099,50 € brutto abzüglich bereits gezahlter 4.579,21 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2024 zu zahlen.

    Mit Klageerweiterung vom 30.08.2024 beantragt er, die Beklagte zu verurteilen,

Mit Klageerweiterung vom 30.08.2024 beantragt er,

die Beklagte zu verurteilen,

  1. 14.

    an den Kläger 11.471,50 € brutto abzüglich bereits gezahlter 7.039,77 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2024 zu zahlen,

  2. 15.

    an den Kläger 6.699,50 € brutto abzüglich bereits gezahlter 3.961,61 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2024 zu zahlen,

  3. 16.

    an den Kläger 6.277,50 € brutto abzüglich bereits gezahlter 3.879,78 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2024 zu zahlen,

  4. 17.

    an den Kläger 6.277,50 € brutto abzüglich bereits gezahlter 3.879,78 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2024 zu zahlen,

  5. 18.

    an den Kläger 6.277,50 € brutto abzüglich bereits gezahlter 3.879,78 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2024 zu zahlen,

  6. 19.

    an den Kläger 7.802,38 € brutto abzüglich bereits gezahlter 4.849,03 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2024 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung einschließlich der Klageerweiterungen zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt die Auffassung, unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beinhalte eine Arbeitszeiterhöhung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds per se eine unberechtigte Begünstigung. Darüber hinaus meint sie, der Kläger lasse sich nur mit der Arbeitnehmerin Frau K. vergleichen. Soweit es sich um diese Vergleichsperson handele, weist sie unstreitig folgende Vergleichsparameter auf: Sie ist ebenso, wie der Kläger Projektleiterin gewesen und hat ursprünglich bei Übernahme der Amtstätigkeit des Klägers 3.369,50 € verdient. Bei einer ursprünglichen Arbeitszeit von 35 Wochenstunden ist diese bereits zum 01.11.2007 auf 40 Wochenstunden erhöht worden. Frau K. verfügt als Kellnerin über eine andere Berufsqualifizierung als der Kläger.

Steuern und Sozialabgaben habe sie ordnungsgemäß abgeführt.

Die aufgrund der Betriebsvereinbarung vom 09.07.2012 gebildete Kommission habe sich bei den Vergütungserhöhungen in der Vergangenheit fehlerhaft von anderen Personen leiten lassen und eine fehlerhafte Vergleichsgruppe gebildet. Unter Berücksichtigung der einzig als vergleichbaren Arbeitnehmerin in Betracht kommenden Frau K. rechtfertige sich auch die Aufrechnung iHv. 185,45 € netto pro Monat für den Zeitraum von Juni 2023 bis April 2024. Denn der Kläger habe aufgrund eines Vergleiches der Vergütungsentwicklung mit der einzig vergleichbaren Frau K. für die Monate Oktober 2022 bis Februar 2023 3.482,00 € zu viel erhalten.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufung, insbesondere wegen der genauen Bezifferung der klägerischen Ansprüche wird auf die Schriftsätze vom 29.03, 04.07, 30.08, 22.11. 27.11, 29.11.2024 sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 05.12.2024 verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

B.

Die Berufung des Klägers ist weit überwiegend unbegründet und war deswegen als solche zurückzuweisen, sie hatte nur in einem äußerst geringen Umfang Erfolg.

Die Beklagte schuldet dem Kläger die eingehaltenen Nettobeträge für die Monate Juni 2023 bis April 2024 iHv. jeweils 185,45 €, also insgesamt 2.039,95 € netto als Arbeitsvergütung gem. § 611 a Abs. 2 BGB iVm. dem Arbeitsvertrage der Parteien nebst geltend gemachter Zinsen. Weitere Zahlungen schuldet die Beklagte nicht. Auch war die widerklagende Feststellung der Vorinstanz zu bestätigen, der zufolge die Erhöhung der Arbeitszeit des Klägers auf 40 Stunden unwirksam und nichtig ist.

Im Einzelnen:

I.

