Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 28.05.2025, Az.: 1 A 41/22
Anwendungsbestimmung; Anwendungsbestimmung NT306-0/2; Pflanzenschutzmittel; Pflanzenschutzrechtliche Anwendungsbestimmung zum Schutz von Nichtzielarthropoden (NT306-0/2); Anwendungsbestimmung zum Schutz von Nichtzielarthropoden auf der Anwendungsfläche vor unannehmbaren Auswirkungen eines Pflanzenschutzmittels
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 28.05.2025
- Aktenzeichen
- 1 A 41/22
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2025, 16988
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2025:0528.1A41.22.00
Rechtsgrundlagen
- EGV 1107/2009 Art. 29
- EGV 1107/2009 Art. 36
- EUV 284/2013
- EUV 546/2011
Tenor:
Die mit Bescheid der Beklagten vom 28. Mai 2020 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 25. Oktober 2023 festgesetzte Anwendungsbestimmung NT306-0/2 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50.000,-- EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine von der Beklagten bei der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels festgesetzte Anwendungsbestimmung.
Mit Zulassungsantrag vom 17. September 2018 beantragte die Klägerin beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die Erteilung einer Zulassung für das Pflanzenschutzmittel H. im Rahmen des zonalen Zulassungsverfahrens mit Polen als prüfenden bzw. berichterstattenden Mitgliedstaat (zonal Rapporteur Member State - zRMS -) und Deutschland als beteiligten bzw. betreffenden Mitgliedstaat (concerned Member State - cMS -). Die Wirkstoffgenehmigungen der Europäischen Union für die in dem Fungizid zur Anwendung in Getreide enthaltenen Wirkstoffe K. und L. sind bis zum 20. März 2029 bzw. bis zum 15. September 2025 gültig. Nachdem Polen die Bewertung des Pflanzenschutzmittels abgeschlossen hatte, erteilte es am 30. Oktober 2019 eine nationale Zulassung für das Pflanzenschutzmittel.
Entsprechend des Bewertungsberichts nahm Polen im Zulassungsverfahren hinsichtlich der Auswirkungen des Pflanzenschutzmittels auf Nichtzielarthropoden auf der Behandlungsfläche eine Bewertung auf der Grundlage der Leitlinien der EU-Kommission zur terrestrischen Ökotoxikologie (Guidance Document on Terrestrial Ecotoxicology under Council Directive 91/414/EEC vom 17.10.2002, SANCO/10329/2020 rev 2 final, im Folgenden: Guidance Document) vor. Diese ergab für die Testspezies auf Stufe 1 der Bewertung (Tier 1) einen aus dem Verhältnis der Exposition zur Toxizität errechneten Risikoquotienten (Hazard Quotient - HQ -) größer 2 (2,6 für Typhlodromus pyri bzw. 12,8 für Aphidius rhopalosiphi) und im Rahmen der höherstufigen Bewertung im erweiterten Test einen Wert für die PER (Predicted Environmental Rate) in-field von über 50 % Effekt für die Spezies Typhlodromus pyri und Chrysoperla carnea. Weitergehend berücksichtigte Polen eine Studie über gealterte Rückstände für die Spezies Chrysoperla carnea, aus der sich nach der Bewertung Polens nach Ablauf von sieben Tagen ein akzeptables Risiko ergab (Sterblichkeit von 39 % bei 3,0 l/ha). Dazu führte es aus, bei dieser Spezies handele es sich eindeutig um die empfindlichste Art, die deshalb ausschlaggebend für die Risikobewertung für Nichtzielarthropoden sei. Die darauf bezogene Studie über gealterte Rückstände habe gezeigt, dass die Toxizität des Pflanzenschutzmittels mit der Zeit rasch abnehme. Weil die Spezies empfindlicher sei als Typhlodromus pyri, sei das Risiko für diese Spezies durch die Studie über gealterte Rückstände abgedeckt und es sei keine weitere Verfeinerung erforderlich (vgl. Draft Registration Report - DRR -, Core Assessment vom 22.3.2019, aktualisiert am 10.7.2019, Part B, Section 9 - Ecotoxicology -, Ziff. 9.7.2.1). Risikominderungsmaßnahmen seien nicht erforderlich (vgl. DRR, a. a. O., Ziff. 9.7.2.4). Im Ergebnis stellte Polen fest, dass nach den Ergebnissen der durchgeführten Risikobewertung ein geringes Risiko gegeben und keine unannehmbaren Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden innerhalb der Behandlungsfläche zu erwarten seien (vgl. DRR, a. a. O., Ziff. 9.7.3).
Das Julius Kühn-Institut (JKI) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erklärten mit Schreiben vom 24. Februar und vom 17. März 2020 ihr Benehmen für die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in Deutschland.
Das Umweltbundesamt (UBA) erklärte sein Einvernehmen mit Schreiben vom 16. März 2020 zeitlich unbefristet unter der Voraussetzung, dass die Zulassung mit bestimmten Kennzeichnungsauflagen sowie mit der Festsetzung verschiedener Anwendungsbestimmungen versehen werde, darunter die Anwendungsbestimmung NT(neu-Ackerarthropoden). Für die Zulassung des Pflanzenschutzmittels ohne diese Anwendungsbestimmung erklärte es sein Einvernehmen nur befristet bis zum 31. Dezember 2020.
Wesentlicher Gehalt der Anwendungsbestimmung NT(neu-Ackerarthropoden) war, dass das Pflanzenschutzmittel zum Schutz von nicht zu bekämpfenden Insekten und anderen Gliederfüßern auf den Anbauflächen nur auf maximal 9/10 der behandelten Anbaufläche zur Anwendung gelangen sollte. Zur Begründung verwies das UBA insbesondere darauf, dass die Bewertung der Auswirkungen auf nicht zu bekämpfende Arthropoden auf der Anwendungsfläche nach der EU-Leitlinie zur terrestrischen Risikobewertung Risiken aufzeige, die unter Berücksichtigung der spezifischen landwirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen in Deutschland ohne hinreichende Risikominderungsmaßnahmen unannehmbar hoch seien. Die nationale Zulassung müsse daher mindestens mit der Anwendungsbestimmung NT(neu-Ackerarthropoden) verbunden werden. Entsprechendes legte es im Nationalen Zusatz zum Entwurf des Bewertungsberichts dar und führte dazu aus, die von Polen auf der Grundlage einer Studie über gealterte Rückstände getroffene Schlussfolgerung, dass eine Erholung bzw. Wiederbesiedlung von Nichtzielarthropoden innerhalb eines Zeitraums von sieben bis 14 Tagen eintreten werde, sei mit großen Unsicherheiten behaftet (Draft Registration Report, Part B, Section 9, National Addendum Germany vom März 2020, Ziff. 9.7.2.2 und 9.7.3). Zwar deuteten die Daten darauf hin, dass eine Erholung bzw. Wiederbesiedlung unter idealen Bedingungen als theoretisch möglich angesehen werden könne. Die Klägerin habe aber keine weiteren Daten vorgelegt, dass dies auch unter den spezifischen landwirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen in den jeweiligen Mitgliedstaaten stattfinden werde.
Mit Bescheid vom 28. Mai 2020 erteilte das BVL der Klägerin die beantragte Zulassung mit Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 2020. Hinsichtlich der Befristung der Zulassung führte es zur Begründung aus, das UBA habe sein Einvernehmen an die Festsetzung der Anwendungsbestimmung NT(neu-Ackerarthropoden) geknüpft. Weil es diese Anwendungsbestimmung für rechtswidrig halte, könne die Zulassung entsprechend der Einvernehmenserklärung des UBA nur befristet bis zum 31. Dezember 2020 erfolgen, obwohl es die Geltungsdauer von Zulassungen für Pflanzenschutzmittel nach Art. 32 Abs. 1 Unterabs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 regelmäßig so festlege, dass sie mindestens die Laufzeit der Wirkstoffgenehmigung plus ein Jahr umfasse.
Gegen die zeitliche Befristung der Zulassung erhob die Klägerin mit Schreiben vom 26. Juni 2020 Widerspruch und bat um Befristung der Zulassung unter Berücksichtigung des seinerzeitigen Geltungszeitraums der Genehmigung für den Wirkstoff L. bis zum 31. Januar 2022. Mit Schreiben vom 1. Juli 2020 stellte das BVL fest, dass dem Widerspruch der Klägerin aufschiebende Wirkung bis längstens zum 31. Januar 2022 zukomme.
Mit Schreiben vom 26. Januar 2022 teilte das UBA dem BVL mit, dass es sein Einvernehmen für die weitere Zulassung des Pflanzenschutzmittels ohne zeitliche Befristung mit der Maßgabe erteilen werde, dass die Anwendungsbestimmung NT(neu-Ackerarthropoden) festgesetzt werde, wobei die Anwendungsbestimmung ab 1. Mai 2023 gelten solle. Es hielt daran fest, dass sich aus der von Polen durchgeführten Bewertung der Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden auf der Anbaufläche nach dem Guidance Document ein unannehmbares Risiko ergebe (HQ > 2 in der ersten Bewertungsstufe bzw. >= 50 % Effekt im erweiterten Test bei der errechneten PERin-field). Aufgrund der spezifischen landwirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen in Deutschland seien diese Auswirkungen auf Populationen von Nichtzielarthropoden auf den Anbauflächen ohne hinreichende Risikominderungsmaßnahmen unannehmbar hoch. Ein Einvernehmen zur Zulassung könne daher nur erteilt werden, wenn sichergestellt werde, dass die Auswirkungen durch Risikominderungsmaßnahmen auf ein vertretbares Maß gemindert würden. Zu den Einzelheiten verwies es hinsichtlich der spezifischen Bedingungen in Deutschland und des kritischen Erhaltungszustands von Populationen terrestrischer Nichtzielarthropoden in der deutschen Agrarlandschaft auf die Anlage ERA NTA infield. Weil für Nichtzielarthropoden in Deutschland eine erhöhte Störungsanfälligkeit anzunehmen sei, könne die Risikobewertung Polens nicht auf Deutschland übertragen werden. Höherstufige Studien könnten insoweit nur Berücksichtigung finden, wenn sie die spezifischen Bedingungen in Deutschland in Rechnung stellten. Zudem legte es einen aktualisierten Nationalen Zusatz zum Entwurf des Bewertungsberichts vom Januar 2022 vor, in dem ergänzend unter anderem darauf verwiesen wird, dass jüngste Studien einen dramatischen Rückgang der Wirbellosenfauna in Deutschland in der Agrarlandschaft gezeigt hätten. Das geänderte Einvernehmen erteilte das UBA sodann mit Schreiben vom darauffolgenden Tag, dem 27. Januar 2022.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2022 hob das BVL die Befristung der Zulassung bis zum 31. Dezember 2020 auf und setzte als Zulassungsende den 31. Januar 2024 fest. Zugleich setzte es mit Änderungsbescheid vom 28. Januar 2022 die Anwendungsbestimmung NT(neu-Ackerarthropoden) in Gestalt der zwischenzeitlich neu kodierten, inhaltsgleichen Anwendungsbestimmung NT306-0 fest.
