Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 06.05.2023, Az.: 609 F 1375/22 UG

Familienrechtliches Verfahren zum Umgangsrecht der vom Kindsvater geschiedenen Mutter mit ihrem Kind unter dem Gesichtspunkt einer erheblichen Kindeswohlgefährdung

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
06.05.2023
Aktenzeichen
609 F 1375/22 UG
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 57678
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In der Kindschaftssache
betreffend den Umgang mit ### und #
Beteiligte:
1. A.,
geboren am ### in ###,
2. B.,
geboren am ### in ###,
beide wohnhaft ###
3. Herrn K.
###
- Verfahrensbeistand -
4. C., geboren am ### in ###, wohnhaft ###
- Antragsteller -
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältin ###
5. D.###, geboren am ### in ###, wohnhaft ###
- Antragsgegnerin -
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältin ###
6. Landeshauptstadt Hannover Jugend und Familie,
Nikolaistraße 16, 30159 Hannover
Geschäftszeichen: ###
hat das Amtsgericht - Familiengericht - Hannover durch die Richterin am Amtsgericht ### am 06.05.2023 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Umgang der Kindesmutter mit den Kindern A. [...] und B. [...] wird für weitere zwei Jahre ab dem Entscheidungsdatum, somit bis zum 05.05.2025, ausgeschlossen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Kindesmutter.

  3. 3.

    Die Entscheidung ist sofort wirksam.

  4. 4.

    Der Verfahrenswert wird festgesetzt auf 4.000,- EUR.

Gründe

I.

Die Kinder A. und B. sind die gemeinsamen minderjährigen Kinder der geschiedenen Kindeseltern. Die Kindeseltern heirateten am 28.08.2008, die Rechtskraft der Scheidung trat am 27.09.2016 ein. Die Kindesmutter ist neu verheiratet, hat aus der neuen Ehe eine weitere Tochter und erwartet derzeit ein weiteres Kind. Der Kindesvater lebt ebenfalls in einer neuen Partnerschaft. Die Beteiligten sind dem Familiengericht durch diverse Vorverfahren zum Umgang und zur elterlichen Sorge bekannt.

Die Kinder A. und B. lebten nach der Scheidung zunächst im Haushalt der Kindesmutter. Gemäß dem in den familiengerichtlichen Verfahren 609 F ###/ 15 SO und 609 F ###/16 UG geschlossenen und gerichtlich gebilligten Vergleich vom 05.04.2016 blieb es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge und [...] der Kindesvater hatte Umgang 14-tägig von freitagsnachmittags bis dienstagsmorgens, in den anderen Wochen von montagsnachmittags bis dienstagsmorgens und in der Hälfte der Schulferien. Gemäß außergerichtlicher Absprachen der Kindeseltern wurde der Umgang im Jahr 2020 sogar noch ausgeweitet auf 14-tägig von freitagnachmittags bis mittwochsmorgens und in den anderen Wochen montagsnachmittags bis mittwochsmorgens. Anlässlich der Einschulung von B. im September 2020 wollte die Kindesmutter sodann zum gerichtlich gebilligten Umgangsmodell zurückkehren. Im Oktober 2020 heiratete die Kindesmutter neu. In dem daraufhin eingeleiteten Umgangsverfahren 609 F ###/20 UG zeigten sich die Kinder im Rahmen der durchgeführten Kindesanhörung durch den Streit der Kindeseltern extrem belastet. Außerdem standen sie unter großer Angst, dass ihre Willensäußerung im Verfahren Konsequenzen von Seiten der Kindesmutter auslösen könnten. Auf Anregung des Verfahrensbeistands hatte A. zwei handgeschriebene Zettel vorbereitet mit den Themen: 1. Was macht mir Sorgen? und 2. Was ist mir besonders wichtig? Sie erklärten deutlich, den Dienstag wieder beim Kindesvater verbringen zu wollen. Das hätten sie auch der Kindesmutter mitgeteilt, diese habe sie daraufhin aber angeschrien und gesagt, dass das Blödsinn sei. Sie schreie sie mittlerweile fast jeden Tag an und mache sie traurig. Sie rede auch schlecht über den Kindesvater, ebenso ihr neuer Ehemann. Manchmal würden sie sich wünschen, nur noch beim Kindesvater zu leben. Gemäß dem in der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2020 geschlossenen und gerichtlich gebilligten Vergleich hatten die Kinder sodann Umgang mit dem Kindesvater 14-tägig von freitagsnachmittags bis mittwochsmorgens und in den anderen Wochen von montagsnachmittags bis mittwochsmorgens sowie in der Hälfte der Schulferien.

Im Sommer 2021 beabsichtigte die Kindesmutter, mit ihrem neuen Ehemann nach D. umzuziehen. Die Kinder hatten sich zunächst die neue Wohnung in D. mit angeschaut, dabei jedoch einen heftigen Streit zwischen der Kindesmutter und ihrem neuen Ehemann miterlebt, der sie nachhaltig verunsicherte. Da die Kinder in der Folge dessen nicht mit umziehen wollten, stimmte die Kindesmutter außergerichtlich zunächst dem Wechsel des Lebensmittelpunktes der Kinder in den Haushalt des Kindesvaters zu. Diese Zustimmung widerrief sie dann jedoch und teilte mit, dass sie der Umzug nach D. nicht stattfinden werde. Der Kindesvater behielt die Kinder daraufhin gemäß eigenmächtigem Entschluss in seinem Haushalt, da diese sich nach seiner Wahrnehmung schon voll und ganz auf den Wechsel in seinen Haushalt eingestellt hatten und so große Angst vor einer Rückkehr in den Haushalt der Kindesmutter hatten, dass sie psychosomatische Beschwerden entwickelt hatten. Gemäß kinderärztlichen Attesten vom 04.08.2021 wurde eine kinderpsychologische Unterstützung für beide Kinder angeraten. Am 07.08.2021 versuchte die Kindesmutter, die Kinder aus dem Haushalt des Kindesvaters zu holen. Dazu rief sie seit dem 05.08.2021 bis zum 09.08.2021 immer wieder auf den Handys der Kinder sowie des Kindesvaters an, erschien am 07.08.2021 an der Wohnungstür des Kindesvaters und klingelte 65 min lang immer wieder, klopfte an die Wohnungstür und rief die Namen der Kinder. Gemäß der Angabe des Kindesvaters reagierten die Kinder darauf, indem sie sich unter der Bettdecke versteckten, zitterten und hyperventilierten.

