Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 01.11.2024, Az.: 10 A 2868/21
Côte d Ivoire; Guillaume Soro; Herzkrankheit; Verelendung; Drohende Verelendung in Côte d'Ivoire wegen hoher Kosten für medikamentöse Behandlung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 01.11.2024
- Aktenzeichen
- 10 A 2868/21
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2024, 27952
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2024:1101.10A2868.21.00
Rechtsgrundlagen
- AsylG § 3 Abs. 1
- AufenthG § 60 Abs. 5
- EMRK Art. 3
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Politische Anhänger von Guillaume Soro können in Côte d'Ivoire von Verfolgung bedroht sein, jedoch nicht, wenn es sich weder um aktive noch um prominente Unterstützer handelt. Letzteren steht iregelmäßig zumindest eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung.
- 2.
Bei der Prüfung eines Abschiebungsverbots wegen drohender Verelendung sind die Erwerbsaussichten des Klägers auf dem heimischen Arbeitsmarkt und etwaige medizinische Mehrbedarfe zu berücksichtigen.
Tenor:
Es wird festgestellt, dass für den Kläger ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Côte d'Ivoire besteht. Der Bescheid der Beklagten vom 10.02.2021 wird hinsichtlich der Ziffern 4) bis 6) aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zu 2/3, die Beklagte zu 1/3. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus und die Feststellung von Abschiebungsverboten.
Der 64 Jahre alte Kläger ist ivorischer Staatsangehöriger, zugehörig zur Volksgruppe der Guéré und christlich-katholischen Glaubens aus H..
Der Kläger verließ Côte d'Ivoire am 08.10.2020 und reiste u.a. über Nigeria, wo er ein Visum für die Einreise in die Bundesrepublik beantragte und erhielt, am 14.11.2020 auf dem Luftweg nach Deutschland ein. Am 19.01.2021 stellte er einen Asylantrag bei der Beklagten.
Seine persönliche Anhörung bei der Beklagten erfolgte am 01.02.2021. Er berichtete, dass er seit dem Jahr 2003 in einem eigenen Haus in Abidjan gewohnt habe, zuletzt zusammen mit seiner Tochter und seiner jüngeren Schwester. Außerdem lebe in Côte d'Ivoire noch sein jüngerer Bruder. Zu diesen Verwandten habe er ein gutes Verhältnis. Beruflich sei er bis zum Jahr 2016 als Buchhalter in einem Hotel tätig gewesen und danach im Lebensmittelhandel.
Verlassen habe er Côte d'Ivoire aus politischen Gründen, denn er sei Mitglied der Partei GPS (Générations et peuples solidaires, Generation der Volkseinigkeit) von Guillaume Soro gewesen. Seit 2017 sei er bereits Mitglied der Union des Soroismus gewesen und seit 2019 dann Mitglied der Partei. Vorher sei er auch schon politisch aktiv gewesen, aber ohne für öffentliche Ämter zu kandidieren. Der GPS beigetreten sei er, weil ihn überzeugt habe, dass Guillaume Soro Werte wie Gerechtigkeit und Demokratie vertrete. Außerdem sei er jung und kämpfe für die junge Generation. Er habe die Partei unterstützt und vertreten und besitze auch noch seine Parteimitgliedskarte. Seine Aufgaben seien u.a. die Organisation von Demonstrationen und Empfängen gewesen.
Vor den letzten Präsidentschaftswahlen in Côte d'Ivoire seien Demonstrationen verboten gewesen. Man dürfe die Regierung nicht kritisieren, sonst lande man im Gefängnis. Zudem sei es Guillaume Soro verboten worden, nach seiner Ausreise nach Côte d'Ivoire zurückzukehren. Seine Anhänger seien dagegen gewesen, dass der amtierende Präsident noch einmal kandidierte, weil eine dritte Kandidatur gegen die Verfassung verstoße. Wegen ihrer Aktivitäten seien die Anhänger Soros in Côte d'Ivoire seit August 2020 verfolgt worden. Ihn habe man bei einer Demonstration ins Gesicht geschlagen. Zweimal sei man auch bei ihm zu Hause gewesen, um ihn zu suchen und zu töten. Dabei hätten seine Verfolger die Tür des Hauses zerstört. Andere Anhänger von Guillaume Soro seien auf der Straße mit Macheten abgeschlachtet worden. Die Regierung unternehme nichts gegen die Leute, die sie angriffen.
Vor seiner Ausreise sei er in das Dorf I., seinen Geburtsort, geflüchtet und habe sich dort versteckt. Auch danach seien noch viele Leute getötet worden. In einem anderen Teil von Côte d'Ivoire sei es für ihn nicht sicher gewesen, denn auch dort hätte man ihn finden können. Er habe Geld gesammelt und sei dann ausgereist, nachdem er jemanden gefunden hatte, der ihm helfen wollte. Der Mann habe ihm in Nigeria ein Visum besorgt, allerdings auf einen falschen Namen. Dessen Bruder habe ihn in B-Stadt empfangen und ihm alle Dokumente abgenommen. Nunmehr habe er manchmal Ängste und habe in Deutschland schon zweimal wegen seines Blutdrucks im Krankenhaus behandelt werden müssen. Außerdem benötige er psychologische Betreuung.
Mit Bescheid vom 10.02.2021, zugestellt am 17.03.2021, lehnte die Beklagte die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1), den Antrag auf Asylanerkennung (Ziffer 2) und die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Ziffer 3) ab, stellte das Fehlen von Abschiebungsverboten fest (Ziffer 4), drohte die Abschiebung nach Côte d'Ivoire an (Ziffer 5) und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate (Ziffer 6). Sie begründete die Ablehnung im Wesentlichen damit, dass der Kläger ein konkretes Interesse der ivorischen Regierung daran, ihn zu verfolgen, nicht habe nachweisen können. Er habe keinen kohärenten Sachvortrag vorbringen können und vielfach Ereignisse geschildert, die nicht ihm, sondern anderen Personen wie etwa Guillaume Soro widerfahren seien.
Der Kläger hat am 31.03.2021 Klage erhoben.
