Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 25.02.2025, Az.: 13 U 28/22

Unterlassungsklage wegen Wettbewerbsverstößen bei Angeboten von Kosmetik- und Hygieneartikeln auf der Onlinehandelsplattform eBay; Wirksamkeit einer Vertragsstrafenvereinarung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
25.02.2025
Aktenzeichen
13 U 28/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2025, 21806
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Verden - 28.04.2022 - AZ: 10 O 51/21

Redaktioneller Leitsatz

Es kann als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn ein Verband bei der Durchsetzung von Wettbewerbsverstößen die eigenen Mitglieder systematisch anders behandelt als Nichtmitglieder. Werden Mitglieder im Gegensatz zu Nichtmitglieder erst wiederholt und kostenfrei auf den etwaigen Wettbewerbsverstoß hingewiesen, ist dies eine durch sachliche Gründe nicht mehr gerechtfertigte, systematische Ungleichbehandlung und bestärkt den Verdacht, dass Mitgliederinteressen vor Kollektivinteressen gestellt werden, obgleich letztere durchzusetzen das Satzungsziel sein soll. Durch eine gezielte, quantitativ beträchtliche zurückhaltende Verfolgungstaktik gegenüber eigenen Mitgliedern werden Anreize geschaffen, der Organisation beizutreten und dadurch auch der effektiven Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen, welche der Verband in seiner Satzung verspricht, zu entgehen.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28. April 2022 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Verden (10 O 51/21) wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen Wettbewerbsverstößen bei Angeboten von Kosmetik- und Hygieneartikeln auf der Onlinehandelsplattform eBay aus einer am 9./16. Dezember 2015 geschlossenen Unterlassungs- und Vertragsstrafenvereinbarung (vgl. Anlagen K 1, K 1a, Bl. 12, 13 d. A.) auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 3.500 € nebst Zinsen in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage mit dem am 28. April 2022 verkündeten Urteil, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung der begehrten Vertragsstrafe aus der Unterlassungs- und Vertragsstrafenvereinbarung zu. Die Beklagte habe diese Vereinbarung nicht wirksam gemäß § 123 Abs. 1 BGB angefochten. Der Kläger habe die Beklagte weder darüber getäuscht, dass sich sämtliche der in dem Abmahnschreiben vom 12. November 2015 angeführten Gerichtsentscheidungen auf die hier maßgeblichen Sortimentsbereiche bezogen hätten, noch darüber, dass die Angaben sich auf Mitglieder bezögen, die aufgrund ihrer Größe, Marktbedeutung oder ihres wirtschaftlichen Gewichts relevant für die in Anspruch genommene Aktivlegimitation wären oder die jedenfalls aufgrund ihrer Anzahl zur Begründung der Aktivlegitimation geeignet gewesen wären. Zudem stehe dem Vertragsstrafenanspruch des Klägers weder die hilfsweise erklärte Kündigung der Beklagten noch der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Das Vorbringen der Beklagten sei jedenfalls in der Gesamtschau nicht ausreichend, um ein rechtsmissbräuchliches Handeln des Klägers anzunehmen. Schließlich entspreche auch die Höhe der Vertragsstrafe der Billigkeit. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte bereits in der Vergangenheit gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen habe und deswegen aufgrund eines Vergleichs einen Betrag in Höhe von 2.000 € an den Kläger gezahlt habe.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens ihren Klageabweisungsantrag in vollem Umfang weiter. Das Landgericht habe fehlerhaft eine arglistige Täuschung verneint. Bei zutreffender Würdigung hätte das Landgericht zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass der Kläger in dem Abmahnschreiben zumindest konkludent behauptet habe, dass die darin aufgeführten Entscheidungen seine Aktivlegitimation, für die im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Sortimentsbereiche bestätigt hätten, was tatsächlich nicht der Fall gewesen sei. Zudem habe das Landgericht ihren Vortrag für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Klägers unzutreffend gewürdigt. Hilfsweise hätte das Landgericht die Vertragsstrafe deutlich reduzieren müssen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe 3.500 € nebst Zinsen wegen der von der Beklagten im Oktober 2021 auf der Onlinehandelsplattform eBay veröffentlichten Angebote (vgl. Anlage K 2, Bl. 15 ff. d. A.) zu.

