Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 01.09.2023, Az.: 5 U 61/23
Anspruch des Insolvenzverwalters auf Erstellung einer prüffähigen Schlussrechnung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 01.09.2023
- Aktenzeichen
- 5 U 61/23
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 56957
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - 09.03.2023 - AZ: 5 O 167/22
Rechtsgrundlagen
- § 242 BGB
- § 648 a BGB
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... sowie die Richterin am Oberlandesgericht ... im schriftlichen Verfahren nach Schriftsatznachlass bis zum 14. August 2023 für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten zu 2 gegen das Urteil der 5. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Stade vom 9. März 2023 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte zu 2.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte zu 2 kann die Vollstreckung abwenden, und zwar hinsichtlich der tenorierten Erstellung einer Schlussrechnung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 16.000,00 € sowie hinsichtlich der Kosten in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit - bezüglich der Hauptleistung - in Höhe von 16.000,00 € bzw. - hinsichtlich der Kosten - in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A.
Die Klägerin nimmt den Beklagten zu 2 als Insolvenzverwalter auf Erstellung einer prüffähigen Schlussrechnung in Anspruch.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat - soweit für das Berufungsverfahren von Interesse - der Klage in Bezug auf den Beklagten zu 2 stattgegeben. Die Klägerin habe gegen den Beklagten zu 2 den begehrten Anspruch auf Erstellung einer prüffähigen Schlussrechnung analog § 648 a BGB i. V. m. § 242 BGB. Wegen der diesbezüglichen Begründung im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten zu 2, mit der er seinen erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiterverfolgt. Insbesondere macht der Beklagte zu 2 geltend, dass das Landgericht bei seiner Urteilsfindung den Sinn und Zweck des § 103 InsO und die mit dieser Vorschrift einhergehenden Rechtsfolgen unberücksichtigt gelassen und verkannt habe, dass aufgrund des - zwischen den Parteien als solchen unstreitigen - erklärten Nichteintritts in den Vertrag er als Insolvenzverwalter hinsichtlich des mit der Klage verfolgten Anspruches nicht passivlegitimiert sei. Wegen des diesbezüglichen Vorbringens im Einzelnen wird auf die in der Berufungsinstanz eingereichten Schriftsätze des Beklagten zu 2 Bezug genommen.
Der Beklagte zu 2 beantragt,
das Urteil des Landgerichts Stade vom 9. März 2023 zum Az. 5 O 167/22 aufzuheben,
die Klage gegenüber den Beklagten zu 2 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug sowie ergänzenden Vortrag. Wegen des diesbezüglichen Vorbringens im Einzelnen wird auf die in der Berufungsinstanz eingereichten Schriftsätze der Klägerin Bezug genommen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 25. Juli 2023 das schriftliche Verfahren mit Schriftsatznachlass bis zum 14. August 2023 angeordnet.
Auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird ergänzend verwiesen.
B.
Die zulässige Berufung des Beklagten zu 2 hat keinen Erfolg.
I.
Der Senat hat mit Beschluss vom 29. Juni 2023 die Parteien unter der dortigen Ziffer II. auf Folgendes hingewiesen:
"1. Wie bereits das Landgericht sieht auch der Senat den Beklagten zu 2 als für den streitgegenständlichen Anspruch passivlegitimiert an.
Für seine aus seiner Sicht nicht bestehende Passivlegitimation führt der Beklagte zu 2 sowohl erst- wie zweitinstanzlich in erster Linie den - als solches unstreitigen - Umstand an, dass er i. S. v. § 103 Abs. 2 InsO die Erfüllung des zwischen der Klägerin und des Insolvenzschuldners geschlossenen Werkvertrages abgelehnt hat. Nach Auffassung des Senats kommt es im Rahmen der hier erörterten Frage auf diesen Umstand allerdings nicht an. Vielmehr versteht der Senat die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 13. Oktober 1967 (VIII ZR 176/65, juris Rn. 15 f.) und vom 2. Juni 2005 (IX ZR 221/03, juris Rn. 18 f.) so, dass dann, wenn eine Auskunftspflicht aus einem vertraglichen Anspruch folgt (also aus einem vermögensrechtlichen Anspruch, der als Insolvenzforderung zur Tabelle angemeldet werden muss oder als Masseforderung geltend zu machen ist), der Auskunftsanspruch gegen den Insolvenzverwalter zu richten ist (vgl. dazu auch MüKo InsO/Ehricke/Behme, 4. Aufl., § 38 Rn. 54).
Diese Voraussetzungen dürften vorliegend gegeben sein. Denn die Klägerin legt ihrem mit der Klage geltend gemachten Auskunftsanspruch (hier in der Form der Erteilung einer Schlussrechnung i. S. v. § 650 g Abs. 4 BGB) zugrunde, dass sie sich je nach Ergebnis dieser Auskunft eine (teilweise) Rückforderung der auf die Abschlagsrechnungen des Insolvenzschuldners bereits geleisteten Zahlungen vorbehält. Derartige Rückforderungsansprüche wären als Insolvenzforderung zur Tabelle anzumelden.