Im Rahmen der daraufhin eingeleiteten familiengerichtlichen Verfahren 609 F ###/21 EAUG, 609 F ###/21SO, 609 F ###/21 und ###/21 UG vereinbarten die Kindeseltern in der mündlichen Verhandlung vom 19.08.2021 im Rahmen eines Vergleichs, dass die Kinder ihren Lebensmittelpunkt beim Kindesvater haben sollten und Umgang mit der Kindesmutter 14-tägig von freitags nach der Schule bis montags vor der Schule sowie in der Hälfte der niedersächsischen Schulferien haben sollten, sowie dass ein klärendes Gespräch und eine Umgangsanbahnung zwischen den Kindern und der Kindesmutter unter Begleitung durch das Jugendamt stattfinden sollte und dass die Kindeseltern ein eine Elternberatung bei X. e.V. eintreten würden. Darüber hinaus gaben beide Kindeseltern die Absichtserklärung ab, dass der Umgang der Kinder mit der Kindesmutter ausgeweitet würde, wenn der Kontakt wieder angelaufen sei, sich die Beziehung der Kinder zur Kindesmutter wieder verbessert habe und die Kinder dies wollen würden.

Im Oktober 2022 begann die Mediation der Kindeseltern bei X. e.V. die jedoch keine Entspannung bewirkte. Im weiteren Verlauf berichteten A. und B. dem Kindesvater vermehrt von Situationen im Haushalt der Kindesmutter, in denen die Kindesmutter aggressiv auf die Kinder einredete, um sie dazu zu bewegen, mehr Umgang mit ihr ausüben zu wollen. Dabei stellte die Kindesmutter die geltende Umgangsregelung als Übergangslösung dar und stellte in Aussicht, dass es bald wieder mehr Umgang geben würde. Dies erörterte die Kindesmutter bei jedem Umgangstermin ausführlich mit den Kindern. Der Kindesvater wandte sich im Zeitraum November 2021 bis Februar 2022 mit mehreren E-Mails an das Jugendamt, da die Kinder sich durch das Verhalten der Kindesmutter emotional unter Druck gesetzt fühlten und nicht zur Ruhe kommen konnten. Nach Schilderung des Kindesvaters fielen von Seiten der Kindesmutter Äußerungen wie: "Wenn ihr dem Jugendamt nicht sagt, dass ihr mehr zu mir wollt, dann bin ich nicht mehr eure Mutter." und "Wenn ihr eure Meinung nicht ändert, suche ich einen Kinderpsychologen, der euch eure Lügen schon austreibt, ihr seid nicht normal.". Vom Ehemann der Kindesmutter fielen nach Aussage des Kindesvaters Bemerkungen wie: "Ich habe eure Mama noch nie so traurig gesehen, ihr macht Mamas Herz kaputt, schämt euch.". Bei einem Umgangskontakt am 21.01.2022 fertigte A. [...] mit seinem Handy in der Hosentasche heimlich eine Audioaufnahme einer ca. 24-minütigen Schimpftirade der Kindesmutter an. In dieser Audioaufnahme hört man, dass die Kindesmutter in wütendem und aufgebrachtem Tonfall den Kindern immer wieder sagt, es sei nicht normal, dass man seine Mutter 12 Tage am Stück nicht sehe, sie immer wieder fragt, ob sie das wirklich so wollten, ihnen in Aussicht stellt, dass sie "richtige" Psychologen mit ihnen reden lassen werde, die dann schon rauskriegen würden, was sie wirklich wollten, und ihnen androht, irgendwann würde der Kindesvater den Umgang ganz verbieten. A. hört man in der Audioaufnahme mit extrem aufgeregter, hoher Stimme sprechen, um sich zu rechtfertigen. Gegen Ende der Aufnahme weint er, was die Kindesmutter dann auch noch nachäfft und ins Lächerliche zieht. Die zuständige Jugendamtsmitarbeiterin sprach am 28.01.2022 mit den Kindern, hörte die Audioaufnahme an und vereinbarte daraufhin mit den Kindern und dem Kindesvater ein jederzeitiges Abbruchrecht hinsichtlich der Umgänge mit einem Codewort. Der Kindesmutter wurde dies nicht mitgeteilt. Während des Umgangskontakts in den Zeugnisferien 2022 wollten die Kinder aufgrund einer neuerlichen Schimpftirade der Kindesmutter am 31.01.2022 dann von ihrem Abbruchrecht Gebrauch machen und riefen um 22:09 Uhr den Kindesvater an, um ihn zu bitten sie abzuholen. Der Kindesvater hörte den Anruf jedoch nicht, weil er schon schlief.

Daraufhin verließen die Kinder von der Kindesmutter unbemerkt um 22:10 Uhr im Schlafanzug die Wohnung der Kindesmutter, erreichten sodann den Kindesvater, der ihnen telefonisch mitteilte, sie sollten ein Taxi nehmen und fuhren mit dem Taxi zur Wohnung des Kindesvaters, der sie dort in Empfang nahm. Im mit beiden Kindeseltern geführten Jugendamtsgespräch am darauffolgenden Gespräch sprach sich das Jugendamt dafür aus, den Umgang zunächst bis zum 10.02.2022 auszusetzen. Nichtsdestotrotz erschien die Kindesmutter am Freitag, dem 04.02.2022 mit der Polizei an der Wohnung des Kindesvaters, um die Kinder zum Zwecke des Umgangs herauszuverlangen. Als sie damit scheiterte, suchte sie am 05.02.2022 erneut die Wohnung des Kindesvaters auf, hielt die kleine Halbschwester der Jungen gegen die Glasscheibe der Wohnungstür und verlangte, dass die Kinder herauskommen sollten. A. und B. hörten die Kindesmutter und versteckten sich weinend in ihren Betten. Die Kindesmutter verließ den Hausflur vor der Wohnung erst, als sie von der hinzugezogenen Polizei weggeschickt wurde.