1. Die Beklagte hat zwar ihr Unterlassungs- und Vertragsstrafenversprechen nicht wirksam angefochten. Das Landgericht hat zu Recht eine arglistige Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB verneint.

Es dürfte bereits an einer Täuschungshandlung fehlen. Der Kläger hat keine fehlerhaften Angaben über die Mitgliederstruktur gemacht, insbesondere nicht zum Vorhandensein einer ausreichenden Zahl an Mitgliedern, die in den fraglichen Sortimentsbereichen mit der Beklagten konkurrierten. Auch hat er in dem Abmahnschreiben vom 12. November 2015 nicht darüber getäuscht, dass die darin aufgeführten Gerichtsentscheidungen seine Klagebefugnis für diese Sortimentsbereiche bestätigt hätten. Denn die Gerichtsentscheidungen werden im vierten Absatz des Abmahnschreibens lediglich allgemein und ausdrücklich nur beispielhaft als Beleg für die Aktivlegitimation des Klägers im Hinblick auf die hierfür erforderlichen Voraussetzungen der Mitgliederzahl und der personellen, sachlichen sowie finanziellen Ausstattung angeführt.

Jedenfalls lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger arglistig gehandelt hat. Es ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich, dass der Kläger im Zeitpunkt des Abmahnschreibens gewusst hat, nicht über eine für die Annahme der Klagebefugnis und Anspruchsberechtigung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der hier bis zum 1. Dezember 2020 maßgeblichen Fassung (fortan aF) ausreichende Anzahl an Mitgliedern aus den Sortimentsbereichen Kosmetik- und Hygieneartikel zu verfügen, und zumindest billigend in Kauf genommen hat, die Beklagte hierüber durch die aufgeführten Gerichtsentscheidungen sowie die Angabe zu täuschen, ihm gehörten 48 Kosmetik- und 23 Hygieneartikelhändler an.

2. Weiter hat die Beklagte die Unterlassungs- und Vertragsstrafenvereinbarung nicht rechtzeitig durch ihre Kündigungserklärung vom 25. Oktober 2021 beendet. Denn eine Kündigung wirkt lediglich ex nunc. Die streitgegenständlichen Verstöße gegen die Vereinbarung wurde vor der Kündigungserklärung begangen.

3. Die Geltendmachung der Vertragsstrafe ist jedoch rechtsmissbräuchlich.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Geltendmachung einer Vertragsstrafe wegen Verstoßes gegen die Unterlassungspflicht aus einem aufgrund einer missbräuchlichen Abmahnung geschlossenen Unterlassungsvertrag der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenstehen (BGH, Urteil vom 7. März 2024 - I ZR 83/23, juris Rn. 7 m.w.N.). Maßstab für diese Beurteilung sind die allgemeinen Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB. Es ist daher im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu prüfen, ob das Verhalten des Abmahnenden vor, bei und nach der Abmahnung den Schluss rechtfertigt, dass deren Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. BGH, Urteile vom 14. Februar 2019 - I ZR 6/17, juris Rn. 36; vom 7. März 2024 - I ZR 83/23, juris Rn. 8, jew. m.w.N.). Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung können Umstände herangezogen werden, die gemäß § 8 Abs. 4 UWG aF einen Rechtsmissbrauch begründen, soweit sie auch im Zusammenhang mit der Vereinbarung der Vertragsstrafe stehen (vgl. BGH, Urteile vom 31. Mai 2012 - I ZR 45/11, juris Rn. 21; vom 14. Februar 2019 - I ZR 6/17, juris Rn. 34; vom 7. März 2024 - I ZR 83/23, juris Rn. 8). Danach ist eine missbräuchliche Geltendmachung im Zweifel anzunehmen, wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen. Von einem Rechtsmissbrauch in diesem Sinn ist auszugehen, wenn sich der Gläubiger bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs von sachfremden Gesichtspunkten leiten lässt. Diese müssen nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (BGH, Urteile vom 21. Januar 2021 - I ZR 17/18, juris Rn. 38; vom 26. Januar 2023 - I ZR 111/22, juris Rn. 40; vom 7. März 2024 - I ZR 83/23, juris Rn. 9).

