Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.03.2025, Az.: 14 SLa 773/24 E
Eingruppierung der entsprechenden Tätigkeiten eines Heilerziehungspflegers i.R.d. Gruppenleitung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 07.03.2025
- Aktenzeichen
- 14 SLa 773/24 E
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2025, 15252
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2025:0307.14SLa773.24.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Celle - 24.09.2024 - AZ: 3 Ca 47/24
Rechtsgrundlage
- § 12 Abs. 2 TVöD-VKA
Fundstelle
- öAT 2025, 147
Amtlicher Leitsatz
Einzelfallentscheidung zu entsprechenden Tätigkeiten einer Heilerziehungspflegerin. 27jährige Berufserfahrung als Krankenschwester.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 24.09.2024 - 3 Ca 47/24 - abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.10.2023 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe S8 b TVöD zu zahlen und die Nachzahlungsbeträge für die Zeit ab Oktober 2023 jeweils ab dem folgenden Monatsersten mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr zu verzinsen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat* der Beklagte zu tragen. *Berichtigt s. Urteil a. E.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.144,83 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Der beklagte Verein betreibt Werkstätten/Tagesförderstätten für behinderte Menschen. Die im Jahre 1978 geborene Klägerin ist seit September 2022 beim Beklagten mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 19,5 Stunden als Gruppenleiterin in der Tagesförderstätte S. beschäftigt. Gemäß einzelvertraglicher Vereinbarung bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem TVöD-VKA. Die Klägerin wird nach der Entgeltgruppe S 7 der Anlage Teil B XXIV in der Stufe 4 vergütet.
In der Leistungsvereinbarung, die der Beklagte mit dem Land Niedersachsen abgeschlossen hat, heißt es zum Ziel der Leistung:
"Tagesförderstätte
Die Tagesförderstätte ist ein Leistungsangebot zur sozialen Teilhabe (§§ 76, 113 Absatz 1 und 2 Ziffer 2 SGB IX in Verbindung mit § 81 SGB IX und Vorbereitung auf eine berufliche Rehabilitation Sie umfasst die im Einzelfall bedarfsgerechten Hilfen und Leistungen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, dem Menschen mit Behinderung, die für ihn erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen"
Zum Inhalt der Leistung heißt es:
"Tagesförderstätte
Die Tagesförderstätte fördert unter Beachtung personeller Integrität und Autonomie der Menschen mit Behinderung die Erhaltung und Weiterentwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten. Sie ist eine in der Regel vom Wohnen räumlich getrennte Maßnahme im Sinne einer "externen Lern-, Erfahrungs- und Erlebniswelt".
Die Tagesförderstätte bietet ein möglichst breit differenziertes Spektrum von Angeboten, um der Art und Schwere der Behinderung, der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit, Entwicklungsmöglichkeit sowie Neigung des Menschen soweit wie möglich Rechnung zu tragen."
Eine Stellenausschreibung des Beklagten für eine Gruppenleitung der Tagesförderstätte lautet auszugsweise:
"Was Sie ausmacht:
Sie haben eine abgeschlossene Ausbildung als Heilerziehungspflege*in oder verfügen über eine vergleichbare Qualifikation (u.a. Erzieher*in, Ergotherapeut*in, Pflegefachkraft)."
Die Klägerin betreut die ihr zugewiesene Gruppe von behinderten Menschen im Sinne von § 2 SGB IX allein. Sie teilt sich im Regelfall die Betreuung der Gruppe mit ihrer Kollegin Frau W., einer Heilerziehungspflegerin, die in die Entgeltgruppe S 8b eingruppiert ist. Frau W. arbeitet überwiegend am Vormittag und die Klägerin am Nachmittag. Bedarfsgemäß gibt es davon Abweichungen.