Er hält den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig und argumentiert, die Beklagte habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass er bei der beschriebenen Demonstration Opfer von Gewalt geworden sei. Man habe ihm mit einem Stock auf den Kopf geschlagen. Dadurch habe er eine Platzwunde davongetragen, wegen derer er sich in ärztliche Behandlung habe begeben müssen. Die Verfolger, die zu ihm nach Hause gekommen seien, um ihn zu töten, hätten der Regierungspartei RHDP angehört. Dies habe er von den Nachbarn erfahren.
Ferner sei er gesundheitlich beeinträchtigt und leide an einer Herzerkrankung. Deswegen müsse er regelmäßig Medikamente einnehmen. Medikamente gleicher Qualität könne er in Côte d'Ivoire nicht bekommen bzw. nicht finanzieren. Wenn er die Medikamente nicht mehr einnehmen könne, drohe er zu erblinden oder an einer Herzerkrankung zu sterben.
Er legte eine ärztliche Bescheinigung eines Allgemeinmediziners vom 07.04.2021 vor, derzufolge er an einer hypertensiven Herzkrankheit (krankhafte Vergrößerung der Muskelmasse der linken Herzkammer) und arterieller Hypertonie (Bluthochdruck) leidet. In einer weiteren Bescheinigung vom 29.07.2021 bestätigt der Mediziner diese Diagnose und ergänzt, dass der Kläger auch an einer hypertrophen, nicht obstruktiven Kardiomyopathie (Verdickung des Herzmuskels) und einer Linksherzinsuffizienz mit Beschwerden bei stärkerer Belastung leide. Seine Blutdruckwerte seien überwiegend hyperton und hätten sich medikamentös bisher nicht normalisieren lassen. Er werde mit den blutdrucksenkenden Medikamenten Valsartan, Metoprolol, Amlodipin, Xipamid und Spironolacton behandelt. Ein Kardiologe bestätigt in einer vorgelegten Bescheinigung vom 20.07.2021, dass der Kläger an einer hypertrophen, nicht obstruktiven Kardiomyopathie (jetzt dekompensiert) sowie einer arteriellen Hypertonie leidet. In letzter Zeit habe er vermehrte Dyspnoesymptomatik (Atemnot, Kurzatmigkeit). In einer Bescheinigung vom 26.09.2023 bestätigt der Hausarzt des Klägers die bereits getroffene Diagnose nochmals. Nunmehr werde er mit den blutdrucksenkenden Medikamenten Valsartan, Metoprolol succinat, Amlodipin besilat, Spironolacton und Chlortalidon sowie dem Medikament Allopurinol (zur Behandlung von Gicht) behandelt.
Ausweislich einer Bescheinigung des Augenzentrums Hildesheim-Alfeld vom 14.07.2021 leidet der Kläger außerdem an einem fortgeschrittenen Glaukom (Grüner Star) sowie an Cataracta senilis incipiens (altersbedingter Grauer Star), an Hyperopie (Weitsichtigkeit), Astigmatismus (Hornhautverkrümmung), Presbyopie (Altersweitsichtigkeit) und Pterygium (gutartige Wucherung der Bindehaut). Das Glaukom werde mit Augentropfen zur Senkung des Augeninnendrucks (Fixaprost, Wirkstoffkombination aus Timolol und Latanoprost) behandelt. Wenn er die Therapie einstelle, drohe er zu erblinden. In einer weiteren Bescheinigung des Augenzentrums vom 11.03.2024 wird ausgeführt, der Kläger leide an einem chronischen Offenwinkelglaukom und einer Cataracta incipiens (frühes Stadium des Grauen Stars). Die Fixaprost Augentropfen seien zurzeit nicht lieferbar, sodass er mit Arucom Augentropfen (Wirkstoffe Latanoprost und Timolol) behandelt werde. Es gebe in der Glaukomtherapie mittlerweile fünf verschiedene Wirkstoffe, die man lokal als Augentropfen applizieren könne. Es könnten durchaus auch andere Augentropfen gegeben werden als die jetzigen, sofern der Augendruck ausreichend gesenkt werde.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 10.02.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus, weiter hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Côte d'Ivoire bestehen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung und ergänzt, Côte d'Ivoire verfüge über eine ausreichende medizinische Infrastruktur. Es gebe zahlreiche private Kliniken sowie größere staatliche Krankenhäuser, welche sich zum größten Teil in Abidjan befänden. Die Behandlung selbst sei in staatlichen Krankenhäusern kostenlos, jedoch müssten erforderliche Medikamente und Behandlungsmaterialien wie Handschuhe, Verbände etc. vorab selbst gekauft werden. Die Dichte an Apotheken sei in den größeren Städten hoch. Sie seien gut ausgestattet und verkauften gängige Medikamente aller Art, meist sogar rezeptfrei. Viele Medikamente würden zudem staatlich subventioniert, sodass diese auch für finanziell schlechter gestellte Patienten zugänglich seien. Inzwischen bestehe zudem landesweit Zugang zur universellen Krankenversicherung CMU.
Die Medikamente Valsartan, Metoprolol succinat, Amlodipin, Spironolacton, Chlortalidon, Allopurinol, Latanoprost und Timolol seien in Côte d'Ivoire verfügbar. Ebenso könne der Kläger beispielsweise im Universitätskrankenhaus in Abidjan kardiologisch und ophthalmologisch umfassend behandelt werden. Nach Auskunft von MedCOI seien allerdings von der öffentlichen Krankenversicherung nur allgemeine augenärztliche Untersuchungen abgedeckt, die Behandlung des Glaukoms (einschließlich Medikamente und Untersuchungen) jedoch nicht.
