Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.01.2025, Az.: 4 LA 64/24

Antrag auf Zulassung der Berufung in einem asylrechtlichen Verfahren

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.01.2025
Aktenzeichen
4 LA 64/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2025, 10113
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2025:0117.4LA64.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 19.02.2024 - AZ: 2 A 254/23

Fundstelle

  • AUAS 2025, 42-43

Amtlicher Leitsatz

Hat der anwaltlich vertretene Asylkläger nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 AsylG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen, so kann er in aller Regel eine Gehörsrüge gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO nicht mit Erfolg darauf stützen, dass das Verwaltungsgericht über die Klage gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 AsylG im schriftlichen Verfahren entschieden hat, ohne ihm in einer mündlichen Verhandlung Gelegenheit zu geben, Zweifel hinsichtlich der Bewertung seines Asylvorbringens auszuräumen.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 2. Kammer (Einzelrichterin) - vom 19. Februar 2024 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von ihm geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) ist von ihm nicht ausreichend dargelegt worden und liegt im Übrigen auch nicht vor.

Der Kläger sieht einen Gehörsverstoß darin, dass das Verwaltungsgericht auf der Grundlage von § 77 Abs. 2 Satz 1 AsylG im schriftlichen Verfahren über seine Asylklage entschieden hat. Das Gericht habe zu seinen Lasten eine Überraschungsentscheidung getroffen, indem es sein Asylvorbringen als im Widerspruch zur aktuellen Erkenntnismittellage zum Herkunftsland Georgien stehend bewertet habe, ohne ihm hierzu in einer mündlichen Verhandlung einen Hinweis zu erteilen.

Die Darlegung des behaupteten Gehörsverstoßes ist bereits deshalb unzureichend, weil der Kläger es versäumt hat, konkret anzugeben, was er im Einzelnen vorgetragen hätte, wenn das Verwaltungsgericht in einer mündlichen Verhandlung einen Hinweis auf die von ihm beabsichtigte Entscheidung gegeben hätte, und inwieweit dieser Vortrag geeignet gewesen wäre, die geltend gemachten Ansprüche zu klären. Es liegt auf der Hand und bedarf daher keiner näheren Begründung, dass der Vortrag im Berufungszulassungsverfahren, der Kläger hätte "dann die genaueren Umstände schildern" und in einer mündlichen Verhandlung geeignete prozessuale "Gegenmaßnahmen treffen" können, "um die beim Gericht bestehenden Zweifel auszuräumen und durch geeignete prozessuale Vorkehrungen auf eine entsprechende gerichtliche Aufklärung hinzuwirken", insoweit unzureichend ist.

Außerdem kann der Kläger eine Gehörsverletzung wegen der nicht erfolgten Befragung in einer mündlichen Verhandlung schon deshalb nicht mit Erfolg geltend machen, weil diesbezüglich ein Rügeverlust eingetreten ist (siehe dazu und zum Folgenden: OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 15.2.2021 -2 L 26/20 -, juris Rn. 8). Voraussetzung einer begründeten Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs ist nämlich die (erfolglose) vorherige Ausschöpfung sämtlicher verfahrensrechtlich eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BVerwG, Beschl. v. 22.6.2017 - 2 WD 6.17 -, juris Rn. 14; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 20.12.2018 - 9 A 3148/17.A -, juris Rn. 30 - jeweils m.w.N.). Dies hat der Kläger nicht getan. Das Verwaltungsgericht hat den anwaltlich vertretenen Kläger, dessen Asylantrag mit Bescheid vom 9. November 2023 als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden war, mit der Eingangsverfügung vom 23. November 2023 darauf hingewiesen, dass über die Klage gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 AsylG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden könne, da kein Fall des § 38 Abs. 1 AsylG und des § 73b Abs. 7 AsylG vorliege, und dass auf Antrag eines Beteiligten mündlich verhandelt werden müsse. Im Folgenden hat der Kläger keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt (vgl. § 77 Abs. 2 Satz 2 AsylG), obwohl hierzu bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts durch das Urteil vom 19. Februar 2024 ausreichend Zeit gewesen wäre. Der Kläger hat sich damit durch das unterbliebene Ausschöpfen seiner prozessualen Möglichkeiten der Option begeben, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu erzwingen. In einem solchen Fall bleibt eine Gehörsrüge in aller Regel ohne Erfolg (zum Verzicht auf mündliche Verhandlung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.5.2020 - 19 A 1650/19.A -, juris Rn. 9 ff.). Der Verzicht darauf, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen, bedeutet zwar nicht zugleich den Verzicht auf die Gewährung rechtlichen Gehörs zu solchen, die Entscheidung tragenden Umständen, die bislang nach übereinstimmender Auffassung aller Verfahrensbeteiligter nicht entscheidungserheblich waren (BVerfG, Beschl. v. 26.5.2020 - 2 BvR 2699/17 -, juris Rn. 3). Eine solche Fallkonstellation liegt hier aber nicht vor. Denn ebenso wie das Verwaltungsgericht war bereits die Beklagte in dem vom Kläger angegriffenen Bescheid vom 9. November 2023 davon ausgegangen, dass das Vorbringen des Klägers zu den erlebten Bedrohungen durch Mitarbeiter des georgischen Geheimdienstes nicht den aktuellen Erkenntnissen zur asylrelevanten Lage in Georgien entspreche und er zudem selbst bei einer Wahrunterstellung seines Asylvorbringens auf die Inanspruchnahme des Schutzes des georgischen Staates verwiesen werden könne, der schutzbereit und -fähig sei (S. 3 des Bescheides).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).