Landgericht Oldenburg
Urt. v. 07.02.2025, Az.: 5 Ks 1204 Js 41635/23 (19/24)
Verurteilung wegen Mordes durch bewusste Herbeiführung einer Sauerstoffvergiftung
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 07.02.2025
- Aktenzeichen
- 5 Ks 1204 Js 41635/23 (19/24)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2025, 13585
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 211 StGB
In der Strafsache
gegen
XXXXXX XXXXXXXX,
XXXXXXX XX XXXXXXXXXX XX XXXXXXXXXXX,
XXXXXXXX XXXXXXX XXXXX XX, XXXXX XXXXXXXXXXXXX,
XXXXXXXXXXX, XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXX,
Verteidigerin:
Rechtsanwältin XXXXX XXXXXX, XXXXXXXXXXXXX XX, XXXXX XXXXXXXXXXXXX
wegen Mordes
hat das Landgericht Oldenburg - Schwurgericht - in der öffentlichen Sitzung vom 07.02.2025, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Landgericht XXXXXXXX als Vorsitzender
Richterin am Landgericht XXXXX
Richterin am Landgericht XXXXXX
als beisitzende Richterinnen
Frau XXXXX XXXXX XXXXXX
Frau XXXXXXX XXXXXXXXX
als Schöffinnen
Oberstaatsanwalt XXXXXX
als Beamter der Staatsanwaltschaft
Rechtsanwältin XXXXX XXXXXX
als Verteidigerin
Justizangestellte XXXXXXX
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Angeklagte wird wegen Mordes zu einer
Freiheitsstrafe von 3 Jahren
verurteilt.
Die Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)
A.
XXX XXXXXXXXXX XXX XXXXXXXXXXX XXX XXXXXX XXXXXX XXXXXXXXXXX XXXXXX XXXXX XXX XXXXXXXXXXXX XXXXXX XXXXXXXX, XXXXX XXXXXXXX XXXXXX. XXX XXXXX XXXX, XXX XXX XXXX XXXXXXXXXXXX, XXX XXX XXXX XXXX XXXXXXXXXXX. XXX XXXX XXXXXXXXXXX XXXXXX XXXXX XXXX,XXXX XXX XXXX XXX XXXX.
XXX XXXXXXXXXX XXX XXX XXXXXXX XXX XXXXXXXXX XXXX XXXXXXX XXXXX XXXXXXXXXXXXX XXXXXX XXXXXXXXXXXX. XXX XXX XXX XXXXXX XXXX XXX XXXXXXX XXXXXX XXX XXX XXXXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXX. XXXX XXX XXXXXX XXX XXXXXXXXXXX XXXXXXX XXXXXXXXXXXXX XXXXXX XXX XXXX XXXXXXXXXX XXX XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX, XXX XXX XXXX XXXX XXXXXX XXXXXXXXX. XXX XXX XXXX XXXXX XX XXXXX XXXXXXXXX XXXXX XXXXX. XXXXXXXXXXXX XXXXXXXXX XXX XXXX XXXXX XXXX XXX XXXXXXXXXXXXXXXX. XX XXXXXXXXX XXX XXX XXX XXX XXXXXXXXX XXXXX XXXXXX XXXXXXXXXXXXXX. XX XXX XXXXXX XXXX XXX XXXX XXXXXXXXX XXX XXX XXXXXXXXXXXXXXXXX XXX XXX XXX XXXXXXXXXXXXX, XXXXX XXXXXX XXX XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX. XXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXX XXX XX XXXXXXXXXXXXXXXXXX, XX XXXXXX XXXX XXX XXX XX XXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXX XXXXX.
XXX XXXXXXXXXX XXXXXX XXXXXXXXXXXXXXX XXXXX XXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXX XXX XXXXXXX XXXXXXXXX XXXXXX XXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXX XXXX XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX XXXXX XXX. XXX XXXXXXXXXX XXX XXXXX XXXXXXXX XXX XXX XXXXXX XXXXX XXXXXXXXXXXXXX XX XXXXXXXXXXX XXXXXXXX.
