Amtsgericht Meppen
Urt. v. 26.01.2024, Az.: 3 C 251/23

Wirksamkeit von Prämienerhöhungen einer privaten Krankenversicherung

Bibliographie

Gericht
AG Meppen
Datum
26.01.2024
Aktenzeichen
3 C 251/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 31968
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Rechtsstreit
...
Klägerin
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwaltsgesellschaft ...
gegen
...
Beklagte
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...
hat das Amtsgericht Meppen auf die mündliche Verhandlung vom 08.01.2024 durch den Richter Dr. Schoenmaker für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Prämienerhöhungen der Beklagten im Rahmen einer privaten Krankenversicherung.

Die Klägerin ist seit dem 03.12.2008 bei der Beklagten privat krankenversichert.

In den vergangenen Jahren erfolgten folgende Beitragsanpassungen:

  • im Tarif 8130 zum 01.09.2016 in Höhe von 11,01 €

  • im Tarif 8130 zum 01.09.2017 in Höhe von 3,93 €

  • im Tarif 8430 zum 01.09.2017 in Höhe von 1,32 €

  • im Tarif 8430 zum 01.09.2017 in Höhe von -5,68 € und +8,17 €

  • im Tarif 8130 zum 01.09.2019 in Höhe von 8,17 €

  • im Tarif 451 zum 01.01.2020 in Höhe von 0,08 €

  • im Tarif 8130 zum 01.09.2020 in Höhe von 8,00 €

  • im Tarif 8430 zum 01.09.2020 in Höhe von 3,50 €

  • im Tarif 8330BW zum 01.09.2020 in Höhe von 6,85 €

  • im Tarif 8330BW zum 01.11.2021 in Höhe von -0,32 €

  • im Tarif 8330BW zum 01.01.2022 in Höhe von -0,32 €

  • im Tarif 8130 zum 01.01.2022 in Höhe von -0,32 €

  • im Tarif 8430 zum 01.01.2022 in Höhe von -0,01 €

  • im Tarif 8130 zum 01.11.2022 in Höhe von -0,34 €

  • im Tarif 8330BW zum 01.11.2022 in Höhe von -0,34 €.

Die Anpassungen wurden der Klägerseite jeweils unter Übersendung eines (Nachtrags-)Versicherungsscheins sowie eines Informationsschreibens zu Beitragsanpassungen mitgeteilt. Für den genauen Wortlaut wird auf die Dokumente im Anlagenband verwiesen (s. Anlagenkonvolut KGR 1 bzw. Anlagenkonvolut BLD 2). Die jeweils tätigen Treuhänder stimmten den Beitragsanpassungen zu. Den Anpassungen lagen die im Schriftsatz der Beklagten vom 24.07.2023 mitgeteilten auslösenden Faktoren zu Grunde. Auf den Schriftsatz vom 24.07.2023 (Bl. 39 ff. Bd. I d. A.) wird wegen der Einzelheiten verwiesen. Auslöser waren jeweils Veränderungen in den Versicherungsleistungen. Die Klägerin zahlte monatlich die Beiträge in der von der Beklagten jeweils festgesetzten Höhe.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beitragsanpassungen zum 01.01.2016 im Tarif 8130, zum 01.09.2017 im Tarif 8130, zum 01.09.2019 im Tarif 8130, zum 01.01.2020 im Tarif 451, zum 01.09.2020 im Tarif 8130, 8330BW und 8430, zum 01.11.2021 im Tarif 8130 und 8330BW, zum 01.01.2022 im Tarif 8430 sowie zum 01.11.2022 im Tarif 8130 und 8330BW seien materiell unwirksam, da das durchgeführte Prüfverfahren fehlerhaft gewesen sei. Dazu behauptet sie, der Treuhänderin hätten bei der Überprüfung der Prämienerhöhungen nicht alle Unterlagen vorgelegen, die erforderlich wären, um die ordnungsgemäße Verwendung der Limitierungsmittel überprüfen zu können. Die Limitierungsmittelverwendung sei nicht rechtmäßig gewesen, was Einfluss auf die Höhe der gegenüber der Klägerin verlangten Prämienerhöhung gehabt habe. Die Klagepartei bestreitet insbesondere, dass die Beklagte sich bei der Verteilung der Limitierungsmittel innerhalb der Grenzen des ihr zustehenden Ausübungsermessens bewegt hat, also sämtliche hierzu existierenden gesetzlichen Vorgaben beachtet hat. Die Klagepartei meint, dass der Beklagtenpartei konkreter Vortrag zur Rechtmäßigkeit des Limitierungskonzeptes möglich und zumutbar sei und sie daher konkret zu den Beitragsanpassungen darlegen müsse, dass und inwieweit die Limitierungsmittelverwendung den Anforderungen des § 155 Abs. 2 VAG entspricht und dies den Treuhänderunterlagen zu entnehmen gewesen sei. Die Klägerin meint, dass die Ansicht des Gerichts, welche dem des Bundesgerichtshof entspreche, dass die Klagepartei eine Substantiierungspflicht im Hinblick auf die übergebenen Treuhänderunterlagen zukomme, unzutreffend sei. Vielmehr bestehe keine Substantiierungspflicht der Klagepartei, sondern eine Darlegungs- und Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass im Prüfverfahren des Treuhänders im Rahmen der Nachkalkulation die erforderlichen Anpassungen korrekt errechnet wurden. Die Klagepartei bestreitet insofern nicht die Prämienkalkulation vor der Limitierungsmittelvergabe.

