Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 14.05.2025, Az.: 14 U 238/24
Einstweiliger Rechtsschutz auf Zahlung wegen Vergütungsnachträge zu einem Bauvertrag
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 14.05.2025
- Aktenzeichen
- 14 U 238/24
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2025, 16294
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2025:0514.14U238.24.00
Rechtsgrundlage
- § 650b Abs. 1 S. 1, 2 BGB
Amtlicher Leitsatz
- 1.
§ 650c Abs. 3 BGB ist - ebenso wie § 650d BGB - auf Bauverträge anwendbar, in die die VOB/B einbezogen ist. Will der Unternehmer nach § 650c Abs. 3 BGB vorgehen, müssen aber auch im VOB/B-Vertrag die Voraussetzungen des § 650b BGB gegeben sein (Anschluss an OLG München, Beschluss vom 12.03.2024 - 9 U 3791/23).
- 2.
Das Vorliegen eines Nachtragsangebotes nach § 650b Abs. 1 S. 2 BGB setzt - über die Voraussetzungen der §§ 145 ff. BGB hinaus - voraus, dass der Besteller durch dieses in die Lage versetzt wird, die auf ihn im Falle einer Beauftragung zukommenden Zusatzkosten wenigstens annähernd abzuschätzen. Das Angebot muss zeitlich vor der Anordnung nach § 650b Abs. 2 BGB in hinreichend bestimmter Form vorliegen, da es der Unternehmer andernfalls in der Hand hätte, durch ein nachträgliches Angebot die Höhe seiner Abschlagszahlungen nach § 650c Abs. 3 BGB selbst festzulegen.
- 3.
Leistungsänderungen, die sich nicht auf die bautechnische Leistung (den sog. Bauinhalt), sondern lediglich auf die Bauumstände, insbesondere die Bauzeit, beziehen, werden von § 650b Abs. 1 S. 1 BGB nicht erfasst.
- 4.
Der gesetzlich vermutete Verfügungsgrund des § 650d BGB entfällt wegen Selbstwiderlegung, wenn der Antragssteller von der Möglichkeit der Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes unangemessen lange keinen Gebrauch macht. Wie lange ein Antragssteller mit dem Verfügungsantrag zuwarten darf, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.
- 5.
Die Dringlichkeitsvermutung des § 650d BGB ist auf Streitigkeiten über Anordnungen nach § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B und die Berechnung von Nachtragsvergütungen nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B sowie über auf andere Anspruchsgrundlagen als § 650c BGB gestützte Vergütungsansprüche nicht anwendbar.
In dem Rechtsstreit
ARGE Sicherung Mittel- und Nordstollen H., ...
- Verfügungsklägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
...
gegen
Landeshauptstadt H., ...
- Verfügungsbeklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
...
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ... auf die mündliche Verhandlung vom 15. April 2025 für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das am 20. November 2024 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hannover - Az.: 7 O 151/24 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Verfügungsklägerin zu tragen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 512.882,91 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf Zahlung wegen umstrittener Vergütungsnachträge zu einem Bauvertrag in Anspruch.
Die Parteien sind verbunden über einen Vertrag zur Sicherung des Mittel- und Nordstollens der A. Asphaltgruben in H. Die Verfügungsbeklagte beauftragte die Verfügungsklägerin mit Zuschlag vom 16. Juni 2023 mit Maßnahmen zur Erkundung, Sicherung und Verfüllung eines ehemaligen untertagigen Stollensystems im Bereich der Gemarkung A., Stadt H. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Leistungsbeschreibung (Anlage OK 1, Bl. 20 ff. eA LG), das bepreiste Leistungsverzeichnis (Anlage OK 2, Bl. 38 ff. eA LG) und die E-Mail mit Zuschlag vom 16. Juni 2023 (Anlage OK 3, Bl. 51 eA LG) Bezug genommen.
Die VOB/B ist Vertragsbestandteil. Baubeginn war im Juli 2023.
Bis August 2024 rechnete die Verfügungsklägerin Leistungen in Höhe von insgesamt 20.695.672,12 € brutto ab. Mit der streitgegenständlichen 29. Abschlagsrechnung vom 20. August 2024 (Anlage OK 4, Bl. 52 ff. eA LG) machte sie eine weitere Abschlagssumme in Höhe von insgesamt 812.499,98 € brutto geltend.
Die Verfügungsbeklagte verweigerte die Zahlung der in Rechnung gestellten Abschläge für die Nachtragspositionen N 1.5 ("Entsorgung von überschüssigem Bohrwasser") und N 2 (Zulagen zu den Positionen "Anmischen und druckloses Einbringen von Dämmersuspension") und stellte eine Vergütungspflicht für die beiden Positionen in Abrede.
Im Einzelnen:
Position N 1.5: Entsorgung von überschüssigem Bohrwasser
Die Sicherung der Stollensysteme sollte erfolgen, indem Baustoff in diese eingebracht wird. Anschließend sollten die Stollen in regelmäßigen Abständen angebohrt werden, u.a. um die Vollständigkeit der Hohlraumverfüllung zu überprüfen. Bei den Bohrungen fällt zu entsorgendes Bohr- bzw. Spülwasser an.
In der Leistungsbeschreibung heißt es hierzu auf S. 8 f.:
"Es ist eine Verrohrung einzubringen, um einen geordneten Spülungskreislauf zu gewährleisten. Der AN hat sicher zu stellen, dass durch Abwasser bzw. Bohrklein Dritten keine Schäden entstehen. Das Bohrwasser darf nicht in ein Oberflächengewässer abgeleitet werden. Für die Ableitung des Bohrwassers in das Abwassernetz ist eine Einleitgenehmigung bei der kommunalen Stadtentwässerung durch den AN einzuholen."
Das Leistungsverzeichnis enthält keine Position zu den Kosten der Entsorgung des Spülwassers.
Am 22. Juni 2023 fand eine Bauanlaufbesprechung statt. Das Protokoll (Anlage OK 10, Bl. 107 f. eA LG) enthält einen Passus, wonach eine Drittfirma für die Entsorgung des Wassers zuständig sein sollte, wobei das Protokoll am 4. Juli 2023 dahin berichtigt wurde, dass sich dieser Passus nur auf das Gruben- und nicht auf das Spülwasser beziehe. Zu diesem heißt es im Protokoll:
"Hinsichtlich des Umgangs mit durch Schwebstoffe belastetem Bohrspülwasser wurde letztlich abgestimmt, erforderlichenfalls auf Kreislaufspülung umzustellen. Die damit notwendigerweise verbundene verringerte Qualität der Bohraufschlüsse wird seitens der Fachbauleitung als akzeptabel eingeschätzt."
Am 23. Juni 2023 stellte die Verfügungsklägerin bei der zuständigen Abteilung der Verfügungsbeklagten per E-Mail einen formlosen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung, das Spülwasser in die Kanalisation ableiten zu dürfen, dem mangels ausreichend konkreter Angaben nicht stattgegeben wurde. Einen formellen Genehmigungsantrag hat die Verfügungsklägerin bis heute nicht gestellt.
Die Verfügungsklägerin vereinbarte mit der Fachbauleitung der Verfügungsbeklagten vor dem für den 10. Juli 2023 geplanten Start der Bohrungen, das für die Bohrungen benutzte Wasser, und zwar: Frischwasser und Grubenwasser ohne Spülzusätze, so lange wie möglich wiederzuverwenden und anschließend extern zu entsorgen (sog. Umlaufspülung).
