Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.09.2024, Az.: 15 Sa 787/23
Außerordentliche Kündigung aufgrund ehrverletzender Äußerungen des Arbeitnehmers über den Arbeitgeber in einer Whats App Chatgruppe
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 30.09.2024
- Aktenzeichen
- 15 Sa 787/23
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2024, 27954
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2024:0930.15Sa787.23.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 24.02.2022 - AZ: 10 Ca 148/21
Rechtsgrundlage
- § 626 BGB
Amtlicher Leitsatz
Ehrverletzende Äußerungen über den Arbeitgeber oder Kollegen in einem privaten Whats App Chat können geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, wenn die voraussetzungen für eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des Äußernden nicht vorliegen.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 24.02.2022 - 10 Ca 148/21 - teilweise abgeändert.
Die Anträge zu 1. und 2. werden abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger 81% und die Beklagte 19%. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu zwei Dritteln und die Beklagte zu einem Drittel.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten jetzt noch über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung und Annahmeverzugslohnansprüche.
Die Beklagte ist ein Luftverkehrsunternehmen mit Sitz in L. Zum Zeitpunkt der Kündigung beschäftigte sie ca. 2.100 Arbeitnehmer.
Der Kläger ist 42 Jahre alt, verheiratet und einem minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er ist seit dem 01.07.2004 bei der Beklagten zuletzt als Gruppenleiter technische Logistik zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von 4.602,16 EUR beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ist nach den anzuwendenden tariflichen Regelungen ordentlich unkündbar.
Im Zuge einer Restrukturierung schlossen die Beklagte, der Kläger und die G.GmbH einen Drei-Parteien-Vertrag, nach dem das Arbeitsverhältnis der Parteien aus dringenden betriebsbedingten Gründen zum 30.09.2021 beendet werden und der Kläger ab dem 01.10.2021 bis zum 30.09.2022 in ein Anstellungsverhältnis mit der G. eintreten sollte. Wegen des Wortlautes des Drei-Parteien-Vertrages wird auf Bl. 4-9 dA. Bezug genommen. Unter dem 18.05.2021 schlossen die Beklagte und der Kläger eine Ergänzungsvereinbarung, nach der dem Kläger zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Anstellungsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 83.781,72 EUR brutto zuzüglich Zusatzleistungen gezahlt werden sollte. Wegen des Wortlautes der Ergänzungsvereinbarung wird auf Bl. 10 und 11 dA. Bezug genommen.
Seit 2014 gehörte der Kläger einer Chat-Gruppe ursprünglich bestehend aus ihm, und den Mitarbeitern der Beklagten Dr. B, G., G., H. und F. und G. an. Der Mitarbeiter G. schied zwischenzeitlich aus der Chatgruppe aus. Vom 19.11.2020 bis zum 17.01.2021 gehörte er der Gruppe erneut an. Während dieser Zeit stand er nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten. Die Mitglieder der Gruppe sind untereinander langjährig befreundet, die Mitglieder G. sind Brüder. Unter dem Gruppennamen "HLTeam" tauschten die Mitglieder auf ihren privaten Smartphones über den Messengerdienst WhatsApp Nachrichten aus.
Im Rahmen von Gesprächen über einen Arbeitsplatzkonflikt mit dem Mitarbeiter der Beklagten S. zeigte das Gruppenmitglied G. dem Mitarbeiter den Verlauf des WhatsApp-Chats auf seinem Smartphone. Der Mitarbeiter S. kopierte den Chat-Verlauf auf sein eigenes Smartphone. Am 07.07.2021 teilte der Vorsitzende des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats G. dem Personalleiter L. während dessen Urlaubsabwesenheit das Bestehen der WhatsApp-Gruppe "HLTeam" mit und berichtete über den Inhalt des Chats. Im Nachgang zu diesem Gespräch übersandte er ein 316-seitiges Word-Dokument mit dem Inhalt des Chat-Verlaufs für die Zeit vom 19.11.2020 bis 17. Januar 2021. Der Chat-Verlauf enthielt von dem Kläger unter anderem folgende Äußerungen:
"Drecks L. stellt es so hin als würden wir hier alle nur rausfliegen weil die Piloten geblockt haben
Was kann denn das Gebäude dafür? Sollen diese Leute besser den F. aufsuchen und zusammenschlagen ...