B.
I. Vortatgeschehen
Das dritte Kind der Angeklagten, XXXXXX XXXXXXXX, wurde am 03.02.2000 mit dem sog. Rubinstein-Taybi-Syndrom, einer genetisch bedingten Erkrankung mit körperlichen und vor allem geistigen Beeinträchtigungen geboren. Die Diagnose, von der nur wenige Kinder weltweit betroffen sind und deren Symptome jenen des Down-Syndroms ähneln, prägte fortan das Leben der Familie.
Obwohl XXXXXX im Alltag umfassender Unterstützung bedurfte und geistig schwer beeinträchtigt war, verlief seine Entwicklung zunächst positiv. Gefördert durch Schule und Elternhaus lernte er mit einem Sprachcomputer (sog. Talker) umzugehen und auf diese Weise seine Wünsche zu äußern. Zwischenzeitlich konnte er über 100 Symbole auf dem Talker bedienen. Er konnte bis 10 zählen und Farben unterscheiden.
Ab dem neunten Lebensjahr veränderte sich sein Verhalten, XXXXXX reagierte zunehmend angespannt, impulsiv und aggressiv. Versuche, seine Aggressionen durch Medikamente zu regulieren, blieben erfolglos. Der Angeklagte konnte weiterhin weder sprechen, noch sinnhaft interagieren, soziale Beziehungen baute er auch zu seinen Eltern nicht auf. Allerdings konnte er sehr wohl äußern, wenn er etwas mochte oder nicht mochte. So zeigte er mit dem Finger oder führte mit der Hand, wenn er etwas wünschte; bei Missmut oder Verärgerung schlug er um sich und schrie, war hoch angespannt und kaum zu bändigen. Mit 11 Jahren wurde eine Autismusstörung diagnostiziert. Mit 18 Jahren trat zusätzlich eine Epilepsie hinzu.
Als seine älteren Geschwister auszogen, zog auch XXXXXX mit 16 Jahren dauerhaft in ein Heim. Er lebte nun in einer Wohngruppe für schwer beeinträchtigte Kinder und Jugendliche. Träger war die XXX XXXXXXXXXXXXX, für die auch seine Mutter in einer anderen Gruppe als Hauswirtschafterin tätig war. Die Fördermöglichkeiten waren aufgrund der schweren Beeinträchtigungen XXXXXX' beschränkt. Nach Beendigung seiner Schulzeit, er war mittlerweile volljährig, stand ein Heimwechsel an. XXXXXX zog daher 2019 nach XXXXXXXXX ins XXXXXXXXXXXXX, wo er sich nach anfänglichen Schwierigkeiten gut einlebte.
Im Dezember 2021 entschied die Heimleitung, dass XXXXXX zukünftig aufgrund seines Pflegegrads 5 in einer neu eröffneten Abteilung für Menschen mit erhöhtem Betreuungs- und Pflegeaufwand betreut werden müsse. Der neue Tagesablauf, neue Mitbewohner und unbekanntes Personal überforderten ihn als Autisten maßlos. Seine ohnehin vorhandene Impulsivität und Aggressivität steigerten sich noch weiter. Zudem fehlte die gewohnte Abwechslung, die er zuvor durch Werkstattbesuche und anderweitige Aktivitäten wie begleitete Gruppenspaziergänge gehabt hatte.
Im Oktober 2022 kam es dazu, dass er einer Mitarbeiterin drei Zähne ausschlug und in der Folge zeitweilig in der Psychiatrie untergebracht wurde. Die Heimeinrichtung kündigte deswegen den Heimplatz; wobei XXXXXX mangels alternativer Unterbringungsmöglichkeit unverändert im XXXXXXXXXXXXX wohnen blieb. Seine Familie, das Heim und die Stadt als Kostenträger suchten vergeblich nach einem neuen Heimplatz, der sich aber als Folge der Coronapandemie und des allgegenwärtigen Personalmangels nicht finden ließ. Versuche der Eltern, mit dem Heim ins Gespräch zu kommen, scheiterten.