Auf Antrag des Kindesvaters vom 08.02.2022 im Verfahren 609 F ###/22 EASO/EAUG ordnete das Familiengericht Hannover daraufhin ohne mündliche Verhandlung mit Beschluss vom 09.02.2022 im Wege der einstweiligen Anordnung einen vorläufigen Umgangsausschluss für 6 Monate an. Parallel dazu wurde im Rahmen des Verfahrens 609 F ###/22 EASO auf den Antrag des Kindesvaters vom 25.02.2022 mit Beschluss vom 07.03.2022 das Recht zur Anmeldung der Kinder in einer kinder- und jugendpsychiatrischen und psychologischen Praxis auf den Kindesvater allein übertragen. Bei der diesbezüglich begonnenen Behandlung handelt es sich allerdings nur um eine notfallmäßige Akutbehandlung, auf einen regulären ambulanten Therapieplatz warten die Kinder immer noch. Auf Antrag der Kindesmutter wurde die Umgangssache mündlich verhandelt. Mit Beschluss vom 01.04.2022 wurde der vorläufige Umgangsausschluss aufrechterhalten und in der Dauer auf maximal bis zur Entscheidung in der hiesigen Hauptsache befristet. Der Kindesmutter wurden Voraussetzungen mitgeteilte, unter denen eine Aufhebung des Umgangsausschlusses und ein Anlaufen von begleiteten Umgängen als möglich erachtet wurde. Dazu gehörte, dass die Kindesmutter mindestens 3 Beratungsgespräche führen sollte, um zu klären, wie sie ihre Beziehung zu den Kindern verbessern und die Umgänge kindeswohldienlich gestalten kann. Sofern es danach eine positive Rückmeldung der zuständigen Jugendamtsmitarbeiterin gegeben hätte und zu einem positiven Erstkontakt zwischen den Kindern und der Kindesmutter unter Begleitung durch das Jugendamt gekommen wäre, wäre eine Aufhebung des Umgangsausschlusses möglich gewesen. Die Kindesmutter absolvierte 3 Beratungsgespräche in der städtischen Beratungsstelle, von der aus ihr auch eine Umgangseignung zugesprochen wurde, eine positive Rückmeldung der zuständigen Jugendamtsmitarbeiterin und ein durch sie begleiteter Erstkontakt blieben jedoch aus, da diese von der Umgangseignung der Kindesmutter weiterhin nicht überzeugt war.

In der Folgezeit wurden die Kinder täglich durch zahlreiche Telefonanrufe sowohl auf dem Festnetztelefon des Kindesvaters als auch auf den Handys der Kinder sowie durch das Herbeiführen zufälliger Begegnungen vor den Schulen der Kinder zur Zeit des Schulbeginns oder Schulschlusses durch die Kindesmutter mit dieser konfrontiert. Der Ehemann der Kindesmutter hielt sich an zwei Tagen für längere Zeiträume vor der Haustür zum Wohnhaus des Kindesvaters und der Kinder auf und beobachtete und fotografierte dieses. Außerdem sprach er auf dem Schulweg Klassenkameraden der Kinder an und fragte nach den Aufenthaltsorten der Kinder. Daher erließ das Amtsgericht - Familiengericht - Hannover mit Beschluss vom 09.05.2022 auf Antrag des Kindesvaters im Verfahren 609 F ###/22 EASO ein Kontaktverbot gegen die Kindesmutter und deren Ehemann, das diesen verbot, sich der Wohnung des Kindesvaters und der Kinder sowie der Wohnung der Großeltern väterlicherseits, den Schulen der Kinder und dem Sportverein der Kinder zu nähern. Auch eine Kontaktaufnahme mittels Fernkommunikationsmitteln und eine Herbeiführung zufälliger Zusammentreffen wurden der untersagt. Bei zufälligen Zusammentreffen wurde der Kindesmutter und ihrem Ehemann aufgegeben, sich sofort und ohne Ansprache oder anderweitige Kontaktaufnahme 50 m von den Kindern zu entfernen.

Auch an dieses Kontaktverbot hielt sich die Kindesmutter nicht. Das Gericht war in 3 der vom Kindesvater behaupteten Fälle davon überzeugt, dass die Kindesmutter vorsätzlich und schuldhaft gegen den Umgangsausschluss und in einem Fall davon, dass sie gegen das Kontaktverbot verstoßen hatte. Am 29.06.2022 hatte die Kindesmutter A. in einem E.-Markt verfolgt und angesprochen, am 06.0.2022 im Stadtwald Z.. In der Zeit vom 27.06. [bis] 06.07.2022 war es zwar nicht zu einem Ansprechen gekommen, jedoch saß die Kindesmutter in dieser Zeit ständig in einem Bistro, an welchem A. auf seinem Schulweg vorbeigehen musste. Am 16.07.2022 wurde A. in einem Drogeriemarkt von der Kindesmutter verfolgt und angesprochen, als er weglief wurde er am Ausgang noch beinahe vom Ehemann der Kindesmutter aufgehalten. Aufgrund der ersten beiden genannten Verstöße gegen den Umgangsausschluss verhängte das Gericht gegen die Kindesmutter mit Beschluss vom 19.08.2022 zum Az. 609 F ###/22 OV2a ein Ordnungsgeld i.H.v. 2.000,- EUR, das derzeit vollstreckt wird. Es drohte der Kindesmutter an, bei weiteren Verstößen direkt Ordnungshaft anzuordnen. Aufgrund des genannten Verstoßes gegen das Kontaktverbot drohte das Gericht der Kindesmutter mit Beschluss vom 30.08.2022 zum Az. 609 F ###/22 OV2a Ordnungsmittel an. Der dritte Verstoß gegen den Umgangsausschluss, der am 16.07.2022 stattfand, wurde bislang noch nicht sanktioniert, da die Ankündigung der Ordnungshaft erst nach dem betreffenden Vorfall erfolgte und die Kindesmutter überdies derzeit erneut schwanger ist. Ein weiterer vorgetragener Verstoß vom 13.02.2023 gegen das Kontaktverbot bewahrheitete sich nicht, da sich die Kindesmutter und deren Ehemann sich zwar vor A.s Schule, nicht jedoch in dem ihr verbotenen Bereich aufgehalten haben sollen.