Zu den Aufgaben der Klägerin gehören folgende Tätigkeiten:
Empfangen der Betreuten in der Tagesförderstätte
Hilfestellung beim Ausziehen der Jacken
Vorbereitung von Tee und Kaffee für das gemeinsame Frühstück, auf Wünsche, Sorgen und Gesprächsbedarf der Beschäftigten eingehen, Dokumentationen z.B. Anwesenheit der Beschäftigten
Vorbereitung zum gemeinsamen Frühstück, den Beschäftigten zum jeweiligen Platz am Tisch bringen, je nach Person Speiseschürze anbringen, Einhaltung, Einüben von Ritualen und Routinen der Gruppe
Assistenz beim Frühstücken, Esstraining, auf Essmengen achten, Kulturtechniken
Pflegerische Tätigkeiten:
Toilettengänge: Toilettentraining (täglich),
Intimpflege, Schutzhosenwechsel
Waschen Gesicht und Hände: je nach Beschäftigtem Integration von basaler Stimulation
Vor und Nachbereitung der Beschäftigungsmaterialien individuell, Personenzentriert
Musik
Gesellschaftsspiele: Integration in die Gruppengemeinschaft, Förderung der geistigen Entwicklung, Zählen bis sechs
Basteln, Handarbeiten: Strickliesel, Weben-> Förderung der Motorik, Sinneswahrnehmung durch Fühlen der Wolle
Mobilisierung in Form von täglichen Spaziergängen
Anleitung und Hilfestellung bei der der jeweiligen Beschäftigung
Unterstützte Kommunikation (neues Einüben, Erlerntes wiederholen)
Begleitung therapeutischer Maßnahmen z.B. Respektiert (tiergestützte Therapie IX pro Woche), Wassertreten nach Kneip
Personenzentrierte Planung erstellen, Dokumentation
Gespräche mit Sozialdienst führen
Planung und Durchführung von Gruppenausflügen
Planung und Durchführen von Geburtstagsfeiern, z.B. Mittagessen, Geschenk
Gemeinsame Einkäufe für die Gruppe (lebenspraktische Lektionen): Teilnahme an der Gesellschaft
Vorbereitung von Mittagessen:
z.B. Essen kleinschneiden (mundgerecht)
Assistenz beim Mittagessen: Esstraining, Essenanreichen, Aspiration beachten, vorbeugen
Trink- und Essmengen beachten
Gemeinsames Kochen:
Erlernen und Kennenlernen der Handhabung von Küchengeräten, z. B. Mixer, Messer zur Vorbereitung
Probieren verschiedener Geschmäcker, Geruchssinnförderung während des Kochvorganges
Tischdecken mit den Klienten: z.B. Frühstücks- oder Mittagsgeschirr für den jeweiligen Teilnehmer auf den Tisch stellen
Hinführen der Teilnehmer (bei Bedarf) an ihren jeweiligen Platz
Teilnehmer übernehmen folgende Aufgaben mit Unterstützung und Anleitung:
Abwischen der Tische nach den Mahlzeiten
Müll wegbringen
Geschirrwagen in die Küche schieben
Blumen gießen
Raumgestaltung
Ordnung halten, Hausarbeit vorleben
Medikamente stellen, verteilen, auf richtige Einnahme achten, Dokumentation der Durchführung
Nach dem Mittagessen pflegerische Tätigkeiten siehe oben, Toilettentraining und Körperhygiene
Mittagspause, Betreute können sich aussuchen wo sie ihre Pause in Absprache mit dem Gruppenleiter verbringen möchten
Gruppenleiter besprechen die Ereignisse des Tages
PC-Tagesdokumentation, Nachrichten im Workflow, Essensbestellung usw.
Pflegerische Tätigkeiten, Mobilisation und Transfer nach Intimpflege und Schutzhosenwechsel
Trinken anbieten, Unterstützung beim Trinken
Assistenz und Übernahme beim Anziehen der Jacken (wetterbedingte Kleidung)
Begleitung und Beförderung der Rollstuhlfahrer zum Bus
Aufsicht bei der Abfahrt der Busse
Arbeitsende
Dabei weist der Beklagte darauf hin, dass folgende Tätigkeiten nicht täglich verrichtet werden:
Personenzentrierte Planung erstellen, Dokumentation,
Gespräche mit Sozialdienst führen,
Planung und Durchführung von Gruppenausflügen,
Planung und Durchführung von Geburtstagsfeiern,
Gemeinsame Einkäufe für die Gruppe,
Gemeinsames Kochen,
PC-Tagesdokumentation, Nachrichten im Workflow, Essenbestellung.