Ich komme her ... reiß mir aber kein Arm aus ... aber bin da ...werde ja schließlich noch bezahlt. Rest interessiert mich nicht
Und der ganze Rest von dieser drecksfirma
Drecksladen
Der soll bloß abhauen der Knecht
F. geht unter ... aber ist mit egal alles
Ich hasse ihn und den ganzen Laden
Lächerlicher Laden
G. war mal gut zum blasen ... das war' s
M. dicke Titten .. das wars
Covidioten sollten vergast werden (...)
KZ oder so
F. hasse ich am meisten
Ich will alle anderen aber auch ficken
Lasst uns das letzte Jahr noch mal richtig ficken ... haben eh nix zu verlieren
S. und M. schicke ich in toolshop ... mal gucken
F. darf fegen jeden Tag ... auf Knie
Unsere Piloten müssten alle vergast werden
Bomben platzieren?
Nie wieder t. fliegen
Steckt ein was geht
C. habe ich direkt gesagt:
Wollen die mich verarschen? Wenn sie bläst überlege ich es mir nochmal
Diese Firma ist ein Behinderten und Pflegeheim zugleich
Ich sehne den tag herbei wo diese Bude anfängt zu brennen
Und wir wollte nach Steinhude und die Boote von G. versenken
Anbrennen
Wie damals im Reich
Anschlag auf BR wenn das alles so kommt
Vernichten müssen wir sie alle
Gewöhnt Euch dran. Mit Türken an der Spitze wird das nix mit dieser Stadt und diesen verein"
Wegen des weiteren Wortlauts des Chat-Verlaufs wird auf Bl. 70-127R R dA. Bezug genommen. Unter dem 08.07.2021 formulierte der Schwerbehindertenvertreter der Beklagten W. eine Erklärung über die Bestätigung der Richtigkeit des Chat-Verlaufs durch den ehemaligen Mitarbeiter G. vor und übersandte sie ihm. Der Mitarbeiter G. sandte die Erklärung unterschrieben zurück. Wegen des Wortlauts der Erklärung wird auf Bl. 128 dA. Bezug genommen. Am 22.07.2021 hörte die Beklagte den Kläger zu dem Inhalt des Chat-Verlaufes an. Mit Schreiben vom 27.07.2021 (Bl. 20-21R dA.) hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger an. Der Betriebsrat stimmte der Kündigung am 27.07.2021 zu.
Mit Schreiben vom 28.07.2021 (Bl. 12 dA.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos und hilfsweise mit sozialer Auslauffrist zum 31.03.2022.
Mit Schriftsatz vom 30.07.2021, bei dem Arbeitsgericht Hannover eingegangen am 30.07.2021 und der Beklagten zugestellt am 10.08.2021 hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben und diese mit Schriftsatz vom 28.01.2022, bei dem Arbeitsgericht Hannover eingegangen am 28.01.2022 und der Beklagten zugestellt am 01.02.2022 um Zahlungsansprüche erweitert.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Inhalt des Chat-Verlaufs habe von der Beklagten nicht verwendet werden dürfen und dürfe auch im Rechtsstreit nicht verwertet werden, da es sich um einen reinen privaten Austausch gehandelt habe. Die Beklagte habe die außerordentliche Kündigung auch zu spät ausgesprochen, da zwischen der Mitteilung des Betriebsratsvorsitzenden an den Personalleiter L. und dem Ausspruch der Kündigung mehr als 2 Wochen gelegen hätten.