Die in der Berufungsinstanz vorgenommenen Klageerweiterungen sind zulässig. Sie entsprechen insbesondere den Anforderungen des § 533 ZPO. Sie sind einerseits sachdienlich und darüber hinaus hat sich die Beklagte rügelos auf sie eingelassen. Auch ist das zweite Zulässigkeitserfordernis gegeben: Die Klageerweiterungen werden ausschließlich auf einen Sachverhalt gestützt, den das Berufungsgericht ohnedies seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. Denn mit den zweitinstanzlichen Klageerweiterungen trägt der Kläger lediglich dem Zeitlauf des Verfahrens Rechnung, ohne dass der entscheidungserhebliche Kern des Sachverhaltes eine Änderung erfahren hätte.

II.

1.

Zurückzuweisen war die Berufung des Klägers, soweit es um die Zuerkennung der Widerklage geht. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat die Vorinstanz dem Widerklagebegehren entsprochen.

a.

Die Widerklage ist zulässig. Sie entspricht den Vorgaben des § 33 Abs. 1 ZPO und enthält jedenfalls als sogenannte Zwischenfeststellungsklage gem. § 256 Abs. 2 ZPO das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Denn von der Klärung der zutreffenden Arbeitszeit hängt, jedenfalls zu einem großen Teil, der Erfolg der klageweise geltend gemachten Ansprüche ab.

b.

Die streitgegenständliche Vereinbarung der Erhöhung der Arbeitszeit während der Freistellungsphase bei linearer Erhöhung der Arbeitsvergütung verstößt gegen das Begünstigungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG und führt gem. § 134 BGB zur Nichtigkeit. Die Berufungskammer folgt bei ihrer Bewertung insoweit den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur entsprechenden Problematik eines freigestellten Personalratsmitglieds und überträgt diese Entscheidungen gewissermaßen "1:1" auf eine Arbeitszeiterhöhung eines Betriebsratsmitgliedes.

aa.

Soweit es das Personalvertretungsrecht anbelangt, ist eine Erhöhung der monatlichen Sollarbeitszeit eines freigestellten Personalratsmitglieds rechtsunwirksam und nichtig. Sie verstößt gegen das Ehrenamtsprinzip und das Begünstigungsverbot. Denn die Personalratstätigkeit ist grundsätzlich während der Arbeitszeit durchzuführen. Das gilt auch für freigestellte Personalratsmitglieder. Durch die Freistellung ändert sich nichts an Umfang und Dauer der vereinbarten Arbeitszeit. Die Zeit der Personalratstätigkeit außerhalb der persönlichen Arbeitszeit ist durch Dienstbefreiung in entsprechendem Umfang auszugleichen (BAG - 26.05.2021, 7 AZR 248/20 - Rn. 40 u. 41; BAG - 16.02.2005, 7 AZR 95/04 - Rn. 14 - 18).

bb.

Aus Sicht der Berufungskammer sind diese Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht für das Personalvertretungsrecht aufgestellt hat, auf die Arbeitszeiterhöhung eines freigestellten Betriebsratsmitgliedes zu übertragen: Zum einen zeigt die konkrete streitgegenständliche Vereinbarung, dass die Erhöhung der Arbeitszeit bei linearer Erhöhung der Arbeitsvergütung ausschließlich nur aufgrund der konkreten Tätigkeit des Klägers als freigestelltem Betriebsratsmitglied erfolgt ist. Dies hat die Vorinstanz uneingeschränkt zutreffend festgestellt. Darüber hinaus kann zu Gunsten des Klägers auch unterstellt werden, dass er für die Dauer der erhöhten Arbeitszeit während der Freistellung auch Betriebsratstätigkeit geleistet hat. Denn die Systematik des § 37 Abs. 3 BetrVG sieht keine automatische Erhöhung der Arbeitszeit vor, wenn ein Betriebsratsmitglied die ihm übertragene Betriebsratstätigkeit nicht innerhalb der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit bewerkstelligen kann. Vielmehr hat ein Betriebsratsmitglied für entsprechende, außerhalb der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit liegende Zusatztätigkeiten betriebsbedingte Gründe geltend zu machen und zunächst einmal lediglich einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung. Ausschließlich dann, wenn die Arbeitsbefreiung aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich ist, ist die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten, § 37 Abs. 3 Satz 3 BetrVG. Angesichts dieser Detailregelung ist die pauschale Erhöhung der Arbeitszeit eines Betriebsratsmitgliedes, das freigestellt ist, ohne Detailprüfung (erforderliche Betriebsratstätigkeit, betriebsbedingte Gründe, fehlende Möglichkeit einer Freistellung) eine Begünstigung, die gem. § 78 Satz 2 BetrVG ihre Unzulässigkeit indiziert.

cc.