In der mündlichen Verhandlung berichtete der Kläger unter anderem, dass seine Tochter mittlerweile 15 Jahre alt sei und nunmehr bei seiner Schwester in J. lebe. Zu ihrer Mutter habe er keinen Kontakt und wisse nicht, wo sie lebe. Seine Schwester betreue seine Tochter nur deswegen, weil er außer Landes sei, sodass er bei einer Rückkehr nach Côte d'Ivoire wieder die Verantwortung übernehmen müsse. Sein Bruder sei, nachdem er, der Kläger, aus Côte d'Ivoire ausgereist sei, an einem Herzinfarkt verstorben. Er sei noch ins Krankenhaus transportiert worden, aber seine Familie habe die notwendigen Medikamente nicht finanzieren können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen elektronischen Asylakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht entscheidet durch die Einzelrichterin, der die Kammer den Rechtsstreit mit Beschluss vom 08.09.2023 übertragen hat (§ 76 Abs. 1 AsylG). Die Einzelrichterin konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 01.11.2024 teilgenommen hat, weil sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Folge hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
Im Hinblick auf die begehrte Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist der Ablehnungsbescheid des Bundesamtes vom 10.02.2021 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Dem Kläger steht im hier maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) kein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG oder auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG zu.
Der Kläger beruft sich gem. Art. 16a Abs. 1 GG auf politische Verfolgung. Ferner ist er aus Nigeria auf dem Luftweg nach Deutschland eingereist und damit nicht aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder aus einem anderen Drittstaat, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist, Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG.
Ein Ausländer ist Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
Die Furcht vor Verfolgung ist im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG wie auch des § 3 Abs. 1 AsylG begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ("real risk"), drohen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.10.2020 - 9 A 1980/17.A -, juris Rn. 32). Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn sich die Rückkehr in den Heimatstaat aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen als unzumutbar erweist, weil bei Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände die für eine bevorstehende Verfolgung streitenden Tatsachen ein größeres Gewicht besitzen als die dagegen sprechenden Gesichtspunkte (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23/12 -; Urteil vom 05.11.1991 - 9 C 118/90 -, juris).
Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 (Qualifikationsrichtlinie) ist die Tatsache, dass ein Geflüchteter bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung begünstigt den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorschädigung durch eine Beweiserleichterung und begründet eine widerlegliche Vermutung, dass sich ein früherer Schadenseintritt bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen wird.
Es obliegt dabei dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es der Schilderung eines in sich stimmigen Sachverhaltes, aus dem sich bei unterstellter Wahrheit ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist.
Die Einzelrichterin konnte nicht die Überzeugung gewinnen, dass dem Kläger in seinem Herkunftsland Côte d'Ivoire zum Entscheidungszeitpunkt wegen seiner politischen Überzeugung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen durch die ivorische Regierung bzw. deren politische Anhänger drohen, §§ 3a Abs. 1, 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG. Denn dem Kläger steht jedenfalls interner Schutz gem. § 3e AsylG zur Verfügung.
Nach § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist unter dem Begriff der politischen Überzeugung insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist. Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2).
Nach umfangreicher Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung spricht nach der Einschätzung der Einzelrichterin Überwiegendes dafür, dass er tatsächlich Anhänger des ivorischen Politikers und ehemaligen Premierministers Guillaume Soro ist und zu dessen Unterstützung in Côte d'Ivoire auch politisch aktiv war.
Nach einem Jahrzehnt des Bürgerkriegs und der Unruhen haben Präsident Ouattara und seine Regierung das Land seit 2011 stabilisiert und es geschafft, bis 2019 die vollständige territoriale Kontrolle und das Gewaltmonopol zu erlangen. Einer der Hauptgründe für den anhaltenden Bürgerkrieg waren die Bürgerrechte. Sowohl den Bewohnern der nördlichen Gegenden des Landes als auch den Arbeitsmigranten, die seit Jahrzehnten in Côte d'Ivoire leben, wurden viele Jahre lang wichtige Elemente der Staatsbürgerschaft verweigert. Politiker schürten die nationalistische Vorstellung von "Ivoirité" und verbreiteten die Überzeugung, dass die "Südländer" die wahren Ivorer seien, während fremdenfeindliche Gefühle und Handlungen gegen die "Nordländer" gerichtet waren, unabhängig von ihrer ivorischen Staatsangehörigkeit. Der Wahlsieg Ouattaras, eines "Nordländers", im Jahr 2010/11 hat das Problem teilweise gelöst, da neue Verfassungsregeln die "Ivoirité"-Bestimmungen in den Wahlvorschriften schwächten und "Nordländer" nicht mehr diskriminiert werden. Viele Anhänger der Opposition betrachten "Ivoirité" jedoch nach wie vor als eine solide Politik und stellen die Legitimität des gegenwärtigen Nationalstaats weiterhin in Frage (Bertelsmann Stiftung, BTI 2024 Country report. Côte d'Ivoire, 19.03.2024, S. 6). Viele "Südländer" empfinden die "Nordländer", darunter auch Ouattara, immer noch als fremd. Die Anhänger des früheren Präsidenten Laurent Gbagbo kritisieren ferner, dass die Justiz "Siegerjustiz" betrieben habe, indem sie überwiegend nur diejenigen, die dem ehemaligen Präsidenten nahestanden, wegen Verbrechen, die während des Bürgerkriegs begangen wurden, strafrechtlich verfolgt hat. Gbagbos Verbündete sind in der politischen und öffentlichen Sphäre in Côte d'Ivoire praktisch nicht mehr vertreten (BTI Transformation Index, 28.01.2019, https://blog.bti-project.org/2019/01/28/post-conflict-cote-divoire-liberia-hostility-still-looming/, aufgerufen am 01.11.2024).