In dem Protokoll der 1. Baubesprechung vom 4. Juli 2023 (Anlage OK 11, Bl. 112 ff. eA LG) heißt es zu Position A01:
"Alle Maßnahmen in Verbindung mit Wässern, die im Zuge der Bohrarbeiten anfallen (wie Bohrwassererfassung/-entsorgung etc.) werden von der ARGE beaufsichtigt bzw. durchgeführt. So nicht im LV/LB ausgeschrieben, daher wird ein Nachtrag seitens der ARGE an den AG gestellt. Alle in diesem Zusammenhang anfallenden Maßnahmen sind über den Nachtrag abzurechnen".
Am 10. Juli 2023 erstellte die Verfügungsklägerin im Hinblick auf den Mehraufwand für das Bohren mit Umlaufspülung das Nachtragsangebot N 1 (Anlage OK 5, Bl. 62 f. eA LG). Zu Position N 1.5 heißt es dort:
"Entsorgung von überschüssigem Bohrwasser nach Absetzen der groben Verunreinigungen im Pufferbecken auf Nachweis zzgl. der Zuschläge gemäß Urkalkulation, sofern die Wässer dem System von Hölscher zugeführt werden können.
1,000 t auf Nachweis auf Nachweis".
In einem Baubesprechungsprotokoll vom 20. Juli 2023 (Anlage AG 8, Lfd. Nr. A 03, Bl. 775 f. eA LG) heißt es:
"Die Reinigung und Entleerung der Absetzbecken für die Umlaufspülung werden durch einen weiteren Nachtrag abgedeckt."
Die Verfügungsklägerin beauftragte die Firma P. GmbH aus B. mit dem Absaugen und der Entsorgung des Spülwassers. Die Verfügungsklägerin stellte die Entsorgungskosten in ihre Abschlagsrechnungen ein. Die Verfügungsbeklagte verweigerte von Anfang an Zahlungen auf die Position N 1.5.
Mit E-Mail vom 24. Mai 2024 (Anlage OK 6, Bl. 64 eA LG) teilte die Verfügungsbeklagte mit, dass nach Freigabe durch den Verwaltungsausschuss der Nachtrag N 1 - in einer überarbeiteten Fassung - zu den Positionen 1.1 bis 1.4 und 1.6 freigegeben werde, nicht aber zur Position N 1.5, da es sich bei der Entsorgung des Bohrwassers um eine Nebenleistung handele, die vertraglich geschuldet und daher nicht gesondert zu vergüten sei.
Die Verfügungsklägerin war erstinstanzlich der Ansicht, die Verfügungsbeklagte habe eine Änderung des Vertrags angeordnet und müsse daher die Kosten, die sie zu Position N 1.5 abgerechnet habe, tragen. Nach Seite 8 und 9 der Leistungsbeschreibung ("Für die Ableitung des Bohrwassers in das Abwassernetz ist eine Einleitgenehmigung bei der kommunalen Stadtentwässerung durch den Auftragnehmer einzuholen") sei das Bohrwasser ursprünglich in die Kanalisation einzuleiten gewesen.
Die Verfügungsklägerin hat behauptet, die Verfügungsbeklagte habe sich bewusst für eine Einleitung des Bohrwassers in die Kanalisation entschieden, weil eine externe Entsorgung von Bohrwasser hohe Kosten verursache. Die Einleitung in die Kanalisation sei das übliche Verfahren. Erst nach Beginn der Arbeiten habe sich gezeigt, dass der Baugrund erheblich von der erwarteten Beschaffenheit abweiche und das Bohrwasser eine höhere Menge an Schwebstoffen enthalte als nach der Baubeschreibung zu erwarten gewesen sei. Die Fachbauleitung der Verfügungsbeklagten habe deshalb angeordnet, das Bohrwasser nach Absetzen der groben Partikel so lange wie technisch möglich wiederzuverwenden (sog. Umlaufspülung) und dieses anschließend extern zu entsorgen.
Die Verfügungsklägerin hat gemeint, die Verfügungsbeklagte habe eine solche Anordnung schon in der Bauanlaufbesprechung vom 22. Juni 2023 und in der Baubesprechung vom 4. Juli 2023 getroffen. Die Verfügungsbeklagte habe die Übernahme der Kosten für die Entsorgung bestätigt.
Die Höhe der Vergütungsforderung berechnet die Verfügungsklägerin durch eine Addition der in Rechnung gestellten Entsorgungsvergütung der Firma P. (s.o.) zuzüglich eines Zuschlags in Höhe von 33 % entsprechend der Urkalkulation.
Die gemäß § 650c Abs. 3 S. 1 BGB im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens anzusetzenden 80 % der zur Position N 1.5 derzeit offenen Nachtragsforderung würden somit derzeit 357.622,72 € betragen. Sie erwarte, dass der Betrag im weiteren Bauverlauf noch erheblich ansteigen werde, was den Feststellungsantrag erforderlich mache. Auch künftig werde das anfallende Bohrwasser nicht in die Kanalisation eingeleitet werden können.
Position N 2: Zulage wegen Reduzierung der arbeitstäglichen Verfüllmenge
In der Leistungsbeschreibung heißt es in Bezug auf die zu erbringende Verfüllmenge (S. 2):
"Die beiden Stollensysteme weisen große Hohlraumvolumina auf. Daher wird seitens des Auftraggebers (AG) Wert auf eine leistungsfähige Durchführung gelegt. Der Bieter hat mit Angebotsabgabe darüber den Nachweis zu führen, dass:
er über ausreichend viele Bohrgeräte (bis zu 2 Bohrgeräte pro Stollen) verfügt.
er über ausreichende Verfüllkapazitäten (bis zu 2 Verfüllanlagen mit je 3 Pumpeneinheiten pro Stollen) verfügt.
arbeitstäglich bis zu 16 Silofahrzeuge mit Baustoff bereitgestellt und verarbeitet werden können."
Die Verfügungsklägerin erstellte am 26. September 2023 das "Nachtragsangebot N 2 - Reduzierung der arbeitstäglichen Verfüllmenge" (Anlage OK 20, Bl. 418 f. eA LG) und machte auf diesem Weg Kostenerhöhungen für die Einzelpositionen zu Ziffer 07 des Leistungsverzeichnisses "Leistungen zur drucklosen Verfüllung der Stollen" geltend, nachdem sich herausgestellt hatte, dass sie nicht 260 m3, d. h. ca. acht Silozüge, pro Tag und pro Stollen verfüllen konnte.
Die Verfügungsklägerin zeigte am 5. März 2024 deswegen ihre Behinderung an (Anlage OK 28, Bl. 462 eA LG). Die Verfügungsbeklagte wies die Behinderungsanzeige am 3. April 2024 (Anlage OK 29, Bl. 466 eA LG) zurück und forderte die Verfügungsklägerin auf, die Baustelle ordnungsgemäß zu besetzen und die vereinbarte Verfüllmenge zu erreichen.
Das von der Verfügungsklägerin erstellte Nachtragsangebot N 2 wurde von der Verfügungsbeklagten nicht beauftragt und die Abschlagsrechnungen wurden - jedenfalls - seit der 22. Abschlagsrechnung entsprechend um diese Positionen gekürzt.