Die Angeklagte machte sich große Sorgen um ihren hochgradig chronisch gehandicapten jüngsten Sohn, dem der Wohnheimplatz gekündigt worden war und für den keine alternative Wohnmöglichkeit in Aussicht stand. Bereits in den Wochen vor der Tat fühlte sie sich zunehmend seelisch stark belastet. Ihre Stimmungslage war depressiv mit empfundener Rat- und Ausweglosigkeit. Dabei war sie einerseits von der Sorge getrieben, XXXXXX könne in seiner unkontrollierten Impulsivität einem anderen Menschen erneut ernsthafte Gewalt antun, schlimmstenfalls den Tod eines Menschen verursachen; andererseits hatte sie Sorge, dass der in dem Wohnheim nicht mehr erwünschte XXXXXX seinerseits Gewalt erfahren könnte. Beides waren Szenarien, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit in einer Behinderteneinrichtung nach eigenem Bekunden selbst miterlebt hatte.
An Pfingsten (28.05.2023) wurde XXXXXX nach einem erneuten aggressiven Ausraster wieder in die Psychiatrie eingewiesen, jedoch nach wenigen Tagen zurück ins Heim entlassen, da auch aus psychiatrischer Sicht keine neuen Behandlungsoptionen gesehen wurden. Am 06.06.2023 kam es im XXXXXXXXXXXXX zu einem "Runden Tisch", bei dem XXXXXX' Perspektiven erörtert wurden. Die Heimleitung machte unmissverständlich klar, dass sie an der Kündigung festhalte und sich zu einer Betreuung XXXXXX' nicht in der Lage sehe. Die dort entwickelte Idee, jemand werde mit XXXXXX täglich spazieren gehen, erschien der Angeklagten als letzter Hoffnungsschimmer. Nachdem sie zwei Tage später die Absage der Heimeinrichtung erhielt, weil eine solche Eins-zu-Eins-Betreuung nicht leistbar sei, fühlte sie für sich und XXXXXX das "Ende der Fahnenstange" erreicht. Sie befand sich in großer emotionaler Not und stand unter dem Eindruck, dass man ihrem Sohn selbst in der Psychiatrie nicht helfen könne.
II. Tatgeschehen
Etwa seit dem 08.06.2023 beschäftigte sich die Angeklagte ernsthaft mit der Idee, dem Leben von XXXXXX ein Ende zu setzen. Noch war sie ambivalent, ob dies der richtige Weg wäre. Jedenfalls war sie sicher, dass XXXXXX keine Schmerzen haben solle, so dass ihr eine Vergiftung mit Kohlenmonoxid in den Sinn kam. Als ihr Ehemann am Montag,12.06.2023, zu einer Dienstreise aufbrach, beschloss sie, seine Abwesenheit zu nutzen, um ihren Plan durchzuführen. Ihrem anderen Sohn und ihrer Tochter, mit denen sie im Laufe der Woche abends zum Essen verabredet war, verschwieg sie ihre Gedanken und ihre seelische Not. Auch ihren Ehemann weihte sie nicht in ihre Gedanken ein, da ihr bewusst war, dass er alles daran gesetzt hätte, die Tat zu verhindern.
Am Vortag der Tat, dem Donnerstag, 15.06.2023, kaufte sie in einem Baumarkt einen Grill und einen Sack Holzkohle. Beides beließ sie zunächst im Kofferraum ihres Autos, weiterhin unsicher, ob sie die Tat durchführen werde. Am Abend verfasste sie einen Abschiedsbrief an ihre Familie. Diesen sowie einen Warnhinweis und die Passwörter diverser elektronischer Geräte legte sie im Wohnzimmer bereit.