Guillaume Soro war während des Bürgerkrieges in Côte d'Ivoire seit dem Jahr 2002 ein Rebellenführer und Generalsekretär der Forces Nouvelles de Côte d'Ivoire, die die drei Rebellenbewegungen (MPCI, MPIGO, MJP) vereinten. Als solcher leistete er dem heutigen Präsidenten Alassane Ouattara entscheidende militärische Unterstützung in seinem Kampf gegen den damaligen Präsidenten Laurent Gbagbo. Als der Bürgerkrieg im Jahr 2007 mit einem Waffenstillstand endete, wurde er zum Premierminister ernannt und im Zuge der Wahlkrise in Côte d'Ivoire in den Jahren 2010/2011 von Ouattara mit der Regierungsbildung beauftragt. Am 08.03.2012 trat Soro als Premierminister zurück. Im Anschluss war er Präsident der Nationalversammlung, bis er auch dieses Amt im Februar 2019 niederlegte und sich ins Exil begab. Er vollzog einen radikalen Wandel und verbreitete nunmehr Aufrufe zur Versöhnung und Vergebung und forderte die Freilassung politischer Gefangener. Vom Exil aus gründete er im Juli 2019 gründete eine eigene Partei, die Bürgerbewegung "Générations et Peuples Solidaires" (GPS) und kündigte im Oktober 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen an. Im April 2020 wurde Soros Präsidentschaftskandidatur für ungültig erklärt, nachdem er zu 20 Jahren Haft wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder verurteilt worden war. Er wurde beschuldigt, einen "zivilen und militärischen Aufstand" angezettelt zu haben, um das Regime von Alassane Ouattara 2019 zu stürzen. Im Juni 2021 wurde er wegen "Gefährdung der Staatssicherheit" in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Gruppierung GPS wurde im Jahr 2023 per Gerichtsbeschluss aufgelöst, doch Vertreter der Partei legten Berufung gegen das Urteil ein, über welche bis heute nicht entschieden ist (Anadolu Ajansi, 14.02.2023, https://www.aa.com.tr/fr/afrique/c%C3%B4te-divoire-la-cour-dappel-dabidjan-confirme-la-perp%C3%A9tuit%C3%A9-pour-guillaume-soro/2819686; Gouvernement de Côte d'Ivoire, https://www.gouv.ci/personnalites/Biographie_GKS.pdf; jeune afrique, https://www.jeuneafrique.com/personnalites/guillaume-soro/; Afrique-sur7, https://www.afrique-sur7.fr/480030-dissolution-gps-soroistes-france; France 24, 13.11.2023, https://www.france24.com/en/africa/20231113-former-ivory-coast-pm-guillaume-soro-says-ending-self-imposed-exile; BBC, Guillaume Soro: l'ancien chef rebelle qui veut diriger la Côte d'Ivoire, 07.11.2019, https://www.bbc.com/afrique/region-50317192, jeweils aufgerufen am 01.11.2024).
Der Kläger schilderte, dass er bis zu dem Zeitpunkt, als Guillaume Soro sich von Alassane Ouattara losgesagt habe, frustriert gewesen sei von der ivorischen Politik, in der sich ständig zwei Parteien, die von Ouattara und Gbagbo, bekriegt hätten. Im Bürgerkrieg 2010/2011 seien mehrere seiner Onkel in ihren Dörfern getötet worden. Soro habe diese Politik revolutioniert, indem er sich für die Vereinigung von Côte d'Ivoire als ein Land und dafür eingesetzt habe, das ivorische Volk zu befrieden. Diese Vision habe ihn, den Kläger, überzeugt, sodass er sich dazu entschieden habe, Soro zu unterstützen.
In den vergangenen Jahren wurden mehrere Unterstützer von Guillaume Soro verhaftet und angeklagt. Im August 2020 wurden fünf Frauen der Oppositionspartei GPS auf dem Weg zu einer friedlichen Protestveranstaltung festgenommen. Sie alle befanden sich zum Jahresende 2020 im MACA-Gefängnis in Abidjan in Haft (Amnesty International, Amnesty International Report 2020/21; The State of the World's Human Rights; Côte d'Ivoire 2020, 07.04.2021). Im Mai 2022 berichteten die Medien über die Verhaftung von Abdoulaye Fofana, dem ehemaligen Adjutanten von Guillaume Soro. Medienberichten zufolge erfolgte diese Verhaftung aufgrund eines Haftbefehls, der 2021 von der Justiz wegen "Störung der öffentlichen Ordnung und illegalem Tragen von Militärkleidung" ausgestellt wurde, nachdem Fofana in den sozialen Medien Erklärungen veröffentlicht hatte, in denen er Soldaten zur Unterstützung einer "Meuterei" aufrief (U.S. Department of State (USDOS), 2022 Country Report on Human Rights Practices: Cote d'Ivoire). Im November 2023 wurden mit Kouablan Messou und Sié Coulibaly zwei Führungskräfte der Partei GPS verhaftet (jeune afrique, 21.11.2023, https://www.jeuneafrique.com/1506489/politique/en-cote-divoire-deux-proches-de-guillaume-soro-arretes/, aufgerufen am 01.11.2024).
Im August 2024 wurden zwei von Soros engen Vertrauten, Soumahoro Kando und Mamadou Traoré, jeweils zu zwei Jahren Haft verurteilt. Traoré warf man vor, in sozialen Netzwerken Falschinformationen verbreitet zu haben (jeune afrique, 16.08.2024, https://www.jeuneafrique.com/1599631/politique/en-cote-divoire-mamadou-traore-proche-de-soro-condamne-a-deux-ans-de-prison/, aufgerufen am 01.11.2024). Kando wurde beschuldigt, im Namen der verbotenen Partei GPS ein Protokoll unterzeichnet zu haben. Eine Koalition aus politischen Parteien und Organisationen der Zivilgesellschaft brachte ihre Besorgnis über die Verhaftung von Kando zum Ausdruck und die politische Opposition vertrat die Ansicht, dass die Verhaftung von Kando ein Beispiel dafür sei, dass das Justizsystem für politische Zwecke manipuliert werde, um politische Führer und die Zivilgesellschaft in ihrem Streben nach Einheit einzuschüchtern (APA News, 21.08.2024, https://apanews.net/ivorian-opposition-demands-release-of-pro-soro-leader/; jeune afrique, 22.08.2024, https://www.jeuneafrique.com/1601066/politique/cote-divoire-un-nouveau-proche-de-guillaume-soro-condamne/, aufgerufen am 01.11.2024). Guillaume Soro selbst kündigte im November 2023 an, nach Côte d'Ivoire zurückkehren zu wollen (jeune afrique, 24.11.2023, https://www.jeuneafrique.com/1507843/politique/guillaume-soro-peut-rentrer-en-cote-divoire-quand-il-veut/, aufgerufen am 01.11.2024). Möglicherweise plant er ebenfalls bei den kommenden Präsidentschaftswahlen zu kandidieren (BAMF, Briefing Notes, 13.05.2024, S. 1 f.).