Die Verfügungsklägerin war erstinstanzlich der Ansicht, dass durch die Leistungsbeschreibung eine Verfüllmenge von 260 m3/Tag pro Stollen ausgeschrieben worden sei, was einer Verarbeitung von acht Silozügen täglich pro Stollen entspreche. Auch durch die Vorgabe, die Arbeiten montags bis freitags zwischen 06:00 und 20:00 Uhr durchzuführen, sei eine Verfüllmenge von 260 m3/Tag pro Stollen vertraglich vereinbart worden.
Sie hat behauptet, diese Verfüllmenge sei wegen statischer Probleme nicht erreicht worden, sondern lediglich eine Menge von bis zu fünf Silozügen täglich. Die Verfügungsbeklagte habe durch die Baubesprechungsprotokolle vom 7. November 2023 (Anlage OK 24, Bl. 453 ff. eA LG) und 5. Dezember 2023 (Anlage OK 25, Bl. 456 eA LG) die Notwendigkeit anerkannt, geringere Mengen zu verfüllen. Durch eine Vorgabe im Besprechungsprotokoll vom 4. Juli 2023 (Anlage OK 11, Bl. 112 ff. eA LG), wonach freitags nicht gearbeitet werden solle, um dem Sportverein weiterhin den Sportbetrieb zu ermöglichen, sei ihre Tätigkeit weiter eingeschränkt worden. Auch habe in Wochen mit Feiertagen am Brückentag nicht gearbeitet werden sollen. Die Verfügungsbeklagte habe sie aufgefordert, wegen der verringerten Verfüllmengen eine Behinderungsanzeige zu stellen.
Die Verfügungsbeklagte war erstinstanzlich der Ansicht, die Anträge seien aus mehreren Gründen unzulässig, sie seien jedenfalls aber unbegründet. Der Verfügungsklägerin stehe die begehrte Vergütung zu den zwei Nachtragspositionen nicht zu.
Im Einzelnen:
Position N 1.5: Entsorgung von überschüssigem Bohrwasser
Die Verfügungsbeklagte war der Ansicht, dass die Verfügungsklägerin angesichts des Umstands, dass in der Leistungsbeschreibung darauf hingewiesen wurde, dass neben den gewachsenen Böden und dem anstehenden Fels Hohlräume, Verbruchzonen und Lockermassenfüllungen in unterschiedlicher Dimension und Zusammensetzung vorhanden seien, nicht davon ausgehen durfte, einen bestimmten Baugrund vorzufinden und das Spülwasser in die Kanalisation ableiten zu können. Die Verfügungsklägerin habe auch nicht annehmen dürfen, dass die Verfügungsbeklagte als an Recht und Gesetz gebundene öffentlich-rechtliche Körperschaft ohne Kenntnis von der Zusammensetzung des Wassers und einer Genehmigungsfähigkeit eine solche Anordnung treffen würde. Soweit in der Leistungsbeschreibung auf die Notwendigkeit der Einholung einer Genehmigung hingewiesen werde, ergebe sich daraus nicht, dass in der Leistungsbeschreibung die Entsorgung des Bohrwassers durch die öffentliche Kanalisation vorgegeben sei. Die Einleitung in die Kanalisation sei vielmehr nur eine von vier möglichen Entsorgungsmöglichkeiten.
Die Entsorgung der Bohrspülung sei gemäß VOB/C, ATV, Bohrarbeiten - DIN 18301, 4.1.4 eine Nebenleistung und, unabhängig von der Art der gewählten Entsorgung der Bohrspülung, nicht gesondert zu vergüten. Sollte die Verfügungsklägerin die Kosten für die Entsorgung der Bohrspülung nicht kalkuliert haben, wäre dies ein unbeachtlicher Kalkulationsirrtum.
Die Verfügungsbeklagte hat behauptet, dass die Verfügungsklägerin den schwierigen Baugrund gekannt habe, weil sie - was zwischen den Parteien unstreitig ist - von März bis Mai 2022 als Nachunternehmerin der I. L. mit der Durchführung der Erkundungsbohrungen als vorbefasste Projektantin bereits beauftragt gewesen sei und 37 Bohrungen in dem streitgegenständlichen Bereich ausgebracht habe.
Die Verfügungsbeklagte hat gemeint, die Verfügungsklägerin habe als Expertin ohnehin mit schwierigen Bodenverhältnissen rechnen müssen. Die Verfügungsklägerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass der Baugrund erheblich von der erwarteten Beschaffenheit abweiche und das anfallende Bohrwasser eine deutlich erhöhte Menge an Schwebstoffen enthalte. Die Umlaufspülung sei, so hat sie behauptet, allein deshalb notwendig geworden, weil die Verfügungsklägerin es versäumt habe, die Bohrspülung umfassend zu planen und zu kalkulieren und dabei die Ungewissheit der Bodenverhältnisse zu berücksichtigen.
Sie habe, so die Verfügungsbeklagte weiter, dem Verfahren der Umlaufspülung, obwohl dieses für sie mit Erkenntnisverlusten und anderen Nachteilen verbunden gewesen sei, nur deshalb zugestimmt, um zeitliche Verzögerungen möglichst gering zu halten.
Position N 2: Zulage wegen Reduzierung der arbeitstäglichen Verfüllmenge
Die Verfügungsbeklagte war erstinstanzlich der Ansicht, dass mit der Position 07.0010 "Drucklose Verfüllung, Anmischen und druckloses Einbringen von Dämmersuspensionen" vertraglich keine Verfüllmenge nach Stunden vorgesehen gewesen sei, sondern nach Tonnen. Lediglich für die bereitzustellenden Maschinen sei eine Leistungsfähigkeit von 260 m3 täglich pro Stollen vorgegeben worden.
Die Verfügungsklägerin habe damit rechnen müssen, dass wegen des unklaren Zustandes des mit Schutt verfüllten und ersoffenen Tagebaus besondere Vorkommnisse möglich seien, die Einfluss auf die Leistungsausführung haben könnten.
Sie hat behauptet, die Verfügungsklägerin habe von ihr das Einverständnis erbeten, aus baubetrieblichen Gründen nur an vier Tagen zu arbeiten. Auch die Feiertagsregelung sei auf Wunsch der Verfügungsklägerin getroffen worden.
Das Landgericht hat mit am 20. November 2024 verkündeten Urteil, auf das gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, des Vorbringens der Parteien im Einzelnen und der erstinstanzlichen Anträge Bezug genommen wird, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Der Antrag sei zulässig, aber unbegründet. Dabei könne dahinstehen, ob die §§ 650b, 650c, 650d BGB auf das streitgegenständliche Vertragsverhältnis anwendbar seien oder ob die VOB/B insoweit abschließende Regelungen enthalte. Denn die Verfügungsklägerin habe die Voraussetzungen der §§ 650d, 650c Abs. 3, 650b Abs. 2 BGB jedenfalls nicht schlüssig vorgetragen.
Hinsichtlich der Position N 1.5 könne offenbleiben, ob die in den Baubesprechungen getroffenen und schriftlich festgehaltenen Absprachen, das Verfahren der Umlaufspülung anzuwenden, als eine Anordnung der Verfügungsbeklagten vor Baubeginn nach § 650b Abs. 1 Nr. 2 BGB anzusehen sei. Denn es liege kein Angebot der Verfügungsklägerin nach § 650b Abs. 1 S. 2 BGB vor. § 650c BGB setze in Verbindung mit § 650b Abs. 2 BGB voraus, dass der Unternehmer dem Besteller ein beziffertes Angebot für die Mehrvergütung unterbreite. Daran fehle es, da das Nachtragsangebot bzgl. der Position N 1.5 lediglich die Erläuterung "auf Nachweis" enthalte. Auf ein Angebot, aus dem die tatsächlichen Kosten hervorgehen, könne nicht verzichtet werden, da dem Besteller vor seiner Entscheidung, ob die Vertragsänderung trotz Nichteinigung über die Kosten angeordnet werden solle, die wirtschaftliche Tragweite zu verdeutlichen sei.