Zwei weitere Änderungsbescheide des BVL ergingen unter dem 17. Juni 2022 und dem 25. Oktober 2023, mit denen die streitgegenständliche Anwendungsbestimmung jeweils durch inhaltsgleiche Nachfolgeregelungen ersetzt wurde (NT306-0/1 und NT306-0/2), bei denen jeweils der Geltungszeitpunkt geändert wurde. Die zuletzt festgesetzte Anwendungsbestimmung NT306-0/2 lautet:
"Zum Schutz von nicht zu bekämpfenden Insekten und anderen Gliederfüßern darf die Anwendung des Pflanzenschutzmittels nur auf maximal 9/10 der zu behandelnden Anbaufläche erfolgen. Die unbehandelte Teilfläche dient diesen Arten als Überlebensraum und ist daher während des Kulturverlaufs auch von der Behandlung mit anderen Mitteln mit den Anwendungsbestimmungen NT306-0, NT306-50, NT306-75 und NT306-90 auszunehmen. Die unbehandelte Teilfläche ist vorzugsweise als Randstreifen mit Mindestbreiten von 5 m und einem reduzierten Düngereinsatz vorzusehen.
Die Vorgaben dieser Anwendungsbestimmung sind vom 01.12.2024 an zu erfüllen. Ihre Rechtswirkungen treten erst ab dem genannten Datum ein."
Mit Bescheid vom 22. Januar 2024 wurde die Geltungsdauer der Zulassung für das Pflanzenschutzmittel auf den 15. September 2026 festgesetzt. Mit Schreiben vom 19. August 2024 setzte das BVL die Vollziehung der Anwendungsbestimmung NT306-0/2 bis zur Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung im anhängigen Klageverfahren aus.
Die Klägerin hat bereits zuvor am 15. Februar 2022 Klage hinsichtlich der festgesetzten Anwendungsbestimmung erhoben und die nach Klageerhebung erlassenen Änderungsbescheide vom 17. Juni 2022 und 25. Oktober 2023 in das Klageverfahren einbezogen. Zur Begründung trägt sie vereinzelt im Wesentlichen vor: Die Klage sei als isolierte Anfechtungsklage gegen die betroffene Anwendungsbestimmung zulässig. Dass die Zulassung ohne die Anwendungsbestimmung bestehen könne, zeige sich bereits daran, dass die Zulassung zunächst zeitlich befristet ohne die Anwendungsbestimmung erteilt worden sei. Dafür spreche auch die gesetzliche Regelung zum Entfall der aufschiebenden Wirkung für Rechtsbehelfe gegen die Anordnung von Anwendungsbestimmungen in § 36 Abs. 4 PflSchG. Die Anfechtungsklage sei auch begründet. Die vom BVL festgesetzte Anwendungsbestimmung sei rechtswidrig. Für das mit der Anwendungsbestimmung verfolgte Schutzziel der Biodiversität fehle es an einer von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) anerkannten wissenschaftlichen Bewertungsmethode im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Buchst. e Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Auch wenn mit dem Leitfaden der EU-Kommission zur terrestrischen Ökotoxikologie (Guidance Document) eine von der EFSA anerkannte wissenschaftliche Bewertungsmethode vorliege, könne nicht außer Acht gelassen werden, dass der vom UBA mit der streitgegenständlichen Anwendungsbestimmung verfolgte Teilflächenansatz über den Schutz von Nichtzielarthropoden hinausgehe und letztlich auf einen Schutz der Biodiversität ziele, zu dem das Gericht in früheren Entscheidungen vom Fehlen anerkannter Bewertungsmethoden der EFSA ausgegangen sei. Die Bewertung Polens anhand des Guidance Documents habe zu dem Ergebnis geführt, dass keine unannehmbaren Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden auf der Behandlungsfläche zu erwarten und Risikominderungsmaßnahmen nicht notwendig seien. Das UBA sei nach Art. 36 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nicht berechtigt, seine eigene Neubewertung an die Stelle der einheitlichen zonalen Bewertung des prüfenden Mitgliedstaats zu setzen, die für die beteiligten Mitgliedstaaten bindend sei. Das UBA weiche von der Praxis aller anderen Mitgliedstaaten ab, die das Pflanzenschutzmittel zugelassen hätten, indem es der vom prüfenden Mitgliedstaat im Rahmen der höherstufigen Risikobewertung entsprechend des Guidance Documents berücksichtigten Studie über gealterte Rückstände keine Aussagekraft beimesse und stattdessen eine Risikominderungsmaßnahme für erforderlich halte. Indem es letztlich allgemeine Einwände gegen die von Polen als Bewertungsgrundlage herangezogene Studie über gealterte Rückstände vorbringe, wie Unsicherheiten hinsichtlich der daraus abzuleitenden Wiederbesiedlung von Flächen, und zusätzlich weitere Daten für den einzelnen Mitgliedstaat fordere, nehme es eine unzulässige Neubewertung vor. Auch auf der Grundlage von Art. 36 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sei ein beteiligter Mitgliedstaat nicht berechtigt, bei der Festlegung von Risikominderungsmaßnahmen die Bewertungsmethodik des prüfenden Mitgliedstaats und dessen Folgerungen aus der Risikobewertung zu überprüfen und abzuändern. Darüber hinaus seien die Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nicht erfüllt. Die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass in Deutschland in Abweichung von der Situation in anderen Mitgliedstaaten der zentralen Zone und speziell in Polen spezifische ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen bestünden. Ein Vergleich mit den Bedingungen in anderen Mitgliedstaaten fehle bzw. zeige keine deutlichen Abweichungen. Hierzu trägt die Klägerin eingehend vor. Eine produktspezifische Bewertung der Risiken des betroffenen Pflanzenschutzmittels habe das UBA nicht vorgenommen. Es stütze sich letztlich auf ein abstraktes Risikomanagementkonzept, das es für eine Vielzahl von Pflanzenschutzmitteln gleichermaßen anwende, und lege nicht anhand der europäisch harmonisierten Bewertungskriterien dar, dass eine etwaige spezifische Situation in Deutschland konkret für das betroffene Pflanzenschutzmittel die Festsetzung der streitgegenständlichen Anwendungsbestimmung erfordere. Die Studie über gealterte Rückstände belege deutlich, dass eine Wiedererholung betroffener Arten evident sei. Das UBA sei nicht berechtigt gewesen, die Risikobewertung allein auf die Ergebnisse der Standardstudien zu stützen und auf eine verfeinerte höherstufige Risikobewertung zu verzichten. Gegebenenfalls wäre die spezifische Situation in Deutschland in einer darauf zugeschnittenen Freilandstudie zu untersuchen gewesen, um die Vermutungen des UBA zu belegen, bzw. hätte die Möglichkeit eröffnet werden müssen, mit einer solchen Studie das Auftreten unannehmbarer Auswirkungen zu widerlegen. Mit seiner Vorgehensweise weiche das UBA von den Maßgaben zur Risikobewertung nach dem Guidance Document ab, wozu es selbst dann nicht berechtigt wäre, wenn eine Prüfung der Übertragbarkeit der Bewertung Polens auf die Verhältnisse in Deutschland für zulässig gehalten würde. Für die Festsetzung der streitgegenständlichen Anwendungsbestimmung fehle es des Weiteren an einer Rechtsgrundlage, weil Kern der Anwendungsbestimmung nicht die Minimierung der unmittelbaren Effekte der Verwendung des Pflanzenschutzmittels auf Nichtzielarten, sondern das Schaffen eines "Refugiums" innerhalb der Anbaufläche als Kompensationsmaßnahme sei. Die streitgegenständliche Anwendungsbestimmung verstoße auch gegen den in Nr. 5.4 des Guidance Documents zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der gegenüber unbehandelten Schutzstreifen (unsprayed headlands) Modifikationen der Anwendungshäufigkeit und -intervalle und des Zeitpunktes der Anwendung als mildere Mittel vorsehe. Die Maßnahme sei für den Landwirt wirtschaftlich nicht tragfähig und für den Hersteller gleichermaßen unangemessen. Zu befürchten sei, dass Landwirte ein Pflanzenschutzmittel, das wegen der Anwendungsbestimmung mit einer weitreichenden Eigentumsbeeinträchtigung verbunden sei, nicht mehr erwerben würden, was wiederum den Hersteller unverhältnismäßig in der Berufsfreiheit beeinträchtige. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei auch insofern verletzt. Die Anwendungsbestimmung genüge nicht den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots, denn der Inhalt der in der streitgegenständlichen Anwendungsbestimmung in Bezug genommenen Anwendungsbestimmungen NT306-50, NT306-75 und NT306-90 sei ihr nicht bekannt. Mit Urteilen vom 18. September 2023 (1 A 535/21 und 1 A 536/21) habe das erkennende Gericht die Anwendungsbestimmung NT306-0/1 als rechtswidrig aufgehoben. Das Nds. Oberverwaltungsgericht habe die Zulassung der Berufung gegen diese Entscheidungen abgelehnt (Beschl. v. 17.4.2024 - 10 LA 134/23 u. 10 LA 135/23 -). Diese Rechtsprechung sei auf die streitgegenständliche Anwendungsbestimmung übertragbar. Anderes folge auch nicht aus den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 25. April 2024 (C-308-22 und C-309/22, C-310/22). Ein Abweichungsrecht des beteiligten Mitgliedstaats nach Art. 36 Abs. 3 Unterabs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 setze auch nach dieser Rechtsprechung das Vorliegen spezifischer ökologischer und landwirtschaftlicher Bedingungen voraus. Erst dann könnten zuverlässigste wissenschaftliche und technische Daten eine andere Bewertung begründen. Die Beklagte habe keinen neuen wissenschaftlichen Erkenntnisstand dargelegt, der eine von der Studie über gealterte Rückstände abweichende Risikobewertung für Nichtzielarthropoden rechtfertigen würde, und auch nicht dargetan, welche andere wissenschaftliche Methodik der (verfeinerten) Risikobewertung dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen würde. Die vom UBA in Bezug genommenen Stellungnahmen der EFSA aus den Jahren 2015 und 2019 hätten keine neue wissenschaftliche Methodik zum Inhalt, sondern verwiesen lediglich auf potenzielle Unsicherheiten bei der aktuell angewandten Bewertungspraxis. Gleiches gelte für das "Working Document on Risk Assessment of Plant Protection Products in the Central Zone" vom August 2023. Mit dem Nachschieben neuer Begründungen verstoße die Beklagte schließlich gegen die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung der streitgegenständlichen Anwendungsbestimmung.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
- 1.
die im Zulassungsbescheid der Beklagten vom 28. Mai 2020 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 25. Oktober 2023 festgesetzte Anwendungsbestimmung NT306-0/2 aufzuheben,
- 2.