Die Beklagte sei verpflichtet, ihm für die Zeit ab August 2021 Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges abzüglich erhaltener Entgeltersatzleistungen zu zahlen.
Der Kläger hat beantragt,
- 1.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zu der Beklagten durch die Kündigung vom 28.07.2021 nicht beendet worden ist, sondern auf Grundlage des Drei- Parteien-Vertrages vom 04.06.2021/20.05.2021 bis zum 30.09.2021 fortbesteht;
- 2.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 32.555,11 EUR brutto abzüglich an den Kläger gewährter Entgeltersatzleistung in Höhe von 12.992,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus seit Zustellung der Klage zu zahlen.
- 3.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Abschlusszeugnis zu erteilen;
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, durch die zahlreichen beleidigenden, rassistischen, teilweisen menschenverachtenden und sexistischen Äußerungen und die Aufrufe zur Gewalt habe der Kläger seine arbeitsvertraglichen Pflichten schwerwiegend verletzt. Die Bestätigung der Echtheit des Chat-Verlaufs vom 08.07.2021 habe der Personalleiter L. am 14.07.2021 erhalten.
Mit Urteil vom 24.02.2022 hat das Arbeitsgericht Hannover dem Feststellungsantrag stattgegeben, die Beklagte verurteilt, an den Kläger 4.602,19 EUR brutto abzüglich gezahlter Entgeltersatzleistung in Höhe von 2.654,40 EUR netto nebst Zinsen seit dem 02.02.2022 zu zahlen und ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Inhalt der Chatprotokolle sei im Rechtsstreit verwertbar. Die Äußerungen des Klägers rechtfertigten aber die Kündigung nicht, da sie in einem privaten Chat gefallen seien und im Hinblick auf die Vertraulichkeit der Kommunikation besonderen Schutz genießen. Die Beklagte sei verpflichtet, dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges Vergütung bis zum 30.09.2021 abzüglich der erhaltenen Entgeltersatzleistungen zu zahlen. Der Kläger könne die Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses verlangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 183R-186 dA.), wegen der rechtlichen Würdigung durch das Arbeitsgericht auf die Entscheidungsgründe (Bl. 186-27189R dA.) Bezug genommen.
Gegen das ihr am 21.03.2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 19.04.2022, bei dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangen am 19.04.2022 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.06.2022 mit Schriftsatz vom 27.06.2022, bei dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangen am 27.06.2022 begründet.
Mit Urteil vom 19.12.2022 (15 Sa 286/22, Bl. 133 bis 145 dA.) hat die Kammer die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es sei von einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates und der Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB auszugehen. Für die von der Beklagten zum Gegenstand ihres Vortrages gemachten Äußerungen des Klägers in der Chatgruppe bestehe kein Sachvortragsverwertungsverbot und sie seien grundsätzlich geeignet, die außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Die Äußerungen in der Chatgruppe kämen aber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht als wichtiger Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB in Betracht, da es sich um eine vertrauliche Kommunikation gehandelt habe. Im Hinblick auf die Verurteilung zur Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses ist das Urteil rechtskräftig geworden. Im Übrigen hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung mit Urteil vom 24.8.2023 (2 AZR 19/23) aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an die Kammer zurückverwiesen.