Vor ihrer Tätigkeit für den Beklagten war die Klägerin 27 Jahre lang als Krankenschwester tätig. Dabei war sie unter anderem in der Neurologie eingesetzt und arbeitete mit Patienten mit erheblichen geistigen Beeinträchtigungen. Die Versorgung von Menschen mit stark motorischen sowie geistigen Einschränkungen umfasste auch das Erstellen einer patientenbezogenen Pflegeplanung, die die Förderung und Begleitung der Mobilität der Patienten in den Mittelpunkt stellt. Während ihrer langjährigen Tätigkeit als Krankenschwester erlangte die Klägerin Einblicke in die Psychiatrie, wodurch ihr psychische Erkrankungen bekannt sind. Schwerpunkt ihrer Tätigkeit war dabei stets die Rehabilitation der Patienten für ein anschließend möglichst selbstständiges und selbstbestimmtes Leben.
Eine inzwischen mit dem Betriebsrat abgestimmte Funktionsbeschreibung Betreuungskraft Tagesförderstätte (Fachkraft) sieht als berufliches Anforderungsprofil vor: "Fachkräfte zur Arbeits- und Berufsförderung, Erzieher/in, Heilerziehungspfleger/in, vergleichbare Qualifikationen (nach LV)". Hinsichtlich des Tätigkeitsprofils heißt es:


Einen von der Klägerin gestellten Höhergruppierungsantrag in die Entgeltgruppe S8 b lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 20.07.2023 ab.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe Anspruch auf eine Vergütung nach Vergütungsgruppe S 8b, weil sie dieselbe Tätigkeit ausübe wie die Heilerziehungspflegerin Frau W., wobei es sich um besonders schwierige fachliche Tätigkeiten im Sinne des Tarifvertrages handele.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.10.2023 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe S 8b TVöD zu zahlen und etwaige Nachzahlungsbeträge beginnend ab dem 01.10.2023 ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr zu verzinsen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet, die Klägerin übe tatsächlich keine Tätigkeit als Erzieherin oder Heilerziehungspflegerin aus, sondern ausschließlich Tätigkeiten einer Gruppenleiterin im Sinne der Entgeltgruppe S 7. Entgegen der Auffassung der Klägerin stelle die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen keine besonders herausfordernde und schwierige Tätigkeit dar. Die Klägerin werde keineswegs wie eine Heilerziehungspflegerin eingesetzt, sondern als Betreuungskraft auf der Grundlage der vorgelegten Leistungsvereinbarung.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klagbegehren weiter: Aus der konkret auszuübenden Tätigkeit könnten Rückschlüsse auf ihre Fähigkeiten und Erfahrungen gezogen werden. Sie werde wie eine Heilerziehungspflegerin in der Wohngruppe eingesetzt. Dem stehe nicht entgegen, dass sie im Rahmen des großen Arbeitsvorgangs nicht nur Arbeitsschritte mit pädagogischem Inhalt, sondern auch pflegerische und administrative Tätigkeiten verrichte. Prägend sei die pädagogische Betreuung der behinderten Menschen. In ihrer früheren Tätigkeit als Krankenschwester, deren Ausbildung deutliche Überschneidungen zur Ausbildung als Heilerziehungspflegerin aufweise, habe sie Menschen mit erheblichen motorischen und geistigen Einschränkungen betreut. Dazu hätte neben pflegerischen Tätigkeiten auch die Unterstützung beim Erhalt bzw. Wiedererlangen von Kulturtechniken gehört. Der Schwerpunkt habe im pädagogischen und erzieherischen Bereich gelegen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 24.09.2024, Aktenzeichen 3 Ca 47/24, abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.10.2023 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe S 8b TVöD zu zahlen und etwaige Nachzahlungsbeträge beginnend ab dem 01.10.2023 ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr zu verzinsen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil: Die Klägerin habe nach wie vor nicht hinreichend dargelegt, über besondere pädagogische Fähigkeiten und Erfahrungen zu verfügen, die für eine Gleichwertigkeit der Qualifikationen mit der einer Heilerziehungspflegerin oder Erzieherin erforderlich seien. Sie sei daher keine sonstige Beschäftigte im Tarifsinne, sondern sie übe ausschließlich Tätigkeiten einer Gruppenleiterin im Sinne einer Betreuungskraft nach der Leistungsbeschreibung aus, die nach S 7 zu bewerten sei. Das Leistungsangebot umfasse weder einen Bildungsauftrag noch sei es mit Erziehung gleichzusetzen.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Sachvortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze sowie die eingereichten Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin ab dem 01.10.2023 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe S8 b TVöD zu zahlen.
I. Zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Klage zulässig ist. Weiterhin bedurfte es keiner gesonderten Ausweisung der begehrten Stufe im Antrag, weil die Stufe 4 zwischen den Parteien unstreitig ist.
II. Die Klage ist begründet.
Das Gericht folgt den Ausführungen des angefochtenen Urteils unter 2. a. und b. zur Anwendbarkeit des TVöD-VKA und den Ausführungen zur Grundlage der Eingruppierung gemäß § 12 Abs. 2 TVöD-VKA. Mit dem Arbeitsgericht und auch den Parteien ist das Gericht auf der Grundlage der Funktionsbeschreibung der Auffassung, dass die Tätigkeit der Klägerin mit der Betreuung der Gruppenmitglieder einschließlich der Förderplanung und Dokumentation und der sonstigen übertragenen Aufgaben als ein Arbeitsvorgang anzusehen ist, weil bei natürlicher Betrachtung ein einheitliches Arbeitsergebnis durch die umfassende Unterstützung und Förderung der ihr anvertrauten behinderten Menschen zur Erzielung einer möglichst großen Eigenständigkeit und damit Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erreicht werden soll.
Weiter geht das Gericht mit dem Arbeitsgericht und den Parteien davon aus, dass für die Eingruppierung der Klägerin allein maßgeblich die Vorschriften des besonderen Teils der Anlage Teil B der Entgeltordnung XXIV. für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst sind.
Dort ist u. a. geregelt:
Entgeltgruppe S 7
Beschäftigte mit abgeschlossener Berufsausbildung als Gruppenleiterin/Gruppenleiter in Ausbildungs- oder Berufsförderungswerkstätten oder Werkstätten für behinderte Menschen.
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 1, 1a und 17)
Entgeltgruppe S 8a
1. Erzieherinnen/Erzieher, Heilerziehungspflegerinnen/Heilerziehungspfleger und Heilerzieherinnen/Heilerzieher mit staatlicher Anerkennung und jeweils entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 1, 1a, 3 und 5)
2. Beschäftigte mit abgeschlossener Berufsausbildung und einer abgeschlossenen Weiterbildung als geprüfte Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung als Gruppenleiterin/Gruppenleiter in Ausbildungs- oder Berufsförderungswerkstätten oder in Werkstätten für behinderte Menschen.
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 1 und 1a)
Entgeltgruppe S 8b
1. Erzieherinnen/Erzieher, Heilerziehungspflegerinnen/Heilerziehungspfleger und Heilerzieherinnen/Heilerzieher mit staatlicher Anerkennung und jeweils entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten.
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 1, 1a, 3, 5 und 6)
2. Handwerksmeisterinnen/Handwerksmeister, Industriemeisterinnen/Industriemeister oder Gärtnermeisterinnen/Gärtnermeister als Gruppenleiterin/Gruppenleiter in Ausbildungs- oder Berufsförderungswerkstätten oder Werkstätten für behinderte Menschen.
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 1 und 1a)
3. Beschäftigte in der Tätigkeit von Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeitern bzw. Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung.