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, die Zulassung für das Pflanzenschutzmittel H. unter Abänderung des Zulassungsbescheids ohne Festsetzung der Anwendungsbestimmung NT306-0/2 zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert insbesondere: Das UBA halte eine isolierte Anfechtung der Anwendungsbestimmung nicht für zulässig, weil es sich bei dieser nicht um eine belastende Nebenbestimmung, sondern um eine nicht isoliert anfechtbare Inhaltsbestimmung handele. Entgegen der Auffassung der Klägerin diene die streitgegenständliche Anwendungsbestimmung nicht dem Schutz der Biodiversität durch Berücksichtigung mittelbarer Auswirkungen der Anwendung des Pflanzenschutzmittels, sondern bezwecke in Übereinstimmung mit dem Guidance Document den Schutz von Nichtzielarthropoden auf der Anbaufläche vor den unmittelbaren Auswirkungen des Pflanzenschutzmittels. Eine eigenständige Risikobewertung habe das UBA nicht vorgenommen, sondern lediglich überprüft, inwieweit die vom prüfenden Mitgliedstaat durchgeführte höherstufige Bewertung auf die nationalen Gegebenheiten übertragbar sei. Hinsichtlich der von Polen herangezogenen Studie zu gealterten Rückständen sei zu beachten, dass das Guidance Document eine höherstufige Bewertung nur vorsehe, wenn ein auf der Grundlage der Standardbewertung angezeigtes Risiko nicht bereits durch das Festlegen geeigneter Risikominderungsmaßnahmen adressiert werden könne (vgl. Guidance Document, Nr. 5.3.: "If no appropriate risk mitigation measures can be identified, then the notifier should carry out higher tier studies..."). Demnach wäre eine Bewertung ohne die Berücksichtigung höherstufiger Tests zulässig gewesen. Über diese Anforderung hinausgehend habe es jedoch auch die Studie zu den gealterten Rückständen berücksichtigt, diese allerdings nicht anerkennen können, weil die Studie nicht geeignet sei, die spezifischen Bedingungen in Deutschland zu beurteilen. Eine auf nationalspezifischen Umständen beruhende wertende Betrachtung sehe das Guidance Document zwar nicht ausdrücklich vor. Im Guidance Document sei aber ausgeführt, dass die Annahme einer bestimmten Schlussfolgerung, wie hier einer Wiederbesiedlung, im Rahmen einer höherrangigen Studie gerechtfertigt sein müsse (Guidance Document, Nr. 5.3: "In any case the data and assumptions should be fully justified."). Die durchgeführte Umweltbewertung stehe damit im Einklang mit der von der EFSA in Gestalt des Guidance Documents anerkannten Methode. Dass eine Wiederbesiedlung und Erholung geschädigter Populationen von Nichtzielarthropoden tatsächlich eintrete, könne nicht allein durch Betrachtung des Abbauprozesses und der verringerten Giftwirkung beurteilt werden, sondern hänge sehr stark von weiteren Parametern ab, wie etwa dem Vorhandensein ausreichender Quellpopulationen für eine Wiederbesiedlung und den Eigenschaften der konkret vorhandenen Arten. Eine abschließende Bewertung erfordere deshalb stets die Berücksichtigung der jeweiligen Bedingungen und eine Prüfung der Übertragbarkeit des Ergebnisses der höherstufigen Bewertung auf diese Bedingungen. Polen habe in seiner Bewertung lediglich aufgezeigt, dass die Studie über gealterte Rückstände prinzipiell zur Widerlegung des auf der ersten Bewertungsstufe indizierten unannehmbaren Risikos genutzt werden könne und rein theoretisch unter idealen Bedingungen ein Potenzial der Wiederbesiedlung gegeben sei. Nach einer wissenschaftlichen Stellungnahme der EFSA aus dem Jahre 2015 (Scientific Opinion addressing the state of the science on risk assessment of plant protection products for non-target arthropods, EFSA Journal 13.2 (2015): 3996), die den derzeit aktuellsten durch die EFSA veröffentlichten Stand von Wissenschaft und Technik für die Beurteilung der Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Nichtzielarthropoden darstelle, sei das entscheidende Schutzziel der derzeitigen Risikobewertung für Nichtzielarthropoden die Erholung der Abundanz entsprechender Arten im Feld innerhalb eines Jahres unter Berücksichtigung der Ökologie der Arten, die - wie dargelegt - von einer Vielzahl von Faktoren abhänge. Es sei die Besorgnis geäußert worden, dass die Verwendung von Studien über gealterte Rückstände nicht ausreiche, um eine Erholung/Wiederbesiedlung nachzuweisen, weil diese stark von der Landschaftskonfiguration abhänge. Bei einem Expertentreffen der EFSA zu allgemeinen, wiederkehrenden Fragen im Rahmen der Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln im Jahre 2019 (vgl. Outcome of the Pesticides Peer Review Meeting on general recurring issues in ecotoxicology, EFSA Supporting publication 2019:EN-1673) sei klar geworden, dass eine solide wissenschaftliche Grundlage fehle, um aus dem Ergebnis von Studien über gealterte Rückstände ohne Einzelfallbetrachtung ein akzeptables Risiko abzuleiten. Um dies zu tun, sollten sowohl die ökologischen Merkmale der betroffenen Arten als auch die Repräsentativität der Indikatorarten für die auf dem Feld auftretenden Lebensgemeinschaften berücksichtigt werden. Darüber hinaus müssten die Wirkungsweise eines Pflanzenschutzmittels und der Zeitpunkt der Anwendung sowie die Anzahl der Anwendungen bei der Entscheidung über die Höchstdauer der Alterung der Rückstände berücksichtigt werden. Für Studien mit gealterten Rückständen sei bestätigt worden, dass hinsichtlich der Methodik Überarbeitungsbedarf bestehe. In der Bewertung Polens sei allerdings keiner dieser Aspekte diskutiert worden. Werde, wie von der EFSA im Jahre 2019 empfohlen, das beantragte Applikationsszenario (zwei Applikationen im Abstand von 14 Tagen) für das Pflanzenschutzmittel der Klägerin in die Betrachtung der Studie einbezogen, wäre eine ausreichend verminderte Toxizität der Rückstände aufgrund der zweifachen Anwendung frühestens nach 28 Tagen zu erwarten und nicht wie vom prüfenden Mitgliedstaat angenommen bereits nach 14 Tagen. Würden, wie von der EFSA ebenfalls vorgeschlagen, zusätzlich ökologische Merkmale, wie der Lebenszyklus der Indikatorarten einbezogen, zeige sich, dass die Zeit bis zur ausreichenden Minimierung der Effekte der Rückstände weit über der Generationszeit der Arten von weniger als sieben Tagen bzw. im Mittel 19 Tagen unter Laborbedingungen liege. Schlussfolgere man der Argumentation vieler Experten (vgl. EFSA 2019) folgend ein akzeptables Risiko nur, wenn die Alterungszeit kleiner als die Generationszeit der betroffenen Arten sei, sei im konkreten Fall ohne weitere Risikominderungsmaßnahmen ein unannehmbares Risiko gegeben. Weil die erweiterte Laborstudie für die Testspezies Chrysoperla carnea bei der einfachen Aufwandmenge des Pflanzenschutzmittels von 1,5 l/ha eine Mortalität von knapp 80 % ergeben habe, die deutlich von der wesentlich geringeren Mortalität nach der Studie zu gealterten Rückständen abweiche, und das Expositionsdesign der Studien nicht vergleichbar sei, sei das Ergebnis der erweiterten Laborstudie neben dem Ergebnis der Rückstandsstudie zu berücksichtigen, zumal es sich um Studien auf der gleichen Ebene der höherstufigen Bewertung handele. Das Expositionsdesign sei nicht vergleichbar, da hinsichtlich der Exposition in Studien mit gealterten Rückständen bei Applikation der Testsubstanz auf ganze Pflanzen eine heterogene Verteilung der Testsubstanz auf den Blättern auftreten könne. Zudem finde die Applikation des Pflanzenschutzmittels im Test mit gealterten Rückständen zwar außerhalb des Labors statt, könne aber nicht mit einer realen großflächigen Sprühanwendung gleichgesetzt werden. Zusätzlich blieben die in der Anlage ERA NTA infield dargelegten generellen Unsicherheiten hinsichtlich der Verwendung von Studien über gealterte Rückstände bestehen, welche auch von anderen europäischen Mitgliedstaaten gesehen würden (vgl. EFSA 2019). Das Erfordernis der festgesetzten Risikominderungsmaßnahme ergebe sich dementsprechend als Ergebnis der spezifischen Betrachtung der vorliegenden Daten unter Berücksichtigung anerkannter europäischer Maßstäbe. Entgegen den Ausführungen der Klägerin sei die Anwendungsbestimmung nicht allein auf der Grundlage allgemeiner Erwägungen festsetzt worden. Eingehend legt sie unter Vorlage der Anlage ERA NTA infield mit Stand vom Juli 2022 dar, dass bezogen auf Deutschland im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten der zentralen Zulassungszone spezifische landwirtschaftliche und ökologische Bedingungen gegeben seien, die sich ungünstig auf das Erholungspotenzial geschädigter Populationen von Nichtzielarten auf den Anwendungsflächen auswirkten (Anteil landwirtschaftlich genutzter Flächen an der Gesamtlandschaft, Intensität der Nutzung, Ausstattung der Agrarlandschaften mit naturschutzfachlich wertvollen Flächen, Erhaltungszustand von Arthropoden u.a.). Unter Berücksichtigung der spezifischen Bedingungen in Deutschland sei ohne Risikominderungsmaßnahme kein ausreichendes Wiederbesiedlungspotenzial für die Indikatorarten gegeben. Freilanduntersuchungen zur Ermittlung des tatsächlichen Wiederbesiedlungspotenzials im Feld unter Berücksichtigung der spezifischen nationalen Bedingungen seien von der Klägerin nicht vorgelegt worden. Die Anforderung zusätzlicher Informationen sei nach der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nur durch den prüfenden Mitgliedstaat vorgesehen und an enge zeitliche Vorgaben gebunden. Auch wegen der Zeitdauer für die Erstellung einer entsprechenden Studie sei eine entsprechende Nachforderung im nationalen Verfahren nicht in Betracht gekommen.