Die Klägerin hat ursprünglich angekündigt zu beantragen

  1. 1.

    festzustellen, dass folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen ihr und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer XXX unwirksam sind:

    1. a)

      die Erhöhung des Beitrags im Tarif 8130 zum 01.09.2016 in Höhe von 11,01 €

    2. b)

      die Erhöhung des Beitrags im Tarif 8130 zum 01.09.2017 in Höhe von 3,93 €

    3. c)

      die Erhöhung des Beitrags im Tarif 8430 zum 01.09.2017 in Höhe von 1,32 €

    4. d)

      die Erhöhung des Beitrags im Tarif 451 zum 01.01.2020 in Höhe von 0,08 €

    5. e)

      die Erhöhung des Beitrags im Tarif 8130 zum 01.09.2020 in Höhe von 8,00 €

    6. f)

      die Erhöhung des Beitrags im Tarif 8430 zum 01.09.2020 in Höhe von 3,50 €

    7. g)

      die Erhöhung des Beitrags im Tarif 8330BW zum 01.09.2020 in Höhe von 6,85 €

    8. h)

      die Senkung des Beitrags im Tarif 8330BW zum 01.01.2022 um -0,32 €

    9. i)

      die Senkung des Beitrags im Tarif 8130 zum 01.01.2022 um -0,32 €

    10. j)

      die Senkung des Beitrags im Tarif 8430 zum 01.01.2022 um -0,01 €

    und sie nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet, sowie der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen um insgesamt 34,04 € zu reduzieren ist.

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.298,48 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

  3. 3.

    festzustellen, dass die Beklagte der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat.

Mit Schriftsatz vom 03.08.2023 nahm die Klägerin ihre Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit teilweise im Hinblick auf die von ihr zunächst vorgetragene Anpassung im Tarif 8430 zum 01.09.2017 in Höhe von 1,32 € zurück. Zugleich erweiterte die Beklagte ihr Anträge auf Feststellung der Unwirksamkeit um die Anpassungen

  • im Tarif 8130 die Beitragsanpassung zum 01.09.2019 in Höhe von 8,17 €

  • im Tarif 8130 die Beitragsanpassung zum 01.11.2022 in Höhe von -0,34 €

  • im Tarif 8330BW die Beitragsanpassung zum 01.11.2022 in Höhe von -0,34 €.