b) Grundsätzlich ist es Sache des Beklagten, Tatsachen für das Vorliegen eines Missbrauchs darzulegen und dafür Beweis anzubieten. Dies gilt auch für das Vorgehen eines Verbands, für den die Vermutung spricht, seinen satzungsmäßigen Zwecken nachzugehen. Ist diese Vermutung allerdings durch entsprechenden Tatsachenvortrag erschüttert, so muss der Kläger substantiiert die Gründe darlegen, die gegen einen Missbrauch sprechen. Dabei obliegt es ihm insbesondere, zur Klärung der in seiner Sphäre liegenden und dem Anspruchsgegner nicht bekannten Umstände vorzutragen (BGH, Urteil vom 7. März 2024 - I ZR 83/23, juris Rn. 12 m.w.N.).

c) Ausgehend von diesen Maßstäben führt eine umfassende Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände des vorliegenden Falls dazu, dass sowohl die mit dem Abmahnschreiben vom 12. November 2015 geforderte Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung als auch die auf die streitgegenständlichen Verstöße gestützte Geltendmachung der Vertragsstrafe rechtsmissbräuchlich waren.

aa) Die Beklagte hat mehrere Indizien vorgetragen, die für eine missbräuchliche Abmahnung sowie die missbräuchliche Geltendmachung des Vertragsstrafenanspruchs sprechen, ohne dass der Kläger im Rahmen der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast diese Umstände entkräftet hat. Zum Teil beruft sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auch auf eigene unstreitige Auskünfte des Klägers in anderen Verfahren.

(1) So stellt der Vortrag der Beklagten zur gezielten Steuerung der Vereinsstruktur des Klägers ein relevantes Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Handeln dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Klagebefugnis zwar grundsätzlich nicht darauf an, über welche mitgliedschaftlichen Rechte dessen Mitglieder verfügen (vgl. BGH Urteil vom 26. Januar 2023 - I ZR 111/22, juris Rn. 32 ff.). Daher genügte es für die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Handelns des Klägers nicht, dass ein Großteil der Mitglieder des Klägers lediglich passive Mitglieder ohne eigenes Stimmrecht sind. Nach dem unbestrittenen Beklagtenvortrag standen im Jahr 2020 etwa 2.750 passiven Mitgliedern 43 aktive Mitglieder gegenüber, von denen 13 Rechtsanwälte und zwei Verbände waren (vgl. S. 2 des Schriftsatzes vom 1. März 2023, Bl. 578 d. A.). Jedoch hat die Beklagte weitere Indizien vorgetragen, die den Schluss rechtfertigen, dass der Kläger den Aufnahmeprozess bewusst so ausgestaltet hat, dass beitrittswillige Unternehmen typischerweise nur als passive Mitglieder aufgenommen werden und damit - ohne ersichtlichen sachlichen Grund - gezielt von der Willensbildung des Vereins ausgeschlossen werden.