Die Beklagte trägt weiter vor, der EuGH habe mit seinen Entscheidungen vom 24. April 2024 (C-308/22; C- 309/22 und C-310/22) klargestellt, dass den beteiligten Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik ein originäres Prüfungsrecht im Rahmen der nationalen Zulassungsentscheidung zustehe. Den Entscheidungen sei zu entnehmen, dass die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats direkte Auswirkungen eines Pflanzenschutzmittels auch dann berücksichtigen dürften, wenn dazu (noch) keine anerkannten wissenschaftlichen Methoden der EFSA vorlägen. Die Entscheidungen seien zu Art. 4 Abs. 3 Buchst. b Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 ergangen, der vergleichbar zu dem hier einschlägigen Buchst. e formuliert sei. Entgegen der Rechtsprechung der Kammer könne deshalb ein Methodenvorbehalt zugunsten der EFSA nicht angenommen werden. Sofern die Kammer dennoch an ihrer Rechtsauffassung festhalten wolle, erscheine eine Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung angebracht. Die Behörden eines Mitgliedstaats seien berechtigt, europäisch nicht harmonisierte Erkenntnisse zu berücksichtigen und auf ihrer Grundlage zu entscheiden, sofern es sich bei ihnen um neuste, einschlägige wissenschaftliche und/oder technische Erkenntnisse handele. Eine Bindung an verfügbare Leitlinien sei insoweit nicht gegeben. Vielmehr habe der EuGH den unverbindlichen Charakter solcher Leitlinien und das Vorsorgeprinzip betont. Risikominderungsmaßnahmen seien nach Art. 36 Abs. 3 Unterabs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 bereits dann zulässig, wenn Bedenken eines Mitgliedstaats in Bezug auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder die Umwelt bestünden. Das Vorliegen spezifischer Bedingungen des Mitgliedstaats sei dagegen insoweit nicht Voraussetzung. Die Anwendungsbestimmung sei demnach sowohl nach Art. 36 Abs. 3 Unterabs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 als auch nach Unterabs. 2 der Norm zulässig. Das Guidance Document stamme aus dem Jahre 2002 und sei inzwischen nicht mehr Ausdruck von Wissenschaft und Technik, sondern veraltet. Die EFSA habe ihr internes Gremium für Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände (Panel on Plant Protection Products and Residues - PPR Panel -) mit der Entwicklung bzw. Aktualisierung der Leitlinien zur terrestrischen Ökotoxikologie beauftragt, das bereits im Jahre 2015 die in Bezug genommene wissenschaftliche Stellungnahme dazu erarbeitet habe (a. a. O.). Seit dem Jahre 2015 befürworte das EFSA-Gremium Studien zu gealterten Rückständen nicht mehr ausdrücklich, sondern habe lediglich festgehalten, dass derartige Studien ein Teil der analytischen Mittel zur Ermittlung von Erholungszeiten seien. Im Jahre 2019 sei der Überarbeitungsbedarf hinsichtlich der Methodik von Studien über gealterte Rückstände nochmals bestätigt worden (a. a. O.). Bislang fehle es an einer wissenschaftlich fundierten Überarbeitung der höherstufigen Tests sowie der Methodologie der Risikobewertung für Nichtzielarthropoden. Die Fragestellung sei aber weiterhin relevant und werde diskutiert, etwa beim Central Zone Harmonization Workshop im April 2025, der dem Austausch der Mitgliedstaaten diene. Damit bestehe erst recht der Raum und die Notwendigkeit, aktuelle Erkenntnisse aus Wissenschaft und Technik in die Risikobewertung des Mitgliedstaats einfließen zu lassen. Neuere Erkenntnisse zur Risikobewertung für Nichtzielarthropoden habe Polen als prüfender Mitgliedstaat dennoch nicht berücksichtigt, obgleich diese langjährig bekannt seien. Es könne als wissenschaftlich gesichert gelten, dass Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Nichtzielarthropoden von der Mobilität, der Physiologie und dem Verhalten der Arten, der Populationsgröße, der Metapopulationsstruktur und der Quelle-Senke-Dynamik ("Source-Sink-Dynamik") abhingen, die wiederum direkt von der Landschaftsstruktur abhänge. Weil Studien zu gealterten Rückständen regelmäßig mit einer einzelnen Art durchgeführt würden, seien ihre Ergebnisse nicht ohne Weiteres auf andere Arten oder Artengemeinschaften übertragbar. Ihre Aussagekraft sei sehr eingeschränkt und bleibe deutlich hinter einer Freilandstudie zurück. Vor diesem Hintergrund sei festzustellen, dass Polen seine Bewertung auf einen veralteten Bewertungsansatz über die Aussagekraft von Studien über gealterte Rückstände gestützt und sich über den anerkannten Stand von Wissenschaft und Technik hinweggesetzt habe. Im Einklang mit dem Guidance Document, aber im Widerspruch zum Stand der Wissenschaft habe Polen eine weitergehende Untersuchung für die Indikatorart Typhodromus pyri und weitere Arten allein deshalb unterlassen, weil die Effekte auf Chrysoperla carnea im erweiterten Labortest stärker gewesen seien als auf Typhodromus pyri. Es habe das Risiko auf der Behandlungsfläche daher nur mit Blick auf Chrysoperla carnea beurteilt und dieses bei deutlich verengtem Fokus insgesamt für annehmbar gehalten. Mithin sei allein auf der Grundlage einer Studie mit gealterten Rückständen für eine einzelne Art gefolgert worden, dass das in der Standardbewertung aufgezeigte Risiko für Nichtzielarthropoden auf der Behandlungsfläche insgesamt annehmbar sei. Eine Einschätzung zur Übertragbarkeit des Ergebnisses unter Berücksichtigung der Lebensweise oder des Lebenszyklus der Arten habe der prüfende Mitgliedstaat nicht vorgenommen. Andere zusätzliche relevante Einflussfaktoren, wie insbesondere die Biologie der Arten, die Landschaftsstruktur und das Vorhandensein geeigneter Quellpopulationen, seien außer Acht gelassen worden, obwohl diese Aspekte bereits zentral in der wissenschaftlichen Stellungnahme der EFSA aus dem Jahre 2015 ihren Niederschlag gefunden hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klage ist als Anfechtungsklage gegen die Anwendungsbestimmung NT306-0/2 zulässig.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann der Adressat eines ihn begünstigenden Verwaltungsakts mit der Anfechtungsklage isoliert eine ihn belastende Nebenbestimmung im Sinne von § 36 Abs. 1 und 2 VwVfG anfechten. Ob die Anfechtungsklage zur isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung führen kann, ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Anfechtungsbegehrens, sofern nicht eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.9.2018 - 8 C 6/17 -, juris; Urt. v. 22.11.2000 - 11 C 2/00 -, juris). Von Nebenbestimmungen zu unterscheiden sind Inhaltsbestimmungen. Diese sind nicht isoliert anfechtbar (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.9.2009 - 5 C 32/08 -, juris Rn. 11). Eine Inhaltsbestimmung ist ein Element der Hauptregelung, welches das genehmigte Tun oder Verhalten entsprechend dem Antrag oder hiervon abweichend festlegt und konkretisiert, indem sie die genehmigte Handlung bzw. das Verhalten räumlich und inhaltlich bestimmt und damit die Genehmigung erst ausfüllt. Das ist der Fall, wenn die Genehmigung erst aufgrund der fraglichen Bestimmung einen vollziehbaren Gehalt erhält. Für die Abgrenzung ist die im Verwaltungsakt zum Ausdruck kommende Regelungsabsicht der Genehmigungsbehörde maßgeblich; es kommt darauf an, welche Rechtsfolgen sie - innerhalb des gesetzlichen Rahmens - mit der jeweiligen Festsetzung erzeugen will. Dabei ist für die rechtliche Einordnung einer im Genehmigungsbescheid enthaltenen Einschränkung der objektive Erklärungsgehalt des Bescheids und nicht die Bezeichnung der entsprechenden Regelung durch die Behörde entscheidend (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.11.2018 - 7 C 9/17 -, juris Rn. 23 ff. m.w.N.; OVG Sachs.-Anh., Beschl. v. 15.6.2023 - 3 M 14/23 -, juris).
Nach diesen Maßgaben hat die Kammer zu der Anwendungsbestimmung NT306-0/1 als im Wesentlichen inhaltsgleicher Vorgängerregelung zu der hier streitgegenständlichen Anwendungsbestimmung NT306-0/2 ausgeführt, dass es sich bei der Anwendungsbestimmung um eine isoliert anfechtbare Nebenbestimmung handelt. Sie begründet eine zusätzliche Leistungsverpflichtung, die selbstständig durchsetzbar ist. Die Anwendungsbestimmung sieht eine Verpflichtung vor, die sich in erster Linie auf die Anwendung des Pflanzenschutzmittels als solches bezieht und sich an den Anwender des Pflanzenschutzmittels richtet. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 PflSchG dürfen Pflanzenschutzmittel nur entsprechend den in der Zulassung festgesetzten, jeweils gültigen Anwendungsbestimmungen angewandt werden. Wird ein Pflanzenschutzmittel entgegen einer Anwendungsbestimmung angewendet, begeht der Anwender gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 7 PflSchG eine Ordnungswidrigkeit. Darüber hinaus scheidet auch eine isolierte Aufhebung der Nebenbestimmung nicht von vornherein offenkundig aus (vgl. im Einzelnen: Urt. d. Kammer v. 18.9.2023 - 1 A 535/21 -, juris Rn. 54 ff.).
An dieser Rechtsprechung zur Statthaftigkeit einer isolierten Anfechtungsklage hält die Kammer fest (vgl. auch Nds. OVG, Beschl. v. 17.4.2024 - 10 LA 134/21 -, juris Rn. 48 ff. zu der Parallelentscheidung d. Kammer v. 18.9.2023 - 1 A 536/21 -, V. n. b.).
Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Die mit Zulassungsbescheid der Beklagten vom 28. Mai 2020 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 25. Oktober 2023 festgesetzte Anwendungsbestimmung NT306-0/2 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Anwendungsbestimmungen ist Art. 36 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln.
Die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 regelt die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in den Art. 28 ff. Nach Art. 33 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 muss eine Zulassung in jedem einzelnen Mitgliedstaat, in dem das Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht werden soll, beantragt werden. Die Risikobewertung nach Art. 36 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nimmt jedoch ausschließlich der Mitgliedstaat vor, der den Zulassungsantrag gemäß Art. 36 Abs. 1 der Verordnung prüft, ohne dass diese Bewertung von den anderen Mitgliedstaaten, die derselben Zone angehören, genehmigt werden müsste (vgl. EuGH, Urt. v 25.4.2024 - C-308/22 -, juris Rn. 55). Die Norm bestimmt, dass der Mitgliedstaat, der den Antrag prüft, eine unabhängige, objektive und transparente Bewertung unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik und unter Heranziehung der zum Zeitpunkt des Antrags verfügbaren Leitlinien vornimmt (Unterabs. 1 Satz 1). Er gibt allen Mitgliedstaaten in der gleichen Zone die Gelegenheit zu einer Stellungnahme, die in der Bewertung berücksichtigt wird (Unterabs. 1 Satz 2). Er wendet die in Artikel 29 Absatz 6 der Verordnung genannten einheitlichen Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln an, um so weit wie möglich festzustellen, ob das Pflanzenschutzmittel bei Verwendung gemäß Artikel 55 der Verordnung in derselben Zone und unter realistisch anzunehmenden Verwendungsbedingungen die Anforderungen gemäß Artikel 29 der Verordnung erfüllt (Unterabs. 2).
Gemäß Art. 36 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gewähren oder verweigern die beteiligten Mitgliedstaaten, d. h. die Mitgliedstaaten, bei denen ein Antrag auf Zulassung zum Inverkehrbringen in ihrem Hoheitsgebiet gestellt worden ist, die Zulassung auf der Grundlage der Schlussfolgerungen aus dieser Bewertung (vgl. auch EuGH, a. a. O., Rn. 56). Eine weitergehende Prüfungskompetenz im Hinblick auf die Entscheidung des prüfenden Mitgliedstaats kommt dem beteiligten Mitgliedstaat grundsätzlich nicht zu (ständige Rechtsprechung des Gerichts, vgl. etwa Urt. v. 12.4.2018 - 9 A 26/16 - , juris). Die Einhaltung der Modalitäten dieses Verfahrens ermöglicht eine Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten. Eine solche Eingrenzung des Handlungsspielraums der Mitgliedstaaten in den Verfahren zur Zulassung von Pflanzenschutzmitteln folgt aus der Harmonisierung der geltenden Vorschriften mit dem Ziel, die Verfahren zu vereinfachen und Kohärenz in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten (vgl. EuGH, a. a. O., Rn. 62 f.).