In Bezug auf die Position N 2 fehle es an einem Änderungsbegehren der Verfügungsbeklagten nach § 650b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 oder 2 BGB. Die Verfügungsklägerin habe nicht schlüssig vorgetragen, dass sie nach dem Leistungsverzeichnis ursprünglich 260 m3 täglich je Stollen verfüllen sollte und die Verfügungsbeklagte hierzu nachträglich eine andere Anordnung getroffen hätte. Die Angabe "260 m3/Tag/Stollen" beziehe sich ihrem Wortlaut nach eindeutig auf die Leistungsfähigkeit der zu stellenden Baustoffanlagen, nicht jedoch auf eine bestimmte Verfüllmenge. Hierfür spreche insbesondere, dass diese Position zeitunabhängig nach der Menge ausgeschrieben worden sei. Soweit die Verfügungsklägerin behauptet habe, dass die Verfügungsbeklagte hinsichtlich der Arbeitstage bestimmte Anordnungen getroffen habe, sei dies unerheblich, weil daraus keine Rückschlüsse auf bestimmte Füllmengen gezogen werden könnten. Zudem habe die Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass sie selbst aus baubetriebswirtschaftlichen Gründen auf eine Vier- bzw. Dreitagewoche umgestellt habe.
Aus den genannten Gründen sei auch der Feststellungsantrag zurückzuweisen gewesen. Zudem stehe der beantragten Feststellung entgegen, dass das Gesetz für eine Zahlungspflicht jeweils einen offenen Saldo voraussetze, die streitigen Positionen aber lediglich unselbstständige Rechnungsposten darstellten.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Verfügungsklägerin mit ihrer Berufung, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung hinsichtlich der geltend gemachten Zahlungsanträge begehrt. Zu Unrecht habe das Landgericht die Voraussetzungen des § 650c Abs. 3 S. 1 BGB als nicht gegeben angesehen.
Die Auffassung des Landgerichts, § 650b Abs. 1 S. 2 BGB setze ein beziffertes Angebot, aus dem die tatsächlichen Kosten der Leistungsänderung hervorgingen, voraus, widerspreche der Gesetzessystematik, die in § 650b Abs. 1 BGB vom Konsensualprinzip ausgehe und es den Bauvertragsparteien überlasse, sich einvernehmlich auf eine Leistungsänderung zu verständigen. Die damit verbundene einvernehmliche Vergütungsbestimmung erfordere lediglich ein ausreichend bestimmtes oder bestimmbares Angebot. Diese Voraussetzung sei hinsichtlich der Nachtragsposition N 1.5 erfüllt, es sei erkennbar, aus welchen Bestandteilen sich der angebotene Preis zusammensetze.
Bei der von der Verfügungsbeklagten nachträglich angeordneten Reduzierung der täglichen Verfüllmenge handele es sich um eine Leistungsänderung, da sie, so die Verfügungsklägerin, an der Leistungserbringung in der bei Angebotsabgabe zugrunde gelegten Art und Weise gehindert werde. Die Anzahl der Wochenarbeitstage sei dabei nicht entscheidend, sondern die Effizienz der kalkulierten Tagesleistung.
Zudem habe das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass sich der streitgegenständliche Zahlungsanspruch nicht nur auf § 650c Abs. 3 BGB, sondern - auch in Höhe der Abschlagsforderungen - ebenfalls auf §§ 2 Abs. 5, 16 Abs. 1 VOB/B stützen lasse.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
unter Abänderung des am 20. November 2024 verkündeten und am 21. November 2024 zugestellten Urteils des Landgerichts Hannover (Az.: 7 O 151/24)
- 1.
die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, an sie 357.622,72 € auf die Abschlagsrechnung Nr. 29 vom 20. August 2024 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragstellung zu zahlen,
- 2.
die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung ferner zu verpflichten, an sie weitere 155.260,19 € auf die Abschlagsrechnung Nr. 29 vom 20. August 2024 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragstellung zu zahlen.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte verteidigt die Entscheidung des Landgerichts gegen die Angriffe der Berufung. Das Landgericht habe einen Anspruch der Verfügungsklägerin zu Recht verneint.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Verfügungsklägerin hat keinen Erfolg.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dabei ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom Landgericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.
Im vorliegenden Fall ist unter keinem der vorgenannten Gesichtspunkte eine Änderung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts veranlasst. Hierfür sind folgende Erwägungen maßgeblich:
Es ist nicht zu beanstanden, dass die 7. Zivilkammer des Landgerichts Hannover den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen hat.
Die Verfügungsklägerin kann den geltend gemachten Anspruch auf Abschlagszahlung weder auf § 650c Abs. 3 BGB (dazu unter Ziff. 1) noch auf § 650c Abs. 1 BGB (dazu unter Ziff. 2) stützen. Für einen Anspruch aus §§ 2 Abs. 5, 16 Abs. 1 VOB/B fehlt es jedenfalls an der Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes (dazu unter Ziff. 3).
1.
Die Verfügungsklägerin kann den geltend gemachten Mehrvergütungsanspruch nicht auf Grundlage von § 650c Abs. 3 BGB verlangen.
a)
Zwar ist diese Vorschrift nach überwiegender Ansicht (vgl. OLG München, Beschl. v. 12. März 2024 - 9 U 3791/23, NJW 2024, 2117 [BGH 16.04.2024 - II ZR 70/23]; LG Berlin, Urt. v. 16. Oktober 2020 - 8 O 126/20, BeckRS 2020, 40993; Kniffka/Jurgeleit/von Rintelen, ibrOK BauVertrR, Stand 07.02.2025, § 650c Rn. 152; BeckOK BauVertrR/Althaus/Kattenbusch, 28. Ed. 15.2.2025, BGB § 650c Rn. 158), der sich der Senat anschließt, auch auf Bauverträge anwendbar, in die die VOB/B einbezogen ist. Der Wortlaut der Regelung steht einer solchen Erstreckung nicht entgegen. Die VOB/B enthält allgemeine Vertragsbedingungen und modifiziert, wenn sie Bestandteil eines Bauvertrages geworden ist, die gesetzlichen Regelungen. Die VOB/B enthält jedoch keine Regelung, die § 650c Abs. 3 BGB entspricht. § 16 Abs. 1 VOB/B enthält zwar Vorschriften zur Abschlagszahlung, aber kein vorläufiges einseitiges Preisbestimmungsrecht des Unternehmers. Damit enthält die VOB/B in Bezug auf § 650c Abs. 3 BGB keine Modifikation, § 650c BGB bleibt daher anwendbar (vgl. OLG München a.a.O.).
Allerdings müssen auch im VOB/B-Vertrag die Voraussetzungen des § 650b BGB vorliegen, wenn der Unternehmer nach § 650c Abs. 3 BGB vorgehen will.
