Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 29.01.2025, Az.: 2 OAus 86/24

Berechnung der Übergabefrist für die Auslieferung eines Strafverfolgten an die slowakischen Justizbehörden

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
29.01.2025
Aktenzeichen
2 OAus 86/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2025, 10601
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2025:0129.2OAUS86.24.00

Amtlicher Leitsatz

Für die Berechnung der Übergabefrist gemäß § 83c Abs. 4 Satz 2 IRG gilt § 42 StPO.

In dem Auslieferungsverfahren
gegen den slowakischen Staatsangehörigen
P. P.,
geboren am ...,
derzeit: JVA ...,
- Beistand: Rechtsanwalt B., P. -
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht XXX, den Richter am Oberlandesgericht XXX und den Richter am Oberlandesgericht XXX am 29. Januar 2025 beschlossen:

Tenor:

Der Senat ist derzeit zu einer Entscheidung nicht berufen.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 24. Januar 2025 hat der Senat die Auslieferung des Verfolgten an die slowakischen Justizbehörden zur Strafvollstreckung der im Europäischen Haftbefehls des Bezirksgerichts Humenné vom 14.10.2024 (Az. 1T/31/2022) bezeichneten Freiheitsstrafe für zulässig erklärt und die Fortdauer der Auslieferungshaft angeordnet. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Auslieferung des Verfolgten noch am selben Tage bewilligt. Die slowakischen Behörden haben über das Landeskriminalamt als Übernahmetermin den

3.Februar 2025 mitgeteilt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Akten dem Senat vorgelegt und beantragt, eine Feststellung gemäß § 83c Abs. 4 Satz 3 IRG zu treffen und als neues Übergabedatum den 03. Februar 2025 zu vereinbaren.

II.

1.

Nach § 83c Abs. 4 Satz 2 IRG, Art. 23 Abs. 3 S. 1 RB-EUHb hat die Übergabe des Verfolgten grundsätzlich spätestens zehn Tage nach der endgültigen Entscheidung über die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls zu erfolgen. Ist die Übergabe innerhalb dieser Frist aufgrund von Umständen, die sich dem Einfluss der Mitgliedstaaten entziehen, nicht möglich, setzen sich die vollstreckende und die ersuchende Justizbehörde unverzüglich miteinander in Verbindung und vereinbaren ein neues Übergabedatum (§ 83c Abs. 4 Satz 3 IRG, Art. 23 Abs. 3 Satz 1 RB-EUHb).

Die Prüfung, ob ein derartiger Fall höherer Gewalt vorliegt, sowie die Festlegung eines neuen Übergabetermins sind nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 28. April 2022 - C-804/21 PPU -, juris) Entscheidungen über die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls, die nach Art. 6 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584 der vollstreckenden Justizbehörde zukommen. Unter dem Begriff "vollstreckende Justizbehörde" im Sinne von Art. 6 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584 ist zudem nach der Rechtsprechung des EuGH entweder ein Richter oder ein Gericht oder eine Justizbehörde wie die Staatsanwaltschaft eines Mitgliedsstaates zu verstehen, die an der Rechtspflege in diesem Mitgliedsstaat mitwirkt und über die erforderliche Unabhängigkeit von der Exekutive verfügt (EuGH a.a.O. Rn. 61). Bei der Generalstaatsanwaltschaft handelt es sich aufgrund ihrer gesetzlich geregelten Weisungsgebundenheit nicht um eine vollstreckende Justizbehörde i.S. von Art. 6 Abs. 2 RB-EUHb (EuGH, Urteil vom 24. November 2020 - C-510/19 -, juris). Demnach erfordert die Entscheidung über das Vorliegen der Unmöglichkeit fristgerechter Übergabe im Sinne des Art. 23 Abs. 3 Satz 1 RB-EUHb ebenso wie die Vereinbarung eines neuen Termins eine Entscheidung des Gerichts, für die gemäß § 13 IRG der Senat zuständig ist.

2.

Im vorliegenden Fall bedarf es keiner Entscheidung des Senats, weil der vorgesehene Übergabetermin am 3. Februar 2025 noch innerhalb der Frist des § 83c Abs. 4 Satz 1 IRG i. V. m. Art. 23 Abs. 2 RB-EUHb liegt.

Gemäß § 77 Abs. 1 IRG i. V. m. § 42 StPO wird bei der Berechnung einer Tagesfrist der Tag nicht mitgerechnet, auf den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, nach dem der Anfang der Frist sich richten soll. Die Frist von zehn Tagen, die am 24. Januar 2025 ausgelöst wurde, endet demnach erst am 3. Februar 2025.

Eine von § 42 StPO abweichende Fristberechnung ist auch nicht durch die Besonderheiten des Auslieferungsrechts geboten. Zwar wird bei der Berechnung der 40-Tages-Frist des Art. 16 Abs. 4 EuAlÜbk abweichend von § 42 StPO der Tag der Festnahme mitgezählt (OLG Hamm, Beschluss vom 5. Mai 2020 - 2 Ausl. 54/20 -, juris). Dies entspricht indes dem besonderen Zweck der Vorschrift, wonach der Verfolgte im Rahmen eines solchen Verfahrens "nicht länger als 40 Tage seiner Freiheit beraubt werden darf" (BGH, Beschluss vom

3.Mai 1978 - 4 ARs 6/78 -, Rn. 8, juris). Die bereits vergleichsweise kurze Frist aus § 83c Abs. 4 IRG hingegen dient nicht nur der Begrenzung der Haftdauer, sondern darüber hinaus in besonderer Weise der Wirksamkeit des europäischen Rechtshilfesystems (vgl. EuGH, Urteil vom 28. April 2022 - C-804/21 PPU -, juris). Auch der Wortlaut von § 83c Abs. 4 IRG unterscheidet sich von anderen Fristen des IRG, die darauf abstellen, dass der Betroffene seit einem bestimmten Zeitraum "in Haft ist" (§ 16 Abs. 2, 26 Abs. 1, 47 Abs. 6 IRG).

Die vom Senat vorgenommene Fristberechnung steht im Einklang mit veröffentlichter anderer obergerichtlicher Rechtsprechung (OLG Braunschweig, Beschluss vom 16. September 2022 - 1 AR (Ausl) 18/22 -, Rn. 8, juris).