Mit Hinweisbeschluss vom 20.03.2023 wies das Gericht auf Antrag der durch ihren Ehemann vertretenen Kindesmutter darauf hin, dass es der Kindesmutter trotz des Kontaktverbots gestattet ist, die Schule A.s zum Zwecke der Teilnahme einer Klassenkonferenz zu betreten, um getrennt von diesem angehört zu werden.

Gegen die Kindesmutter und deren Ehemann sind oder waren bei der Staatsanwaltschaft Hannover Verfahren wegen der Abgabe einer gefälschten eidesstattlichen Versicherung in einem der familienrechtlichen Verfahren sowie wegen Nachstellung anhängig. Überdies ist oder war dort ein Verfahren gegen den Ehemann der Kindesmutter anhängig, weil er sich vor dem Amtsgericht als Rechtsanwalt ausgegeben hatte. Der Ausgang der Ermittlungsverfahren ist hier nicht bekannt.

Der Kindesvater beantragt im hiesigen Verfahren,

den Umgangsausschluss für weitre 2 Jahre aufrecht zu erhalten.

Die Kindesmutter beantragt im hiesigen Verfahren,

den Antrag zurückzuweisen.

Zusätzlich wurden sorgerechtliche Anträge gestellt, die beim Amtsgericht - Familiengericht - Hannover im neu eingeleiteten Verfahren 609 F ###/23 SO bearbeitet werden. Die Kindesmutter erteilte dem Kindesvater eine Vollmacht zur Ummeldung der Kinder auf andere

Schulen, damit zukünftige Aufeinandertreffen in ihrem Wohnviertel vermieden werden können.

Das Gericht hat im hiesigen Verfahren ein Sachverständigengutachten eingeholt, die Kinder und die übrigen Verfahrensbeteiligten ausführlich angehört und erstmalig die Audioaufnahme vom 21.01.2023 (in Hülle Bl. 62 d.A. 609 F ###/22 EAUG) angehört. Hinsichtlich des Inhalts wird auf das Gutachten des Sachverständigen Y. vom 15.11.2022 (SH Gutachten), den Vermerk über die Kindesanhörung vom 13.04.2023 (Bl. 203 ff. Bd. II d.A.) sowie das Sitzungsprotokoll vom 14.04.2023 (Bl. 227 ff. Bd. II d.A.) Bezug genommen.

II.

A. Der tenorierte Umgangsausschluss beruht auf § 1684 Abs. 4 BGB. Das Gericht ist der Überzeugung, dass ein Umgang der Kinder mit der Kindesmutter derzeit das Kindeswohl massiv gefährden würde.

I. Dies ergibt sich zum einen aus dem Sachverständigengutachten vom 15.11.2022. Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis:

"Es besteht ein Schadensrisiko für die Kinder, wenn sich keine Veränderungen der mütterlichen Überzeugungen und Kompetenzerweiterungen im Hinblick auf ihre Empathie- und Reflexionsfähigkeit bzgl. der Kinder A. und B. einstellen. [...] Ein Umgang der Kinder mit ihrer Mutter gefährdet das geistige und seelische Wohl der Kinder. Die Mutter ist aktuell nicht ausreichend in der Lage, ihr destruktives, nicht an kindlichen Bedürfnissen orientiertes, impulsives und nachhaltig verunsicherndes Verhalten kritisch zu reflektieren, sich ausreichend zu kontrollieren und eine empathische Haltung für die Folgen ihres Verhaltens für die Kinder einzunehmen. Sie hat drei Termine in der Beratungsstelle wahrgenommen, die nicht zu einer grundlegenden Veränderung bzgl. einer kindorientierten Haltung geführt haben. Daher ist aus fachpsychologischer Sicht ein Umgangsausschluss zu empfehlen, bis die Mutter eine qualitative Veränderung nachweislich vollzogen hat." (vgl. Seite 69 f. des Gutachtens).

Nachfolgend zählt der Sachverständige auf, durch welche mangelnden Fähigkeiten der Kindesmutter konkret das von ihm attestierte hohe Schädigungsrisiko für die psychische Entwicklung der Kinder besteht. Sodann führt der Sachverständige fort:

"Bevor eine erneute Anbahnung angedacht werden kann, ist aus fachpsychologischer Sicht für die Mutter erforderlich, die Fähigkeiten und Kompetenzen [...] durch die Inanspruchnahme einer intensiven Beratung zu erweitern. Aufgrund der offensichtlich hohen emotionalen Belastung der Mutter (hohe emotionale Vulnerabilität), ist ihr aus psychologischer Sicht die Inanspruchnahme einer psychotherapeutischen Behandlung anzuraten, um ihre Entwicklungsgeschichte und die entstandene Situation mit den Kinder aufzuarbeiten. [...] Bevor eine Wiederanbahnung der Umgangskontakte erfolgen kann, benötigen die Kinder verlässliche Signale von ihrer Mutter, dass sie die psychische Belastung und Bedrängnis der Kinder nachvollzogen hat, die Entscheidung der Kinder respektiert und akzeptiert. Dies kann im ersten Schritt, wie oben ausgeführt, in schriftlicher Form durch einen oder mehrere Briefe an die Kinder erfolgen. Für eine kindangemessene Sprachwahl wird der Mutter empfohlen, den/die Brief/e ggf. mit einem Berater zu besprechen. Beide Kinder haben sich nicht grundsätzlich gegen Umgangskontakte mit ihrer Mutter ausgesprochen, jedoch diese aufgrund ihrer hohen Belastung aktuell ausgeschlossen und mitgeteilt, dass bei einer nachweislichen Veränderung ihrer Mutter, sie sich wieder einen Umgang vorstellen könnten" (vgl. Seite 71-72 des Gutachtens).

Zur Frage nach der Verhältnismäßigkeit führt der Sachverständige aus:

"Aktuell sind mildere Mittel, wie ein begleiteter Umgang, nicht geeignet, da die Kinder nachhaltig verunsichert, irritiert und überfordert sind. Sie haben ihr Urvertrauen in ihre Mutter verloren. [...] Die Kinder sind nachhaltig gekränkt, traurig und ängstlich, sodass ein begleiteter Umgang aktuell aus fachpsychologischer Sicht nicht befürwortet werden kann. Die psychische Verletzung und die Vulnerabilität für Stress ist für die Kinder sehr hoch und damit auch das Schädigungsrisiko." (vgl. Seite 73 des Gutachtens).