Am Morgen des 16.06.2023 entzündete sie im Garten den mit Holzkohle gefüllten zylindrischen Anzündkamin. Dann fuhr sie in das ca. 60 km entfernte XXXXXXXXX und holte XXXXXX im XXXXXXXXXXXXX ab. Dem Personal erzählte sie wahrheitswidrig, es habe sich die Option eines Probewohnens ergeben und sie wolle XXXXXX zur Besichtigung des neuen Wohnheims abholen. Sie legte Wert darauf, seine Medikamente mitzunehmen, um auszuschließen, dass jemand ihr hinterhertelefoniere.
Nach ihrer Rückkehr an der Wohnanschrift XXXXXXXXXXXXX XX in XXXXXXXXXXXXX gab sie XXXXXX drei Schmelztabletten des Beruhigungsmittels Tavor, um sicherzugehen, dass er sich ruhig verhalten werde. Dann ging sie mit XXXXXX in den im Garten abgestellten Wohnwagen, den XXXXXX kannte und mochte. Den Anzündkamin mit der mittlerweile durchgeglühten Holzkohle stellte sie in einem Topf in das Waschbecken des Wohnwagens. Sämtliche Lüftungsschlitze des Wohnwagens dichtete sie spätestens jetzt mit Klebeband und Tüchern ab, in der Absicht, XXXXXX durch eine Kohlenmonoxidvergiftung zu töten. Dabei war für sie klar, dass sie XXXXXX nicht alleinlassen, sondern bei ihm bleiben und ebenfalls sterben werde.
Sie gab XXXXXX ein von ihm geliebtes Trinkpäckchen Kakao mit Strohhalm, fütterte ihn mit Schokoladenkuchen und gab ihm ein Spielzeugauto, von dem sie wusste, dass er es mochte. XXXXXX war zufrieden, zeigte aber zunächst keinerlei Zeichen einer Eintrübung oder Benommenheit. Letztlich wurde er aber doch ruhiger und schlief schließlich ein; auch die Angeklagte wurde schläfrig und schlief kurze Zeit später ebenfalls ein.
XXXXXX verstarb an der Aspiration von Mageninhalt als Folge einer Intoxikation. Die Rauchgaskonzentration in seinem Blut war für sich genommen nicht tödlich; allerdings waren durch die Kohlenmonoxidvergiftung verbunden mit den beruhigend wirkenden Tavor-Tabletten die natürlichen Schutzreflexe von XXXXXX aufgehoben, so dass er ohne das Bewusstsein zu erlangen, erbrach und an seinem Erbrochenen erstickte.
Die Angeklagte wachte nach einer unbekannten Zeitspanne auf und stellte fest, dass XXXXXX wie von ihr beabsichtigt verstorben war. Sie selbst fühlte sich benommen und steif und war zunächst zu keiner Bewegung in der Lage. Letztlich gelang es ihr, den Wohnwagen zu verlassen und sich auf den Rasen davor zu legen, wo sie - es war später Nachmittag - noch eine unbekannte Zeit lag, bevor sie in das Haus ging und gegen 18:20 Uhr die Polizei alarmierte.
Die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten war zur Tatzeit aufgrund einer Anpassungsstörung (ICD-10: F43.2) nicht ausschließbar erheblich beeinträchtigt.
B.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den Angaben der Angeklagten im Rahmen der Hauptverhandlung und gegenüber der psychiatrischen Sachverständigen.
Die Feststellungen zur Tat hat die Kammer auf der Grundlage der geständigen Einlassung der Angeklagten getroffen. Ihre Einlassung wird gestützt durch das polizeiliche Ermittlungsergebnis zu den Umständen von XXXXXX' Tod; hierzu hat die Kammer die Polizeibeamten des ersten Angriffs, die Zeugen XXXXXX und XXXXX, sowie den ermittlungsführenden Polizeibeamten XXXXXXXX vernommen. Zum Gesundheitszustand und zum Wesen des Verstorbenen hat die Kammer dessen Vater XXX XXXXXXXX, den früheren Bezugspfleger XXXXXX sowie den ihn als Beratungsarzt im Rahmen der Heimunterbringung betreuenden Psychiater Dr. XXXXX als Zeugen vernommen. Die Feststellungen zur Todesursache XXXXXX' beruhen auf dem rechts-medizinischen Gutachten des Sachverständigen Dr. XXXXXXXXX.