(a) Die Beklagte hat unbestritten anhand von Screenshots der Internetseite des Klägers vorgetragen (vgl. S. 34 ff. der Klageerwiderung, Bl. 159 ff. d. A.), dass in dem dort aufrufbaren Online-Registrierungsformular lediglich eine Mitgliedschaft für einen Beitrag von 96 Euro netto angeboten wurde, deren Nutzungsbedingungen ebenso wie die Satzung akzeptiert werden mussten. Zu den Nutzungsbedingungen gehörte eine Verlinkung, die klarstellte, dass ein "Angebot zur Aufnahme als passives I.-Mitglied" abgegeben werde. Eine alternative Mitgliedschaft wurde zwar in der Satzung erwähnt, aber über das Aufnahmeformular nicht angeboten. Mangels abweichenden Vortrags des Klägers ist davon auszugehen, dass der Aufnahmeprozess bereits im Zeitpunkt der Abmahnung der Beklagten am 12. November 2015 und auch noch im Zeitpunkt des Vertragsstrafenverlangens auf diese Weise ausgestaltet war. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, dass über die Möglichkeit einer aktiven Mitgliedschaft überhaupt informiert werde oder dass für sie in irgendeiner Weise geworben werde. Ferner hat der Kläger nicht nachvollziehbar erläutert, nach welchen Kriterien sich die Aufnahme als aktives Mitglied richtete.

(b) Damit hat der Kläger Strukturen geschaffen, die darauf ausgerichtet waren, aktive Mitgliedschaften zu begrenzen oder gar zu verhindern. Nach dem unstreitigen Parteivorbringen sind und waren lediglich aktive Mitglieder berechtigt, in die Vereinsorgane gewählt zu werden. Nur sie haben ein Stimmrecht in der Mitgliederversammlung, während die passiven Mitglieder nicht stimmberechtigt sind. Ein sachlicher Grund, warum die Unternehmen, deren Interessen der Kläger fördern will, von der Willensbildung des Klägers derart ausgeschlossen werden, ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

(c) Insgesamt besteht für den Senat der Eindruck, dass der Vorstand den Kläger zu dem Zweck unterhält, durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen Einnahmen zu generieren, und die zur Erlangung der Aktivlegitimation und Prozessführungsbefugnis gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG notwendigen Mitglieder gezielt von der Willensbildung ausgeschlossen werden, um diese Einnahmequelle nicht zu gefährden.

(2) Dem entspricht der weitere von der Beklagten als Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Handeln gehaltene Vortrag, den der Kläger nicht erheblich in Abrede genommen hat. Danach seien Vorstandsmitgliedern des Klägers, einem Teil seiner Mitarbeiter und auch einer im Mehrheitsbesitz des Klägers stehenden Dienstleistungsleistungsgesellschaft sowie deren Geschäftsführern und Mitarbeitern hohe Vergütungen und andere Zuwendungen insbesondere aus den Einnahmen der Abmahnkosten und Vertragsstrafen zugeflossen. Im Jahr 2020 seien 44% der Einnahmen von mehr als 3,2 Mio. Euro an nur sechs Personen ausgeschüttet worden, die überdies zueinander in einer engen persönlichen Verbindung stünden und zum Teil aktive Mitglieder des Klägers seien (vgl. S. 3 ff. des Schriftsatzes vom 8. Februar 2022, Bl. 243 ff. d. A.; S. 7 ff. des Schriftsatzes vom 1. März 2023, Bl. 583 ff. d. A.). Ein ähnliches Verhältnis zwischen den Einnahmen des Klägers aus Abmahnkosten und Vertragsstrafen und den Vergütungen und den Zuwendungen an den vorgenannten Personenkreis besteht nach dem weiteren Vortrag der Beklagten in den Jahre 2017 bis 2019 (S. 7 ff. des Schriftsatzes vom 1. März 2023, Bl. 583 ff. d. A.).

Der Kläger hat zwar zur Entkräftung dieser Indizien ausgeführt, dass die Höhe der Zahlungen durch entsprechende Leistungen gerechtfertigt sei, die Zahlungen an die Dienstleistungstochter spiegelten Beratungs- und Serviceleistungen gegenüber den Mitgliedern wider. Jedoch ist die Ausschüttungspolitik gerade dann bedenklich, wenn die Entscheidung hierüber durch die Mitgliederstruktur auf einen kleinen Personenkreis beschränkt wird. Daraus resultiert die besondere Gefahr, dass die Einnahmen durch hohe Ausschüttungen letztlich überwiegend dem Interesse weniger Beteiligter und gerade nicht der Finanzierung der im öffentlichen Interesse gewährten Möglichkeit zur Abmahn- und Klagetätigkeit zufließen. Gerade dadurch entfernt sich der Verband von seiner selbst auferlegten Zielsetzung (vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 21. Juni 2023 - 6 U 147/22, juris Rn. 33).