Der Kläger berichtete, dass er zur Unterstützung von Guillaume Soro mit vier anderen Männern öffentliche Treffen in Abidjan organisiert und mit Flugblättern beworben habe. Zu einem dieser Treffen sei sogar Guillaume Soro persönlich erschienen. Außerdem sei er, der Kläger, dafür zuständig gewesen, in seinem Viertel Mitgliedsausweise für Neumitglieder der Partei GPS auszustellen. Seine Familie habe seine politischen Überzeugungen nicht geteilt, doch davon habe er sich nicht beirren lassen. Der Kläger gab darüber hinaus an, bei einem der öffentlichen Treffen von Anhängern der Regierungspartei angegriffen worden zu sein. Das Treffen habe unweit seines Hauses unter freiem Himmel stattgefunden und, als der Angriff erfolgte, sei er nach Hause gelaufen, um sich in Sicherheit zu bringen. Die Angreifer seien ihm jedoch gefolgt und hätten ihm einen Schlag gegen den Kopf versetzt, von dem er noch heute eine Narbe trage. Daraufhin habe er sich entschieden, seine 15-jährige Tochter zu seiner Schwester nach J. zu schicken und selbst das Land zu verlassen.
Auch wenn man davon ausgeht, dass diese Erlebnisse tatsächlich so stattgefunden haben und dass der Kläger das Land somit vorverfolgt verlassen hat, hat sich die Sachlage zwischenzeitlich wesentlich geändert. Denn der Kläger ist seit seiner Ausreise aus Côte d'Ivoire im Oktober 2020 nicht mehr politisch aktiv. Obwohl sich seine politischen Überzeugungen nach seiner Darstellung zwischenzeitlich nicht geändert haben, sieht er sich aus gesundheitlichen Gründen auch nicht mehr in der Lage, sich politisch zu engagieren, insbesondere an Demonstrationen teilzunehmen. Lärm und Aufregung, die damit verbunden seien, drohen nach seiner Schilderung sein Herz zu beeinträchtigen.
Der Rückzug des Klägers aus seinen politischen Aktivitäten stellt nach der Überzeugung der Einzelrichterin einen stichhaltigen Grund dar, der dagegen spricht, dass er in Côte d'Ivoire erneut von Verfolgung in Form von physischen Übergriffen oder auch von Strafverfolgung bedroht sein wird. Die staatlichen Maßnahmen gegen Anhänger von Guillaume Soro, welche sich den Erkenntnismitteln entnehmen lassen, richteten sich stets gegen aktive und/oder prominente Unterstützer. Die Gefahr von körperlichen Attacken durch Anhänger des rivalisierenden politischen Lagers lässt sich schwerer abschätzen. Die Herbst 2025 anstehenden Präsidentschaftswahlen in Côte d'Ivoire dürften gefahrerhöhend wirken, denn es hat in Côte d'Ivoire noch keinen friedlichen Machtwechsel durch Wahlen gegeben (Bertelsmann Stiftung, BTI 2024 Country report. Côte d'Ivoire, 19.03.2024, S. 7). Auch insofern spricht jedoch Überwiegendes dafür, dass politische Gegner sich darauf konzentrieren werden, diejenigen Soroisten anzugreifen und einzuschüchtern, die ihnen durch ihre politischen Aktivitäten gefährlich werden können anstatt Rache zu üben für politische Aktivitäten, welche bereits Jahre zurückliegen.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass dem Kläger in Côte d'Ivoire nach wie vor politische Verfolgung droht, so steht ihm jedenfalls eine inländische Fluchtalternative gem. § 3e AsylG in seinem Heimatdorf I. in H. zur Verfügung, unter Umständen auch in dem Dorf J., in welchem seine Schwester mit der Tochter des Klägers lebt. Zwar gab der Kläger an, dass seine politische Überzeugung auch in J. bekannt sei, weil er offen damit umgegangen sei. Allerdings berichtete er auch, dass er manchmal dort zu Besuch gewesen sei, offenbar, ohne dass es dort zu Übergriffen oder Anfeindungen gekommen war. Der Kläger war nur in seinem Viertel in Abidjan politisch aktiv, hat diese Aktivitäten bereits seit Jahren eingestellt und beabsichtigt nicht, sie wiederaufzunehmen, sodass es unwahrscheinlich ist, dass seine damaligen Verfolger erheblichen Aufwand betreiben werden, um ihn an einem anderen Ort in Côte d'Ivoire aufzuspüren.
Aus denselben Gründen ist dem Kläger auch der subsidiäre Schutzstatus nach § 4 AsylG nicht zuzuerkennen. Ihm droht in Côte d'Ivoire zum Entscheidungszeitpunkt kein ernsthafter Schaden durch einen verfolgungsmächtigen Akteur gem. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c AsylG mehr.
Allerdings ist dem Kläger ein nationales Abschiebungsverbot zuzuerkennen. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein.
Eine Verletzung des Art. 3 EMRK kommt in besonderen Ausnahmefällen auch bei nichtstaatlichen Gefahren aufgrund prekärer Lebensbedingungen in Betracht, bei denen ein verfolgungsmächtiger Akteur (§ 3c AsylG) fehlt, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind mit Blick auf die allgemeine wirtschaftliche Lage und die Versorgungslage betreffend Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung (BVerwG, Urteil vom 04.07.2019 - 1 C 45/18 -, juris Rn. 12). Nach der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union liegt ein solcher Ausnahmefall vor, wenn sich die betroffene Person im Falle einer Abschiebung unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, Urteile vom 19.03.2019 - C-163/17, Jawo -, juris Rn. 92, und - C-297/17 u. a., Ibrahim -, juris Rn. 90). Schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat begründen insbesondere dann ein Abschiebungsverbot, wenn der Betroffene bei einer Rückkehr nicht in der Lage wäre, ein Leben zumindest am Rande des Existenzminimums zu führen (BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 39).