§ 650c Abs. 3 BGB knüpft an die Voraussetzungen des § 650b BGB an und setzt daher tatbestandsmäßig ein Angebot des Unternehmers nach § 650b Abs. 1 S. 2 BGB aufgrund eines Änderungsbegehrens des Bestellers und eine anschließende Anordnung nach § 650b Abs. 2 BGB voraus (so auch OLG München a.a.O.; Kniffka/Jurgeleit/von Rintelen, ibrOK BauVertrR, Stand 07.02.2025, § 650c Rn. 153 mwN; BeckOK BauVertrR/Althaus/Kattenbusch, 28. Ed. 15.2.2025, BGB § 650c Rn. 147; BeckOGK/Mundt, 1.1.2025, BGB § 650c Rn. 128; jurisPK-BGB/Leicht, BGB § 650b Rn. 45).
§ 650c Abs. 3 BGB ist Teil des aus §§ 650b, 650c und 650d BGB bestehenden einheitlichen Regelungssystems. Der Gesetzgeber hat ein System aufeinander aufbauender und aufeinander Bezug nehmender Normen zur Anordnung von Leistungsänderungen, zur Vergütung dieser geänderten Leistungen und zur Durchsetzbarkeit geschaffen (vgl. OLG München a.a.O.; LG München I, Urt. v. 31. August 2023 - 24 O 9551/23, BeckRS 2023, 46348; Kniffka/Jurgeleit/von Rintelen, ibrOK BauVertrR, Stand 07.02.2025, § 650c Rn. 153). Deshalb kann ein Unternehmer nicht ohne Weiteres auf einzelne Regelungen wie § 650c Abs. 3 BGB zurückgreifen, ohne zugleich die sich aus § 650b BGB ergebenden Voraussetzungen zu beachten (OLG München a.a.O.). Dies gilt auch für den hier vorliegenden VOB/B-Vertrag. Die VOB/B enthält, wie erwähnt, gerade keine Modifikation des § 650c Abs. 3 S. 1 BGB, sodass § 650c Abs. 3 S. 1 BGB unverändert mit den dort festgelegten Voraussetzungen zur Anwendung kommt (OLG München a.a.O.).
b)
Die Verfügungsklägerin hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 650b Abs. 1, Abs. 2 BGB hinsichtlich der in Streit stehenden Nachtragspositionen nicht glaubhaft gemacht.
aa)
Hinsichtlich der Nachtragsposition N 1.5 (Entsorgung von überschüssigem Bohrwasser) fehlt es jedenfalls an einem Angebot der Verfügungsbeklagten nach § 650b Abs. 1 S. 2 BGB.
Der Anspruch auf Abschlagszahlung nach § 650c Abs. 3 BGB setzt - wie dargestellt - voraus, dass der Unternehmer dem Besteller ein Angebot über die Mehr- oder Mindervergütung unterbreitet hat.
Daran fehlt es vorliegend. Das als Nachtragsangebot bezeichnete Schreiben der Verfügungsklägerin vom 10. Juli 2023 (Anlage OK 5, Bl. 62 ff. eA LG) genügt hinsichtlich der Position N 1.5 nicht den an ein solches Nachtragsangebot zu stellenden Anforderungen.
§ 650b Abs. 1 S. 2 BGB selbst legt weder die Form des Angebots noch dessen Inhalt fest, d. h. wie detailliert dieses auszuarbeiten ist. Nach allgemeinen Grundsätzen muss der Inhalt des Angebots so bestimmt sein, dass durch die Annahme ein Änderungsvertrag zustande kommen kann (Messerschmidt/Voit/Rintelen, 4. Aufl. 2022, BGB § 650b Rn. 40 mwN). Ausreichend ist daher die Angabe der zusätzlich anfallenden Leistungen sowie eines bestimmten oder bestimmbaren Endpreises. Der Besteller ist nicht verpflichtet, den Preis näher aufzuschlüsseln oder gar nachvollziehbar ("prüfbar") aus seiner Kalkulation oder tatsächlichen Kostenveränderungen im Sinne einer Nachtragsberechnung abzuleiten (Messerschmidt/Voit/von Rintelen, 4. Aufl. 2022, BGB § 650b Rn. 40 f.; Kniffka/Jurgeleit/von Rintelen, ibrOK BauVertrR, Stand 07.02.2025, § 650b Rn. 93 f.). Dieser muss auch nicht rechnerisch richtig gemäß § 650c Abs. 1, Abs. 2 BGB hergeleitet sein (Grüneberg/Retzlaff, 84. Aufl. 2025, BGB § 650b Rn. 9).
Die Verfügungsklägerin beschreibt in ihrem Nachtragsangebot unter der Position N 1.5 die zu erbringende Leistung ("Entsorgung von überschüssigem Bohrwasser nach Absetzen der groben Verunreinigungen im Pufferbecken"), zum Preis heißt es lediglich: "Auf Nachweis zzgl. der Zuschläge gemäß Urkalkulation".
Der Verfügungsklägerin ist zuzugeben, dass sich der Angebotspreis erkennbar aus den Fremdkosten der Entsorgung und den gemäß der Urkalkulation berechneten Zuschlägen zusammensetzen soll. Dennoch genügt das Angebot in dieser Form nicht den Anforderungen des § 650b Abs. 1 S. 2 BGB, die nach Dafürhalten des Senats über die Voraussetzungen der §§ 145 ff. BGB hinausgehen.
Das Angebot nach § 650b Abs. 1 S. 2 BGB verfolgt eine Doppelfunktion: Gesetzgeberisches Ziel ist möglichst eine einvernehmliche Regelung der Parteien über die Vertragsänderung (BT-Drs. 18/8486 S. 54). Erst wenn eine Einigung nicht erzielt werden kann, soll der Besteller von seiner einseitigen Anordnungsbefugnis nach § 650b Abs. 2 BGB Gebrauch machen können. Das Angebot bietet daher zum einen die Grundlage für diese Verhandlungen, indem es dem Besteller einen Anhaltspunkt für die in Ansatz zu bringende Mehrvergütung liefert. Zum anderen dient das Angebot später, wenn eine Einigung nicht zustande gekommen ist und der Besteller von seinem einseitigen Leistungsänderungsrecht Gebrauch gemacht hat, als Berechnungsgrundlage für den nach § 650c Abs. 3 S. 1 BGB pauschal zu zahlenden Abschlag in Höhe von 80 % des Angebotspreises (Staudinger/Leupertz/Popescu (2024) BGB § 650b Rn. 80).
Diesen Zwecken wird das Nachtragsangebot der Verfügungsklägerin hinsichtlich der Position N 1.5 nicht gerecht.
Aus dem Angebotstext ist weder ersichtlich, welches Fremdunternehmen die Verfügungsklägerin mit der Entsorgung des Bohrwassers beauftragen will, noch welche konkreten Leistungen dieses erbringen soll oder welche Kosten hierdurch voraussichtlich entstehen werden. Zwar ist nachvollziehbar, dass zum damaligen Zeitpunkt, d.h. vor Beginn der Bohrungen bzw. der Beauftragung des externen Entsorgungsdienstleisters, noch kein Endpreis genannt werden konnte, da dieser sich nach dem im Voraus nicht sicher zu kalkulierenden Aufwand, insbesondere der Menge des zu entsorgenden Wassers und der hierfür erforderlichen Arbeitszeit, richten sollte. Allerdings werden der Verfügungsbeklagten hier keinerlei Anhaltspunkte an die Hand gegeben, um die auf sie zukommenden Zusatzkosten auch nur annähernd abschätzen zu können. Denkbar gewesen wäre die Beifügung eines Preisverzeichnisses/Kostenvoranschlages der Firma P. über die Preise pro Tonne, die Arbeitskosten pro Stunde etc. Auch daran fehlt es aber.