Der Kläger trägt vor, für die Frage der Vertraulichkeitserwartung sei nicht auf die Zeit ab dem Eintritt des Mitglieds G. abzustellen. Dieser sei bereits bei Gründung der Gruppe dabei gewesen und nur zwischenzeitlich ausgeschieden, weil er kein internetfähiges Mobiltelefon gehabt habe. Die Gruppenmitglieder hätten sich zwischen 2001 und 2006 über die Arbeit und das gemeinsame Interesse am Fußball kennengelernt und es habe schon vor der Gründung der Chatgruppe eine enge Freundschaft bestanden. Dies zeige sich auch darin, dass die Gruppenmitglieder auch am privaten Leben der anderen teilgenommen und Stadionbesuche und Kurzurlaube miteinander verbracht hätten. Die Chatgruppe sei niemals als reine Gruppe unter Arbeitskollegen gegründet worden. Innerhalb der Gruppe seien Nachrichten rein privater Natur ausgetauscht worden, die nicht auf anderen Wegen über soziale Medien kommuniziert und sonst, wenn überhaupt nur den engsten und betroffenen Familienangehörigen anvertraut worden seien. Die angeführten Äußerungen seien einem verrohten Sprachgebrauch zuzuordnen und Äußerungen, die sexistische, rassistische und beleidigende Inhalte hätten nicht als besondere und schwerwiegende Beleidigung einzelner beabsichtigt, sondern hätten der derben Sprachdynamik der sich lange kennenden Gruppenmitglieder entsprochen. Es sei auch zu beachten, dass der eingereichte Chatverlauf eine Zeitspanne betreffe, in der bei der Beklagten stark unstrukturiert worden sei. Der Chatverlauf sei unvollständig und gebe nicht alle Äußerungen der Gruppenmitglieder wieder. Der Beklagten liege eine Word-Datei vor, die verändert worden sein könnte. Der Kläger habe keinen Zugriff mehr auf den Verlauf, da er diesen gelöscht habe. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass der in den Prozess eingeführte Chatverlauf den Originalchatverlauf und die Originaläußerungen innerhalb dieses Chatverlaufs beinhalte. Die Beklagte sei verpflichtet, das Original der Word-Datei und der Zeuge G., das Mobiltelefon, auf dem der Chatverlauf gespeichert sei vorzulegen.
Dass die Mitglieder auf die gegenseitige Verschwiegenheit vertraut hätten, ergebe sich daraus, dass der Zeuge G. nur nach Zustimmung aller Gruppenmitglieder wieder aufgenommen worden sei. Es ergebe sich auch daraus, dass der Zeuge H. am 21.11.2020 geschrieben habe, "es bleibt ja unter uns" und der Zeuge G. am 20.12.2020, "What happens in Vegas, stays in Vegas." Aus dem Inhalt des Chats ergebe sich, dass keiner der Beiträge von einem der Chatmitglieder dazu gedacht gewesen sei, den Raum der geschützten Privatäußerung zu verlassen. Die Beiträge des Klägers seien ohne den richtigen Kontext dargestellt und viele hätten andere Personen, Vereine, Unternehmen oder die Regierung betroffen.
Der Kläger sei ab dem 26.8.2021 arbeitsunfähig erkrankt gewesen, bis zum 30.9.2021 habe er einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung abzüglich der bezogenen Entgeltersatzleistungen.
Die Beklagte beantragt zuletzt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 24.2.2022 - 10 Ca 148/21 - teilweise abzu ändern und die Klage im Hinblick auf die Anträge zu 1. und 2. insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze vom 27.06.2022, 21.07.2022 und 02.12.2022, 26.2.2024, 3.4.2024, 22.5.2024, 12.7.2024, 30.8.2024 und 20.9.2024 sowie die Sitzungsniederschriften vom 19.12.2022 und 30.9.2024 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und soweit das Urteil der Kammer vom 19.12.2022 nicht rechtskräftig geworden ist, begründet.
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG und §§ 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist auch begründet, da sowohl der Feststellungsantrag des Klägers zu 1. als auch der Zahlungsantrag zu 2. zwar zulässig aber unbegründet sind.
1.
Der als Antrag im Sinne von § 4 Satz 1 KSchG zu verstehende Feststellungsantrag zu 1. ist unbegründet, da das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.7.2021 beendet worden ist. Die Kündigung ist wirksam.
a.
Die Kündigung ist weder unwirksam gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG noch gemäß § 626 Abs. 2 BGB. Insoweit wird auf die Ausführungen in dem Urteil der Kammer in diesem Verfahren vom 19.12.2022 unter II.1.a. und b. der Gründe Bezug genommen, gegen die der Kläger im fortgesetzten Verfahren nichts mehr eingewandt hat.
b.
