Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.10.2024, Az.: 8 TaBVGa 70/24
Berechtigung eines Mitglieds des Betriebsrats zur Teilnahme an einer Schulung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 16.10.2024
- Aktenzeichen
- 8 TaBVGa 70/24
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 28193
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2024:1016.8TaBVGa70.24.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 02.10.2024 - AZ: 3 BVGa 2/24
Rechtsgrundlage
- § 37 Abs. 6 S. 3 BetrVG
Fundstellen
- ArbR 2025, 21
- EzA-SD 26/2024, 14
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Beschließt der Betriebsrat durch ordnungsgemäß gefassten Beschluss die Teilnahme eines Betriebsratsmitgliedes an einer Schulungsveranstaltung im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG, ist das Betriebsratsmitglied nach § 37 Abs. 2, 6 BetrVG befugt, der Arbeit fernzubleiben, ohne dass es einer dahingehenden Freistellungserklärung des Arbeitgebers bedarf.
- 2.
Da das Betriebsratsmitglied keiner Freistellungserklärung des Arbeitgebers bedarf, um an einer Schulungsveranstaltung teilnehmen zu können, fehlt für darauf gerichtete Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung das Rechtsschutzbedürfnis (ebenso LAG Hamm 21.05.2008 - 10 TaBVGa 7/08; LAG Hamm 08.07.2005 13 TaBV 119/05; LAG Hamm 10.05.2004 10 TaBV 41/04; LAG Köln 20.11.2003 5 TaBV 69/03; LAG Düsseldorf 06.09.1995 12 TaBV 69/95; a.A. LAG Hessen 06.11.2023 16 TaBVGa 179/23; LAG Hessen 19.8.2004 9 TaBVGa 114/04). 3. Für einen Antrag des Betriebsrats gegen die Arbeitgeberin im einstweiligen Verfügungsverfahren, gerichtet auf Freistellung von der Kostentragungspflicht für die Schulung, fehlt es jedenfalls dann regelmäßig am Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Schulungsveranstalter keine Vorschusszahlungen verlangt.
Tenor:
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts B-Stadt vom 02.10.2024 - 3 BVGa 2/24 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auch zweitinstanzlich unverändert um die Berechtigung des Mitgliedes des Beteiligten zu 1. Frau ... zur Teilnahme an einer Schulung vom 21.10.2024 bis 25.10.2024.
Der Beteiligte zu 1. (im Folgenden: Betriebsrat) ist der bei der Beteiligten zu 2. (im Folgenden: Arbeitgeberin) gebildete Betriebsrat.
Der Betriebsrat beabsichtigt, sein Mitglied ... auf einem Seminar schulen zu lassen. Die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrates hierüber sowie über die Einleitung dieses Verfahrens sind zwischen den Parteien streitig. Das vorgesehene Seminar des Anbieters ... "Arbeitsrecht Fresh-up" dient als "Auffrischungsseminar" zu bereits vorhandenem Grundlagenwissen. Wegen der Einzelheiten des Seminarinhalts wird auf die Anlage EV 2 (Bl. 37 der erstinstanzlichen Akte) Bezug genommen.
Das Betriebsratsmitglied ... erhielt im Jahr 2016 eine grundlegende Schulung im Betriebsverfassungsrecht durch die Teilnahme an den sich jeweils über fünf Werktage erstreckenden Kursen BR 1, BR 2 und BR 3. Seit dem Jahr 2016 hat Frau ... an keinen weiteren Schulungen im Betriebsverfassungsrecht teilgenommen.
Der Arbeitgeber lehnte die Erforderlichkeit der Schulung ab.
Der Betriebsrat leitete mit Antragsschrift vom 17.01.2024 vor der 3. Kammer des Arbeitsgerichts B-Stadt zum Aktenzeichen 3 BV 3/24 ein Hauptsacheverfahren ein: Er stellte zunächst Anträge mit Blick auf die Durchführung eines Seminars vom 04.03.2024 bis 08.03.2024 in T. Das Verfahren überdauerte diesen Schulungstermin. Der Betriebsrat stellte seine Anträge anschließend um und richtete diese sodann auf die streitgegenständliche Schulung im Oktober 2024. Dem Antrag des Betriebsrates wurde erstinstanzlich mit Beschluss vom 19.06.2024 (Anlage EV 1, Bl. 31 der Akte 1. Instanz) stattgegeben, die Arbeitgeberin hat hiergegen Beschwerde erhoben, über die noch nicht entschieden ist (LAG Niedersachsen, Aktenzeichen 8 TaBV 54/24).