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 1 und 1a)
Protokollerklärungen:
1. 1Die Beschäftigten - ausgenommen die in Entgeltgruppe S 4 bei Tätigkeiten der Fallgruppe 2, Entgeltgruppe S 7, Entgeltgruppe S 8a bei Tätigkeiten der Fallgruppe 2 und Entgeltgruppe S 8b bei Tätigkeiten der Fallgruppe 2 eingruppierten Beschäftigten - erhalten für die Dauer der Tätigkeit in einer besonderen Wohnform (insbesondere stationäre Einrichtungen, Wohngruppen für Menschen mit Behinderung im Sinne von SGB IX, Kinder- und Jugendwohnheimen oder vergleichbaren Einrichtungen [Heim]) oder in der ambulant unterstützten Einzel- oder Gruppenbetreuung, wenn diese als Präsenzleistung durchgängig für 24 Stunden täglich erfolgt, oder in der Heimerziehung nach § 34 SGB VIII eine Zulage in Höhe von 100,00 Euro monatlich, wenn dort ein überwiegender Teil der Menschen mit durchgängigem Unterstützungs- oder Betreuungsbedarf untergebracht ist bzw. betreut wird; überwiegt der Teil der Menschen mit durchgängigem Unterstützungs- oder Betreuungsbedarf nicht, beträgt die Zulage 50,00 Euro monatlich. 2Für die in Entgeltgruppe S 15 bei Tätigkeiten der Fallgruppe 5, S 16 bei Tätigkeiten der Fallgruppen 5 und 6, S 17 bei Tätigkeiten der Fallgruppe 5 und S 18 bei Tätigkeiten der Fallgruppe 3 eingruppierten Beschäftigten gilt Satz 1 für die Dauer der Tätigkeit in einem Wohnheim für erwachsene Menschen mit Behinderung entsprechend. 3Für die in Entgeltgruppe S 4 bei Tätigkeiten der Fallgruppe 2, Entgeltgruppe S 7, Entgeltgruppe S 8a bei Tätigkeiten der Fallgruppe 2 und Entgeltgruppe S 8b bei Tätigkeiten der Fallgruppe 2 eingruppierten Beschäftigten in einem Heim im Sinne des Satzes 1 erster Halbsatz beträgt die Zulage 65,00 Euro monatlich. 4Die Zulage wird nur für Zeiträume gezahlt, in denen Beschäftigte einen Anspruch auf Entgelt oder Fortzahlung des Entgelts nach § 21 haben. 5Sie ist bei der Bemessung des Sterbegeldes (§ 23 Abs. 3) zu berücksichtigen.
1a. 1Beschäftigte, denen entsprechende Tätigkeiten als Praxisanleiterin/Praxisanleiter in der Ausbildung von Erzieherinnen/Erziehern, von Kinderpflegerinnen/Kinderpflegern, von Sozialassistentinnen/Sozialassistenten oder von Heilerziehungspflegerinnen/Heilerziehungspflegern übertragen sind und die die übertragene Tätigkeit mit einem zeitlichen Anteil von mindestens 15 Prozent an ihrer Gesamttätigkeit ausüben, erhalten für die Dauer dieser Tätigkeit eine Zulage in Höhe von 70,00 Euro monatlich. 2Die Zulage wird nur für Zeiträume gezahlt, in denen Beschäftigte einen Anspruch auf Entgelt oder Fortzahlung des Entgelts nach § 21 haben.
...
3. Als entsprechende Tätigkeit von Erzieherinnen/Erziehern oder Kinderpflegerinnen/Kinderpflegern gilt auch die Tätigkeit in Schulkindergärten, Ganztagsangeboten für Schulkinder, Vorklassen oder Vermittlungsgruppen für nicht schulpflichtige Kinder und die Betreuung von über 18jährigen Personen (z.B. in Einrichtungen für behinderte Menschen im Sinne des § 2 SGB IX oder für Obdachlose).
...
5. Nach diesem Tätigkeitsmerkmal sind auch
a) Kindergärtnerinnen/Kindergärtner und Hortnerinnen/Hortner mit staatlicher Anerkennung oder staatlicher Prüfung,
b) Kinderkrankenschwestern/Kinderkrankenpfleger, die in Kinderkrippen tätig sind,
eingruppiert.
