Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 25.02.2025, Az.: 7 A 219/23

Berufsanerkennungsrichtlinie; Facharzt; Weiterbildungsordnung; Versagungsgegenklage auf Anerkennung der Gebietsbezeichnung Fachzahnärztin für Kieferorthopädie"; Weiterbildung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union; § 5 Abs. 2 der Weiterbildungsordnung der Zahnärztekammer Niedersachsen

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
25.02.2025
Aktenzeichen
7 A 219/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2025, 14250
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2025:0225.7A219.23.00

Amtlicher Leitsatz

Gelingt einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt der Nachweis, dass ihr oder sein Weiterbildungsstand aufgrund einer Weiterbildung in einem EU-Mitgliedstaat gleichwertig ist, ist kein Raum für eine Eignungs- oder Fachzahnarztprüfung.

Tenor:

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Gebietsbezeichnung "Fachzahnärztin für Kieferorthopädie" anzuerkennen. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2022 in Gestalt des Widerspruchs- und Teilabhilfebescheides der Beklagten vom 14. November 2022 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Anerkennung der Gebietsbezeichnung "Fachzahnärztin für Kieferorthopädie" nach der Weiterbildungsordnung der Beklagten.

Sie - die Klägerin - ist spanische Staatsangehörige. Ab dem Jahr 2008 studierte sie Zahnmedizin; dieses Studium schloss sie in Spanien im Jahr 2008 erfolgreich ab.

In den Jahren 2008 bis 2011 absolvierte die Klägerin ein postgraduales Masterstudium in den Fachgebieten Kieferorthopädie, Orthognathie sowie Neuro-Okklusale Rehabilitation an der Universität E. in Madrid, das sie am 29. Juli 2011 erfolgreich abschloss. Es handelt sich um einen dreijährigen Studiengang in Vollzeit. Während dieser Zeit werden ausweislich des Lehrplanes - neben der theoretischen Ausbildung - mindestens 2000 Stunden klinischer Praxis abgeleistet; alle Studierenden versorgen mindestens 50 Patientinnen und Patienten. Das Curriculum orientiert sich an dem sog. Final Report of the Erasmus Project for Postgraduate Education in Orthodontics.

In den Jahren 2014 bis 2017 fertigte sie ihre Promotion.

Zunächst war die Klägerin in Praxen für Kieferorthopädie in Spanien tätig. Seit dem Jahr 2012 ist die Klägerin - als approbierte Zahnärztin in Deutschland - darüber hinaus als ausschließlich kieferorthopädisch tätige Zahnärztin in einer Praxis in F. angestellt.

Am 4. Februar 2021 beantragte sie bei der Beklagte die Anerkennung einer ausländischen Berufsqualifikation.

Mit E-Mail vom 11. März 2021 ergänzte die Klägerin ihren Antrag: In ihrem Fall gehe es um die Anerkennung einer Weiterbildung aus einem EU-Mitgliedstaat im Sinne des § 5 der Weiterbildungsordnung der Beklagten (im Folgenden: WBO). Sie beantrage die Anerkennung der Gleichwertigkeit ihrer postgraduellen Weiterbildung zur Kieferorthopädin, bei welcher es sich um einen fachspezifisch auf Kieferorthopädie ausgerichteten dreijährigen universitären Master handele, in welchem sowohl die Theorie als auch die Praxis (durch Tätigkeit in der universitären Zahnklinik) intensiv behandelt worden seien. Die Professoren seien ausnahmslos anerkannte Kieferorthopäden gewesen. Eine automatische Anerkennung im Sinne des § 5 Abs. 1 WBO komme zwar ggf. nicht in Betracht, da in Spanien für das Fachgebiet der Kieferorthopädie innerhalb der Zahnheilkunde behördlich keine eigenständige Fachzahnarztbezeichnung vergeben werde, jedoch sei mindestens eine Anerkennung nach § 5 Abs. 2 WBO möglich. Sofern Absatz 1 tatsächlich nicht einschlägig sei, erfolge nach § 5 Abs. 2 WBO auf Antrag die entsprechende Anerkennung nach dem Heilberufe-Kammergesetz, wenn die Gleichwertigkeit des Weiterbildungsstandes gegeben sei. Wesentliche Unterschiede ihrer Weiterbildung im Vergleich zu einer hiesigen Weiterbildung nach der Weiterbildungsordnung lägen nicht vor, da sich die von ihr erworbenen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten im Rahmen der dreijährigen Weiterbildung zur Kieferorthopädin nicht wesentlich von den Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten unterschieden, welche sie im Rahmen einer Weiterbildung nach der Weiterbildungsordnung der Beklagten erworben hätte. Dies alles könne anhand der eingereichten Zeugnisse nachvollzogen werden. Überdies belege auch ihre bereits langjährige kieferorthopädische Tätigkeit, dass keine wesentlichen Unterschiede vorlägen.