(3) Als weiteres Indiz hat die Beklagte vorgetragen, dass der Kläger systematisch eigene Mitglieder bei seinem auf die Durchsetzung lauterer Wettbewerbsgrundsätze bezogenen Vorgehen anders behandelt als Nichtmitglieder.

(a) Einem klagebefugten Verband ist es zwar grundsätzlich nicht verwehrt, nur gegen bestimmte Verletzer gerichtlich vorzugehen. Die Entscheidung hierüber steht ebenso in seinem freien Ermessen, wie es dem einzelnen Gewerbetreibenden freisteht, ob und gegen welche Mitbewerber er Klage erheben will. Eine unzumutbare Benachteiligung des angegriffenen Verletzers gegenüber anderen ist darin schon deshalb nicht zu sehen, weil es dem Verletzer grundsätzlich offensteht, seinerseits gegen gleichartige Verletzungshandlungen seiner von dem Verband nicht angegriffenen Mitbewerber vorzugehen (vgl. BGH, Urteile vom 12. Dezember 1996 - I ZR 7/94, juris Rn. 18; vom 5. Oktober 2017 - I ZR 172/16, juris Rn. 15, jew. m.w.N.). Jedoch kann es als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn ein Verband bei der Durchsetzung von Wettbewerbsverstößen die eigenen Mitglieder systematisch anders behandelt als Nichtmitglieder (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2024 - I ZR 83/23, juris Rn. 35 m.w.N.). So liegt der Fall hier.

(b) Die Beklagte hat - vom Kläger nicht erheblich in Abrede genommen - unter Bezugnahme auf eine Zeugenaussage vor dem Landgericht Heilbronn (Az. 21 O 38/19 KfH, Anlagen B 18 und B 19) ausgeführt, dass der Kläger eigenen Mitgliedern bei Wettbewerbsverstößen zunächst einen Hinweis erteile. Sofern hierauf keine Reaktion erfolge, würden die Mitglieder unter Fristsetzung zur Beseitigung des Verstoßes aufgefordert. Wenn dieser Aufforderung nicht nachgekommen werde, erfolge oftmals eine allerletzte Aufforderung. Erst wenn anschließend das Mitglied weiterhin nicht reagiere, werde gegen dieses gerichtlich vorgegangen (vgl. S. 23 ff. der Klageerwiderung, Bl. 148 ff. d. A.).

Das Landgericht geht zwar zutreffend davon aus, dass dieser Zeugenaussage entnommen werden kann, dass der Kläger in letzter Konsequenz auch gegen eigene Mitglieder (gerichtlich) vorgeht. Ein solches Vorgehen erfolgt jedoch im Gegensatz zu Nichtmitgliedern erst, nachdem das Mitglied wiederholt und kostenfrei auf den etwaigen Wettbewerbsverstoß hingewiesen wurde. Diese im Vergleich zu Nichtmitgliedern erhebliche, durch sachliche Gründe nicht mehr gerechtfertigte, systematische Ungleichbehandlung verstärkt im Zusammenhang mit Maßnahmen der Mitgliedersteuerung und einer Mittelverwendung, die stärker auf Ausschüttungen als auf den Mitteleinsatz zur effektiven Bekämpfung von Missbräuchen auch in den eigenen Reihen gerichtet ist, den Eindruck einer Strategie, die darauf gerichtet ist, Mitgliederinteressen vor Kollektivinteressen zu stellen, obgleich letztere durchzusetzen das Satzungsziel sein soll (ähnlich OLG Köln, Urteil vom 21. Juni 2023 - 6 U 147/22, juris Rn. 34).