Die Kammer hat keine Zweifel an der Angabe der Angeklagten, dass sie beabsichtigte, auch sich selbst das Leben zu nehmen. Im Rahmen des Notarzteinsatzes wurde bei ihr eine niedrige Sauerstoffsättigung von nur 70 % festgestellt, so dass Anlass zu einer sofortigen Versorgung mit Sauerstoff bestand. Der geringe Kohlenmonoxidgehalt in der erst gegen 1 Uhr nachts entnommenen Blutprobe ist daher aufgrund der zwischenzeitlichen Sauerstoffgabe ohne Aussagekraft. Der Zeuge PK XXXXXX hat zudem ausgesagt, die Angeklagte habe bei seinem Eintreffen Erbrochenes im Gesicht und an der Schulter aufgewiesen. An der Einlassung der Angeklagten, sie sei gemeinsam mit ihrem Sohn in dem Wohnwagen eingeschlafen, bestehen insofern keine Zweifel.
C.
Die Angeklagte hat sich durch die Tat eines Mordes gemäß § 211 StGB schuldig gemacht. Die Angeklagte hat vorsätzlich den Tod XXXXXX' herbeigeführt. Sie handelte dabei mit Absicht, der stärksten Vorsatzform.
Die Angeklagte handelte auch heimtückisch. Sie hat im Rahmen ihrer Einlassung auf Nachfrage explizit eingeräumt, dass sie das Setting bewusst so gewählt habe, dass XXXXXX nicht unruhig werde, da sie anderenfalls die Tat nicht hätte durchführen können. Auch das Beruhigungsmedikament Tavor habe sie ihm deshalb gegeben. Sie habe den Wohnwagen als Tatort gewählt, da XXXXXX sich dort gerne aufgehalten habe. Auch Schokoladenkuchen und Spielzeug hätten dazu gedient, ihn abzulenken und zu beruhigen.
Die psychische Beeinträchtigung XXXXXX' steht der Annahme von Heimtücke nicht entgegen. Ob Arglosigkeit überhaupt die Fähigkeit, Argwohn zu entwickeln, voraussetzt, kann offenbleiben. Für die Kammer steht fest, dass XXXXXX zu Argwohn fähig war. Die Angeklagte selbst, ebenso wie ihr Ehemann und der sachverständige Zeuge Dr. XXXXX, behandelnder Psychiater von XXXXXX, haben übereinstimmend ausgesagt, dass XXXXXX in der Lage war zu äußern, wenn er etwas mochte oder nicht mochte. Missmut oder Verärgerung habe er deutlich geäußert, er sei dann hoch angespannt und nicht zu bändigen gewesen, habe um sich geschlagen und geschrien. Der Angeklagte war in seinen intellektuellen Fähigkeiten insofern vergleichbar mit einem Kleinkind, das nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits ab einem Alter von etwa drei Jahren zu Argwohn fähig ist. Die Kammer ist überzeugt, dass er in der Lage gewesen wäre, einen offen auf sein Leben zielenden Angriff zu erkennen und seine Gegenwehr, die Durchführung verhindert, zumindest aber erschwert hätte. Dies hat die Angeklagte durch das von ihr bewusst geschaffene Setting verhindert.