Dem schließt sich das Gericht vollumfänglich an. Der Sachverständige ist als Diplom-Psychologe fachlich qualifiziert, die vorstehenden Feststellungen zu treffen. Der Sachverständige ist auch nicht - wie von der Kindesmutter behauptet - aufgrund einer Voreingenommenheit ("Befangenheit") oder einer unsachgemäßen Bearbeitung des Gutachtenauftrags zu den zitierten Feststellungen gelangt. Diesbezüglich wird auf die gerichtlichen Ausführungen aus Hinweisbeschluss vom 22.02.2023 (Bl. 168 ff. Bd. I d.A.) Bezug genommen. Die Beteiligten waren ihm vor der Bearbeitung des Auftrags nicht bekannt. Er hat sich einen ersten Eindruck durch das Aktenstudium der hiesigen sowie aller Vorakten verschafft. Danach hatte die Kindesmutter sogar die erste Gelegenheit, einen persönlichen Eindruck bei ihm zu hinterlassen, da er sie zuerst zum Gespräch eingeladen hatte.

Dass er die Kinder in die Begutachtung einbezogen hat, ist nicht zu beanstanden. Dazu ist er verpflichtet, denn als Sachverständiger hat er - genauso wie das Gericht - das Wesen und den Willen der Kinder zu berücksichtigen und diese nicht lediglich als Objekt zu behandeln. Dass er dabei gegen den mit der Kindesmutter vereinbarten Ablauf verstoßen hätte, wäre zum einen irrelevant, denn der Sachverständige ist in der Wahl seiner Bearbeitungsmethode frei und nur den Weisungen des Gerichts unterworfen. Zum anderen ist auch nicht ersichtlich, dass er die Absprache, die Kinder so lange wie möglich aus der Begutachtung herauszuhalten maßgeblich verletzt hätte. Denn er hat die Kinder erst dann angehört als die Phase der Lösungsorientierung durch die Ablehnung einer einvernehmlichen Lösung durch den Kindesvater beendet war. Gemäß seiner Stellungnahme vom 21.11.2022 (Bl. 128 ff. Bd. I d.A.) war der Anlass seines Gesprächs mit den Kindern, dass die Kindesmutter erneut gegen das Kontaktverbot verstoßen hatte und ihre Darstellungen diesbezüglich erheblich von denen abwich, die der Kindesvater als von den Kindern erzählt darstellte und als vom Kindesvater der dringende Wunsch der Kinder, ihre Wahrnehmung mitzuteilen, an ihn herangetragen wurde. Insbesondere die erneuten Verstöße der Kindesmutter gegen das Annäherungsverbot verfestigten beim Sachverständigen den Eindruck, dass die Kindesmutter die kindlichen Bedürfnisse nicht erkennen und respektieren konnte und dass sie daher derzeit nicht umgangsfähig war, sodass es nachvollziehbar ist, dass der Sachverständige in diesem Moment nur noch die Möglichkeit eines Verzichts auf den Umgang im Rahmen einer Elternvereinbarung sah.

Dass er der Kindesmutter eine Elternvereinbarung vorgeschlagen hat, gemäß der sie für ein weiteres Jahr auf den Umgang verzichten würde, ist nicht zu beanstanden. Denn der Beweisbeschluss vom 23.04.2023 enthielt in Ziff. III die gemäß § 163 Abs. 2 FamFG zulässige Anordnung, dass der Sachverständige bei der Erstellung des Gutachtens auch auf die Herstellung des Einvernehmens zwischen den Beteiligten hinwirken sollte (sog. lösungsorientiertes Gutachten). Auch inhaltlich ist der vom Sachverständigen vorgeschlagene freiwillige Verzicht der Kindesmutter auf Umgang mit den Kindern für ein Jahr nicht zu beanstanden. Denn zum einen hält das Bundesverfassungsgericht im Falle einer Gefährdung des Kindeswohls mittlerweile sogar unbefristete Umgangsausschlüsse mit dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG für vereinbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.09.2016 - 1 BvR 1547/16), zum anderen ist auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht zu entnehmen, dass ein über die Dauer von einem Jahr hinausgehender Umgangsausschluss unzulässig ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.04.2015 - 1 BvR 3326/14 unter Bezugnahme auf EGMR, Zulässigkeitsentsch. v. 22.04.2008 - 1182/05 - Hub/Deutschland). Überdies haben verfassungsmäßige Schranken für einen im Rahmen des Wächteramtes des Staates gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG angeordneten Umgangsausschluss nicht zur Folge, dass ein Elternteil nicht freiwillig für einen längeren Zeitraum auf sein Umgangsrecht verzichten dürfte. Dass der Sachverständige die Kindesmutter unzulässig unter Druck gesetzt hätte, den Umgangsverzicht zu unterschreiben, ist nicht ersichtlich. Dagegen spricht schon, dass sie ihn ja letztendlich nicht unterschrieben hat. Dass er ihr deutlich vor Augen geführt hat, dass er im Rahmen seiner sachverständigen Stellungnahem einen Umgangsausschluss befürworten wird, ist nicht als unzulässiges Druckmittel anzusehen. Darüber hinaus hat der Sachverständige in seiner Stellungnahme zum Ablehnungsgesuch vom 21.11.2022 ausgeführt, dass er der Kindesmutter die Elternvereinbarung gerade deshalb empfohlen hat, damit den Kindern die Belastungen durch das weitere familiengerichtliche Verfahren erspart werden und damit sie den Kindern dadurch zeigen kann, dass sie deren Wünsche und Bedürfnisse ernst nimmt und für potentielle zukünftige Umgänge einen "Türöffner" gegenüber den Kindern hat. Dies ist ein in Umgangsstreitigkeiten übliches Vorgehen, das gerichtsbekanntermaßen auch dazu geeignet ist, eine weitere Verfestigung der kindlichen Ablehnung des Umgangs zu vermeiden und nach einer gewissen Beruhigungsphase eine neue Bereitschaft für Umgänge zu wecken.