Für die Kündigung vom 28.07.2021 besteht ein wichtiger Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB, denn es liegen Tatsachen vor, aufgrund derer der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden konnte.
(1)
Solche Tatsachen sind in den Äußerungen des Klägers im Rahmen des Gruppenchats zu sehen.
(a)
Für die Äußerungen besteht kein Sachvortragsverwertungsverbot. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 24.8.2023 (2 AZR 19/23, dort Rn. 15 bis 24).
Der Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen, die zu einer abweichenden Beurteilung führen könnten.
(b)
Die Äußerungen sind grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Das hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 24.8.2023 (2 AZR 19/23, dort Rn. 25 bis 27) ohne Auseinandersetzung mit dem Inhalt der einzelnen Äußerungen festgestellt. Es muss danach auch davon ausgegangen sein, dass, wofür auch aus Sicht der Kammer nichts spricht, die Äußerungen von der Meinungsäußerungsfreiheit des Klägers aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht geschützt sind.
(c)
Die Berücksichtigung der Äußerungen des Klägers in der Chatgruppe als wichtiger Grund ist nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen.
Der Kläger hat auch im fortgesetzten Berufungsverfahren nicht darlegen können, warum er eine berechtigte und nicht nur eine einseitige, subjektive Vertraulichkeitserwartung haben durfte, dass nicht ein einziges Gruppenmitglied seine Äußerungen Dritten offenbart.
(aa)
Aus dem Vortrag, der Zeuge G. sei bereits bei Gründung der Gruppe dabei gewesen und lediglich zwischenzeitlich ausgeschieden, lässt sich nicht herleiten, dass für die Vertraulichkeitserwartung auf den Zeitraum ab Gründung der Chatgruppe im Jahr 2014 abgestellt werden kann. Zunächst fehlt es nach wie vor an Vortrag zu der Dauer der Mitgliedschaft des Mitglieds G. und der Unterbrechung. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass das Mitglied G. bei Wiedereintritt in die Chatgruppe nicht mehr Arbeitnehmer der Beklagten war. Es fehlt darüber hinaus an Vortrag zu der Frage, ob in der Vergangenheit Chats mit ähnlich beleidigendem Inhalt ausgetauscht worden sind und inwiefern sich alle anderen Gruppenmitglieder daran beteiligt haben.
(bb)
Aus der Darstellung des Verhältnisses der Gruppenmitglieder zueinander folgt nichts für die Annahme einer berechtigten Vertraulichkeitserwartung. Der Darstellung lässt sich nicht entnehmen, dass ein Verhältnis zwischen den an der Kommunikation beteiligten Personen besteht, das dem Verhältnis vergleichbar ist, wie es in der Regel zu nahestehenden Familienangehörigen besteht. Die dargestellten Aktivitäten der Gruppenmitglieder mögen darauf hindeuten, dass sie sich untereinander freundschaftlich verbunden waren. Es ist aber nicht ersichtlich, dass dies für das Verhältnis aller Gruppenmitglieder untereinander gleichermaßen gilt. Es ist nicht zu erkennen wann, wie häufig und in welcher Zusammensetzung gemeinsame Aktivitäten stattgefunden haben. Als gemeinsame Aktivitäten, die alle Gruppenmitglieder einschlossen sind lediglich die Reise in den Spreewald-Park und nach Düsseldorf genannt, ohne dass mitgeteilt wurde, wann diese Reisen stattgefunden haben. Der Kläger führt selbst aus, dass der einzelne Kontakt jeweils stets vorhanden war, allerdings mal mehr mal weniger ausgeprägt. Vor diesem Hintergrund kann daraus nicht geschlossen werden, dass der Kläger die berechtigte Erwartung haben durfte, dass nicht ein einziges Gruppenmitglied seine Äußerungen Dritten offenbart.