In diesem Zusammenhang kann es vorkommen, dass ein betreffender Mitgliedstaat die Schlussfolgerung der gemäß Art. 36 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vorgenommenen Risikobewertung nicht teilt (vgl. EuGH, a. a. O., Rn. 57). Insoweit bestimmt Art. 36 Abs. 3 Unterabs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, dass abweichend von Art. 36 Abs. 2 der Verordnung und vorbehaltlich des Gemeinschaftsrechts geeignete Bedingungen in Bezug auf die Anforderungen gemäß Art. 31 Abs. 3 und 4 der Verordnung und andere Maßnahmen zur Risikominderung, die sich aus den spezifischen Verwendungsbedingungen ergeben, festgelegt werden können. Können die Bedenken eines Mitgliedstaats in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt nicht durch die Festlegung nationaler Maßnahmen zur Risikominderung gemäß Unterabsatz 1 ausgeräumt werden, so kann ein Mitgliedstaat nach Art. 36 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in seinem Gebiet verweigern, wenn er angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt noch immer ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt.
Auf dieser rechtlichen Grundlage führt der EuGH in seinem Urteil vom 24. April 2024 (C-308/22, juris Rn. 58 ff.) aus, dass Art. 36 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung dem betreffenden Mitgliedstaat die Möglichkeit einräumt, zum einen geeignete Bedingungen in Bezug auf Inhalt und Dauer der für sein Hoheitsgebiet erteilten Zulassung und zum anderen andere Maßnahmen zur Risikominderung festzulegen, die sich aus den spezifischen Verwendungsbedingungen ergeben. Außerdem steht es dem betreffenden Mitgliedstaat, wenn seine Bedenken in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt durch die Festlegung solcher nationalen Maßnahmen zur Risikominderung nicht ausgeräumt werden, frei, die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in seinem Gebiet gemäß Art. 36 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung mit der Begründung zu verweigern, dass das betreffende Produkt angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen noch immer ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt. Daraus folgt nach der Entscheidung des EuGH, dass die betreffenden Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 36 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009, denen eine Bewertung durch einen anderen Mitgliedstaat gemäß Art. 36 Abs. 1 der Verordnung zur Verfügung steht, innerhalb der in Art. 36 Abs. 3 der Verordnung vorgesehenen Grenzen Maßnahmen zur Risikominderung vorschreiben oder sogar die Zulassung eines solchen Produkts in ihrem Hoheitsgebiet verweigern können, um ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit für Mensch und Tier oder die Umwelt auszuschließen (EuGH, a. a. O., Rn. 60).
Unter Berücksichtigung des Normkontextes, in den sich Art. 36 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 einfügt, ist die Norm nach der Entscheidung des EuGH dahin auszulegen, dass der Mitgliedstaat, der nach Art. 36 Abs. 2 der Verordnung über die Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels entscheidet, von der wissenschaftlichen Risikobewertung betreffend dieses Mittel, die der Mitgliedstaat vorgenommen hat, der den Antrag auf eine solche Zulassung gemäß Art. 36 Abs. 1 der Verordnung prüft, in den Fällen von Art. 36 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung unter anderem dann abweichen darf, wenn ihm die zuverlässigsten wissenschaftlichen oder technischen Daten vorliegen, die der letztgenannte Mitgliedstaat bei der Erstellung seiner Bewertung nicht berücksichtigt hat und die ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt aufzeigen (EuGH, a. a. O., Rn. 70). Der Mitgliedstaat, der über die Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels entscheidet, ist, wenn er der Auffassung ist, dass die von dem Mitgliedstaat, der den Antrag gemäß Art. 36 Abs. 1 der Verordnung prüft, vorgenommene wissenschaftliche Risikobewertung in Anbetracht seiner Bedenken hinsichtlich der Gesundheit von Mensch und Tier oder der Umwelt im Zusammenhang mit spezifischen ökologischen oder landwirtschaftlichen Bedingungen in seinem Gebiet unzureichend begründet ist, nicht verpflichtet, den letztgenannten Mitgliedstaat in die Vornahme einer neuen Bewertung einzubeziehen, auf deren Grundlage die Zulassung zum Inverkehrbringen des Pflanzenschutzmittels erteilt werden kann (EuGH, a. a. O., Rn. 84).
Nach diesen Maßgaben war die Beklagte auf der Grundlage von Art. 36 Abs. 3 Unterabs. 1 und Unterabs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nicht zur Festsetzung der Anwendungsbestimmung NT306-0/2 berechtigt.
Für das betroffene Pflanzenschutzmittel der Klägerin hat Polen als prüfender Mitgliedstaat die Bewertung gemäß Art. 36 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vorgenommen. Gemäß Art. 36 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung hatte es dabei unter Anwendung der in Art. 29 Abs. 6 der Verordnung genannten einheitlichen Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln so weit wie möglich festzustellen, ob das Pflanzenschutzmittel bei Verwendung in derselben Zone und unter realistisch anzunehmenden Verwendungsbedingungen die Anforderungen gemäß Art. 29 der Verordnung erfüllt. Nach Art. 29 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung wird ein Pflanzenschutzmittel unbeschadet des Art. 50 der Verordnung nur zugelassen, wenn es entsprechend den einheitlichen Grundsätzen gemäß Art. 29 Abs. 6 der Verordnung unter anderem - was hier allein einschlägig ist - unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik die Anforderungen gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung erfüllt. Nach Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 dürfen Pflanzenschutzmittel keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben, und zwar unter besonderer Berücksichtigung verschiedener in der Norm genannter Aspekte, zu denen die Auswirkung auf Arten zählt, die nicht bekämpft werden sollen, einschließlich des dauerhaften Verhaltens dieser Arten (ii), soweit es von der Behörde anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte gibt.
Die in Art. 29 Abs. 1 der Verordnung in Bezug genommenen einheitlichen Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln sind im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 546/2011 enthalten. Danach haben die Mitgliedstaaten zu bewerten, ob unter den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen eine Exposition anderer Nutzarthropoden als Honigbienen gegenüber dem Pflanzenschutzmittel möglich ist; besteht diese Möglichkeit, so bewerten sie, welche letalen und subletalen Wirkungen auf diese Organismen nach Anwendung des Pflanzenschutzmittels gemäß den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen zu erwarten sind und ob eine Verringerung ihrer Aktivität eintritt (Teil A, Nr. 1.5.2.4). Bei dieser Bewertung haben sie unter anderem alle im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 284/2013 vorgesehenen relevanten Informationen über das Pflanzenschutzmittel, wie Auswirkungen auf andere Nutzarthropoden als Bienen, zu berücksichtigen (Nr. 1.5.2.4 iii)).
Die Verordnung (EU) Nr. 284/2013 zur Festlegung der Datenanforderungen für Pflanzenschutzmittel gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 bestimmt zu den von einem Zulassungsantragsteller vorzulegenden Daten, dass zwingend Versuche zu den Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden durchzuführen sind, wenn das Pflanzenschutzmittel - wie hier - mehr als einen Wirkstoff enthält (Anh., Teil A, Nr. 10.3.2). Bei den Versuchen sind zwei Indikatorarten, der GetreideblattlausParasitoid Aphidius rhopalosiphi und die Raubmilbe Typhlodromus pyri zu untersuchen. Bei den Tests der ersten Stufe sind Glasplatten zu verwenden; es sind sowohl die Mortalitätsrate als auch die Auswirkungen auf die Reproduktion (sofern Bewertungsgegenstand) anzugeben (a. a. O.). Nr. 10.3.2.1 bestimmt für Standardlaborversuche mit Nichtzielarthropoden, dass die Versuche ausreichend Informationen liefern müssen, damit die Toxizität des Pflanzenschutzmittels für die beiden Indikatorarten anhand der Analyse des betreffenden Risikoquotienten bewertet werden kann. Ergeben sich Hinweise auf schädliche Auswirkungen, so sind Untersuchungen auf der Grundlage von höherstufigen Studien durchzuführen, um genauere Daten zu erhalten. Für eine höherstufige Bewertung ist die Analyse des Risikoquotienten, die für Standardlaborversuche mit Nichtzielarthropoden herangezogen wird, nicht geeignet (a. a. O.). Bei der höherstufigen Bewertung sind zunächst die von den Standardversuchen der Stufe 1 betroffenen Indikatorarten zu untersuchen. Ergeben sich für eine oder beide Standardindikatorarten auf der Zielfläche Hinweise auf ein Risiko, so sind die Versuche zusätzlich mit einer weiteren Art durchzuführen (Ziff. 10.3.2.2). Als höherstufige Studien erkennt die Verordnung (EU) Nr. 284/2013 erweiterte Laborversuche und die Untersuchung der Auswirkungen gealterter Rückstände (Nr. 10.3.2.2), Halbfreilandversuche (Nr. 10.3.2.3), Freilandversuche (Nr. 10.3.2.4) sowie gegebenenfalls zusätzliche spezifische Untersuchungen (Nr. 10.3.2.5) an. Die Untersuchung der Auswirkungen gealterter Rückstände ist anhand der empfindlichsten Tierart durchzuführen, damit Erkenntnisse über die Zeitspanne für eine mögliche Neubesiedlung der behandelten Zielfläche gewonnen werden können (vgl. Nr. 10.3.2.2). Zu bewerten ist bei der Untersuchung der Auswirkungen gealterter Rückstände, wie lange die Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden auf der Zielfläche anhalten. Untersuchungsgegenstand sind unter anderem die Alterung von Pflanzenschutzmittelbelägen unter Freilandbedingungen (evtl. ist ein Regenschutz angeraten), wobei die Testorganismen behandelten Blättern oder Pflanzen unter Labor- oder Halbfreilandbedingungen bzw. einer Kombination beider Methoden (z. B. Mortalitätsbewertung unter Halbfreilandbedingungen und Bewertung der Reproduktionsfähigkeit unter Laborbedingungen) auszusetzen sind (Nr. 10.3.2.2, Buchst. b).
Ergibt die von den Mitgliedstaaten vorzunehmende Bewertung unter Berücksichtigung der vom Zulassungsantragsteller vorzulegenden Daten, dass die Möglichkeit einer Exposition anderer Nutzarthropoden als Honigbienen besteht, wird im Rahmen der Entscheidungsfindung nach dem Anhang der Verordnung (EU) Nr. 546/2011, Teil A, Nr. 2.5.2.4. keine Zulassung erteilt, wenn mehr als 30 v. H. der Versuchsorganismen im Letal- oder Subletaltest, der in einem Labor bei der höchsten vorgeschlagenen Aufwandmenge durchgeführt wird, geschädigt werden, es sei denn, eine geeignete Risikobewertung erbringt den Nachweis, dass bei Feldbedingungen nach Anwendung des Pflanzenschutzmittels unter den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen keine unannehmbaren Auswirkungen auf die betreffenden Organismen eintreten.