Ausgehend von dem in der obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelten sehr hohen Maßstab für die Annahme einer Verletzung des Art. 3 EMRK droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Côte d'Ivoire aufgrund der individuellen Umstände seines Falles mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in Form von Verelendung.
Dies folgt daraus, dass der Kläger voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, ein ausreichendes Einkommen für sich und seine minderjährige Tochter zu erwirtschaften. Aufgrund seines fortgeschrittenen Alters von 64 Jahren wird er zum einen voraussichtlich erhebliche Schwierigkeiten haben, auf dem Arbeitsmarkt von Côte d'Ivoire eine Arbeitsstelle zu finden. Erschwerend kommt hinzu, dass er wegen seiner hypertensiven Herzkrankheit mit arterieller Hypertonie körperlich anstrengende Tätigkeiten voraussichtlich nicht mehr ausüben kann, weil ausweislich der vorliegenden fachärztlichen Atteste bei stärkerer Belastung eine Linksherzinsuffizienz mit Beschwerden auftritt. Zum anderen hat der Kläger aufgrund seiner Herz- und Augenerkrankung einen gewichtigen finanziellen Mehrbedarf für Medikamente und Arztbesuche zu bewältigen.
Côte d'Ivoire trägt 38 % zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion (WAEMU) bei. Als weltweit größter Kakaoproduzent ist die Elfenbeinküste seit 2015 auch der größte Cashewproduzent mit einem Anteil von fast 20 % an der Weltproduktion. Darüber hinaus blieb das BIP der Elfenbeinküste im Zeitraum von 2012 bis 2021 mit durchschnittlich 7 % hoch und stabil. Der wirtschaftliche Aufschwung täuscht jedoch nicht über den wenig inklusiven Charakter des Wachstums und das Fortbestehen sozioökonomischer und geografischer Unterschiede zwischen Abidjan und den anderen Städten des Landes hinweg. Das Land liegt auf dem Human-Development-Index (HDI) des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) auf Platz 162 von 189 (Organisation internationale pour les migrations (IOM), Étude nationale du marché du travail en Côte d'Ivoire, 09.06.2023, S. 9, abrufbar unter https://rodakar.iom.int/sites/g/files/tmzbdl696/files/documents/2023-06/pub2023-001-etude-national-du-marche-cote-divoire.pdf; Europäische Kommission, EU Annual Report on Human Rights and Democracy in the World; 2023 Country Updates, 24.05.2024, S. 92). Côte d'Ivoire weist eine massive quantitative und qualitative soziale Marginalisierung auf, die strukturell verankert ist (Bertelsmann Stiftung, BTI 2024 Country Report Côte d'Ivoire, 19.03.2024, S. 14).
Die jüngsten statistischen Daten zur Armut zeigen zwar, dass das Nationaleinkommen zwischen 2012 und 2015 um 80 % gestiegen ist und dass Côte d'Ivoire zum ersten Mal seit 40 Jahren einen Rückgang der Armutsquote verzeichnet. So sank die Armutsquote von 48,9 % auf 46,3 %. Im Jahr 2020 lag die Armutsquote nur noch bei 39,4 %. Dabei ist allerdings noch immer mehr als ein Drittel der erwerbstätigen Bevölkerung von Armut betroffen (IOM, Étude nationale du marché du travail en Côte d'Ivoire, 09.06.2023, S. 9-10). Anfang 2023 hat die ivorische Regierung den Mindestlohn von 60.000 CFA-Francs (91,34 Euro) auf 75.000 Francs (114,17 Euro) pro Monat angehoben. Trotz dieser 25-prozentigen Erhöhung wird der Mindestlohn von Gewerkschaften und Arbeitnehmern aber nach wie vor als viel zu niedrig angesehen, insbesondere angesichts des allgemeinen Preisanstiegs. Zudem arbeiten laut einer Erhebung aus dem Jahr 2016 mehr als 93 % der Erwerbsbevölkerung im informellen Sektor, in dem das Arbeitsrecht nur selten Anwendung findet (Radio France Internationale (RFI), 20.10.2023, https://www.rfi.fr/fr/podcasts/afrique-%C3%A9conomie/20231019-c%C3%B4te-d-ivoire-le-salaire-minimum-face-%C3%A0-l-inflation-g%C3%A9n%C3%A9ralis%C3%A9e, aufgerufen am 01.11.2024). Das Einkommen aus der Arbeit im informellen Sektor ist in der Regel gering und variabel, so dass die meisten Menschen täglich auf das Familiennetzwerk angewiesen sind (Landinfo - Norwegian Country of Origin Information Centre, Elfenbenskysten: Forhold for enslige kvinner (Anfragebeantwortung zur Lage von alleinstehenden Frauen), 07.11.2012, abrufbar unter: https://www.ecoi.net/en/file/local/1227205/1788_1384955085_2211-1.pdf).
Zwar verfügt der Kläger noch über ein familiäres Netzwerk in Côte d'Ivoire und erfährt Unterstützung insbesondere von der Familie seiner Schwester, welche aktuell seine minderjährige Tochter beherbergt. Allerdings muss der Kläger bei einer Rückkehr nach Côte d'Ivoire mit erheblichen Mehrkosten rechnen, um regelmäßige Besuche bei Fachärzten sowie die Medikamente zu finanzieren, welche er zur Behandlung seiner Herzerkrankung benötigt. Aktuell nimmt der Kläger mit Valsartan, Metoprolol succinat, Amlodipin besilat, Spironolacton und Chlortalidon allein fünf blutdrucksenkende Medikamente ein. Hinzu kommen das Gichtmittel Allopurinol und die Wirkstoffe zur Behandlung seines Glaukoms sowie seines Grauen Stars, Timolol und Latanoprost. Zwar können nach der von der Beklagten vorgelegten aktuellen Auskunft der Medical Country of Origin Information (MedCOI) alle notwendigen Behandlungen beispielsweise in der Universitätsklinik in Treichville durchgeführt werden und die Medikamente, die der Kläger derzeit einnimmt, sind etwa im "Longchamp Laboratory and Pharmacy" in Abidjan verfügbar. Die Herzkrankheit und die Augenerkrankung des Klägers könnten also voraussichtlich in seinem Herkunftsland effektiv behandelt werden. Dies würde für den Kläger jedoch eine erhebliche finanzielle Belastung bedeuten.