Dass der Sachverständige sich die Audioaufnahme vom 21.01.2022 angehört hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Diese ist zwar heimlich und in der Wohnung, also im innersten Kernbereich des Privatlebens der Kindesmutter angefertigt worden, jedoch steht dies im konkreten Fall ihrer Verwertbarkeit als Beweismittel nicht entgegen. Zwar [ist] das Verwertungsverbot bezüglich heimlicher Tonaufnahmen aus dem innersten Kernbereich des Privatlebens, das für Zivilverfahren gilt (vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2003 - XI ZR 165/02) grundsätzlich auch im familiengerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen. Jedoch gilt dieses Verwertungsverbot nicht schrankenlos, sondern kann insbesondere dann entfallen, wenn im Rahmen einer Abwägung der betroffenen Interessen der Schutz der ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Rechte von Kindern überwiegt (vgl. OLG München, Beschluss vom 30.03.2021 - 26 UF 82/21 m.w.N.). So liegt es hier. Denn nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände des Einzelfalls überwiegt vorliegend das Recht der Kinder auf gewaltfreie Erziehung und Schutz vor psychischer Gewalt das Recht der Kindesmutter auf Schutz ihrer Privatsphäre aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Das Recht der Kinder auf Schutz vor psychischer Gewalt ist sowohl Ausfluss ihres Rechts auf körperliche Unversehrtheit gem. Art 2 Abs. 2 GG als auch ihres Rechts auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Darüber hinaus haben die Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung, das ebenfalls in den vorgenannten Grundrechten wurzelt und in § 1631 Abs. 2 BGB einfachgesetzlich ausformuliert ist.

Insbesondere die Tatsache, dass die Kinder ohne die Verwertung der Audioaufnahmen in akuter Beweisnot wären, führt dazu, dass die Verwertbarkeit zugelassen ist. In diese Beweisnot wurden die Kinder fortwährend gerade durch die Kindesmutter gebracht, indem sie den Inhalt jeglicher Darstellungen der Kinder bestritt und die Kinder damit gemäß deren subjektiver Wahrnehmung als Lügner dastehen ließ. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Kinder den konkreten Inhalt der Schimpftiraden der Kindesmutter zum einen wegen ihrer Wohlerzogenheit, zum anderen aber auch wegen ihrer extremen psychischen Belastung in den gerichtlichen Kindesanhörungen nicht widergegeben haben. Diese extreme psychische Belastung hat der Sachverständige festgestellt und sie war auch in den durchgeführten Kindesanhörungen durch das Gericht selbst feststellbar. Diese psychische Belastung führte nach der Überzeugung des Gerichts dazu, dass die nachhaltig gekränkten und verängstigten Kinder die Vorfälle zum Zeitpunkt der Kindesanhörungen psychisch verdrängt hatten, um ihr weiteres Funktionieren im Leben sicherzustellen, was wiederum dazu führte, dass sie sich zum einen nur noch unzureichend an den konkreten Inhalt der Schimpftiraden erinnerten und zum anderen diesen Inhalt auch aufgrund einer noch immer tief sitzenden Loyalität gegenüber ihrer eigenen Mutter in einer gerichtlichen Anhörung nicht wörtlich widergeben wollten. Auch zu berücksichtigen ist, dass es nicht (wie in der dem der Entscheidung des OLG München zugrundeliegenden Fall) der Kindesvater war, der die heimlichen Aufnahmen angefertigt hat, sondern A. als eines der betroffenen, strafunmündigen Kinder selbst. Selbst wenn der Kindesvater die Kinder vorab dazu motiviert haben sollte, im Falle einer neuerlichen Schimpftirade zum Handy zu greifen und eine Audioaufnahme anzufertigen (was das Gericht nicht festgestellt hat, was aber nicht vollkommen auszuschließen ist), würde dies nicht gegen die Verwertbarkeit sprechen. Denn die Kinder hatten das Letztentscheidungsrecht, ob die den Aufnahmeknopf drücken würden oder nicht. Es ist ein Charakteristikum des Eltern-Kind-Umgangs, dass dieser im Bereich des innersten Kerns des Privatlebens stattfindet. Würde dieser Raum rechtsfrei bleiben, wären Kinder, die sich ihren Eltern gegenüber loyal fühlen und gegen diese nicht aussagen wollen, oder die von ihren Eltern erfolgreich als Lügner dargestellt würden, ihren Eltern immer schutzlos ausgeliefert. Die seelische Not der Kinder, aus der heraus die Kinder die Audioaufnahme letztendlich tatsächlich angefertigt haben, darf von einem Staat, der sein Wächteramt aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG ernst nimmt, nicht missachtet werden, indem die Audioaufnahme unberücksichtigt bleibt.

II. Des Weiteren ergibt sich die Kindeswohlgefährdung durch weiteren Umgang mit der Kindesmutter aus der Stellungnahmen des Verfahrensbeistandes und des Jugendamtes in der mündlichen Verhandlung vom 14.04.2023 sowie aus dem gerichtlichen Eindruck aus den Vorverfahren, der Kindesanhörung vom 13.04.2023 und der Anhörung der Kindesmutter in der mündlichen Verhandlung vom 14.04.2023. Der Verfahrensbeistand äußerte, es sei offensichtlich, dass es beiden Kindern sehr, sehr schlecht geht. Er vermute, dass es A. große Schuldgefühle verursache, dass er gegen die Kindesmutter habe aussagen müssen und dass er dadurch psychisch eine große Verantwortung für die entstandene Situation übernommen habe, mit der er durch die ständigen Aufeinandertreffen mit der Kindesmutter in seinem Alltag auch immer wieder konfrontiert werde. Diese Schuldgefühle müssten dringend therapeutisch bearbeitet werden. Außerdem erlebten sich die Kinder seit Jahren im Mittelpunkt des elterlichen Konflikts und müssten sich aus ihrer Sicht nie aufhörenden Anhörungen und Gerichtsverfahren aussetzen. Es sei wichtig, dass die Kinder, in ihrem Willen und in ihrer Wahrnehmung ernst genommen würden, insbesondere von der Kindesmutter. Es habe eine Unsicherheit bei den Kindern verursacht, dass sie hätten erleben müssen, dass auch die Erwachsenen (die Kindesmutter und ihr Ehemann) sich nicht an die ihnen auferlegten Regeln (den Umgangsausschluss) gehalten hätten. Dem schließt sich das Gericht vollumfänglich an. Das Jugendamt führte aus, dass die vom Gericht in den Kindesanhörungen vom 21.02.2022 (Bl. 107 ff. Bd. I d.A. 609 F ###/22 EAUG) und 13.04.2023 (Bl. 203 ff. Bd. II d.A.) wahrgenommene Schweigsamkeit der Kinder nicht charakterlich oder altersbedingt sei, sondern immer dann hervortrete, wenn über den Familienkonflikt gesprochen werden müsse. Auch dieser Einschätzung schließt sich das Gericht an. Beide befürworten einen weiteren Umgangsausschluss.