6. Besonders schwierige fachliche Tätigkeiten sind z.B. die
a)Tätigkeiten in Integrationsgruppen (Erziehungsgruppen, denen besondere Aufgaben in der gemeinsamen Förderung behinderter und nicht behinderter Kinder zugewiesen sind) mit einem Anteil von mindestens einem Drittel von behinderten Menschen im Sinne des § 2 SGB IX in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung,
b)Tätigkeiten in Gruppen von behinderten Menschen im Sinne des § 2 SGB IX oder von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten,
...
Ausgangspunkt ist die Entgeltgruppe S 8a. Die nicht über eine geforderte Fachausbildung verfügende Klägerin übt als sonstige Beschäftigte aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten einer Heilerziehungspflegerin mit staatlicher Anerkennung und jeweils entsprechender Tätigkeit aus.
Es ist unerheblich, dass die Klägerin nicht im Einzelnen die Ausbildung und Tätigkeit einer Heilerziehungspflegerin dargelegt hat. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 14.10.2020 (- 4 AZR 252/19 - Rn. 35) die umfangreichen Anforderungen an die Vortragslast des Eingruppierungsklägers insoweit erleichtert, als dass es nicht mehr wie früher den Vortrag eines klagenden Beschäftigten verlangt, die Tätigkeiten eines bestimmten Berufsbildes oder die Inhalte einer bundes- oder landesgesetzlich geregelten Ausbildung als solche darzulegen. Dies hat es nunmehr als Aufgabe dem Gericht zugewiesen.
Der in den Tätigkeitsmerkmalen des Sozial- und Erziehungsdienstes verwendete Begriff des Heilerziehungspflegers ist im berufskundlichen Sinne zu verstehen (vgl. BAG 13.11.2019 - 4 AZR 490/18 - Rn. 44).
Nach dem entsprechenden Steckbrief BERUFENET der Bundesagentur für Arbeit, abgerufen am 03.02.2025, begleiten und unterstützen Heilerziehungspfleger Menschen mit geistigen, körperlichen oder seelischen Behinderungen aller Altersstufen, um deren Eigenständigkeit zu stärken und sie zu einer möglichst selbstständigen Lebensführung im Alltag zu befähigen. Dabei berücksichtigten sie Art und Grad der jeweiligen Behinderung. Sie unterstützen die zu Betreuenden bei der Verrichtung alltäglicher Tätigkeiten wie Einkauf oder Nahrungszubereitung und motivieren sie zu Freizeitbeschäftigungen wie Malen, Musizieren oder Schwimmen. Ebenso fördern sie das soziale Verhalten sowie die persönliche Entwicklung der ihnen anvertrauten Personen und stehen diesen bei ihrer schulischen oder beruflichen Eingliederung zur Seite. Darüber hinaus helfen Heilerziehungspflegerinnen bettlägerigen oder kranken Menschen bei der Körperpflege, bei der Nahrungsaufnahme sowie beim An- und Auskleiden (Grundpflege). Auch für die Versorgung der Patienten mit Medikamenten sind sie verantwortlich. Sie erledigen zudem organisatorische und verwaltungstechnische Arbeiten. Beispielsweise planen und gestalten sie das Freizeitprogramm oder wirken bei der Erstellung von Förderplänen mit. Heilerziehungspfleger finden Beschäftigung in Tagesstätten, Wohn- und Pflegeeinrichtungen für Menschen mit Behinderungen, in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und in Einrichtungen der Sozialpsychiatrie sowie in Kindertageseinrichtungen und an Schulen. Die Anforderungen werden beschrieben mit Verantwortungsbewusstsein (z. B. beim Durchführen therapeutischer Maßnahmen), Einfühlungsvermögen und Konfliktfähigkeit (z. B. Umfang mit depressiven oder aggressiven Menschen), Kommunikationsfähigkeit (z. B. bei Gesprächen mit Menschen mit Behinderungen und deren Angehörigen, Teambesprechungen), Beobachtungsgenauigkeit und Sorgfalt (z. B. Erkennen von Verhaltensänderungen der zu betreuenden Personen sowie psychische Stabilität (z. B. zum Wahren einer professionellen Distanz im Umfang mit Menschen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen).