bb) Die vom Beklagten vorgetragenen Indizien rechtfertigen nach der vom Senat vorgenommenen Gesamtabwägung die Annahme, dass sowohl die ursprüngliche Abmahnung als auch die Geltendmachung einer Vertragsstrafe rechtsmissbräuchlich waren. Sie belegen eine strategische Ausrichtung des klägerischen Vereins dahingehend, Entscheidungsstrukturen auf wenige Personen zu konzentrieren, andererseits durch die Akquise von nur passiven Mitgliedern eine breite Abmahnbefugnis zu erwerben, um die Einnahmen des Vereins weiter zu steigern. Die dabei akquirierten Einnahmen werden zu hohen Anteilen an wenige Personen ausgeschüttet, kommen also weniger der Durchsetzung kollektiver Interessen als der Deckung privaten Nutzens zugute. Durch eine gezielte, quantitativ beträchtliche zurückhaltende Verfolgungstaktik gegenüber eigenen Mitgliedern werden Anreize geschaffen, der Organisation beizutreten und dadurch auch der effektiven Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen, welche der Verband in seiner Satzung verspricht, zu entgehen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 21. Juni 2023 - 6 U 147/22, juris Rn. 58).

cc) Die von dem Kläger vorgetragenen Gegenargumente stehen dieser Annahme nicht entgegen. Zwar hat er auch Ordnungsmittelverfahren betrieben. Die Anzahl dieser Verfahren ist jedoch im Verhältnis zur sonstigen Geschäftstätigkeit des Klägers derart gering, dass sie den Eindruck nicht abschwächt, der Kläger werde vorwiegend zum Zweck der Einnahmeerzielung tätig. Im Gegenteil spricht angesichts dieser deutlichen Diskrepanz einiges dafür, dass der Kläger diese wenigen Verfahren im Wesentlichen deshalb betrieben hat, um den Anschein einer dem Vereinszweck der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs dienlichen Tätigkeit hervorzurufen.

Gleiches gilt für die Kostenrisiken, die mit seiner Prozessführung verbunden sind und sich in Einzelfällen auch realisiert haben. Solche Kostenrisiken sind der Tätigkeit des Klägers immanent. Der Kläger bezeichnet aber wiederum - im Verhältnis zu seiner sonstigen Geschäftstätigkeit - nur sehr wenige Verfahren, in denen tatsächlich offene Rechtsfragen über mehrere Instanzen mit einem erheblichen Kostenrisiko durchgefochten wurden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

IV.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht. Es handelt sich um einen Einzelfall, dessen Entscheidung von den tatsächlichen Besonderheiten der vorliegenden Fallgestaltung abhängig ist und dem deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die von dem Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang verschiedentlich geforderte Gesamtabwägung, zu deren Vornahme er die bei ihm anhängigen Sachen an die Vorinstanzen zurückverwiesen hat (zuletzt: Urteil vom 7. März 2024 - I ZR 83/23, juris Rn. 32) stellen solche Einzelfallentscheidungen dar. Auch setzt sich der Senat mit dieser Entscheidung nicht in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Entscheidungen vom 26. Januar 2023 (I ZR 111/22) und vom 7. März 2024 (I ZR 83/23). Der Bundesgerichtshof hat darin über die Frage entschieden, ob einige der auch hier streitgegenständlichen Indizien für sich genommen die Vermutung rechtsmissbräuchlichen Verhaltens rechtfertigen. Im vorliegenden Fall ist jedoch streitentscheidend, dass mehrere Indizien in der Gesamtschau für ein missbräuchliches Vorgehen sprechen, auch wenn die Indizien bei isolierter Betrachtung für diese Annahme nicht genügen würden. Dabei hat der Senat die nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblichen Maßstäbe berücksichtigt (s.o.). Auch ein Widerspruch zu den von dem Kläger in Bezug genommenen obergerichtlichen Entscheidungen besteht nicht.