Der Betriebsrat ist der Auffassung, die Teilnahme an der Schulung im Oktober sei entsprechend den Ausführungen im Beschluss vom 19.06.2024 erforderlich. Da der Rechtsstreit in der Hauptsache vor Durchführung des Seminars nicht rechtskräftig abgeschlossen sein werde, sei die Sache dringlich, es liege damit ein Verfügungsgrund vor. Bei Teilnahme ohne stattgebende Verfügung bestehe für das Betriebsratsmitglied ... die Gefahr arbeitsrechtlicher Konsequenzen wie Abmahnung oder Kündigung.
Der Betriebsrat hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,
- 1.
festzustellen, dass die Teilnahme des Betriebsratsmitglieds Frau ... an der Schulung "Betriebsverfassungsrecht Fresh-up" vom 21. Oktober 2024 bis zum 25. Oktober 2024 in H., veranstaltet durch den Schulungsträger ... Institut zur Fortbildung von Betriebsräten KG, erforderlich ist,
- 2.
der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, den Antragsteller von der Kostentragungspflicht für die im Antrag zu 1. bezeichnete Schulung freizustellen,
- 3.
der Beteiligten zu 2 aufzugeben, das Betriebsratsmitglied Frau ... zur Teilnahme an der in Antrag Nr. 1 genannten Schulung von der Erbringung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen freizustellen.
hilfsweise hat der Betriebsrat beantragt,
dem Betriebsratsmitglied ... Antragstellerin im Wege der einstweiligen Verfügung zu gestatten, vom 21. Oktober 2024 bis zum 25. Oktober 2024 der Arbeit fernzubleiben, um an der Schulung "Betriebsverfassungsrecht Fresh-up" vom 21. Oktober 2024 bis zum 25. Oktober 2024 in H. teilzunehmen.
Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat in erster Instanz - wie im Hauptsacheverfahren - ihre Auffassung vorgebracht, das Seminar sei nicht erforderlich, ein Verfügungsanspruch bestehe dementsprechend nicht. Aufgrund der Entfernung des Seminarorts sei die Schulung unverhältnismäßig teuer. Es fehle zudem an dem für eine Schulungsbedürftigkeit erforderlichen konkreten betrieblichen Bedarf.
Die Arbeitgeberin hat weiter in erster Instanz gemeint, ein Verfügungsgrund liege zudem nicht vor, da das Betriebsratsmitglied sich für die Zwecke des Besuchs der Schulung selbst von der Arbeit freistellen könne. Zudem sei für die beantragte Feststellung kein Raum in einem einstweiligen Verfügungsverfahren. Der Kostenfreistellungsanspruch könne ebenfalls wegen § 894 Abs. 1 ZPO nicht im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemacht werden. Schließlich hat die Arbeitgeberin erstinstanzlich die ordnungsgemäße Fassung des Betriebsratsbeschlusses mit Nichtwissen bestritten.
Wegen des sonstigen Inhalts des Rechtsstreits erster Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das erstinstanzliche Sitzungsprotokoll verwiesen.
Mit Beschluss vom 02.10.2024, dem Betriebsrat zu Händen seines Prozessbevollmächtigten zugestellt am 07.10.2024, hat das Arbeitsgericht sämtliche Anträge zurückgewiesen. Es hat - kurz zusammengefasst - ausgeführt, der Antrag zu 1. sei unzulässig, da im einstweiligen Verfügungsverfahren auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren für Feststellungsanträge regelmäßig kein Rechtsschutzinteresse bestehe. Der Antrag zu 2. sei unbegründet, es fehle an einem Verfügungsgrund, da der Antrag auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet sei, welche erst durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung gestaltend herbeigeführt werde. Der Antrag zu 3. sei unzulässig, es fehle ihm am Rechtsschutzbedürfnis, da auch dieser Antrag letztlich nur auf eine Feststellung und damit auf eine Art vorläufiges gerichtliches Gutachten hinauslaufe. Im vorliegenden Fall bestehe darüber hinaus die Besonderheit, dass im Hauptsacheverfahren bereits ein - stattgebender - erstinstanzlicher Beschluss ergangen sei. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung vermöge keine größere Rechtssicherheit als die erstinstanzliche Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu erbringen, was ebenfalls dazu führe, dass es am Rechtsschutzbedürfnis fehle. Der Antrag zu 3. sei zudem auch unbegründet, da es an einem Verfügungsgrund fehle. Der Betriebsrat und sein Mitglied hätten selbst durch ihr Verhalten deutlich gemacht, dass keine besondere Eilbedürftigkeit für eine Teilnahme an der streitgegenständlichen Schulung bestehe, die Teilnahme des Betriebsratsmitgliedes ... an einer später stattfindenden inhaltsgleichen Schulung komme, wie das Verhalten des Betriebsrates zeige, ebenso sinnvoll in Betracht. Der Hilfsantrag scheitere aus den gleichen Gründen wie der Antrag zu 3.