Die Klägerin erweiterte mit gleichem Schriftsatz den Klageantrag zu Ziff. 2) um 295,96 €.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

  1. 1.

    festzustellen, dass folgende Beitragsanpassungen des Monatsbeitrags in der zwischen ihr und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer XXX unwirksam sind:

    1. a)

      im Tarif 8130 die Beitragsanpassung zum 01.09.2016 in Höhe von 11,01 €

    2. b)

      im Tarif 8130 die Beitragsanpassung zum 01.09.2017 in Höhe von 3,93 €

    3. c)

      im Tarif 8130 die Beitragsanpassung zum 01.09.2019 in Höhe von 8,17 €

    4. d)

      im Tarif 451 die Beitragsanpassung zum 01.01.2020 in Höhe von 0,08 €

    5. e)

      im Tarif 8130 die Beitragsanpassung zum 01.09.2020 in Höhe von 8,00 €

    6. f)

      im Tarif 8330BW die Beitragsanpassung zum 01.09.2020 in Höhe von 6,85 €

    7. g)

      im Tarif 8430 die Beitragsanpassung zum 01.09.2020 in Höhe von 3,50 €

    8. h)

      im Tarif 8130 die Beitragsanpassung zum 01.11.2021 in Höhe von -0,32 €

    9. i)

      im Tarif 8330BW die Beitragsanpassung zum 01.11.2021 in Höhe von -0,32 €

    10. j)

      im Tarif 8430 die Beitragsanpassung zum 01.01.2022 in Höhe von -0,01 €

    11. k)

      im Tarif 8130 die Beitragsanpassung zum 01.11.2022 in Höhe von -0,34 €

    12. l)

      im Tarif 8330BW die Beitragsanpassung zum 01.11.2022 in Höhe von -0,34 €

    und der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen um insgesamt 40,21 € zu reduzieren ist.

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.594,44 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

  3. 3.

    festzustellen, dass die Beklagte ihr zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den sie auf die unter 1) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, ihre Beitragsanpassungen seien formell und materiell wirksam. Sie erhebt die Einrede der Verjährung im Hinblick auf Beitragsanpassungen bis einschließlich 2019. Im Übrigen meint sie, dass sich die klagende Partei nicht auf ein substanzloses Bestreiten zurückziehen könne, da ihr ein substantiiertes Bestreiten möglich und zumutbar sei. Das Bestreiten der Klägerin sei unzureichend, da sie auf die überlassenen Unterlagen überhaupt nicht eingehe.

Die Klage ist am 26.06.2023 der Beklagten zugestellt worden. Das Gericht hat mit Verfügung vom 25.07.2023 und in der mündlichen Verhandlung vom 28.08.2023 darauf hingewiesen, dass die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin teilweise verjährt sind. Die Klageerweiterung ist der Beklagten am 09.08.2023 zugestellt worden. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 09.10.2023 sind die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter zur Verschwiegenheit verpflichtet worden. Die Unterlagen, welche dem Treuhänder für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Beitragserhöhungen vorgelegen hatten, hat die klagende Partei am 29.11.2023 erhalten. Sie hat Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Unterlagen bis zum 04.01.2024 erhalten. Eine Stellungnahme ist am 05.01.2024 eingegangen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle zur mündlichen Verhandlung vom 28.08.2023 (Bl. 181 Bd. I d.A.), 09.10.2023 (Bl. 230f. Bd. I d.A.) und 08.01.2024 (Bl. 36 Bd. II d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber in der Sache unbegründet.

I.

Das Amtsgericht Meppen ist örtlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 215 Abs. 1 S. 1 VVG. Die Klägerin als Versicherungsnehmerin hat ihren Wohnsitz in Haselünne und damit im Amtsgerichtsbezirk Meppen.