Die Elfenbeinküste beherbergt eine Bevölkerung von 29,4 Millionen Einwohnern, von denen 45 % unter 18 Jahre alt sind. Ivorer haben aktuell bei der Geburt eine Lebenserwartung von nur etwas mehr als 57 Jahren (Human Dignity/SciencesPo, Le droit à la santé en Côte d'Ivoire, 05.04.2024, S. 2). Côte d'Ivoire hat mehrere regionale und internationale Instrumente ratifiziert, die das Recht auf Gesundheit garantieren. Das Gesundheitssystem in Côte d'Ivoire besteht aus dem öffentlichen Sektor, dem privaten Sektor und der traditionellen Medizin, die weiterhin eine wesentliche Rolle bei der Bereitstellung von Gesundheitsleistungen spielt. Die primäre Ebene besteht aus Gesundheitseinrichtungen, die Erstversorgungsleistungen anbieten, während die sekundäre Ebene eine fortschrittlichere Versorgung gewährleistet. Das Land verfügt auch über Referenzkrankenhäuser und Fachzentren, die die Tertiärstufe mit Einrichtungen wie den Universitätskliniken bilden (Human Dignity/SciencesPo, Le droit à la santé en Côte d'Ivoire, 05.04.2024, S. 4).
Zu den Finanzierungsquellen des ivorischen Gesundheitssystems gehören direkte Zahlungen der Haushalte, Steuereinnahmen, private Ausgaben und internationale Zusammenarbeit. Im Jahr 2020 betrug der Gesundheitshaushalt laut den neuesten Statistiken 7,29 % des gesamten Staatshaushalts. Rund 40 % des nationalen Angebots an Gesundheitsdienstleistungen werden vom Privatsektor erbracht. Weniger als 1 % der Steuereinnahmen waren laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für den Gesundheitsbereich bestimmt (Human Dignity/SciencesPo, Le droit à la santé en Côte d'Ivoire, 05.04.2024, S. 4). Der Pariser Verein Human Dignity und das Institut für politische Studien Paris (Clinique de l'École de Droit de Sciences Po) empfahlen der ivorischen Regierung schon im Jahr 2017 aufgrund einer Studie, ihre 2001 in Abuja eingegangene Verpflichtung zu erfüllen und zukünftig 15 % des Staatshaushalts für Gesundheitsleistungen bereitzustellen. Sie wiederholten diese Empfehlung in dem aktuellen Bericht von 2024 (Human Dignity/SciencesPo, Le droit à la santé en Côte d'Ivoire, 05.04.2024, S. 6, 8).
Laut dem Nationalen Plan zur Entwicklung des Gesundheitswesens 2021-2025 (Plan national de Développement sanitaire 2021-2025, PNDS) ist das Verhältnis zwischen Ärzten und Bevölkerung bis 2021 auf 1,4 Ärzte pro 10.000 Einwohner gestiegen, und 39,82 % der Distrikte haben die Norm erreicht, die sich das Land selbst gesetzt hat, nämlich einen Arzt pro 10.000 Einwohner (Human Dignity/SciencesPo, Le droit à la santé en Côte d'Ivoire, 05.04.2024, S. 10; im Vergleich in Deutschland: 44 Ärzte pro 10.000 Einwohner in 2020 laut Statistischem Bundesamt, https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Thema/Tabellen/Basistabelle_Aerzte.html). Ein Mangel an Transparenz und die fehlende Erstellung von Gesundheitsdaten gehören indes zu den größten Einschränkungen für ein funktionierendes und effizientes Gesundheitssystem in Côte d'Ivoire. Viele NGOs sehen zudem eine mangelnde Ausbildung des Gesundheitspersonals als ein großes Problem an, weil diese zu einem Mangel an Professionalität insbesondere bei der Patientenaufnahme führt (Human Dignity/SciencesPo, Le droit à la santé en Côte d'Ivoire, 05.04.2024, S. 13). Zudem besteht ein Ungleichgewicht in Bezug auf die gesundheitliche Infrastruktur, sowohl zwischen Großstädten und ländlichen Gebieten als auch zwischen dem Norden und dem Süden des Landes (Human Dignity/SciencesPo, Le droit à la santé en Côte d'Ivoire, 05.04.2024, S. 11).
Am 28.09.2022 wurde die 2019 eingeführte universelle Krankenversicherung (Couverture Maladie Universelle, CMU) per Dekret für alle ivorischen Personen verpflichtend. Bürgerinnen und Bürger zahlen einen monatlichen Beitrag von 1.000 CFA-Francs (ca. 1,50 Euro), um eine Ermäßigung von 70 % auf bestimmte Arztbesuche und Medikamente zu erhalten. Eine Deckung von bis zu 100 % ist für wirtschaftlich schwache oder mittellose Haushalte möglich. Neue Beitragszahler müssen eine dreimonatige Karenzzeit abwarten, bevor sie Anspruch auf Kostenübernahme für ihre Gesundheitsversorgung haben. Eine Kostenerstattung ist auf Grundlage der CMU nur für wenige Medikamente möglich. Ferner ist die Zahl der Gesundheitszentren, die Zahlungen im Rahmen der CMU annehmen, begrenzt. Von den 32 Mio. Einwohnern Côte d'Ivoires waren im Oktober 2023 nur 7,2 Mio. Menschen in der CMU registriert (Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Côte d'Ivoire: accès aux soins et transplantations rénales, 19.08.2024, S. 4 f.). Die allgemeine Krankenversicherung wird von ivorischen NGOs derzeit noch als dysfunktional beschrieben, weil ihre Leistungen nach wie vor begrenzt sind und sie sehr niedrige Beitrittsraten sowie einen Mangel an Akzeptanz seitens der Bevölkerung aufweist (Human Dignity/SciencesPo, Le droit à la santé en Côte d'Ivoire, 05.04.2024, S. 11).