(cc)
Auch die weiteren Inhalte des Chatverlaufs lassen nicht auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung schließen. Allerdings ist dem Kläger zuzugeben, dass der Chatverlauf Nachrichten rein privater Natur enthält. Die Kammer geht auch davon aus, dass die Nachrichten über Beziehungen, Krankheiten, familiäre Ereignisse und Todesfälle naher Verwandter auf eine Vertrautheit der Gruppenmitglieder untereinander hindeuten. Sie rechtfertigen aber nicht die Annahme, auch zur Gewalt aufrufende, rassistische und antisemitische Äußerungen und grobe Beleidigungen gegenüber Kollegen würden von allen Gruppenmitgliedern vertraulich behandelt.
(dd)
Soweit der Kläger vorgetragen hat, es bestünden erhebliche Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit des von der Beklagten vorgelegten Chatverlaufs, war dem nicht weiter nachzugehen, insbesondere war der vom Kläger angebotene Beweis durch Inaugenscheinnahme des Originals der Word-Datei oder des Mobiltelefons des Zeugen G. nicht zu erheben. Der Kläger ist für die Unvollständigkeit des Chatverlaufs nicht darlegungs- und beweisbelastet. Vielmehr trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für die Äußerungen des Klägers. Im Kündigungsschutzprozess obliegt dem Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes. Für Umstände, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen könnten, ist seine Darlegungslast allerdings abgestuft. Der Arbeitgeber darf sich zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Pflichtverletzung vorzutragen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen. Es ist vielmehr Sache des Arbeitnehmers, für das Eingreifen solcher Gründe - soweit sie sich nicht unmittelbar aufdrängen - zumindest greifbare Anhaltspunkte zu benennen; vgl. BAG, 27.9.2022, 2 AZR 508/21, Juris Rn. 17.
Der Kläger hat nicht im Einzelnen bestritten, dass die Äußerungen im Chat-Verlauf, die bereits im Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils wiedergegeben wurden von ihm stammen. Sein Vortrag, der Verlauf sei verfälscht worden bezieht sich ersichtlich nicht auf seine Urheberschaft. Soweit er ausführt, er bestreite nicht, dass er über die Beklagte, Vorgesetzte und Kollegen erbost war, an den exakten Wortlaut könne er sich nicht mehr erinnern, geht die Kammer davon aus, dass er die Äußerungen mit Nichtwissen bestreiten will. Dafür spricht auch, dass der Kläger in seinem Schriftsatz vom 12.7.2024 (Bl. 154 d. A.) ausgeführt hat, er bestreite mit Nichtwissen, dass der in den Prozess eingeführte Chatverlauf den Originalchatverlauf und die Originaläußerungen innerhalb dieses Chatverlaufs beinhalte. Dies Bestreiten ist aber vorliegend nicht zulässig. Nach § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlung der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Jedoch fordert der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 GG iVm. Art. 2 Abs. 1 GG und dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip ein Ausmaß an rechtlichem Gehör, das sachgemäß ist. Es muss einer Prozesspartei möglich sein, Tatsachen, die sie zum Zeitpunkt ihres Prozessvortrages nicht mehr weiß und auch nicht zumutbar durch Nachforschungen feststellen kann, mit Nicht-mehr-wissen zu bestreiten; vgl. BAG, 20.8.2014, 7 AZR 924/12, Juris Rn. 32. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar erscheint es der Kammer nachvollziehbar zu sein, dass der Kläger zum jetzigen Zeitpunkt den genauen Inhalt seiner Äußerungen nicht mehr erinnert, wenn er tatsächlich den Chatverlauf gelöscht hat. Dies erklärt aber nicht, warum der Kläger bisher den Inhalt seiner Äußerungen nicht bestritten hat. Der Chatverlauf ist dem Kläger unstreitig bereits im Rahmen seiner Anhörung am 22.7.2021 vorgelegt worden, ohne dass er, auch im Rahmen des Kündigungsrechtsstreits der Richtigkeit widersprochen hat.