Im Hinblick auf den von der Klägerin erhobenen Feststellungsantrag zu 1) liegt das erforderliche Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs. 1 ZPO vor.

Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin in Ziffer 2) ebenfalls die Rückzahlung der Beiträge aus den jeweiligen Beitragserhöhungen begehrt. Allein mit einem auf diesen Leistungsantrag hin ergehenden Leistungsurteil wäre jedoch nicht rechtskräftig festgestellt, dass der Klägerin auch für die Zukunft nicht zur Zahlung des sich aus den Beitragsanpassungen ergebenden Erhöhungsbetrages verpflichtet ist (BGH, Urteil v. 16.12.2020, Az.: IV ZR 294/19, r+s 2021, 89). Die Feststellung der Unwirksamkeit geht damit über das Leistungsbegehren hinaus. Der Feststellungsantrag zu Ziffer 3) ist zulässig.

II.

In der Sache hat die Klage keinen Erfolg.

Die Erhöhungsmitteilungen waren rechtmäßig. Der Klägerin steht insoweit kein Anspruch auf Herausgabe des Wertes der gezahlten Prämien gem. §§ 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt., 818 BGB, auf Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen sowie Herausgabe der Nutzungen zu. Die Erhöhungen sind materiell nicht zu beanstanden.

1.

Etwaige Rückforderungsansprüche der Klägerin sind bis einschließlich des Jahres 2019 bereits verjährt, da die Beklagte gemäß § 214 Abs. 1 BGB die Einrede der Verjährung erhoben hat und die ab der Erhöhung zum 01.09.2016 gezahlten Prämien spätestens mit Ablauf des 31.12.2019, die ab der Erhöhung zum 01.09.2017 gezahlten Prämien mit Ablauf des 31.12.2020 sowie die ab der Erhöhung zum 01.09.2019 gezahlten Prämien mit Ablauf des 31.12.2022 nach § 199 BGB verjährt sind, währenddessen die zeitlich hiervor liegenden Erhöhungen nebst darauf gezahlter Prämienanteile schon früher verjährt sind.

Die Verjährung unterliegt der dreijährigen Regelverjährung und beginnt mit Kenntnis der Erhöhung gemäß den §§ 195, 199 BGB. Damit ist vorliegend der Beginn der Verjährung der jeweils 31.12. des Jahres der Erhöhung und das Ende derselben der jeweils 31.12. drei Kalenderjahre später, währenddessen die Klageschrift am 08.06.2023 eingegangen und am 26.06.2023 und damit bzgl. der Jahre 2016 bis 2019 in verjährter Zeit zugestellt worden ist.

Entgegen der Auffassung der Klägerseite erfasst die Klage nicht nur Ansprüche, welche im Zeitraum der Regelverjährung liegen. Notwendig aber auch ausreichend ist es für den Verjährungsbeginn vielmehr, wenn der Versicherungsnehmer von der tatsächlichen Erhöhung Kenntnis erlangt. Denn damit hat er die Möglichkeit und ggf. Anlass Rechtsrat einzuholen und etwaige rechtliche Schritte einzuleiten. Mehr will die Vorschrift des § 203 VVG schließlich auch nach Auslegung, Systematik und Motiven überhaupt nicht gewährleisten (vgl. LG Osnabrück, Urt. v. 23.07.2021 - 9 O 3709/20, BeckRS 2021, 41492, Rn. 42-45).

2.

Auch im Übrigen ist die Klage unbegründet.

Die formelle Rechtmäßigkeit hat die Klägerin nicht angegriffen. Jedoch sind auch materiell rechtswidrig erfolgte Prämienanpassungen nach §§ 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt, 818 BGB zurückzuzahlen, wenn die Anpassungen formell rechtmäßig sind.