Mit Schriftsatz vom 09.10.2024, bei dem erkennenden Gericht am gleichen Tage eingegangen, hat der Betriebsrat Beschwerde erhoben und diese zugleich begründet. Die Abweisung des Antrages zu 1. als unzulässig hält er für rechtsfehlerhaft und führt hierzu aus, eine Feststellungsverfügung müsse in allen Fällen zulässig sein, in denen ein rechtlicher Bedarf bestehe und auf anderem Wege der durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierte effektive Rechtsschutz nicht sichergestellt werden könne. Ein solcher Ausnahmefall liege hier vor, da das Betriebsratsmitglied andernfalls das alleinige Risiko trage, ob es berechtigterweise für die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung der Arbeit fernbleibe. Zur Abweisung des Antrages zu 2. als unbegründet trägt der Betriebsrat vor, das Betriebsratsmitglied sei aufgrund seiner finanziellen Lage nicht in der Position, das Kostenrisiko und das Risiko eines ausbleibenden Arbeitsentgelts zu tragen. Beim Besuch der Schulung drohten ihm erhebliche Nachteile, so dass in der Praxis häufig auf die Teilnahme an Schulungen verzichtet werde. Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren könne in den meisten Fällen aufgrund des Zeitverzugs nicht rechtzeitig erreicht werden. Der Antrag zu 2. sei demnach auch begründet. Der Arbeitgeber sei verpflichtet, den Betriebsrat von den Kosten der Schulungsveranstaltung freizustellen. Dies könne auch im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens gerichtlich beschlossen werden, da der Betriebsrat und seine Mitglieder nicht verpflichtet seien, die Teilnahme an der Schulung durch eigene Aufwendungen vorzufinanzieren. Die Abweisung des Antrages zu 3. hält der Betriebsrat ebenfalls für rechtsfehlerhaft und führt hierzu aus, die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die einstweilige Verfügung keinen "Mehrwert" gegenüber einer erstinstanzlichen, nicht rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache biete, ignoriere die fehlende Bindungswirkung solcher Urteile. Weder das Rechtskraftprinzip noch die Bindungswirkung gemäß § 322 ZPO würden sich entfalten, solange ein Verfahren im Instanzenzug sei. Eine bloße Potenzialität späterer Bindung reiche nicht aus, um notwendigen vorläufigen Rechtsschutz zu verweigern. Durch die im einstweiligen Verfügungsverfahren erfolgende Gewährung rechtlichen Gehörs sowie das Erfordernis der Glaubhaftmachung streitigen Sachvortrags würden die genannten Risiken eines nachfolgenden Hauptsacheverfahrens jedoch ganz entscheidend gemindert. Mit Beendigung der Schulung entfalle auch der Anspruch auf Freistellung. Dieser könne wegen des fehlenden erforderlichen Feststellungsinteresses nicht in einen Feststellungsantrag umgeändert werden, so dass auch vor diesem Hintergrund ein Rechtschutzbedürfnis gegeben sei. Der Betriebsrat wendet sich weiter gegen die Annahme des Arbeitsgerichts, der Antrag zu 3. sei auch unbegründet, da es an einem Verfügungsgrund fehle.