Anhaltspunkte für eine besondere Rechtfertigung dieser Besserstellung, die den Charakter einer Begünstigung ausräumen können, sind nicht ersichtlich. Der Kläger kann sich nicht erfolgreich auf § 37 Abs. 4 BetrVG berufen, demzufolge das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrates nicht geringer bemessen werden darf als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit berufsüblicher Entwicklung.

cc1.

Soweit sich der Kläger mit den beiden Arbeitnehmern F. und V. vergleicht und geltend macht, diese hätten ein derart hohes Gehalt, dass selbst bei einer Kürzung auf 35/40 er noch die begehrte Vergütung aufgrund eines Vergleiches hätte beanspruchen können, ist dem entgegen zu halten, dass diese Arbeitnehmer keine tauglichen Vergleichspersonen iSd. § 37 Abs. 4 BetrVG bilden können. Denn sie sind - wie in der Kammerverhandlung unstreitig geworden ist - bereits zu einem Zeitpunkt befördert worden, als der Kläger noch nicht Betriebsratsmitglied gewesen ist.

cc2.

Soweit der Kläger schließlich auf Frau K. als Vergleichsperson rekurriert und darauf hinweist, dass ihre Arbeitszeit 40 Stunden betrage, ist gleichfalls darauf hinzuweisen, dass diese Arbeitszeiterhöhung ebenfalls zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, als der Kläger noch nicht Betriebsrat gewesen ist.

d.

Damit steht die unzulässige Begünstigung in Folge der Erhöhung der Arbeitszeit gem. § 78 Satz 2 BetrVG fest. Diese Erhöhung ist gem. § 134 BGB nichtig, sodass die Feststellungsklage auch begründet ist.

2.

Die Klage hat nur in geringem Umfang Erfolg.

a.

Mit dem unter B II 1 dargestelltem Ergebnis steht jedenfalls teilweise die Unbegründetheit der Klage und der Berufung fest.

Denn der Kläger musste die lineare Kürzung seiner Vergütung auf 35/40 hinnehmen.

b.

Zu Lasten des Klägers steht ebenfalls fest, dass die Beklagte Steuern und Sozialabgaben ordnungsgemäß abgeführt hat. Aus Sicht der Berufungskammer darf ein Arbeitnehmer ohne nähere Anhaltspunkte nicht pauschal bestreiten, der Arbeitgeber habe Steuern und Sozialabgaben abgeführt, wenn zum einen eine Vergütungsabrechnung vorliegt, die die abzuführenden Beträge aufweist und zum anderen die sich daraus ergebenen Nettobeträge an den Arbeitnehmer ausgezahlt werden. Beides ist im vorliegenden Streitfall der Fall gewesen.

Den Arbeitnehmer trifft eine Erkundigungspflicht. Die Sachverhaltsaufklärung der Berufungskammer gem. § 139 ZPO im Termin zur Kammerverhandlung vom 05.12.2024 hat gezeigt, dass der Kläger keinerlei Erkundigungsmöglichkeiten wahrgenommen hat und sein Bestreiten schlicht und ergreifend ins Blaue hinein erfolgt ist. Zu seinen Lasten steht gem. § 138 Abs. 4 ZPO fest, dass die Beklagte Steuern und Sozialabgaben entsprechend ihren Vergütungsabrechnungen abgeführt hat, sodass auch insoweit die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche, soweit sie zurecht bestehen, gem. § 362 BGB erfüllt sind.

c.

Lediglich soweit es die einbehaltene Nettovergütung in den Monaten Juni 2023 bis April 2024 iHv. 2.039,00 € netto anbelangt, haben Klage und Berufung in geringem Ausmaß Erfolg. Dem Kläger steht dieser Betrag nebst entsprechender Verzinsung gem. §§ 286, 288 BGB als Arbeitsvergütung gem. § 611 a Abs. 2 BGB iVm. mit dem Arbeitsvertrag der Parteien und die Zinsen unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzuges zu.

aa.

Dieser Anspruch ist zunächst einmal unstreitig entstanden.

bb.