Die Beitragsanpassungen der Beklagten sind in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Klägerseite moniert hinsichtlich der Beitragsanpassung nicht die versicherungsmathematische Grundkalkulation im Verfahren nach § 155 Abs. 1 VAG, sondern lediglich die Vollständigkeit der übergebenen Treuhänderunterlagen und die Kalkulation der Limitierungsmittelverwendung. Diese Einwände sind nicht beachtlich.

a) Soweit die Klägerin behauptet, die dem jeweiligen Treuhänder bei seiner Entscheidung zu Grunde liegenden Unterlagen wären unvollständig gewesen, so kann sie mit diesem Einwand nicht durchdringen; denn der gerichtlichen Überprüfung obliegt nicht die Ordnungsgemäßheit des Treuhänderverfahrens.

Ein solch formalistischer Einwand kann vorliegend keine Beachtung finden. Denn auf eine Vollständigkeit der dem Treuhänder zur Verfügung stehenden Unterlagen kommt es bei der Frage nach der Wirksamkeit von Beitragsanpassungen nicht an. Das Gesetz knüpft in § 155 Abs. 2 VAG nicht an das Vorliegen bestimmter Unterlagen an. Voraussetzung für eine wirksame Prämienerhöhung ist lediglich, ob eine tatsächliche Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht vorliegt (vgl. BGH, Urt. v. 17.11.2021 - IV ZR 113/20, NJW 2022, 389). Ob dem Treuhänder die relevanten Unterlagen vorgelegen haben, ist dabei kein maßgebliches Kriterium (so auch LG Mönchengladbach, Urt. v. 03.11.2022, 1 O 127/22, BeckRS 2022, 32936). Eine reine Überprüfung des Treuhändervorgangs würde die Gefahr in sich bergen, dass die Überprüfung der Richtigkeit der Anpassung im Übrigen unterbliebe und eine diesbezügliche nicht zu beanstandende Anpassung für unwirksam erklärt würde, obwohl auch ein anderer Treuhänder sodann unter Vorlage vollständiger Unterlagen die Zustimmung erteilen müsste (vgl. LG Köln, Urt. v. 18.05.2022 - 20 O 475/21, BeckRS 2022, 32937).

Auch der Hinweis der Klägerin auf das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15.07.2021 (Az. 7 U 237/18) ändert hieran nichts. Es erscheint schon nicht nachvollziehbar, warum sich aus der Feststellung des Oberlandesgerichts, der Treuhänder habe in einem bestimmten Fall keine ausreichenden Unterlagen erhalten, um die Limitierungsmaßnahmen ordnungsgemäß überprüfen zu können, Rückschlüsse auf den vorliegenden Fall ergeben sollen. Das Verfahren vor dem OLG Stuttgart ist mit dem hiesigen Verfahren nicht zu vergleichen; denn beide Verfahren betreffen sowohl unterschiedliche Tarife als auch unterschiedliche Versicherer. Zudem lag der Feststellung des Gerichts ein versicherungsmathematisches Sachverständigengutachten zur Überprüfung der Beitragserhöhungen zu Grunde. Ein solches begehrt die Klägerin im hiesigen Verfahren aber schon nicht.

b) Soweit die Klägerin die Rechtmäßigkeit der Limitierungsmittelvergabe und damit die materielle Rechtmäßigkeit der Prämienerhöhungen bestreitet, so war dieses Bestreiten im Ergebnis prozessual unbeachtlich. Die Klägerin hat es versäumt, substantiiert zur behaupteten materiellen Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen vorzutragen.

Zwar liegt regelmäßig die Darlegungs- und Beweislast für die materielle Rechtmäßigkeit der Prämienerhöhungen bei der Beklagten; dies ist jedoch dann anders zu beurteilen, wenn das beklagte Versicherungsunternehmen die Unterlagen der Treuhänderprüfung im Verfahren vorgelegt und damit der klagenden Partei die Möglichkeit der näheren Darstellung eröffnet hat (vgl. LG Stralsund, Urt. v. 25.08.2023 - 6 O 84/22, BeckRS 2023, 21931).