Das Gericht glaubt sämtlichen Darstellungen der Kinder und schließt aus der persönlichen Wahrnehmung in den Anhörungen, dass diese psychisch extrem belastet sind und dass es ihr ernster und nachhaltiger Wille ist, die Kindesmutter derzeit nicht sehen zu wollen. Ob dieser Wille gänzlich vom Kindesvater unbeeinflusst ist oder nicht, ist nicht maßgeblich, da Kinder sich immer in Abhängigkeitsverhältnissen befinden und eine völlig isolierte Willensbildung unrealistisch ist. Dass die Kinder nachhaltig vom Kindevater manipuliert wären, glaubt das Gericht nicht. Auch sind die Kinder gemäß dem gerichtlichen Eindruck derzeit jedes Mal massiv verängstigt und überfordert, wenn sie die Kindesmutter oder ihren Ehemann auch nur von Weitem sehen. Den Kindesvater empfinden sie derzeit als Hauptbezugsperson und sicheren Rückzugsort. Inwieweit der Kindesvater diese fortgesetzte psychische Belastung potentiell durch mögliche Versäumnisse bei der Suche nach einer vollwertigen Therapie für die Kinder und durch mangelndes Arbeiten an seiner eigenen Einstellung gegenüber der Kindesmutter mitverursacht hat, ist unerheblich. Diesbezügliche Veränderungen können möglicherweise im Rahmen einer sorgerechtlichen Auflage im neu eingeleiteten Sorgerechtsverfahren bewirkt werden. Tatsache ist, dass diese Belastung der Kinder derzeit vorhanden ist und der Durchführung jeglicher (auch begleiteter oder erzwungener) Umgänge mit der Kindesmutter entgegenstehen.

Aus der Anhörung der Kindesmutter konnte das Gericht entnehmen, dass diese auch nach Beendigung der sachverständigen Begutachtung keine weitere Beratung oder Therapie begonnen hat. Die von ihr wiederkehrend angeführten 3 Beratungstermine in der städtischen Beratungsstelle sowie eine Beratung in einer Bestärkungsstelle für Frauen liegen zum einen schon lange zurück und stellen zum anderen auch nicht die Therapie dar, die der Sachverständige der Kindesmutter ausdrücklich empfohlen hat. Eine solche Therapie hält die Kindesmutter gemäß ihrer eigenen Aussage überhaupt nicht für nötig und wendet sich auch per se dagegen, dass überhaupt ein Dritter diese Notwendigkeit feststellen könnte. Ein freiwilliges Bemühen um weitere nicht-therapeutische Beratungstermine konnte das Gericht ebenfalls nicht feststellen. Die Kindesmutter ist gemäß ihrer eigenen Aussage der Ansicht, mit den von ihr absolvierten Terminen alles Notwendige getan zu haben, um wieder Umgang mit den Kindern haben zu können. Dies deckt sich jedoch nicht mit den Feststellungen des Sachverständigen und dem Eindruck des Gerichts. Dass die Kindesmutter begriffen hätte, welchen seelischen Schmerz sie den Kindern mit der in der Tonbandaufnahme festgehaltenen Schimpftirade, dem fortwährenden Darstellen der Kinder als Lügner und den provozierten Aufeinandertreffen mit A. zugefügt hat, konnte nicht festgestellt werden. Während der Verfahrensbeistand die Tonbandaufnahme als Zeugnis einer seelischen Kindesmisshandlung bezeichnete, nannte sie dies ein konflikthaftes Gespräch. Ihre Aussage, dass sie ja einsähe, dass das Gespräch so nicht hätte passieren dürfen, wirkte oberflächlich und formelhaft. Ihre Angabe, dass sie jetzt wisse, dass so ein Gespräch auf der Elternebene mit dem Kindesvater und nicht mit den Kindern hätte geführt werden sollen, wirkt glaubhaft, ihre Entschuldigung, dass es diese Elternebene aber ja leider damals nicht gegeben habe, gibt jedoch Anlass zur Sorge, dass genauso ein Gespräch mit den Kindern wieder vorkommen würde, wenn die Kindesmutter Umgang mit den Kindern hätte, weil die Elterneben bis zum Entscheidungszeitpunkt immer noch nicht vorhanden und die elterliche Kommunikation immer noch nicht vorhanden ist.

Die Behauptung der Kindesmutter, dass sie ihr Verhalten reflektiert habe und in der städtischen Beratungsstelle ausreichend an sich gearbeitet habe, sieht das Gericht nicht als hinreichend an. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass der Berater, der dort mit der Kindesmutter gesprochen hat, zu einer positiven Einschätzung ihrer Erziehungs- und Umgangsfähigkeit gekommen ist. Denn es bleibt völlig offen, was die Kindesmutter ihm über den Inhalt der Schimpftirade erzählt hat und inwieweit der Berater den Umfang der Vorfälle kannte, da der Berater sich weigerte, Inhalte der Beratung an die zuständige Jugendamtsmitarbeiterin des Kommunalen Sozialdienstes oder das Gericht mitzuteilen. Gegen eine wahre Einsicht der Kindesmutter spricht auch die Tatsache, dass sie bis zum Entscheidungszeitpunkt immer wieder Sichtkontakt mit A. provoziert hat und auch nicht darauf verzichtete, die Voraussetzungen für eine Teilnahme an der Klassenkonferenz zu schaffen, obwohl ihr hätte klar sein müssen, dass genau dies A. emotional belastet. Davon, dass die Kindesmutter und ihr Ehemann sich am 13.02.2023 am in Sichtweite der Schule A.s aufgehalten haben, ist das Gericht überzeugt. Die wechselseitigen Aussagen der Kindesmutter und ihres Ehemannes, sie hätten sich zur betreffenden Uhrzeit zuhause aufgehalten, wertet das Gericht aufgrund des vorherigen gesetzlich grenzwertigen Verhaltens dieser beiden Personen als Schutzbehauptungen. Und dass die Kindesmutter an der Klassenkonferenz ggf. teilnehmen wollte, hat sich in der gerichtlichen Verhandlung vom 14.04.2023 bestätigt. Daraus ist unzweifelhaft zu schließen, dass die Kindesmutter die Einsicht, wie belastend ihr Verhalten für die Kinder ist, gerade noch nicht erlangt hat. Aus diesem Grund erscheint dem Gericht ein weiterer Umgangsausschluss für alternativlos. Mildere Mittel wie ein begleiteter Umgang oder eine Umgangspflegschaft sind nicht ersichtlich, da auch diese das Kindeswohl gefährden würden.