Das Guidance Document der Europäischen Kommission zur terrestrischen Ökotoxikologie vom 17. Oktober 2002 bestimmt in diesem Zusammenhang unter Ziffer 5 anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung der Auswirkungen der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln auf Nichtzielarthropoden auf der Anwendungsfläche ("in-field" - Ziffer 5.3). Diese Risikobewertungsmethoden können als von der EFSA im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Buchst. e ii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 anerkannt angesehen werden. Denn auch wenn die EFSA nicht Verfasserin des noch unter Geltung der Richtlinie 91/414/EWG von der Europäischen Kommission erstellten Guidance Documents ist, wendet die EFSA das Guidance Document bei der Entscheidung über die Erteilung von Wirkstoffgenehmigungen selbst an (vgl. bereits Urt. der Kammer v. 29.9.2021 - 1 A 130/21 -, juris Rn. 56; Urt. v. 18.9.2023 - 1 A 535/21 -, juris Rn. 69). Für die Bewertung der Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden auf der Anwendungsfläche ist dementsprechend eine von der EFSA anerkannte Methode gegeben.
Das Guidance Document sieht insoweit einen stufenweisen Ansatz der Risikobewertung für Nichtzielarthropoden auf der Anwendungsfläche vor. Höherstufige Tests sind erforderlich, wenn ein Risiko in niedrigeren Bewertungsstufen angezeigt wird (Nr. 5.1.). Ausgangspunkt sind auf der ersten Stufe Standardtests, bei denen das Risiko anhand des Risikoquotienten (HQ) beurteilt wird (Nr. 5.3). Ist der Risikoquotient für eine oder beide der untersuchten Arten gleich oder größer 2, sollen höherstufige Untersuchungen an der betroffenen Art und einer weiteren Art mit anderer Biologie durchgeführt werden, wenn keine geeigneten Risikominderungsmaßnahmen ermittelt werden können (a. a. O.). Bei erweiterten Laborversuchen und Halbfreilandversuchen werden letale und subletale Wirkungen von weniger als 50 % als akzeptabel angesehen, sofern die Versuche die entsprechende Feldrate abdecken. Im Allgemeinen muss nachgewiesen werden, dass ein Potenzial für eine Wiederbesiedlung/Erholung mindestens innerhalb eines Jahres, vorzugsweise jedoch innerhalb eines kürzeren Zeitraums besteht, der von der Biologie (saisonales Muster) der Art abhängt. Die Bewertung kann sich auf Feldstudien oder andere Nachweise stützen, z. B. Ergebnisse von Studien über gealterte Rückstände, Informationen über den Verbleib in der Umwelt (a. a. O.).
Die von Polen als prüfenden Mitgliedstaat nach Art. 36 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vorgenommene Bewertung der Auswirkungen des Pflanzenschutzmittels auf Nichtzielarthropoden auf der Behandlungsfläche entspricht den dargelegten rechtlichen Vorgaben und den von der EFSA insofern im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Buchst. e ii) der Verordnung anerkannten wissenschaftlichen Bewertungsmethoden in Gestalt des Guidance Documents. Auf der ersten Stufe hat Polen die Ergebnisse von Standardtests mit den zwei Indikatorarten Typhlodromus pyri und Aphidius rhopalosiphi ausgewertet. Dabei ergab sich jeweils ein Risikoquotient größer 2 (2,6 für Typhlodromus pyri und 12,8 für Aphidius rhopalosiphi), weshalb im Rahmen der höherstufigen Bewertung erweiterte Laborversuche in die Bewertung einbezogen wurden. Diese ergaben für die Indikatorart Aphidius rhopalosiphi eine PER in-field unter 50 % und deuteten damit insoweit nicht mehr auf ein bestehendes unannehmbares Risiko hin. Für die Indikatorart Typhlodromus pyri und die zusätzlich berücksichtigte Spezies Chrysoperla carnea zeigte sich allerdings jeweils eine PER in-field von über 50 % als Anhaltspunkt für das Bestehen unannehmbarer Auswirkungen. Weitergehend berücksichtigte Polen im Rahmen der verfeinerten Risikobewertung eine vorgelegte Studie über gealterte Rückstände für die Spezies Chrysoperla carnea, die nach Ablauf von sieben Tagen ein akzeptables Risiko ergab (Sterblichkeit von 39 %). Dazu führte Polen aus, bei dieser Spezies handele es sich eindeutig um die empfindlichste Art, die deshalb ausschlaggebend für die Risikobewertung für Nichtzielarthropoden sei. Die darauf bezogene Studie über gealterte Rückstände habe gezeigt, dass die Toxizität des Pflanzenschutzmittels mit der Zeit rasch abnehme. Weil die Spezies empfindlicher sei als Typhlodromus pyri, sei das Risiko für diese Spezies durch die Studie über gealterte Rückstände abgedeckt und es sei keine weitere Verfeinerung erforderlich (vgl. DRR, Core Assessment vom 22.3.2019, aktualisiert am 10.7.2019, Part B, Section 9 - Ecotoxicology -, Ziff. 9.7.2.1). Risikominderungsmaßnahmen seien nicht erforderlich (vgl. DRR, a. a. O., Ziff. 9.7.2.4). Abschließend stellte Polen fest, dass nach den Ergebnissen der durchgeführten Risikobewertung ein geringes Risiko für und keine unannehmbaren Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden innerhalb der Behandlungsfläche zu erwarten seien (vgl. DRR, a. a. O., Ziff. 9.7.3).
Dass die von Polen berücksichtigte Studie über gealterte Rückstände mangelhaft wäre, ist nicht ersichtlich. Sie bezieht sich nach der Bewertung Polens auf die als empfindlichste Art einzuordnende Spezies Chrysoperla carnea. Diese Einordnung wird von der Beklagten nicht angegriffen (vgl. Schriftsatz d. Bekl. v. 28.4.2025, S. 7 und S. 18). Soweit Polen vor dem Hintergrund der stärkeren Empfindlichkeit von Chrysoperla carnea das Risiko für die Spezies Typhlodromus pyri als durch die Studie über gealterte Rückstände abgedeckt gesehen und keine weitere Verfeinerung für erforderlich gehalten hat, entspricht dies den Bewertungs- und Entscheidungsvorgaben. Die Verordnung (EU) Nr. 284/2013 bestimmt für die vom Zulassungsantragsteller vorzulegenden und - wie ausgeführt - bei der Risikobewertung nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 546/2011 zu berücksichtigenden Informationen, dass die Untersuchung der Auswirkungen gealterter Rückstände anhand der empfindlichsten Tierart durchzuführen ist (Anh., Teil A, Nr. 10.3.2.2). Die Studie über gealterte Rückstände hat für einen Zeitraum von sieben Tagen eine Sterblichkeit von 39 % und für einen Zeitraum von 14 Tagen eine Sterblichkeit von 20,4 % ergeben. Dieses Risiko ist von Polen nachvollziehbar als annehmbar bewertet worden, weil sich eine zeitlich rasche Abnahme der Toxizität des Pflanzenschutzmittels gezeigt habe (vgl. DRR, a. a. O., Ziff. 9.7.2.1). Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass das beantragte Applikationsszenario zwei Anwendungen im Abstand von 14 Tagen umfasst, und deshalb annimmt, entgegen der Bewertung Polens könne eine ausreichend verminderte Toxizität frühestens nach 28 Tagen und nicht schon nach 14 Tagen angenommen werden (vgl. Stellungnahme des UBA vom 5.4.2022, Anl. B2 zum Schriftsatz d. Bekl. v. 16.5.2022, S. 11; Schriftsatz d. Bekl. v. 28.4.2025, S. 20), kann dem nicht gefolgt werden. Der Zulassungsantrag der Klägerin vom 17. September 2018 sieht für die beantragten Anwendungen zwei Behandlungen pro Jahr mit einem Mittelaufwand für eine Behandlung von jeweils 1,5 l/ha und einem maximalen Mittelaufwand für die vorgesehene Kultur pro Jahr von jeweils 3 l/ha vor. Polen hat eingangs seiner Risikobewertung für Nichtzielarthropoden auf der Anwendungsfläche klargestellt, dass sich die Risikobewertung auf den ungünstigsten Fall ("worst-case field application rate") der zweimaligen Ausbringung des Pflanzenschutzmittels mit einem Mittelaufwand von jeweils 1,5 l/ha bezieht (vgl. DRR, a. a. O., Ziff. 9.7.2.1 und Tabelle 9.7-2 zur Application rate). Die auf der Grundlage der Studie zu gealterten Rückständen berechneten Sterblichkeitsraten von 39 % nach sieben Tagen und von 20,4 % nach 14 Tagen beziehen sich nach der Angabe im Bewertungsbericht auf einen Mittelaufwand von 3 l/ha und damit bereits auf den maximalen Mittelaufwand pro Jahr (DRR, a. a. O.). Bezogen auf diesen maximalen Mittelaufwand pro Jahr ergibt sich schon nach sieben Tagen eine deutlich unter dem zulässigen Wert von 50 % liegende Mortalitätsrate. Dies gilt erst recht nach 14 Tagen. Auch unter Berücksichtigung der zweimaligen Anwendung des Pflanzenschutzmittels ist die Schlussfolgerung Polens, dass die Studie mit gealterten Rückständen eine zeitlich rasche Abnahme der Toxizität des Pflanzenschutzmittels gezeigt habe, demnach plausibel und überzeugend.