Die erklärungsbelastete Partei hat auf die Behauptungen des Prozessgegners grundsätzlich substantiiert, d.h. mit näheren positiven Angaben zu erwidern; sie muss erläutern, von welchem Sachverhalt sie ausgeht. Der Umfang der erforderlichen Substantiierung richtet sich dabei nach dem Vortrag der darlegungsbelasteten Partei; je detaillierter der Vortrag der behauptenden darlegungsbelasteten Partei ist, desto höher ist die Erklärungslast gemäß § 138 Abs. 2 ZPO. Entspricht die Partei nicht dieser Erklärungslast, wäre ihr Vorbringen unbeachtlich, und es tritt die in § 138 Abs. 3 ZPO geregelte Wirkung ein, nämlich, dass der Vortrag als unstreitig gilt. Substantiiertes Bestreiten heißt, eine Gegendarstellung zu geben, soweit die Partei dazu in der Lage ist. Dies ist in der Regel der Fall, wenn sich die behaupteten Umstände in ihrem Wahrnehmungsbereich verwirklicht haben. Um die notwendigen Informationen hat sie sich ggf. zu bemühen. Erst wenn die Partei keine Möglichkeit mehr hat, sich anhand von Unterlagen oder durch Befragung eines Dritten (etwa eines Mitarbeiters) zu informieren, kann sie sich auf einfaches Bestreiten beschränken oder sich mit Nichtwissen erklären (Fritsche, in: MüKo-ZPO, 6. Aufl. 2020, ZPO, § 138, Rn. 22 f.).

Im Prozess über Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung ist es dem Versicherungsnehmer regelmäßig möglich und zumutbar, seinen Einwand gegen die materielle Rechtsmäßigkeit der Limitierungsmittelverwendung näher zu konkretisieren, nachdem der Versicherer die dem Treuhänder übergebenen Unterlagen für Gericht und Gegner zugänglich gemacht sowie das Limitierungskonzept schriftsätzlich erläutert hat (vgl. LG Oldenburg, Urt. v. 03.03.2023 - 13 O 731/22, BeckRS 2023, 4659, Rn. 39). Es ist daher keine Beweisaufnahme erforderlich, wenn der Versicherungsnehmer in dieser prozessualen Situation lediglich erklärt, er werde die übergebenen Unterlagen nicht sichten und hierzu auch nicht weiter vortragen (OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss v. 18.09.2023 - 8 U 810/23, BeckRS 2023, 24824).

Ein Rechtssatz, wonach im Rahmen eines privaten Krankenversicherungsverhältnisses für einen Versicherungsnehmer ein Anspruch gegen den Versicherer dahingehend bestehen soll, dass dieser für alle jemals erfolgten Beitragsanpassungen für jeden Vertragstarif (beendet oder unbeendet) - ohne Benennung eines irgendwie gearteten Anhaltspunktes - einen Anspruch dahingehend habe, vollständig über alle strategischen und versicherungsmathematischen Überlegungen des Versicherers nicht nur offenbarungspflichtig informiert zu werden, sondern in einem zweiten Schritt diese Angaben - ebenfalls ohne das Aufzeigen irgendwelcher Anhaltspunkte - durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens überprüfen zu lassen, lässt sich jedoch weder dem Gesetz noch der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung hierzu entnehmen (vgl. OLG Brandenburg, Urt. v. 08.11.2023 - 11 U 263/21, BeckRS 2023, 33878, Rn. 30).