Die Finanzierung der kostenlosen Gesundheitsversorgung mithilfe der universellen Krankenversicherung ist laut den Informationen aus Interviews mit ivorischen NGOs noch ausbaufähig. Unter anderem berichten sie nach wie vor von Schwierigkeiten beim Zugang zu Medikamenten (Human Dignity/SciencesPo, Le droit à la santé en Côte d'Ivoire, 05.04.2024, S. 7). Der ivorische Markt für Medizinprodukte ist stark von Importen abhängig (90 %) (Bureau Business France d'Abidjan, 30.11.2021, https://www.businessfrance.fr/En_Cote_d_Ivoire_la_Sante_est_au_c%C5%93ur_des_priorites_gouvernementales, aufgerufen am 01.11.2024). Die wenigen Akteure, die vor Ort im Pharmasektor tätig sind, stehen im Wettbewerb mit multinationalen Konzernen, die über Patente verfügen und meist subventioniert werden. Nach Informationen aus dem Jahr 2019 deuteten zahlreiche Studien darauf hin, dass die derzeitige Versorgung mit Medikamenten nur 30 % der Bedürfnisse der ivorischen Bevölkerung befriedigen konnte (Global Business Network Programme (GBN), Partnership Ready Côte d'Ivoire: Le secteur de la santé, Oktober 2019, https://www.giz.de/en/downloads/gbn-fr-sante-cote.pdf, S. 2, aufgerufen am 01.11.2024). NGOs fordern von der ivorischen Regierung, den Zugang zu wichtigen Medikamenten zu erleichtern, indem die Preise subventioniert und die Zahl der Verkaufsstellen erhöht werden (Human Dignity/SciencesPo, Le droit à la santé en Côte d'Ivoire, 05.04.2024, S. 11).
Selbst wenn man unterstellt, dass der Kläger trotz der allgemeinen Schwierigkeiten bei der pharmazeutischen Versorgung der Bevölkerung imstande wäre, zuverlässige Quellen aufzutun, um kontinuierlich alle notwendigen Medikamenten zu beziehen, würde der dazu notwendige finanzielle Aufwand seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigen. Nach den Angaben der ivorischen Allgemeinen Krankenkasse für Beamte und Staatsbedienstete kosten die blutdrucksenkenden Wirkstoffe Amlodipin und Valsartan in Kombination zwischen 10.000 und 15.000 CFA-Francs. Valsartan als Einzelwirkstoff ist zum Preis von um die 7.000 CFA-Francs erhältlich, Amlodipin für 4.000 bis 8.000 CFA-Francs. Metoprolol succinat kostet 1.600 CFA-Francs, Spironolacton zwischen 5.000 und 7.000 CFA-Francs und Chlortalidon als Wirkstoffkombination mit Atenolol zwischen 4.000 und 9.000 CFA-Francs. Das Gichtmittel Allopurinol kann für einen Preis zwischen 1.000 und 3.000 CFA-Francs erworben werden und die opthalmologischen Medikamente Timolol und Latanoprost in Kombination für zwischen 11.000 CFA-Francs und 13.000 CFA-Francs bzw. als Einzelwirkstoffe für zwischen 1.000 und 4.000 CFA-Francs (Timolol) bzw. zwischen 6.000 und 11.000 CFA-Francs (Mutuelle générale des fonctionnaires et agents de l'État (MUGEF-CI), 29.08.2023, https://www.mugef-ci.com/wp-content/uploads/2023/08/MUGEFCI-Liste-des-medicaments-remboursables-Edition-Aout-2023.pdf, aufgerufen am 01.11.2023).
Auch unter Zugrundelegung des jeweils günstigsten Preises müsste der Kläger somit regelmäßig um die 30.000 CFA-Francs aufbringen, allein, um seine Medikation zu finanzieren. Ausweislich der aktuellen Erkenntnismittel ist anzunehmen, dass nur ein geringer Teil der Medikamente von der Kostenerstattung durch die CMU abgedeckt wird. Hinzu kämen Kosten insbesondere für wiederkehrende Untersuchungen seiner Herztätigkeit bei Kardiologen. Laut dem Centre des Liaisons Européennes et Internationales de Sécurité Sociale (CLEISS) kostet ein Besuch bei einem Facharzt in einer öffentlichen Klinik etwa 500 CFA-Francs. In Privatkliniken variieren die Preise und liegen je nach Fachrichtung im Durchschnitt zwischen 17.500 und 25.000 CFA-Francs (Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Côte d'Ivoire: accès aux soins et transplantations rénales, 19.08.2024, S. 5 f.).
Voraussichtlich wäre der Kläger wie die große Mehrheit der ivorischen Bevölkerung gezwungen, eine Arbeit im informellen Sektor anzunehmen, sodass er nicht einmal den Mindestlohn von 75.000 CFA-Francs erwirtschaften könnte. Dementsprechend müsste er voraussichtlich mindestens die Hälfte seines Einkommens für seine medizinische Versorgung verwenden, wodurch ihm und seiner minderjährigen Tochter nicht mehr ausreichend finanzielle Mittel blieben, um Kleidung und Nahrungsmittel sowie sonstige Güter des täglichen Bedarfs zu finanzieren, selbst wenn beide wieder in das Haus des Klägers in Abidjan ziehen könnten. Sie drohten vielmehr in eine Situation extremer materieller Not zu geraten, die es ihnen nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigen oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzen würde, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre.
Dementsprechend ist dem Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zuzuerkennen und Ziffer 4 des angefochtenen Bescheids aufzuheben, da sie dem entgegensteht. Einer Entscheidung zum nationalen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf es nicht, weil es sich bei den Abschiebungsverboten aus § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG um einen einheitlichen Streitgegenstand handelt (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, juris Rn. 17). Damit ist auch die Abschiebungsandrohung rechtswidrig (vgl. § 34 Abs. 1 AsylG) und es besteht kein Anlass mehr für eine Entscheidung über das Einreise- und Aufenthaltsverbot, sodass der Bescheid auch insofern aufzuheben ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtskosten werden aufgrund von § 83 b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.