Ebenso wenig überzeugt der zuletzt vorgetragene Einwand der Beklagten, die erweiterte Laborstudie habe für die Testspezies Chrysoperla carnea bei der einfachen Aufwandmenge des Pflanzenschutzmittels von 1,5 l/ha eine Mortalität von knapp 80 % ergeben, die wegen der deutlichen Abweichung von der wesentlich geringeren Mortalität nach der Studie zu gealterten Rückständen und der fehlenden Vergleichbarkeit des Expositionsdesigns der Studien neben dem Ergebnis der Rückstandsstudie Berücksichtigung finden müsse, zumal es sich um Studien auf der gleichen Ebene der höherstufigen Bewertung handele (vgl. Schriftsatz v. 28.4.2025, S. 18 ff.). Zur fehlenden Vergleichbarkeit des Expositionsdesigns weist die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hin, dass hinsichtlich der Exposition in Studien mit gealterten Rückständen bei Applikation der Testsubstanz auf ganze Pflanzen eine heterogene Verteilung der Testsubstanz auf den Blättern auftreten könne. Zudem finde die Applikation des Pflanzenschutzmittels im Test mit gealterten Rückständen zwar außerhalb des Labors statt, könne aber nicht mit einer realen großflächigen Sprühanwendung gleichgesetzt werden. Es handele sich um eine "artifizielle" Exposition (Schriftsatz v. 28.4.2025, a. a. O.). Die von der Beklagten vorgetragenen Bedenken, die sich nicht nur für die konkrete Rückstandsstudie ergeben, sondern andere Studien dieser Art gleichermaßen betreffen, weil sie allgemeiner Natur sind, erscheinen nicht durchgreifend, weil - wie ausgeführt - die Verordnung (EU) Nr. 284/2013 und das Guidance Document Studien zur Untersuchung der Auswirkungen gealterter Rückstände anerkennen, wobei die Vorgaben zum Untersuchungsaufbau erkennen lassen, dass Abweichungen von den realen Anwendungsbedingungen insoweit hingenommen werden. Denn in der Verordnung (EU) Nr. 284/2013 ist für die Untersuchung der Auswirkungen gealterter Rückstände vorgesehen, dass Untersuchungsgegenstand unter anderem die Alterung von Pflanzenschutzmittelbelägen unter Freilandbedingungen ist (evtl. ist ein Regenschutz angeraten), wobei die Testorganismen behandelten Blättern oder Pflanzen unter Labor- oder Halbfreilandbedingungen bzw. einer Kombination beider Methoden (z. B. Mortalitätsbewertung unter Halbfreilandbedingungen und Bewertung der Reproduktionsfähigkeit unter Laborbedingungen) auszusetzen sind (Nr. 10.3.2.2, Buchst. b). Einschränkungen der Aussagekraft derartiger Studien sind insbesondere der Verordnung (EU) Nr. 284/2013 nicht zu entnehmen, der verbindliche Rechtsnormwirkung zukommt.
Soweit die Beklagte darüber hinaus geltend macht, in Übereinstimmung mit dem Guidance Document sei es zulässig, eine Risikobewertung ohne Berücksichtigung der Studie zu gealterten Rückständen als höherstufiger Studie vorzunehmen, weil das Guidance Document eine höherstufige Bewertung nur unter der Voraussetzung vorsehe, dass ein auf der Grundlage der Standardbewertung angezeigtes Risiko nicht schon durch die Festlegung von Risikominderungsmaßnahmen adressiert werden könne (vgl. Guidance Document, Nr. 5.3: "If no appropriate risk mitigation measures can be identified, then the notifier should carry out higher tier studies..."), was hier jedoch mit der Anwendungsbestimmung NT306-0/2 als Risikominderungsmaßnahme möglich sei, ist die Kammer dieser Rechtsauffassung in ihren Entscheidungen vom 18. September 2023 (1 A 535/21 und 1 A 536/21) nicht gefolgt. Dem steht entgegen, dass die Verordnung (EU) Nr. 284/2013, welche die Datenanforderungen regelt, die - wie dargelegt - als Informationen bei der Risikobewertung nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 546/2011 zu berücksichtigenden sind, ausdrücklich bestimmt, dass Untersuchungen auf der Grundlage von höherstufigen Studien durchzuführen sind, wenn sich nach Durchführung der Standardlaborversuche Hinweise auf schädliche Auswirkungen ergeben, um genauere Daten zu erhalten. Der Verordnung (EU) Nr. 284/2013 kommt im Unterschied zu einem Guidance Document verbindliche Rechtswirkung zu. Zudem wäre es mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zu vereinbaren, dem Zulassungsantragsteller die Möglichkeit zu nehmen, durch Vorlage höherstufiger Studien ein auf niedrigerer Bewertungsstufe indiziertes Risiko zu entkräften (vgl. Urt. d. Kammer v. 18.9.2023 - 1 A 535/21 -, juris Rn. 79). An dieser Rechtsprechung hält die Kammer fest.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann auch nicht festgestellt werden, dass die Bewertung Polens nicht - wie von Art. 36 Abs. 1 und Art. 29 Abs. 1 Buchst. e Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gefordert - unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik vorgenommen worden wäre. Die Beklagte macht insoweit geltend, das Guidance Document aus dem Jahre 2002 sei veraltet. Studien mit gealterten Rückständen seien nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik allein geeignet aufzuzeigen, dass eine Wiederbesiedlung und Erholung der Populationen von Nichtzielarthropoden innerhalb eines bestimmten Zeitraums theoretisch möglich sei. Um die tatsächliche Aussagekraft derartiger Studien zu beurteilen, müssten nach aktuellem Wissensstand eine Reihe weiterer relevanter Faktoren berücksichtigt werden (u. a. Vorhandensein ausreichender Quellpopulationen für eine Wiederbesiedlung, Biologie der Arten und Landschaftsstruktur), denen Einfluss auf die Wiederbesiedlung der Anwendungsfläche zukomme. Eine solche differenzierte Betrachtung habe Polen nicht vorgenommen. Hinsichtlich der nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik bei der Risikobewertung zu berücksichtigenden Erkenntnisse bezieht sich die Beklagte auf die Scientific Opinion der EFSA aus dem Jahre 2015 (a. a. O.), die nach ihrer Einschätzung den derzeit aktuellsten von der EFSA veröffentlichten Stand von Wissenschaft und Technik für die Methoden zur Beurteilung der Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Nichtzielarthropoden darstellt (vgl. Schriftsatz vom 28.4.2025, S. 10). Zu berücksichtigen ist allerdings, dass es sich bei der Scientific Opinion des EFSA-Gremiums für Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände aus dem Jahre 2015 um ein wissenschaftliches Gutachten zum Stand der Risikobewertung für Nichtzielarthropoden handelt, das im Rahmen der Überprüfung des Risikobewertungssystems erstellt worden ist. Das Gutachten ist als Vorläufer eines Leitliniendokuments für Nichtzielarthropoden erarbeitet worden. Es enthält entsprechend seines Wortlauts (vgl. etwa "is suggested", "it is proposed", "it is recommended") Vorschläge und Anregungen für den weiteren Prozess der Überprüfung der Risikobewertung und zeigt auf, in welchen Bereichen das Gremium Überarbeitungsbedarf sieht, ohne jedoch selbst bereits eine (neue) Methodik der Risikobewertung festzulegen bzw. zu konkretisieren (vgl. in diesem Sinne zur Scientific Opinion des EFSA-Gremiums über den Stand der Wissenschaft zur Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln für terrestrische Nichtzielpflanzen aus dem Jahr 2014 auch: Urt. d. Kammer v. 29.9.2021 - 1 A 130/21 -, juris Rn. 57 f.). Auch das Nds. Oberverwaltungsgericht hat in seinen Entscheidungen zur Anwendungsbestimmung NT306-0/1 dargelegt, dass aus dem Vortrag der Beklagten, das EFSA-Gremium für Pflanzenschutzmittel würde Studien über gealterte Rückstände seit dem Jahr 2015 nicht mehr ausdrücklich befürworten, nicht folge, dass die in jenem Verfahren vorgelegten Rückstandsstudien nicht mehr dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen würden. Auch wenn ein Überarbeitungsbedarf bestehen würde oder Experten "Bedenken" geäußert hätten, ob Studien zu gealterten Rückständen geeignet seien, ein auf niedriger Bewertungsstufe gezeigtes Risiko zu entlasten, sei damit noch nicht hinreichend dargelegt, welche andere Methodik dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen würde (vgl. Beschl. v. 17.4.2024 - 10 LA 134/23 -, juris Rn. 30). Letztlich bleibe es bei der von der Beklagten gesehenen Notwendigkeit, zusätzliche relevante Einflussfaktoren, wie die Biologie der Arten, Landschaftsstruktur und Vorhandensein geeigneter Quellpopulationen einzubeziehen, bei einer Behauptung, ohne dass sie darlegen würde, dass ihre diesbezügliche Forderung auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen würde (a. a. O., Rn. 31).
Eine andere Methode der Risikobewertung folgt auch nicht aus dem von der Beklagten in Bezug genommenen Dokument zu einem Expertentreffen der EFSA zu allgemeinen, wiederkehrenden Fragen im Rahmen der Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln aus dem Jahre 2019 (a. a. O.). Auch insoweit wird allein der Stand der Diskussion unter den Experten wiedergegeben und es werden Vorschläge formuliert, die im Rahmen der Überarbeitung der Risikobewertung für Nichtzielarthropoden berücksichtigt werden sollten, ohne das die Diskussion abschließend in einen konkreten (neuen) Ansatz der Risikobewertung mündet (a. a. O., Ziff. 5). Soweit in dem Bericht ausgeführt ist, die Sachverständigen hätten die Sorge geäußert, dass die Verwendung von Studien über gealterte Rückstände im Allgemeinen nicht ausreiche, um die Wiederherstellung/Wiederbesiedlung nachzuweisen, da die Wiederbesiedlung stark von der Landschaftskonfiguration abhänge (a. a. O., Ziff. 5.2.1), reicht dies nicht über das Aufzeigen von Bedenken hinaus, ohne eine abschließende wissenschaftliche Bewertung oder eine andere Methodik der Risikobewertung darzulegen. Das Dokument stellt zudem das von Polen angewandte stufenweise Risikobewertungsschema mit Studien zu gealterten Rückständen im Rahmen der höherstufigen Bewertung, das sich auf das Guidance Document stützt, als das aktuelle bzw. derzeitige ("current") Risikobewertungsschema dar (a. a. O., Ziff. 5.1 und 5.2), woraus sich erkennen lässt, dass dieses trotz der Scientific Opinion des EFSA-Gremiums aus dem Jahre 2015 auch von den Experten als weiterhin maßgeblich angesehen wurde.
Dass die Überarbeitung der Risikobewertung für Nichtzielarthropoden noch nicht abgeschlossen ist, wird des Weiteren daran deutlich, dass die Europäische Kommission der EFSA am 21. Juni 2024 das Mandat zur Überprüfung der Risikobewertungsmethodik und der Leitlinie für andere Nichtzielarthropoden als Bienen erteilt hat (vgl. Schr. der EU-Komm. v. 21.6.2024 - SANTE.E.4/SH/et(2024)5040527 -, Request to EFSA to review the Guidance Document on Terrestrial Ecotoxicology -). Die EFSA hat dazu einen Technischen Bericht vom Januar 2025 veröffentlicht, dem eine Gliederung für die Überarbeitung des Guidance Documents zu entnehmen ist (Outline for the revision of the terrestrial ecotoxicology guidance document and for the development of an approach on indirect effects, Version 1.0, EFSA supporting publication 2025:EN-9216.17). Der Prozess der Überarbeitung der Risikobewertung ist dementsprechend noch nicht abgeschlossen.
Damit ist weder eine neue von der EFSA im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Buchst. e ii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 anerkannte Methode zur Bewertung von Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden gegeben noch liegen zuverlässigste wissenschaftliche oder technische Daten im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 25.4.2024 - C-308/22 -, juris Rn. 70) vor, die der prüfende Mitgliedstaat Polen nicht berücksichtigt hätte und welche die Festsetzung einer Risikominderungsmaßnahme erfordernde nachteilige Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden auf der Anwendungsfläche aufzeigen würden.