Vorliegend hat die Beklagte ihrer Darlegungslast insoweit genügt, als dass sie die materielle Wirksamkeit behauptet und unter Vorlage sämtlicher Unterlagen - welche dem Treuhänder vorlagen - näher substantiiert hat. Es lag nunmehr an der Klägerin, substantiiert Fehler aufzuzeigen. Dies gilt auch deswegen, weil die Klägerin stets der Ansicht war, dass das Gericht auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens die materielle Wirksamkeit überprüfen könne. Wenn dies für das Gericht gilt, dann genauso für die Klägerin. Auch wenn ein pauschales - sogar textbausteinartiges - Bestreiten der materiellen Wirksamkeit der Beitragserhöhungen im Grundsatz ausreicht (vgl. auch Egger, in: r+s 2021, 430 [438]), weil die Klägerin keine Möglichkeit hat, die unter Geschäftsgeheimnisse fallenden Unterlagen der Beklagten zwecks Plausibilitätsprüfung einzusehen, so gilt dies dann nicht, wenn sie die Möglichkeit erhält, die Unterlagen zu überprüfen. In diesem Fall kann die Klägerin - ggfls. mit sachverständiger Hilfe - die Datengrundlagen überprüfen und substantiiert dem Vortrag der Beklagten, die Beitragserhöhungen seien materiell wirksam, entgegentreten. Insoweit kann auch von der Klägerin abverlangt werden, dass sie sich zu den Unterlagen konkret äußert und sich dafür ggfls. eines Sachverständigen bedient. So hat der BGH bereits im Jahr 2015 ausgeführt, dass die Klägerin die Möglichkeit hat, die Plausibilität der statistischen Nachweise durch einen eigenen Sachverständigen überprüfen zu lassen und dass, wenn sie sich dieser Möglichkeit nicht bedient, das Bestreiten der Daten in dieser Hinsicht ins Blaue hinein erfolgt und damit prozessual unbeachtlich ist (BGH, Urt. v. 09.12.2015 - IV ZR 272/15, NJW-RR 2016, 606). Auch wenn im vom BGH entschiedenen Fall bereits ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu der Frage der materiellen Wirksamkeit der Beitragserhöhungen vorlag, so kann nach den Ausführungen des BGH dennoch geschlussfolgert werden, dass die Klägerin bei Gelegenheit zur Einsichtnahme in die Unterlagen näher substantiiert vorzutragen hat. Dass sich der BGH nur auf den Fall bezog, dass bereits eine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens durchgeführt worden ist, kann den Ausführungen nicht entnommen werden.

Vor diesem Hintergrund hätte die Klägerin nach Übergabe der Geschäftsunterlagen der Beklagten näher zu den vermeintlichen materiellen Fehlern der Beitragserhöhungen vorzutragen gehabt (ebenso u.a. LG Oldenburg, Urt. v. 03.03.2023 - 13 O 731/22, BeckRS 2023, 4659, Rn. 39). Dies ist nicht geschehen. Die Klägerin hat die Unterlagen der Beklagten nach dem Termin vom 09.10.2023 am 29.11.2023 erhalten. Ihr ist eine vierwöchige Frist zur Stellungnahme auf die Unterlagen gewährt worden, welche auf ihren Antrag hin noch bis zum 04.01.2024 verlängert worden ist. Eine Stellungnahme ist binnen dieser Frist nicht eingegangen. Die erst am 05.01.2024 eingegangene Stellungnahme der Klägerin setzt sich mit den übergebenen Unterlagen in keinster Weise auseinander, sondern enthält nur allgemeine Ausführungen zur Rechtsansicht der Klägerin im Hinblick auf eine Substantiierungspflicht. Eines weiteren gerichtlichen Hinweises betreffend diese nach Ansicht des Gerichts unzutreffende Rechtsansicht hat es nicht bedurft, da die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 05.01.2024 selbst zugesteht, dass ihr bekannt ist, dass das Gericht dem BGH folgend von einer Substantiierungspflicht der Klägerin ausgeht.

III.

Die Entscheidungen über die Kosten folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Soweit die Klägerin ihre Klage ohne Verursachung eines Kostensprungs zurückgenommen hat, hat sie die Kosten zu tragen. Im Übrigen hat sie als unterlegene Partei die Kosten zu tragen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 1, 2 ZPO.

Dr. Schoenmaker Richter