2. Im Ergebnis meint der Senat auch, dass materiell-rechtlich ein Anspruch der Klägerin aus dem mit dem Insolvenzschuldner geschlossenen Werkvertrag auf Erteilung einer Schlussrechnung besteht. Zwar dürfte sich dieser, anders als es offenbar die Klägerin auf Seite 2 ihrer Klageschrift meint, nicht unmittelbar als (Haupt-)Anspruch aus § 650 g, Abs. 4 BGB ergeben. Denn dort wird die prüffähige Schlussrechnung lediglich als Obliegenheit des Werkunternehmers geregelt, nämlich als Tatbestandsvoraussetzung für die Fälligkeit seiner Werklohnforderung. Indes meint der Senat, dass jedenfalls bei einer Fallkonstellation wie der Vorliegenden den Werkunternehmer aus dem mit dem Besteller geschlossenen Werkvertrag eine Nebenpflicht zur Erstellung einer Schlussrechnung trifft, auf die der Besteller dann auch einen (einklagbaren) Anspruch hat. Insoweit nimmt der Senat zwecks Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug auf die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts unter Ziff. II. 1. - 3. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (in diese Richtung gehen beispielsweise auch die Ausführungen von Leicht, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/ Würdinger, juris PK-BGB, 10. Aufl., § 650 g Rn. 37, 38). Gegen die entsprechende Annahme des Landgerichts wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung auch gar nicht.
3. Hingegen wiederholt der Beklagte zu 2 in der Berufungsbegründung seine bereits in erster Instanz vorgenommene Argumentation, dass die Auskunftserteilung für ihn unzumutbar sei, weil es ihm an den hierfür erforderlichen fachlichen Kenntnissen eines Zimmermannes fehle. Das greift nicht durch. Insoweit hat bereits das Landgericht auf Seite 7 seines angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt, dass dem Beklagten zu 2 insoweit die Möglichkeit offensteht, sich wegen möglicherweise fehlenden Informationen an den Insolvenzschuldner zu halten, der seinerseits gem. §§ 97, 98 InsO zur Auskunft verpflichtet ist (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2003 - IX ZR 222/02, juris Rn. 22)."
II.
Darauf nimmt der Senat Bezug. Die dagegen gerichteten Einwendungen des Beklagten zu 2 in seinem Schriftsatz vom 24. Juli 2023 geben dem Senat keine Veranlassung, von dieser rechtlichen Einschätzung abzuweichen:
Die von dem Beklagten zitierten Fundstellen BGH, Urteil vom 7. Februar 2013 - IX ZR 218/11, juris sowie MüKo InsO/Huber, 4. Aufl., § 103 Rn. 15 ff., auf die der Beklagte zu 2 bereits erstinstanzlich im Wesentlichen seine Verteidigung gestützt hatte, geben nach dem Verständnis des Senats für die von dem Beklagten zu 2 vertretene Rechtslage nichts her. Der Bundesgerichtshof hat in jener Entscheidung (juris Rn. 8) ausgeführt, dass dann, wenn - wie hier - der Verwalter die Erfüllung ablehnt, der Vertrag in der Lage bestehen bleibe, in welcher er sich bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens befand. Der Vertragspartner des Insolvenzschuldners könne einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung als Insolvenzforderung zur Tabelle anmelden. Sehe er davon ab, bleibe ihm der - während der Dauer des Insolvenzverfahrens nicht durchsetzbare - Erfüllungsanspruch erhalten, er könne diesen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens als solchen gegen den Schuldner geltend machen.
Darum geht es aus Sicht des Senats vorliegend allerdings nicht. Die Klägerin macht mit der vorliegenden Klage gegen den Beklagten zu 2 nicht die Erfüllung der Hauptleistung aus dem mit der Insolvenzschuldnerin geschlossenen Werkvertrag geltend. Vielmehr macht die Klägerin mit der vorliegenden Klage einen (nebenvertraglichen) Auskunftsanspruch geltend. Der Senat versteht die bereits in dem Hinweisbeschluss genannte höchstrichterliche Rechtsprechung sowie die diesbezügliche Literatur so, dass für einen solchen Anspruch der Insolvenzverwalter auch dann passivlegitimiert bleibt, wenn er im Sinne von § 103 Abs. 2 InsO die Erfüllung des mit dem Insolvenzschuldner geschlossenen Vertrag abgelehnt hat.
III.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
3. Der Senat lässt gem. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Revision zu. Denn zu der konkreten hiesigen Fallkonstellation hat der Senat weder in Rechtsprechung noch Literatur ausdrückliche Aussagen finden können.