Die Angeklagte nutzte insofern nicht nur die Arg- und Wehrlosigkeit XXXXXX' aus, sondern handelte auch in feindseliger Willensrichtung. Die einschränkende Rechtsprechung, die namentlich bei sogenannten erweiterten Suiziden zur Anwendung kam und Heimtücke dann verneinte, wenn der Täter meinte, mit der Tötung zum Besten des Opfers zu handeln, hat der Bundesgerichtshof aufgegeben. Bei der Tötung eigener Kinder oder Ehegatten durch einen zu deren Schutz berufenen Garanten gelten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nunmehr die gleichen Grundsätze wie im Zusammenhang mit der Tötung Schwerkranker: An der feindseligen Willensrichtung fehlt es nur dann, wenn die Tötung dem ausdrücklichen Willen des Getöteten entspricht oder wenn sie mit dem mutmaßlichen Willen des zu einer autonomen Entscheidung nicht mehr fähigen Opfers geschieht (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 2019 - 5 StR 128/19 -, BGHSt 64, 111-121, Rn. 28; BGH, Beschluss vom 9. Januar 2020 - 5 StR 628/19 -, Rn. 7, juris). Bestehen - wie vorliegend - keine Hinweise für einen Sterbewunsch des Opfers, äußert sich gerade in der vordergründigen Mitleidsmotivation die feindselige Einstellung gegenüber dem Lebensrecht des Opfers. Dies zeigt nicht zuletzt der Umstand, dass die Angeklagte ihre Pläne nahen Angehörigen und dem Heimpersonal verschwieg in dem Wissen, dass sie diese verhindert hätten.
D.
Die Angeklagte handelte nicht ausschließbar im Zustand erheblich beeinträchtigter Steuerungsfähigkeit. Nach den Ausführungen der psychiatrischen Sachverständigen XXXXXXXXXXX lag bei der Angeklagten zum Zeitpunkt der Tat eine Anpassungsstörung (ICD-10: F43.2) vor. Beruhend auf der durch ein hohes Kontrollbedürfnis und Einzelkämpfertum geprägten Persönlichkeit der Angeklagten sei es durch die Ungewissheit über XXXXXX' Zukunft zu einem extremen Überforderungserleben mit anschließender Dekompensation gekommen. Die Anpassungsstörung sei eine ernstzunehmende psychische Erkrankung, die das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB erfülle. Als Reaktion auf belastende Ereignisse oder Lebensumstände seien die normalen Bewältigungsmechanismen erheblich beeinträchtigt oder gar aufgehoben. Das soziale Funktions- und Leistungsniveau sei tiefgreifend gestört mit der Folge ernstzunehmender emotionaler Symptome (depressive Verstimmung, Ängste, erhöhtes Stresslevel) und dramatischen Verhaltens wie Selbstschädigungen und/oder Gewaltausbrüchen.
Die Kammer schließt sich diesen nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen an. Die Persönlichkeit der Angeklagten und ihre verzerrte Wahrnehmung, sie allein sei für die Zukunft XXXXXX' verantwortlich und wisse, was richtig oder falsch ist, ist im Rahmen der Einlassung deutlich zum Ausdruck gekommen. Zu Gunsten der Angeklagten war daher davon auszugehen, dass sie zur Tatzeit in ihrer Steuerungsfähigkeit in schuldrelevanter Weise beeinträchtigt war.
E.
Die Kammer hat wegen der nicht ausschließbar erheblich verminderten Schuldfähigkeit der Angeklagten den Strafrahmen des § 211 StGB gemäß §§ 21, 49 StGB gemildert, so dass anstelle lebenslanger Freiheitsstrafe eine solche von 3 Jahren bis zu 15 Jahren zu verhängen war.
Zu Gunsten der Angeklagten berücksichtigt die Kammer, dass sie nicht vorbestraft ist. Sie war von Anfang an vollumfänglich geständig, auch wenn eine von Unrechtseinsicht getragene Tataufarbeitung erst am Anfang steht. Strafmildernd berücksichtigt die Kammer die psychische Ausnahmesituation der Angeklagten. Es ist moralisch nachvollziehbar, dass sie das schwere Schicksal von XXXXXX als ausweglos bewertete und sich als Mutter verantwortlich fühlte. Zu ihren Gunsten wirkt, dass XXXXXX friedlich eingeschlafen ist und durch die Umstände seines Todes nicht leiden musste. Strafmildernd wirkt ferner, dass die Angeklagte selbst durch die Folgen der Tat schwer getroffen ist und sich ihrer Verantwortung auch gegenüber der Familie stellt.
Die Kammer sah sich daher in der Lage, eine Strafe im untersten Bereich des Strafrahmens zu verhängen.
F.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.