Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.05.2025, Az.: 13 LA 88/25

Klärung der bisherigen Staatsangehörigkeit eines Einbürgerungsbewerbers

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.05.2025
Aktenzeichen
13 LA 88/25
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2025, 15408
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2025:0514.13LA88.25.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 04.03.2025 - AZ: 11 A 1656/22

Fundstelle

  • AUAS 2025, 136-137

Amtlicher Leitsatz

Die Behauptung der Einbürgerungsbehörde, der Einbürgerungsbewerber verfüge über eine bestimmte fremde Staatsangehörigkeit, löst eine Klärungsnotwendigkeit und Mitwirkungspflichten des Einbürgerungsbewerbers im Rahmen von § 10 Abs. 1 StAG nur aus, wenn für das Bestehen der behaupteten Staatsangehörigkeit ernsthafte Anhaltspunkte vorliegen.

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichterin der 11. Kammer - vom 4. März 2025 wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichterin der 11. Kammer - vom 4. März 2025, mit dem er unter Aufhebung seines Bescheides vom 20. Mai 2022 verpflichtet worden ist, den Kläger in die deutsche Staatsangehörigkeit einzubürgern, bleibt ohne Erfolg.

Der vom Beklagten zur Begründung seines Zulassungsantrags geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, BVerfGE 125, 104, 140 - juris Rn. 96). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, 542, 543 - juris Rn. 9). Eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.8.2017 - 13 LA 188/15 -, juris Rn. 8; Stuhlfauth, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., VwGO, 8. Aufl. 2021, § 124a Rn. 80 jeweils m.w.N.).

Der Beklagte wendet gegen die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ein, es sei im Einbürgerungsverfahren zu prüfen, ob der Kläger neben der montenegrinischen Staatsangehörigkeit auch die kroatische Staatsangehörigkeit erworben habe. Das Verwaltungsgericht gebe das kroatische Staatsangehörigkeitenrecht falsch wieder. Im Urteil werde ausgeführt, dass der Kläger als Kind einer kroatischen Mutter durch die Geburt im Ausland die kroatische Staatsangehörigkeit nicht automatisch erhalten habe. Hinzukommen müsse die Staatenlosigkeit des anderen Elternteils oder der Kläger müsse alternativ vor seinem 18. Lebensjahr in Kroatien gemeldet oder wohnhaft gewesen sein, um die kroatische Staatsangehörigkeit erworben zu haben. Dies sei falsch. Nach Art. 5 des Gesetzes über die kroatische Staatsangehörigkeit vom 26. Juni 1991 hätte der Kläger für eine Nachregistrierung gerade nicht in Kroatien gemeldet bzw. wohnhaft gewesen sein müssen, sondern er hätte diese auch problemlos aus Deutschland bei den kroatischen Auslandsvertretungen beantragen und erwirken können. Das Verwaltungsgericht vertraue allein auf den glaubhaften Vortrag des Klägers, dass eine Nachregistrierung nicht erfolgt sei. Eine Negativbescheinigung der kroatischen Behörden sei zwingend vorzulegen.

Diese Einwände begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung. Der Senat folgt nicht der Auffassung des Beklagten, dass der Kläger das Nichtbestehen einer kroatischen Staatsangehörigkeit durch Vorlage einer Negativbescheinigung der kroatischen Behörden nachzuweisen hat.

Der Senat hat in seinem Beschluss vom 20. August 2018 - 13 LA 187/17 -, juris Rn. 7, zu § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG a.F. ausgeführt:

"Dieses Vorbringen genügt für die Annahme ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht. Tatbestandliche Voraussetzung der Einbürgerung nach § 10 StAG ist nach dessen Absatz 1 Satz 1 Nr. 4, dass der Einbürgerungsbewerber seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert. Um das Vorliegen dieser Voraussetzung feststellen zu können, bedarf es einer Klärung der bisherigen Staatsangehörigkeit des Einbürgerungsbewerbers ("Statusprüfung", vgl. BVerwG, Urt. v. 1.9.2011 - BVerwG 5 C 27.10 -, BVerwGE 140, 311, 313 - juris Rn. 12; Senatsurt. v. 10.9.2008 - 13 LB 207/07 -, juris Rn. 26; Hailbronner/Maaßen/Hecker/Kau, Staatsangehörigkeitsrecht, 6. Aufl., StAG, § 10 Rn. 47). Dabei hat der Einbürgerungsbewerber nachzuweisen, dass er eine fremde Staatsangehörigkeit nicht (mehr) besitzt oder eine solche durch den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit verliert. Diese Nachweispflicht besteht nicht für jedwede fremde Staatsangehörigkeit, deren Bestehen die Einbürgerungsbehörde behauptet. Sie besteht nur, wenn ernsthafte Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Einbürgerungsbewerber die von der Einbürgerungsbehörde behauptete Staatsangehörigkeit besitzt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 8.5.1996 - BVerwG 1 B 68.95 -, juris Rn. 11; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 5.3.2009 - 19 A 1657/06 -, juris Rn. 5 ff. m.w.N.)."

§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG a.F. ist zwar durch das Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts (BGBl. I 2024 Nr. 104) aufgehoben worden. Allein daraus, dass mit dem Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts der bisher geltende Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit aufgegeben wird, Einbürgerungen künftig generell unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit erfolgen dürfen und eine Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit(en) daher nicht mehr notwendig ist, kann allerdings nicht der Schluss gezogen werden, der Gesetzgeber habe auf die Klärung der Staatsangehörigkeit verzichten wollen. Denn die Klärung der Staatsangehörigkeit des Einbürgerungsbewerbers ist eine Grundvoraussetzung, um die unverändert notwendigen Status- und Sicherheitsprüfungen vornehmen zu können, beeinflussen sich doch Staatsangehörigkeit und Identität einander wechselseitig (Senatsbeschl. v. 11.4.2024 - 13 LA 61/23 -, juris Rn. 6).

Die vom Senat zu § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG a.F. formulierten Anforderungen an die Klärung fremder Staatsangehörigkeiten gelten damit für die nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG erforderliche Klärung von "Identität und Staatsangehörigkeit" des Einbürgerungsbewerbers fort. Die Behauptung der Einbürgerungsbehörde, der Einbürgerungsbewerber verfüge über eine bestimmte fremde Staatsangehörigkeit, löst daher eine erforderliche Klärung und Mitwirkungspflichten des Einbürgerungsbewerbers nur aus, wenn für das Bestehen der behaupteten Staatsangehörigkeit ernsthafte Anhaltspunkte vorliegen. Der Beklagte verweist indes pauschal darauf, dass für den Kläger die Möglichkeit bestanden habe, die kroatische Staatsangehörigkeit auch aus dem Ausland zu erwerben, ohne jedoch ernsthafte Anhaltspunkte dafür zu liefern, dass dies tatsächlich geschehen ist. Schon erstinstanzlich hat der Kläger vorgetragen, keinerlei Kontakt mit kroatischen Behörden gehabt zu haben. Dass dies unzutreffend ist oder zumindest Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kläger die kroatische Staatsangehörigkeit erworben hat, hat der Beklagte nicht dargelegt.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG und Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).