Der Betriebsrat beantragt:
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Arbeitsgerichtes B-Stadt vom 2. Oktober 2024 (Az.: ArbG B-Stadt 3 BVGa 2/24) abgeändert und darauf erkannt,
- 1.
festzustellen, dass die Teilnahme des Betriebsratsmitglieds Frau ... an der Schulung "Betriebsverfassungsrecht Fresh-up" vom 21. Oktober 2024 bis zum 25. Oktober 2024 in H., veranstaltet durch den Schulungsträger ... Institut zur Fortbildung von Betriebsräten KG erforderlich ist,
- 2.
der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, den Antragsteller von der Kostentragungspflicht für die beantragt zu 1. bezeichnete Schulung freizustellen,
- 3.
der Beteiligten zu 2. aufzugeben, das Betriebsratsmitglied Frau ... zur Teilnahme an der im Antrag Nr. 1 genannten Schulung von der Erbringung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen freizustellen.
hilfsweise zu den Anträgen zu 1. bis 3.:
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Arbeitsgerichtes B-Stadt vom 2. Oktober 2024 (Az.: ArbG B-Stadt 3 BVGa 2/24) abgeändert und darauf erkannt, dem Betriebsratsmitglied ... der Antragstellerin im Wege der einstweiligen Verfügung zu gestatten, vom 21. Oktober 2024 bis zum 25. Oktober 2024 der Arbeit fernzubleiben, um an der Schulung "Betriebsverfassungsrecht Fresh-up" vom 21. Oktober 2024 bis 25. Oktober 2024 in H. teilzunehmen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde des Betriebsrates zurückzuweisen.
Sie verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss und wiederholt im Wesentlichen ihre Rechtsausführungen erster Instanz.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der Anhörung vom 16.10.2024 verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1.
Die Beschwerde ist zulässig, sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.
2.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Sämtliche Anträge des Betriebsrates sind jedenfalls deshalb unzulässig, weil es jeweils an einem Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Verfügung fehlt. Auf die Frage, ob die Anträge (oder einzelne von ihnen) aus weiteren Gründen unzulässig sind, kommt es ebenso wenig an wie darauf, ob die Anträge (oder einzelne von ihnen), wären sie zulässig, wegen Fehlens eines Verfügungsanspruchs oder - grundes unbegründet sind.
a)
Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem geklärt, dass, falls Betriebsrat und Arbeitgeber über die Erforderlichkeit der Teilnahme eines Betriebsratsmitgliedes an einer Schulungsveranstaltung im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG streiten, die Teilnahme nicht von einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber oder von dessen Einverständnis in Form eines einseitigen Gestaltungsaktes abhängt. Beschließt der Betriebsrat durch ordnungsgemäß gefassten Beschluss die Teilnahme eines Betriebsratsmitgliedes an einer Schulungsveranstaltung im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG, ist das Betriebsratsmitglied nach § 37 Abs. 2, 6 BetrVG befugt, der Arbeit fernzubleiben, ohne dass es einer dahingehenden Freistellungserklärung des Arbeitgebers bedarf. Insbesondere bedarf das Betriebsratsmitglied nicht der Zustimmung des Arbeitgebers zur Teilnahme an der Schulungsveranstaltung (BAG 30.01.1973 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 3 - unter III. 3. der Gründe; vergl. auch: BAG 24.10.1995 - AP Bildungsurlaubsgesetz NRW § 1 Nr. 15; LAG Hamm 21.05.2008 - 10 TaBVGa 7/08, EzB BetrVG § 37 Nr. 22). Es müssen lediglich die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen der Erforderlichkeit der Teilnahme an der Schulungsveranstaltung vorliegen, ferner muss der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Teilnahme sowie die zeitliche Lage der Veranstaltung rechtzeitig bekannt gegeben haben (§ 37 Abs. 6 Satz 3 BetrVG). Auch wenn der Arbeitgeber einer Teilnahme des Betriebsratsmitgliedes an der Schulungsveranstaltung widerspricht, folgt hieraus kein Verbot für das Betriebsratsmitglied, an der Schulungsveranstaltung teilzunehmen (BAG 15.03.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 105). Der Arbeitgeber löst dadurch, dass er die Erforderlichkeit der Teilnahme an der Schulungsveranstaltung bestreitet, keine Teilnahmesperre aus. Ist die Teilnahme erforderlich, entfällt automatisch die Verpflichtung des Betriebsratsmitglieds zur Arbeitsleistung; ist sie es nicht, bleibt die Verpflichtung bestehen (vgl. zu allem Vorstehenden LAG Hamm 21.05.2008 - 10 TaBVGa 7/08 -, Rn. 83, juris).