Dieser Anspruch ist nicht durch die Aufrechnung der Beklagten gem. §§ 387, 389 BGB erloschen. Die Aufrechnung ist zwar zulässig, insbesondere ist sie hinreichend bestimmt und betrifft die pfändbare Beträge des Klägers, die nicht dem Aufrechnungsverbot des § 394 BGB unterfallen. Jedoch fehlt es an einer Aufrechnungslage, konkret an einer zur Aufrechnung gestellten Forderung. Der Beklagten steht unter keinerlei rechtlichem Gesichtspunkt eine Rückforderung überzahlter Vergütung gem. § 812 Abs. 1 BGB vor dem Hintergrund einer ungerechtfertigten Bereicherung wegen Überzahlung in den Monaten Oktober 2022 bis Februar 2023 zu.

bb1.

Ein Teil dieser Forderung ist aufgrund der anwendbaren Verfallfrist von drei Monaten bereits verfallen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass das Schreiben vom 30.01.2023 keine ordnungsgemäße Geltendmachung dieser Forderung beinhaltet, dieselbe vielmehr erstmals ordnungsgemäß mit Schreiben vom 21.04.2023 geltend gemacht worden ist. Damit sind Rückforderungsansprüche, die aufgrund einer Überzahlung in den Monaten Oktober bis Dezember 2022 resultieren könnten, verfallen.

bb2.

Darüber hinaus lässt sich zu Gunsten der Beklagten auch keine Überzahlung in dem zuvor genannten Zeitraum, einschließlich der Monate Januar und Februar 2023 feststellten.

Die Beklagte begründet ihren Rückforderungsanspruch damit, der Kläger sei unabhängig von der Erhöhung der Arbeitszeit auch schon deswegen begünstigt worden, weil aufgrund eines Vergleiches gem. § 37 Abs. 4 BetrVG gegenüber der einzigen Vergleichsperson, der Arbeitnehmerin Kröger, eine unzulässige Begünstigung gem. § 78 Satz 2 BetrVG vorgelegen habe.

Diese Rechtsauffassung der Beklagten wird vom Berufungsgericht nicht geteilt. Zutreffend ist im Ausgangspunkt sicherlich die Auffassung, der zufolge bereits eine einzige Person für eine Vergleichsgruppenbildung im Sinne des § 37 Abs. 4 BetrVG ausreichend ist. Im konkreten Einzelfall ist jedoch hervorzuheben, dass es sich bei der Vergütung des Klägers um eine außertarifliche Vergütung handelt, ebenso wie bei der Vergütung der von der Beklagten als vergleichbar angesehen Arbeitnehmerin Kröger. Bei außertariflichen Mitarbeitern gibt es kein objektiv messbares Vergütungsschema, mit dem eine Arbeitsvergütung gewissermaßen mathematisch, nämlich durch Zuordnung zu den Tätigkeiten einer Tarifgruppe, festgestellt werden kann. Die naheliegende und zulässige Möglichkeit einer individuellen Besserstellung ist in der Arbeitswelt typisch und in keiner Weise zu beanstanden. Zu Gunsten des Klägers ist nicht ausgeschlossen, dass er im Vergleich zu Frau K. deswegen individuell durch eine individuelle Besserstellung eine höhere Vergütung erhielt, weil er eine höhere Ausgangsqualifikation aufweist, die schon als erheblich bewertet werden kann (Kellnerin/staatlich geprüfter Betriebswirt). Die Honorierung einer Qualifikation auch bei gleicher Tätigkeit ist unserer Rechtsordnung nicht wesensfremd. Eine unzulässige Begünstigung des Klägers gegenüber der Frau K. lässt sich nicht feststellen, so dass unabhängig von dem Problem der Ausschlussfristen auch eine Überzahlung und damit ein Rückforderungsanspruch zu Gunsten der Beklagten nicht feststellbar ist.

C.

Gem. § 92 Abs. 2 ZPO war die ausgeurteilte Kostenquote gerechtfertigt. Bezogen auf den Gesamtstreitwert war der Kläger nur mit einem Anteil von 3 % siegreich und zu 97 % unterlegen. Gem. § 72 Abs. 2 ArbGG war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (Vergütung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern) die Revision zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen.

D.

Dieses Urteil wird den Parteien in einer berichtigten Fassung übermittelt (Korrektur eines Tippfehlers). Es wird auf § 319 ZPO und das Hinweisschreiben des Gerichts vom 17.12.2024 verwiesen.