Die vom niedersächsischen Kultusministerium herausgegebenen Rahmenrichtlinien für die berufsbezogenen Lernbereiche - Theorie und Praxis - in der Fachschule Heilerziehungspflege, Stand Juni 2019, sehen im berufsbezogenen Lernbereich der Theorie die Ausbildung im Bereich der Entwicklung und Bildung sowie der bedürfnisorientierten Pflege vor und im berufsbezogenen Lernbereich Praxis die Ausbildung im Bereich von Assistenzangeboten und Leitungsverantwortung sowie einen Bereich pflegerischer Tätigkeitsschwerpunkte.
Die der Klägerin zugewiesenen und von ihr umfassend dargelegten Aufgaben beschränken sich, anders als der Beklagte meint, nicht auf eine bloße Betreuung, sondern sie decken gerade das eben beschriebene Berufsbild des Heilerziehungspflegers ab. In der Funktionsbeschreibung wird als Zielsetzung nicht eine schlichte Betreuung genannt, sondern die Erfüllung der Leistungsvereinbarungen für eine soziale Teilhabe und die Eingliederung bzw. Wiedereingliederung in das Arbeitsleben. Dazu ist die Klägerin nach dieser Funktionsbeschreibung verantwortlich für die Planung, Durchführung und Qualitätssicherung der Entwicklung und Teilhabeförderung der Teilnehmer. Dementsprechend sind die dargelegten Aufgaben der Klägerin geprägt von einer anleitenden und fördernden Begleitung des Verhaltens in der Gruppe, der Nahrungszubereitung, deren Wahrnehmung und der Nahrungsaufnahme, der Körperpflege, des Spiels, der Musik und handwerklicher Tätigkeiten, der Unterstützung der Kommunikation mit dem Einüben des Neuen und dem Wiederholen des Erlernten usw. sowie der Strukturierung und Planung des Alltags.
Aus diesem Grund wird vom Beklagten nicht nur in seiner Stellenausschreibung, sondern auch in der Funktionsbeschreibung die Berufsausbildung einer Fachkraft zur Arbeits- und Berufsförderung, eines Erziehers, Heilerziehungspflegers oder eine vergleichbare Qualifikation als erforderlich angesehen. Die von der Klägerin beschriebenen und allenfalls in vom Beklagten eingewandten Teilbereichen im Hinblick auf eine tägliche Ausübung zu verrichtenden Tätigkeiten weisen mit ihrer Kombination aus unterstützenden, pflegerischen und pädagogischen Inhalten sowie der Förderplanung und Dokumentation die typischen Tätigkeitsinhalte eines Heilerziehungspflegers auf. Damit liegen entsprechende Tätigkeiten im Sinne der Entgeltgruppe S 8a Fallgruppe 1 vor. Entsprechende Tätigkeiten liegen vor, wenn Tätigkeiten übertragen sind, die die tariflich geforderte Ausbildung zum Heilerziehungspfleger erfordern und dem jeweiligen Berufsbild entsprechen. Es liegt gerade nicht der Fall vor, dass es für die Tätigkeit der Klägerin ausreichend ist, wenn die Kenntnisse für die übertragenen Aufgaben lediglich nützlich oder erwünscht sind (vgl. BAG, 27.09.2017 - 4 AZR 666/14 - Rn. 20).
Die Klägerin übt diese entsprechenden Tätigkeiten auch aufgrund der Ausbildung zum Heilerziehungspfleger gleichwertiger Fähigkeiten und Erfahrungen aus.
Die Eingruppierung der sonstigen Beschäftigten erfordert, dass sie über gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen müssen. Damit wird nicht ein Wissen und Können verlangt, wie es durch die entsprechende Ausbildung vermittelt wird, wohl aber eine ähnlich gründliche Beherrschung eines entsprechend umfangreichen Wissensgebietes, wobei Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem eng begrenzten Teilgebiet nicht ausreichen. Solche gleichwertigen Fähigkeiten können insbesondere durch Berufserfahrung erworben sein. Dabei können aus der auszuübenden Tätigkeit Rückschlüsse auf die Fähigkeiten und Erfahrungen der Beschäftigten gezogen werden, wenn diese eine "entsprechende Tätigkeit" ausüben. Sie werden aber nicht schon dadurch nachgewiesen, dass die "sonstigen Beschäftigten" auf einem einzelnen Arbeitsgebiet Leistungen erbringen, die auf diesem begrenzten Gebiet gleichwertig sind (BAG 05.05.2021 - 4 AZR 666/19 - Rn. 46).