Bedarf nach allem Ausgeführten das Betriebsratsmitglied keiner Freistellungserklärung des Arbeitgebers, um an einer Schulungsveranstaltung teilnehmen zu können, fehlt für darauf gerichtete Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung das Rechtsschutzbedürfnis (ebenso wie hier die überwiegende Ansicht in der obergerichtlichen Rechtsprechung: LAG Hamm 21.05.2008 a.a.O.; LAG Hamm 08.07.2005 - 13 TaBV 119/05, juris; LAG Hamm 10.05.2004 - 10 TaBV 41/04, juris; LAG Köln 20.11.2003 - 5 TaBV 69/03, ZBVR 2004, 101; LAG Düsseldorf 06.09.1995 - 12 TaBV 69/95, NZA-RR 1996, 12; a.A. die 16. Kammer des LAG Hessen in std., mehrfach wiederholter Rspr., vgl. nur 06.11.2023 - 16 TaBVGa 179/23, juris; a.A. auch die 9. Kammer des LAG Hessen im Beschluss vom 19.8.2004 - 9 TaBVGa 114/04, juris; a.A. auch noch das LAG Hamm in seinem länger zurückliegenden Beschluss vom 23.11.1972 - 8 BVTa 37/72, BB 1972, 1560).
Hinzu kommt, dass die gerichtliche Entscheidung im Verfügungsverfahren nicht der materiellen Rechtskraft fähig ist und daher nicht die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme rechtskräftig feststellen kann. Damit vermag sie auch nicht dem Betriebsrat bzw. dem entsandten Betriebsratsmitglied die begehrte "Rechtssicherheit" zu verschaffen. Erst durch das rechtskräftig abgeschlossene (Hauptsache-)Verfahren, das entweder vor der Schulungsteilnahme über die Feststellung ihrer Erforderlichkeit oder danach über die Erstattung der Schulungskosten und die Arbeitsentgeltzahlung geführt wird, wird die Erforderlichkeit i.S. von § 37 Abs. 6 BetrVG geklärt. Ein Obsiegen im Verfügungsverfahren nutzt dem Betriebsrat(smitglied) nichts, ein Unterliegen schadet ihm nicht (LAG Düsseldorf a.a.O.).
Für die mit dem Antrag zu 1. begehrte Feststellung, dass die Schulungsteilnahme des Betriebsratsmitglieds ... erforderlich ist, fehlt es - abgesehen davon, dass Feststellungsanträge nicht vollstreckbar sind - bereits deswegen am Rechtsschutzbedürfnis, weil die Erforderlichkeit der Schulung lediglich eine Vorfrage im Rahmen der durch das Betriebsratsgremium vorzunehmenden Prüfung darstellt, ob es die Teilnahme des Betriebsratsmitgliedes an der betreffenden Schulung wirksam beschließen kann. Mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist nach allem oben Ausgeführten auch der Antrag zu 3., der Arbeitgeberin aufzugeben, das Betriebsratsmitglied ... zur Schulungsteilnahme von der Erbringung ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen freizustellen. Gleiches gilt für den Hilfsantrag, dem Betriebsratsmitglied ... die Teilnahme an der Schulungsmaßnahme und das damit verbundene Fernbleiben von der Arbeit im Wege der einstweiligen Verfügung zu gestatten; einer solchen gerichtlicherseits ausgesprochenen Gestattung bedarf es aus den oben ausgeführten Gründen nicht.
b)
Mit dem Antrag zu 2. begehrt der Betriebsrat eine einstweilige Verfügung des Inhalts, der Arbeitgeberin aufzugeben, ihn von der Kostentragungspflicht für die im Antrag zu 1. bezeichnete Schulung freizustellen. Der Betriebsrat behauptet nicht, dass der Schulungsveranstalter von ihm oder dem zu schulenden Betriebsratsmitglied ... die Zahlung der Seminargebühren oder der Unterbringungskosten im Vorhinein verlangt habe. Die Teilnahme des Betriebsratsmitglieds ... an der Schulung hängt daher nicht von der begehrten Freistellungserklärung der Arbeitgeberin, die Kostentragungspflicht betreffend, ab. Eine solche Freistellung kann im Anschluss an die Schulungsteilnahme, wenn der Veranstalter Rechnung gestellt hat, in einem Hauptsacheverfahren verlangt werden. Da das Betriebsratsgremium nicht vermögensfähig ist, muss es auch nicht fürchten, vom Veranstalter finanziell in Anspruch genommen zu werden. Es fehlt daher auch bezüglich des Antrages zu 2. an einem rechtlich schützenswerten Bedürfnis des Betriebsrates, eine einstweilige Verfügung zu erwirken.