Soweit der Kläger geltend machen will, andere Inhalte des Chats, die nicht wiedergegeben worden sind, ließen seine Äußerungen in anderem Licht sehen, gibt es dafür keine greifbaren Anhaltspunkte. Der Kläger ist nicht auf die einzelnen Äußerungen eingegangen und hat nicht aufgezeigt, durch welche anderen Inhalte ihnen ein veränderter Sinngehalt zukommt. Zwar verkennt die Kammer nicht, dass es für den Kläger schwierig ist, aus der Erinnerung ausreichenden Vortrag zu halten, wenn seine Behauptung zutrifft, er habe den Chatverlauf gelöscht. Dies rechtfertigt aber eine so weitgehende Absenkung der Anforderungen an die Substantiierung seines Vortrags nicht.
(ee)
Eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des Klägers folgt nicht aus den Äußerungen des Gruppenmitglieds H. vom 21.11.20 und G. vom 20.12.2020. Zwar könnten die Äußerungen darauf hindeuten, dass die genannten Gruppenmitglieder davon ausgehen, dass die Inhalte des Chats vertraulich bleiben. Im Hinblick auf das Mitglied H. ist aber bereits fraglich, ob sich diese Erwartung auf alle Inhalte bezieht. Im vorangehenden Satz führt er aus, die Gruppe sei für Blödsinn jeglicher Sorte. Es erscheint fraglich, ob unter den gewählten Begriff "Blödsinn" auch Inhalte gewaltverherrlichender, sexistischer, rassistischer oder antisemitischer Art gefasst werden können. Im Hinblick auf das Mitglied G. ist ebenfalls nicht erkennbar, dass die Äußerung "what happens in Vegas, stays in Vegas", sich auf sämtliche Chatinhalte beziehen oder nur ein Kommentar zu den vorstehenden Äußerungen sein soll. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass es letztlich das Mitglied G. war, dass den Bruch der Vertraulichkeit möglich gemacht hat. Es ist auch zu beachten, dass die Äußerungen zweier Gruppenmitglieder keine Rückschlüsse darauf zulassen, inwieweit der Kläger eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung gegenüber den anderen Mitgliedern haben durfte.
(d)
Die Äußerungen des Klägers in dem Chatverlauf rechtfertigen auch nach der gebotenen umfassenden Interessenabwägung die außerordentliche Kündigung vom 28.7.2021.
(aa)
Einer vorherigen Abmahnung des Klägers bedurfte es nicht.
Die Interessenabwägung im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB hat bei Vorliegen einer Vertragspflichtverletzung ua. zum Gegenstand, ob dem Kündigenden eine mildere Reaktion als eine fristlose Kündigung, also insbesondere eine Abmahnung oder fristgerechte Kündigung zumutbar war. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist. Liegt nur eine dieser Fallgruppen vor, kann Ergebnis der Interessenabwägung nicht sein, den Kündigenden auf eine Abmahnung als milderes Mittel zu verweisen. Die zweite Fallgruppe betrifft ausschließlich das Gewicht der in Rede stehenden Vertragspflichtverletzung, die für sich schon die Basis für eine weitere Zusammenarbeit irreparabel entfallen lässt. Dieses bemisst sich gerade unabhängig von einer Wiederholungsgefahr; vgl. BAG, 20.05.2021, 2 AZR 596/20, Juris Rn. 27.