Die Ausbildung der Klägerin als Krankenschwester und ihre 27-jährige Berufserfahrung lassen es als unzweifelhaft erscheinen, dass sie die Fähigkeiten eines Heilerziehungspflegers auf pflegerischen Gebiet mindestens gleichwertig erfüllt. Die Klägerin hat auch umfangreiche Erfahrungen in der ihr zugewiesenen Tätigkeit als Krankenschwester im Bereich der Neurologie und Psychiatrie erworben, die auf eine Rehabilitation und Stärkung der Eigenständigkeit sowie die Verbesserung der Fähigkeit zu einer selbstständigen Lebensführung im Alltag ausgerichtet war. Darüber hinaus lassen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gerade die oben beschriebenen typischen und umfangreich ausgeübten Tätigkeiten eines Heilerziehungspflegers Rückschlüsse auf ihre entsprechenden Fähigkeiten und Erfahrungen zu. Weiterhin ist im vorliegenden besonderen Einzelfall zugunsten der Klägerin, wenn auch nicht eigenständig tragend, zu berücksichtigen, dass sie sich die Verantwortung für die zugewiesene Gruppe jeweils alleinverantwortlich mit einer ausgebildeten Heilerziehungspflegerin teilt. Auch wenn die beiden Mitarbeiterinnen grundsätzlich vormittags und nachmittags eingesetzt werden, gibt es von dieser Aufteilung bedarfsgemäß Abweichungen, so dass auch die Klägerin, wie in der Funktionsbeschreibung vorgesehen, umfassend und nicht nur auf Teilbereiche des Tages beschränkt die Teilnehmer in ihrem gesamten Alltag pflegt und fördert. Es ist aus dem Sachvortrag der Parteien nicht ersichtlich, dass bei dem umfangreichen Aufgabenbereich eine bei Schichtwechsel geringerwertige Pflege und Förderung der anvertrauten Menschen stattfindet und dass die Klägerin in diesem Zusammenhang gegenüber ihrer Kollegin nur über eingeschränkte Fähigkeiten verfügt. Es handelt sich auch nicht nur um ein begrenztes Gebiet, sondern um das Hauptgebiet des Tätigkeitsfeldes eines Heilerziehungspflegers in der Unterstützung und Förderung von Menschen mit Behinderung. Die darüber hinaus im Berufsbild genannten umfangreichen pflegerischen Tätigkeitsfelder deckt die Klägerin ebenso ab, wie die dort genannte Planung und Gestaltung des Freizeitprogramms und die ausdrücklich übertragene Mitwirkung bei der Erstellung von Förderplänen.
Die in der Fallgruppe Nr. 1 der Entgeltgruppe S8 b genannte besonders schwierige fachliche Tätigkeit, die der Beklagte in Abrede stellt, folgt aus der in der Protokollnotiz 6.b) als Beispiel genannte Tätigkeit in Gruppen von behinderten Menschen im Sinne des § 2 SGB IX, die hier unstreitig vorliegt.
Dass die Klägerin ihren Anspruch rechtzeitig innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist von sechs Monaten geltend gemacht hat, wird vom Beklagten nicht in Abrede gestellt. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.
Auch eine Würdigung des weiteren Sachvortrags der Parteien, von deren Darstellung im Einzelnen Abstand genommen wird, führt zu keinem abweichenden Ergebnis.
Die versehentliche Auslassung des Wortes "hat" im vierten Absatz des von den Richtern unterzeichneten und entsprechend verkündeten Tenors im Rahmen der Kostenentscheidung wird gemäß § 319 ZPO berichtigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Gegen diese Entscheidung ist daher kein Rechtsmittel gegeben.