Auch der von der Verfügungsklägerin angestrengte Vergleich zum Einheitspreisvertrag überzeugt nicht. Zwar kann die Höhe der Vergütung auch hier erst im Nachhinein, nach Feststellung des Umfangs der tatsächlich durchgeführten Arbeiten, durch Aufmaß festgestellt werden. Allerdings wird bereits zuvor festgelegt, nach welchen Einheiten abgerechnet wird und welche Preise hierfür jeweils vorgesehen sind. Selbst daran fehlt es vorliegend.
Auch das Argument der Verfügungsklägerin, der Preis sei immerhin bestimmbar, sobald die Leistung erbracht worden sei, verfängt nicht. Das Angebot muss zeitlich vor der Anordnung nach § 650b Abs. 2 BGB in hinreichend bestimmter Form vorliegen. Andernfalls hätte es der Besteller in der Hand, durch ein nachträgliches Angebot die Höhe seiner Abschlagszahlungen nach § 650c Abs. 3 BGB selbst festzulegen (Kniffka/Jurgeleit/von Rintelen, ibrOK BauVertrR, Stand 07.02.2025, § 650c Rn. 149; BeckOGK/Mundt, 1.1.2025, BGB § 650c Rn. 128). Schon aus diesem Grund überzeugt die in der Berufungsbegründung gezogene Parallele zum Selbstkostenerstattungsvertrag (§ 2 Abs. 2 VOB/B) ebenfalls nicht.
Ohne Nachtragsangebot nach § 650b Abs. 1 S. 2 BGB fehlt es an einer Voraussetzung und der Grundlage für die Regelung des § 650c Abs. 3 BGB. Der Unternehmer - hier die Verfügungsklägerin - kann Abschlagszahlungen in diesem Fall nicht unter den erleichterten Voraussetzungen, sondern lediglich auf Grundlage von § 632a Abs. 1 BGB oder vertraglichen Regelungen bzw. § 16 VOB/B verlangen (BeckOGK/Mundt, 1.1.2025, BGB § 650c Rn. 128).
bb)
Im Hinblick auf Reduzierung der täglichen Verfüllmenge (Nachtragsangebot N 2), die zu einer Effizienzminderung und damit einer Kostenerhöhung auf Seiten der Verfügungsklägerin geführt hat, liegt bereits kein Änderungsbegehren der Verfügungsbeklagten im Sinne von § 650b Abs. 1 BGB vor.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob eine Verfüllmenge von arbeitstäglich 260 m3 pro Baustelleneinrichtungsfläche (= 7,6 Silozüge) vereinbart war oder die entsprechende Angabe in der Leistungsbeschreibung nur die geforderte Leistungsfähigkeit des Bieters beschreiben sollte. Die Beantwortung dieser Frage kann aber dahinstehen. Die von der Verfügungsklägerin insoweit behauptete Anordnung der Verfügungsbeklagten, die tägliche Verfüllmenge zu reduzieren, unterfällt jedenfalls nicht dem § 650b Abs. 1 BGB.
Der Besteller kann nach § 650b Abs. 1 S. 1 BGB zwei Arten der Vertragsanpassung begehren, nämlich eine Veränderung des vereinbarten Werkerfolgs (Nr. 1) und eine Änderung der zur dessen Erreichung notwendigen Leistungen (Nr. 2). Werkerfolg in diesem Sinne ist der funktionale Bauerfolg (BeckOK BauVertrR/Leupertz, 28. Ed. 15.2.2025, BGB § 650b Rn. 37a). Die Änderungen müssen damit die bautechnischen Leistungen, den sog. Bauinhalt betreffen. Nicht erfasst werden Änderungen, die sich lediglich auf die Bauumstände, insbesondere die Bauzeit, beziehen (Messerschmidt/Voit/von Rintelen, 4. Aufl. 2022, BGB § 650b Rn. 18; Kniffka/Jurgeleit/von Rintelen, ibrOK BauVertrR, Stand 07.02.2025, § 650b Rn. 63 ff.; BeckOK BauVertrR/Leupertz, 28. Ed. 15.2.2025, BGB § 650b Rn. 48; Staudinger/Leupertz/Popescu (2024) BGB § 650b Rn. 58 ff.; BeckOGK/Mundt, 1.1.2025, BGB § 650b Rn. 64 ff.; Oberhauser NZBau 2019, 3).
Für ein solches Verständnis spricht die Entstehungsgeschichte der Norm: Im Referentenentwurf des BMJV war noch vorgesehen, dem Besteller unter engen Voraussetzungen die Befugnis einzuräumen, Anordnungen zur Bauzeit und zur Ausführung der Bauleistungen zu erteilen (§ 650b Abs. 2 S. 3 BGB-E, s. Kniffka/Jurgeleit/von Rintelen, ibrOK BauVertrR, Stand 07.02.2025, § 650b Rn. 64). Ein solches Anordnungsrecht hat der Gesetzgeber schließlich, obwohl ein solches im Rahmen von § 1 Abs. 3 VOB/B bereits seit langer Zeit umstritten ist (vgl. hierzu die Übersicht bei BeckOK VOB/B/Wieseler, 58. Ed. 1.2.2025, VOB/B § 1 Abs. 3 Rn. 18 ff.), nicht übernommen. Dafür, dass er dem Besteller ein solches Recht nun gleichwohl unausgesprochen unter Verzicht auf die ursprünglich vorgesehenen Voraussetzungen zubilligen wollte, ist nichts ersichtlich (BeckOK BauVertrR/Leupertz, 28. Ed. 15.2.2025, BGB § 650b Rn. 48).
Die (behauptete) Anordnung, die tägliche Verfüllmenge zu reduzieren, betrifft - wie die Verfügungsklägerin selbst in ihrer Antragsschrift ausführt (S. 15 d. Antragsschrift, Bl. 15 eA LG) - die Bauausführung und die Bauzeit. Der Anwendungsbereich der §§ 650b, 650c BGB ist daher nicht eröffnet.
Deshalb kann dahinstehen, ob die ursprüngliche Verfüllmenge aufgrund der Bodenverhältnisse oder - wie die Verfügungsbeklagte behauptet - nur deshalb nicht erreicht werden konnte, weil die Verfügungsklägerin wegen unzureichender Förderung der Baumaßnahme, mangels Erhöhung der Anzahl der Arbeitskräfte und Bohrgeräte in Verzug geraten ist.
Unerheblich ist ferner, dass die Verfügungsbeklagte zunächst selbst vom Vorliegen einer Leistungsänderung und dem Erfordernis einer Nachtragsvereinbarung ausgegangen ist (vgl. Protokoll vom 5. Dezember 2023, Anlage OK 25: "Der Nachtrag 2 ist unbestritten in seiner Notwendigkeit".). Liegt - wie hier - objektiv bereits kein Änderungstatbestand nach § 650b Abs. 1 BGB vor, geht eine etwaige Anordnung des Bestellers als sog. Putativnachtrag ins Leere und ist daher nicht geeignet, einen Mehrvergütungsanspruch gemäß § 650c BGB zu begründen (BeckOK BauVertrR/Leupertz, 28. Ed. 15.2.2025, BGB § 650b Rn. 67d; Leinemann/Kues, 2. Aufl. 2023, BGB § 650b Rn. 76).
c)
Jedenfalls hinsichtlich der Nachtragsposition N 1.5 hat die Verfügungsklägerin auch keinen Verfügungsgrund im Sinne der §§ 935, 940 ZPO glaubhaft gemacht.
aa)
Nach § 650d BGB ist es zum Erlass einer einstweiligen Verfügung in Streitigkeiten über das Anordnungsrecht nach § 650b BGB oder die Vergütungsanpassung nach § 650c BGB nach Beginn der Bauausführung nicht erforderlich, dass der Verfügungsgrund glaubhaft gemacht wird. Im vorliegenden Fall geht es um Streitigkeiten über die Vergütungsanpassung gemäß § 650c BGB.