Vorliegend ist die Pflichtverletzung des Klägers so schwer, dass die Hinnahme durch die Beklagte für den Kläger erkennbar ausgeschlossen war. Der Kläger hat sich über Mitarbeiter in sexistischer, gewaltverherrlichender und menschenverachtender und über die Beklagte in beleidigender Weise geäußert. Das gilt insbesondere für die Äußerungen über die Kolleginnen G. , M. und C. und den Kollegen F. In diesem Zusammenhang hat der Kläger zwar bestritten, dass die Äußerungen über G., M. und C. Kolleginnen betroffen haben sollen. Dieses Bestreiten reicht aber aus den oben angeführten Gründen nicht aus. Der Kläger hat nicht bestritten, dass es in seinem Umfeld bei der Beklagten Kolleginnen mit diesen Namen gegeben hat. Er hat auch nicht vorgetragen, woraus sich ergeben soll, dass diese Kolleginnen nicht gemeint waren. Es ist aus dem Kontext der Äußerungen ergibt sich nicht, dass sie sich auf einen anderen als den beruflichen Bereich beziehen, dass der Kläger in seinem privaten Umfeld Frauen mit diesen Namen kennt, auf die sich seine Äußerungen beziehen, trägt er nicht vor. Der Beklagten ist die Hinnahme solcher Äußerungen über andere Mitarbeiter nicht zuzumuten. Auch wenn die Kammer dem Kläger nicht unterstellt, dass sich hinter den Äußerungen des Klägers bezüglich der Gewaltanwendung gegenüber Vorgesetzen und Mitarbeitern eine tatsächliche Absicht zur Umsetzung verborgen hat, sind bereits die Äußerungen erhebliche Pflichtverstöße, mit deren Hinnahme der Kläger nicht rechnen konnte.
(bb)
Der Beklagten war die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nicht im Hinblick auf die verbleibende kurze Dauer bis zur Beendigung zuzumuten. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Kläger nur noch für zwei Monate bedurft hätte und die Beendigung für den Kläger erhebliche Nachteile nach sich zieht. Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass die ordnungsgemäße Beendigung zum 30.90.2021 für die Beklagte umfangreiche finanzielle Belastungen nach sich gezogen hätte. Neben der nach dem vereinbarten Sozialplan zu zahlenden Abfindung wären Aufwendungen für die Beschäftigung des Klägers in der G. zu erbringen gewesen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass sich aus den Äußerungen des Klägers im Chatverlauf auch eine erhebliche Abneigung gegen die Beklagte und ihre Vertreter ergibt. Zwar mag es sein, dass die Äußerungen dem Unmut des Klägers über die Umstrukturierungsmaßnahmen zuzuschreiben sind. Gleichwohl stellen sie eine erhebliche Pflichtverletzung dar. Die zugunsten des Klägers zu berücksichtigende Dauer der bisherigen Betriebszugehörigkeit und seine Unterhaltspflichten müssen dahinter zurücktreten.
2.
Auch der Zahlungsantrag zu 2. ist unbegründet.
Da das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 28.7.2021 beendet worden ist, stehen dem Kläger die geltend gemachten Entgeltfortzahlungsansprüche für September 2021 nicht zu.
III.
Auch das weitere Vorbringen des Klägers, auf das in diesem Urteil nicht mehr besonders eingegangen wird, weil die Entscheidungsgründe gemäß § 313 Abs. 3 ZPO lediglich eine kurze Zusammenfassung der tragenden Erwägungen enthalten sollen, führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis.
IV.
Die Entscheidung über die Kosten der ersten Instanz folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Für die Ermmittlung der Quote ist die Kammer von einem erstinstanzlichen Streitwert in Höhe von 24.164,34 EUR ausgegangen. Dieser errechnet sich, wie auch das Arbeitsgericht ausgeführt hat, aus dem Wert des erstinstanzlichen Antrages zu 2. erhöht um ein Bruttomonatsgehalt für das eingeklagte Zeugnis. Der Feststellungsantrag zu 1. ist wegen wirtschaftlicher Identität mit dem Antrag zu 2. nicht gesondert berücksichtigt worden. Die Entscheidung über die Kosten der Berufung und der Revision folgt aus § 97 Abs. 1 ArbGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG), bestanden nicht.
Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) und der sofortigen Beschwerde (§ 72 b ArbGG) wird hingewiesen.