Während in den Verfahren des EuGH festzustellen war, dass der prüfende Mitgliedstaat eine bereits vorliegende Leitlinie der EFSA zur Bewertung des Risikos von Pflanzenschutzmitteln für Bienen nicht berücksichtigt hatte (Urt. v. 25.4.2024 - C- 308/22 -, juris Rn. 32) bzw. verordnungsrechtlich spezifische Kriterien zur Beurteilung der endokrinschädlichen Eigenschaften der Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln eingeführt worden waren (Urt. v. 25.4.2024 - C-309/22 und C-310/22 -, juris Rn. 20 f., 73 ff.), hat sich hier ein neuer zuverlässigster Stand von Wissenschaft und Technik hinsichtlich der Bewertung der Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden auf der Behandlungsfläche noch nicht herausgebildet. Insoweit unterscheidet sich das anhängige Verfahren auch von dem von der Beklagten zuletzt in Bezug genommenen Beschluss der Kammer vom 13. Februar 2025 (1 B 473/24, juris), denn in diesem Verfahren lag für den Wirkstoff eines Pflanzenschutzmittels eine neue Bewertung der EFSA (EFSA Conclusion) vor, aus der sich endokrinschädliche Eigenschaften des Wirkstoffs ergaben (a. a. O., Rn. 25).
Auch die Beklagte geht im Übrigen davon aus, dass es bislang an einer wissenschaftlich fundierten Überarbeitung der höherstufigen Tests sowie der Methodologie der Risikobewertung für Nichtzielarthropoden fehlt (vgl. Schriftsatz v. 11.11.2024, S. 70).
Bei dieser Sachlage findet die streitgegenständliche Anwendungsbestimmung weder in Art. 36 Abs. 3 Unterabs. 1 i. V. m. Art. 31 Abs. 3 und 4 noch in Art. 36 Abs. 3 Unterabs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 eine rechtliche Grundlage. Sowohl für Risiko-minderungsmaßnahmen nach Art. 36 Abs. 3 Unterabs. 1 als auch für eine auf Art. 36 Abs. 3 Unterabs. 2 bei Vorliegen spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit als milderes Mittel gegenüber der Versagung der Zulassung gestützte Risikominderungsmaßnahme bedarf es mindestens des Vorliegens von Bedenken in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt (vgl. im Einzelnen: Urt. d. Gerichts v. 12.4.2018 - 9 A 26/16 -, juris Rn. 71 ff.). Davon geht auch die Beklagte aus (vgl. Schriftsatz v. 11.11.2024, S. 11). Durchgreifende Bedenken in Bezug auf die Umwelt hinsichtlich der Auswirkungen des Pflanzenschutzmittels auf Nichtzielarthropoden auf der Anwendungsfläche sind nach der dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik entsprechenden zonalen Bewertung Polens jedoch nicht begründet und die Beklagte hat - wie ausgeführt - keine zuverlässigsten wissenschaftlichen oder technischen Daten dargelegt, die eine andere Risikobewertungsmethode umfassen und eine abweichende Risikobewertung stützen würden, welche die Festsetzung der angefochtenen Risikominderungsmaßnahme erfordern würde.
Soweit die Beklagte das Vorliegen spezifischer Bedingungen für Deutschland annimmt, aus denen sich jedenfalls für das Bundesgebiet berechtigte Bedenken in Bezug auf die Umwelt ergäben, nimmt die Kammer daneben auf die folgenden Ausführungen in ihrer Entscheidung vom 18. September 2023 (1 A 535/21, juris Rn. 92 f.) zur Anwendungsbestimmung NT306-0/1 Bezug:
"Vorliegend hat die Beklagte, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt, nicht hinreichend dargelegt, dass sie angesichts spezifischer Bedingungen im Bundesgebiet Bedenken in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt hat. Nachdem als Ergebnis der höherstufigen Risikobewertung auf der Grundlage der von der Klägerin vorgelegten Studien unannehmbare Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden auf der Anwendungsfläche bezogen auf die gesamte Zulassungszone nicht ersichtlich sind, hätte es der Beklagten oblegen, konkret und vereinzelt darzulegen, dass und aus welchen Gründen die Risikobewertung für Deutschland abweichend ausfällt und welche konkreten Effektwerte für Nichtzielarthropoden hier ggf. anzunehmen sind, die den zulässigen Grenzwerten des Guidance Documents für die terrestrische Risikobewertung nicht genügen. Dies gilt umso mehr, als sich die Ergebnisse der von der Klägerin vorgelegten Studien über gealterte Rückstände noch nicht einmal im Grenzbereich der nach dem Guidance Document zulässigen Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden bewegen. Eine konkrete Betrachtung der Auswirkungen des hier im Streite stehenden Pflanzenschutzmittels der Klägerin ist den Ausführungen der Beklagten und insbesondere der zur Begründung herangezogenen Anlage_ERA_NTA infield allerdings nicht zu entnehmen. Dass sich die Expositionsbewertung des UBA aufgrund des Vorliegens spezifischer Bedingungen im Bundesgebiet konkret für das hier im Streite stehende Pflanzenschutzmittel dahingehend verschlechtern würde, dass gemessen am maßgeblichen Grenzwert kein Potenzial für eine Wiederbesiedlung/Erholung von Nichtzielarthropoden im Feld innerhalb eines Jahres mehr angenommen werden könnte, wurde weder vereinzelt vorgetragen noch ist dies aus sonstigen Gründen erkennbar.
Unabhängig davon wäre die Beklagte selbst bei Darlegung eines jedenfalls für Deutschland trotz Berücksichtigung der Ergebnisse der Studien über gealterte Rückstände bestehenden unannehmbaren Risikos für Nichtzielarthropoden auf der Anwendungsfläche nicht ohne Weiteres zur Festsetzung von Risikominderungsmaßnahmen berechtigt. Ergeben Standardlaborversuche und erweiterte Laborversuche bzw. die Untersuchung der Auswirkungen gealterter Rückstände nämlich schädliche Auswirkungen, sind nach der Verordnung (EU) Nr. 284/2013 Halbfreiland- bzw. Freilandversuche durchzuführen (vgl. Nrn. 10.3.2.3 und 10.3.2.4 jeweils zum Punkt "Fälle, in denen Versuche durchzuführen sind"). Gleiches folgt aus Nr. 10.3.2.1 der Anlage der Verordnung, wonach Untersuchungen auf der Grundlage höherstufiger Studien durchzuführen sind, um genauere Daten zu erhalten, wenn sich Hinweise auf schädliche Auswirkungen ergeben, denn hier wird ausdrücklich auf die Nummern 10.3.2.2 bis 10.3.2.5 Bezug genommen, also auch auf Halbfreilandversuche (10.3.2.3) und Freilandversuche (10.3.2.4). Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wäre die Beklagte daher in diesem Fall dazu angehalten, die Klägerin ausdrücklich zur Durchführung von Halbfreiland- bzw. Freilandversuchen aufzufordern, da diese Aufforderung ein milderes Mittel im Vergleich zu der Festsetzung der Anwendungsbestimmung NT306-0/1 darstellt."
Diese Ausführungen gelten für das anhängige Klageverfahren und die der Anwendungsbestimmung NT306-0/1 nachfolgende, im Wesentlichen inhaltsgleiche Anwendungsbestimmung NT306-0/2 gleichermaßen. Auch für das hier betroffene Pflanzenschutzmittel zeigt die vom prüfenden Mitgliedstaat Polen berücksichtigte Studie über gealterte Rückstände bezogen auf den maximalen Mittelaufwand pro Jahr von 3 l/ha nach sieben Tagen Werte, die sich deutlich unterhalb der nach dem Guidance Document zulässigen Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden bewegen und auf eine Wiederbesiedlung/Erholung von Nichtzielarthropoden im Feld schließen lassen. Die Bewertung Polens ist entsprechend Art. 36 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 grundsätzlich auf die Verwendung des Pflanzenschutzmittels in der gesamten Zone bezogen. Weder die Verordnungen (EU) Nr. 284/2013 und (EU) Nr. 546/2011 noch das Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung sehen eine Vorgabe dahingehend vor, dass sich Studien über gealterte Rückstände in räumlicher Hinsicht auf die Landschaftsstrukturen der jeweiligen Mitgliedstaaten beziehen müssen (vgl. im Einzelnen: Urt. d. Kammer v. 18.9.2023 - 1 A 535/21 -, juris Rn. 83). Eine konkrete Betrachtung der Auswirkungen des hier betroffenen Pflanzenschutzmittels im oben genannten Sinne ist auch vorliegend nicht erfolgt. Insbesondere sind auch die auf die Ergebnisse der erweiterten Laborstudie gestützten Ausführungen der Beklagten - wie dargelegt - insoweit nicht ausreichend. Soweit die Beklagte geltend macht, eine Aufforderung des Zulassungsantragstellers zur Vorlage von Freilanduntersuchungen sei nach der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 für den beteiligten Mitgliedstaat nicht vorgesehen, kann dies jedenfalls dann nicht durchgreifen, wenn der Zulassungsantragsteller - wie hier - im Rahmen der Bewertung des prüfenden Mitgliedstaats nach Art. 36 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sämtliche Datenanforderungen nach der Verordnung (EU) Nr. 284/2013 in Bezug auf Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden erfüllt hat und sich nach den Ergebnissen der beigebrachten Daten unter Zugrundelegung der dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Stand entsprechenden Risikobewertungsmethode keine Veranlassung ergibt, weitere Studien anzustellen bzw. vorzulegen.
Vor diesem Hintergrund kann sowohl die Auslegung des Tatbestands von Art. 36 Abs. 3 Unterabs. 1 i. V. m. Art. 31 Abs. 3 und 4 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 im Übrigen offenbleiben als auch die Frage, ob - wie von der Beklagten geltend gemacht - spezifische ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen im Sinne von Art. 36 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung gegeben sind. Ebenso wenig bedarf der Klärung, ob ein neuer Stand von Wissenschaft und Technik bei der Beurteilung der Auswirkungen eines Pflanzenschutzmittels nur zu berücksichtigen ist, wenn er im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Buchst. e ii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 Eingang in von der EFSA anerkannte wissenschaftliche Methoden gefunden hat. Diese Fragen sind hier nicht entscheidungserheblich. Dementsprechend bedarf es auch nicht der von der Beklagten im Zusammenhang mit der Auslegung von Art. 4 Abs. 3 Buchst. e Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 angeregten Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung (vgl. zuletzt Schriftsatz v. 11.11.2024, S. 9).
Die rechtswidrige Anwendungsbestimmung NT306-0/2 ist auch isoliert aufhebbar, denn die pflanzenschutzrechtliche Zulassung kann ohne sie sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben. Der Rechtsrahmen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gestattet - wie ausgeführt - die Erteilung der Zulassung für das betroffene Pflanzenschutzmittel ohne Festsetzung der angefochtenen Anwendungsbestimmung (vgl. zur Anwendungsbestimmung NT306-0/1: Urt. d. Kammer v. 18.9.2023 - 1 A 535/21 -, juris Rn. 94; Nds. OVG, Beschl. v. 17.4.2024 - 10 LA 134/23 -, juris Rn. 53 f.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts stützt sich auf § 52 Abs. 1 GKG (vgl. zur Höhe: Nds. OVG, Beschl. v. 17.4.2024 - 10 LA 134/23 -, juris Rn. 71).