§ 650d BGB ist im VOB/B-Vertrag anwendbar. Die Ausführungen zu § 650c Abs. 3 BGB (vgl. oben unter a)) gelten entsprechend. Auch insofern enthält die VOB/B keine modifizierende Regelung (so zutreffend OLG München, Beschl. v. 12. März 2024 - 9 U 3791/23, NJW 2024, 2117 [BGH 16.04.2024 - II ZR 70/23]; Kniffka/Jurgeleit/Manteufel, ibrOK BauVertrR, Stand: 07.02.2025, BGB § 650d Rn. 8 unter Verweis auf die verschiedenen hierzu vertretenen Ansichten).
(1) Die von § 650d BGB ausgehende Dringlichkeitsvermutung wird zunächst nicht durch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Verfügungsbeklagten widerlegt (KG, Urt. v. 7. September 2021 - 21 U 86/21, NJW 2021, 3198, Rn. 27 ff. BeckOK BGB/Voit, 73. Ed. 1.2.2024, § 650 d Rn. 7; BeckOGK/Mundt, 1.1.2025, § 650d BGB Rn. 56; Grüneberg/Retzlaff, 84. Aufl. 2025, BGB § 650d Rn. 3; a.A. bspw. Pause NZBau 2019, 755, 756). Die Norm dient jedenfalls nicht allein dem Insolvenzschutz des Unternehmers, sondern hat vor allem die Sicherstellung seiner Liquidität im Blick, da es aufgrund der Änderungsanordnung zu erheblichen Kostensteigerungen kommen kann (BT-Drs. 18/8486, S. 58).
(2) Jedenfalls hinsichtlich der Nachtragsposition N 1.5 hat die Verfügungsklägerin die Vermutung des § 650d BGB aber durch ihr eigenes zögerliches Verhalten selbst widerlegt.
Der gesetzlich vermutete Verfügungsgrund des § 650d BGB entfällt wegen Selbstwiderlegung, wenn der Antragssteller von seiner Möglichkeit der Inanspruchnahme von einstweiligem Rechtsschutz unangemessen lange keinen Gebrauch macht und dadurch zum Ausdruck bringt, dass ihm selbst die Sache nicht so eilig ist.
Der Auffassung des Kammergerichts, ein langes Zuwarten mit dem Eilantrag - im dortigen Streitfall: fast 1,5 Jahre nach Stellen der Schlussrechnung - erlaube keineswegs den Schluss auf eine fehlende Dringlichkeit, weil ein noch nicht erfülltes Anliegen gerade durch das Verstreichen von Zeit dringlich werden könne und die unbezahlte Vorleistung bereits Rechtfertigung genug sei, damit die Dringlichkeitsvermutung zur Anwendung kommen könne (KG, Urt. v. 7. September 2021 - 21 U 86/21, NJW 2021, 3198), ist in dieser Form nicht zu folgen (kritisch auch Badarsky NZBau 2023, 229; Hänsel NJW-Spezial 2022, 685 [OLG Karlsruhe 23.09.2022 - 8 W 29/22]). Das Gesetz unterscheidet auch bei Nachtragsforderungen infolge des Anordnungsrechts des Bestellers zwischen Verfügungsanspruch (§§ 650b, 650c BGB) und Verfügungsgrund (§ 650d BGB) und macht deutlich, dass der Verfügungsgrund nicht zwingend aus dem Bestehen des Verfügungsanspruchs angeleitet werden kann, sondern nur widerlegbar vermutet wird. Der Gedanke der Selbstwiderlegung, der in Ansehung der gesetzlichen Dringlichkeitsvermutung im Wettbewerbsrecht entwickelt worden ist, stellt einen allgemeinen Rechtsgrundsatz dar. Ein Grund dafür, diesen im Rahmen des § 650d BGB nicht heranzuziehen, ist nicht ersichtlich.
Wie lange ein Antragssteller mit dem Verfügungsantrag zuwarten darf, lässt sich nicht allgemein bestimmen und hängt von der Art des Anspruchs und den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Regelmäßig werden ihm aber nicht mehr als ein bis zwei Monate zugebilligt, die Obergrenze wird teils bei zwei, teils erst bei drei Monaten angenommen (vgl. die zahlreichen Nachweise bei BeckOK ZPO/Elzer/Mayer, 55. Ed. 1.12.2024, ZPO § 935 Rn. 17). In den Blick zu nehmen ist dabei auch der konkrete Zweck der jeweiligen gesetzlichen Vermutung. Das ist bei dem in § 650d BGB vermuteten Verfügungsgrund in erster Linie das Interesse des Unternehmers, schnell einen Zahlungstitel über den infolge der Änderungsanordnung erhöhten Abschlagszahlungsanspruch zu erhalten (BT-Drs. 18/8486, S. 58; vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23. September 2022 - 8 W 29/22, NZBau 2023, 226). Hat der Unternehmer die aufgrund der Änderungsanordnung erbrachten Bauleistungen in Kenntnis des Umstandes erbracht, dass eine Einigung über den damit geänderten Preis nicht (mehr) zustande kommen wird, so muss er den ihm seiner Auffassung nach gegen den Besteller zustehenden Mehrvergütungsanspruch in seinem Liquiditätsinteresse in angemessener Zeit im Wege des hierfür unter den erleichterten Voraussetzungen nach § 650d BGB möglichen Eilverfahrens geltend machen. Wartet er längere Zeit zu und gibt er damit zu erkennen, dass es ihm nicht eilig ist, so ist die gesetzliche Vermutung widerlegt (zutreffend OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23. September 2022 - 8 W 29/22, NZBau 2023, 226).
Bei Anlegung dieses Maßstabs ist die gesetzliche Vermutung des § 650d BGB jedenfalls hinsichtlich der Nachtragsposition N 1.5 widerlegt.
Die Verfügungsbeklage hat von Anfang an, d. h. seit Juli 2023, keine Zahlungen auf die Position N 1.5 erbracht. Auf die Position N 2 hat sie zunächst unter Vorbehalt geleistet. Seit der 22. Abschlagsrechnung vom 14. Mai 2024 hat sie überhaupt keine Zahlungen auf die streitigen Positionen mehr erbracht und mehrfach - trotz wiederholter Aufforderung durch die Verfügungsklägerin - deutlich gemacht, die entsprechenden Forderungen nicht anerkennen zu wollen (beispielsweise durch E-Mail vom 24. Mai 2024 und Schreiben vom 3. Juni 2024, Anlagen OK 6 und OK 7).
Die Verfügungsklägerin hat trotz dieser konstanten Verweigerungshaltung der Verfügungsbeklagten mehrere Monate, hinsichtlich der Position N 1.5 sogar länger als ein Jahr, bis zur Stellung des vorliegenden Eilantrages zugewartet und so zu erkennen gegeben, dass sie der Sache selbst keine besondere Dringlichkeit beimisst.