III. Das Gericht verkennt nicht, dass das Umgangsrecht unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG steht und dem nicht mit den Kindern zusammenlebenden umgangsberechtigten Elternteil ermöglicht, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden der Kinder und deren Entwicklung fortlaufend persönlich zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrecht zu erhalten, einer Entfremdung vorzubeugen und dem Liebesbedürfnis Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.04.2015 - 1 BvR 3326/14 m.w.N.). Eine Einschränkung oder der Ausschluss kommen jedoch dann in Betracht, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz der Kinder dies erfordert, um eine Gefährdung ihrer seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren. Dies ist aus den obenstehenden Gründen anzunehmen. Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Kinder mit der Kundgabe ihres Willens von ihrem Recht zur Selbstbestimmung Gebrauch machen und diesem mit zunehmendem Alter vermehrt Bedeutung zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.04.2015 - 1 BvR 3326/14 m.w.N.). Selbst ein auf einer bewussten oder unbewussten Beeinflussung beruhender Wunsch kann beachtlich sein, wenn er Ausdruck echter und damit schützenswerter Bindungen ist. Das Außerachtlassen des beeinflussten Willens ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn die manipulierten Äußerungen der Kinder den wirklichen Bindungsverhältnissen nicht entsprechen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.04.2015 - 1 BvR 3326/14 m.w.N.). Dies konnte das Gericht nicht feststellen. Beide Kinder, 12 und 10 Jahre alt haben den Willen geäußert, keinen Umgang mit der Kindemutter haben zu wollen. Ihre primäre Bindungsperson ist der Kindesvater. Die Bindungen zur Kindesmutter sind schon vor dem Umgangsausschluss durch das Verhalten der Kindesmutter beeinträchtigt gewesen.

IV. Hinsichtlich der Dauer des Umgangsausschlusses hält das Gericht einen Zeitraum von 2 Jahren für erforderlich aber zunächst auch ausreichend. Der Sachverständige hat dazu ausgeführt, dass er unter der Prämisse der Einwilligung der Mutter zur sofortigen Wiederaufnahme der Beratung und der Verfassung eines Briefes in kindorientierter Sprache zur Entlastung der Kinder einen Umgangsausschluss für weitere 6 Monate empfehlen würde. Eine solche Einwilligung der Kindesmutter und eine Verfassung eines solchen Briefes durch die Kindesmutter sind nicht erfolgt. Bei weiterhin fehlender Veränderungsmotivation der Kindesmutter empfiehlt der Sachverständige einen Umgangsausschluss für ein Jahr. Danach solle durch das Jugendamt überprüft werden, ob sich eine Veränderungsbereitschaft eingestellt habe, um die Kinder ggf. auf eine Anbahnung von Kontakten zur Mutter vorzubereiten.

Trotz der Festlegung des Gutachters auf eine Dauer von einem Jahr hält das Gericht einen Zeitraum von 2 Jahren unbedingt für erforderlich. Die Kinder sind gerade auch durch die andauernden Anhörungen und Gerichtsverfahren so massiv belastet. Das Gericht ist überzeugt davon, dass die Kinder eine richtige ambulante Psychotherapie benötigen und ebenso die Kindesmutter, bevor das nächste Überprüfungsverfahren eingeleitet wird. Selbst das Finden eines Therapieplatzes und das Beginnen von therapeutischen Gesprächen ist jedenfalls für die Kindesmutter, die noch auf keiner Warteliste steht bei der gerichtsbekannt angespannten Lage auf dem Psychotherapeutenmarkt innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr überhaupt nicht möglich. Allein schon hierfür erscheint ein Zeitraum von 2 Jahren eher realistisch. Der Abschluss eine solchen Therapie auf Seiten der Kindesmutter wird noch länger brauchen.

Da über § 1696 Abs. 2 BGB eine jederzeitige Abänderungspflicht hinsichtlich des Umgangsausschlusses besteht, sofern dessen Voraussetzungen wegfallen, ist mittlerweile sogar ein unbefristeter Umgangsausschluss verfassungsrechtlich möglich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.09.2016 - 1 BvR 1547/16). Das Gericht hat sowohl auf Antrag des umgangssuchenden Elternteils als auch gemäß § 166 Abs. 2 FamFG von Amts wegen regelmäßig zu prüfen, ob der Umgangsausschluss noch erforderlich ist. Aus diesem Grund wird die vom Sachverständigen nach einem Jahr für erforderlich gehaltene Prüfung des weiteren Umgangsausschlusses auch durch die tenorierte Umgangsentscheidung verwirklicht. Gleichzeitig werden die Kinder jedoch nicht mit einem schon in wenigen Monaten einzuleitenden und gleichzeitig aufgrund der therapeutischen Marktlage unrealistischen neuen Gerichtsverfahren zum Umgang belastet. Zum Schutz des Kindeswohls und zur Herbeiführung der für die therapeutische Heilung der psychischen Verletzung der Kinder erforderlichen Ruhe ist diese Regelung erforderlich.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Die Kindesmutter hat durch ihre Schimpftirade vom 21.01.2022 durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben. Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit ist aus Gründen des Kindeswohls erforderlich. Zur weiteren Begründung wird auf sämtliche obenstehende Ausführungen verwiesen. Die Festsetzung des Verfahrenswerts erfolgte gemäß § 45 FamGKG.