Besondere Umstände, die es rechtfertigen könnten, ihr Verhalten anders zu werten, hat die Verfügungsklägerin nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Die gesetzliche Vermutung des § 650d BGB ist daher jedenfalls im Hinblick auf die Position N 1.5 widerlegt.
bb)
Es wäre sodann Sache der Verfügungsklägerin, darzulegen und glaubhaft zu machen, dass ein Verfügungsgrund dennoch besteht. Dies ist ihr hier nicht gelungen.
(1) Bei einem Antrag auf Erlass einer Leistungsverfügung - rechtlich also einer Vorwegnahme der Hauptsache - ist ein Verfügungsgrund nur in Ausnahmefällen und unter strengen Bedingungen anzunehmen. Die erforderliche besondere Dringlichkeit liegt in der Regel nur von, wenn ohne Erlass der einstweiligen Verfügung wesentliche existenzgefährdende Nachteile für den Gläubiger nicht abgewendet werden könnten und er ein dringendes Bedürfnis für die Eilmaßnahme hat oder wenn die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines vollstreckbaren Titels im ordentlichen Verfahren nicht (mehr) möglich ist und die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren praktisch einer Rechtsverweigerung gleichkäme (OLG München, Endurt. v. 20. Juni 2018 - 7 U 1079/18, BeckRS 2018, 13312 mwN; Zöller/Vollkommer, 35. Aufl. 2024, ZPO § 940 Rn. 6 mwN; Musielak/Voit/Braun, 22. Aufl. 2025, § 940 Rn. 14).
(2) An diesen Maßstäben gemessen macht die Verfügungsklägerin keine besonderen Umstände geltend - geschweige denn glaubhaft - die ausnahmsweise den Erlass einer Leistungsverfügung rechtfertigen könnten.
Sie beruft sich insoweit darauf, dass ihr angesichts der Weigerung der Verfügungsbeklagten, die streitgegenständlichen Nachtragsforderungen auszugleichen, fortlaufend zusätzliche Kosten entstünden, was eine Reduzierung ihrer Liquidität zur Folge habe. Diese allgemein gehaltenen Ausführungen genügen für den Erlass einer Leistungsverfügung nicht (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23. September 2022 - 8 W 29/22, NZBau 2023, 226).
Dafür, dass allein die Sicherung des Liquiditätsflusses des Bestellers den Erlass einer Leistungsverfügung allenfalls in Ausnahmefällen rechtfertigen kann, sprechen auch die Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 18/8486, S. 58), in denen es in Bezug auf Streitigkeiten über die Vergütungsanpassung nach § 650c BGB heißt (Unterstreichung nur hier):
"Bereits nach geltender Rechtslage lässt die Rechtsprechung eine auf Zahlung von Geld - und damit auf vorläufige Befriedigung - gerichtete einstweilige (Leistungs-)Verfügung zu. An das Bestehen eines Verfügungsgrundes stellt sie jedoch insoweit erhöhte Anforderungen: [...] Diese insbesondere im Unterhaltsrecht entwickelten Voraussetzungen dürften trotz ihrer großen Bedeutung für die Liquidität von Bauunternehmern nach geltendem Recht in Bezug auf Abschlagsforderungen zumeist nicht gegeben sein. Hier knüpft der vorgeschlagene Absatz 5 an, indem er die Voraussetzungen, unter denen der Unternehmer eine auf Zahlung gerichtete einstweilige Verfügung erlangen kann, nach Beginn der Bauausführung absenkt."
Würde nach der Vorstellung des Gesetzgebers bereits das Bedürfnis eines Bauunternehmens nach Erhöhung bzw. Beibehaltung seiner Liquidität den Erlass einer Leistungsverfügung rechtfertigen, hätte es der Einführung des § 650d BGB nicht bedurft.
Dass sie ohne Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung unabwendbare wesentliche Nachteile erleiden würde, lässt sich dem Vorbringen der Verfügungsklägerin nicht entnehmen. Insbesondere macht sie keine drohende Zahlungsunfähigkeit geltend.
2.
Die Verfügungsklägerin kann ihren Zahlungsanspruch aus den genannten Gründen auch nicht auf § 650c Abs. 1 BGB stützen.
Hinsichtlich der Nachtragsposition N 1.5 fehlt es jedenfalls an der Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes. Die Vermutung des § 650d BGB ist - wie darstellt - widerlegt. Bezüglich der Position N 2 liegt bereits kein Änderungsbegehren der Verfügungsbeklagten vor.
3.
Ob die Verfügungsklägerin den geltend gemachten Abschlagszahlungsanspruch auf eine andere Anspruchsgrundlage als § 650c BGB, etwa auf §§ 2 Abs. 5, 16 Abs. 1 VOB/B, stützen kann, kann an dieser Stelle dahinstehen. Es fehlt insoweit jedenfalls an dem für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Verfügungsgrund.
aa)
Die Dringlichkeitsvermutung des § 650d BGB ist auf Streitigkeiten über Anordnungen nach § 1 Abs. 3 u. 4 VOB/B und die Berechnung von Nachtragsvergütungen nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B oder für auf andere Anspruchsgrundlagen gestützte Vergütungsansprüche nach vorzugswürdiger Ansicht nicht anwendbar (LG Baden-Baden, Beschl. v. 13. Juli 2022 - 4 O 125/22, BeckRS 2022, 25807; LG Berlin, Beschl. v. 20. April 2020 - 19 O 34/20, NJW 2020, 2898; BeckOK BauVertrR/Leupertz/Althaus, 28. Ed. 15.2.2025, BGB § 650d Rn. 5b f.; MüKoBGB/Busche, 9. Aufl. 2023, BGB § 650d Rn. 5; BeckOGK/Mundt, 1.1.2025, BGB § 650d Rn. 27; Orlowski BauR 2017, 1427, 1439). Die Norm bezieht sich ihrem eindeutigen Wortlaut nach nur auf "Streitigkeiten über das Anordnungsrecht gemäß § 650b oder die Vergütungsanpassung gemäß § 650c". Dieser Formulierung liegt erkennbar die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zu Grunde, in § 650d BGB nur für diese Tatbestände die Möglichkeit, unter erleichterten Bedingungen eine einstweilige Verfügung zu erlangen, zu schaffen. Andernfalls hätte er die noch im Regierungsentwurf ausdrücklich vorgesehene Teilprivilegierung der VOB/B beibehalten und den Anwendungsbereich des jetzigen § 650d BGB hierauf erstreckt (BeckOK BauVertrR/Leupertz/Althaus, 28. Ed. 15.2.2025, BGB § 650d Rn. 5b f.).
Die abweichende Ansicht des Kammergerichts (vgl. KG, Urt. v. 2. März 2021 - 21 U 1098/20, NZBau 2021, 523; KG, Urt. v. vom 7. September 2021 - 21 U 86/21, NJW 2021, 3198; vgl. auch ibrOK BauVertrR/Manteufel, Stand 07.02.2025, BGB § 650d Rn. 7) teilt der Senat aus den genannten Gründen nicht.
bb)
Der sodann nach Maßgabe der §§ 935, 940 BGB erforderliche Verfügungsgrund ist nicht gegeben.
Auf die Ausführungen unter Ziff. 1. c) bb) wird Bezug genommen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Einer Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, da das Urteil gemäß § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht mit der Revision anfechtbar und daher rechtskräftig ist (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 25. Juli 2018 - 3 U 51/18, juris; Zöller/Herget, 35. Aufl. 2024, ZPO § 705 Rn. 7).
Die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren beruht auf § 3 ZPO, § 47 Abs. 1 GKG.