Mit streitbefangenem Bescheid vom 8. Februar 2022 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf die unmittelbare Verleihung der Gebietsbezeichnung "Fachärztin für Kieferorthopädie" ab (Ziffer 1). Ihre spanischen Ausbildungsnachweise würden im Umfang von insgesamt einem Jahr auf die fachspezifische Weiterbildungszeit angerechnet. Für die Anmeldung zur regulären Weiterbildungs-Abschlussprüfung in Niedersachsen müsse die Klägerin jedoch noch ein allgemeinzahnärztliches Jahr, ein Jahr in einer Abteilung für Kieferorthopädie an einer Hochschule sowie ein Jahr in einer weiterbildungsberechtigten Praxis ableisten (Ziffer 2). Zur Begründung führte die Beklagte aus: Die Verleihung der Gebietsbezeichnung "Fachärztin für Kieferorthopädie" richte sich nach ihrer Weiterbildungsordnung. Diese setze das Ableisten einer vierjährigen Weiterbildungszeit sowie das Bestehen einer Prüfung voraus. Eine solche Weiterbildungszeit habe die Klägerin nicht nachgewiesen; die Praxis, in der sie in Deutschland beschäftigt sei, sei zur Weiterbildung im Bereich der Kieferorthopädie nicht ermächtigt. Die unmittelbare Verleihung der Gebietsbezeichnung "Fachärztin für Kieferorthopädie" nach § 5 Abs. 1 WBO komme nicht in Betracht. Die spanischen Bildungsnachweise seien zwar als Ausbildungsnachweise aus einem EU-Mitgliedstaat im Sinne des § 5 Abs. 1 WBO anzusehen, allerdings greife die automatische Anerkennung einer Berufsqualifikation nicht, da es in Spanien keine der "Fachärztin für Kieferorthopädie" entsprechende Referenzqualifikation gebe (vgl. Richtlinie 2005/36/EG, Anhang V, Unterpunkt V.3, Tabelle 5.3.3). Auch aus § 5 Abs. 2 WBO folge nichts Anderes. Es sei davon auszugehen, dass Unterschiede bestünden zwischen den von ihr, der Klägerin, erworbenen Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten und denjenigen, die auf der Grundlage einer Weiterbildung nach der WBO erworben würden. Der Aufbau des Curriculums an der Universität in Madrid sei aus den Unterlagen ansatzweise zu erkennen, wobei unklar bleibe, welche Komponenten der Unterweisung nur theoretisch und welche praktisch erfolgt seien. Der Masterstudiengang Kieferorthopädie in Madrid habe über einen Zeitraum von etwa drei Jahren stattgefunden. Es sei nicht klar, ob bei praktischer Unterweisung entsprechende Fallzahlen, besonders auch von komplexen Krankheitsbildern überhaupt erreicht worden seien. Die Homepage der Universität lasse weder eine klare akademische Struktur erkennen, noch sei nachvollziehbar, welche/r Professor/Professorin für die Weiterbildung verantwortlich sei. Der Abruf und die Prüfung der Liste des Lehrkörpers für Kieferorthopädie weise niemanden aus, der Medline-gelistete Publikationen habe. Eine vollwertige Weiterbildung zur Fachzahnärztin setze nach Absolvierung eines zahnärztlichen Jahres, eine ausschließlich auf Kieferorthopädie beschränkte Tätigkeit von mindestens drei Jahren voraus, die nur an ermächtigten Weiterbildungsstellen mit einer Kontinuität von mindestens zwei Jahren an ausschließlich einer Stelle durchgeführt werden dürfe. Es sei unklar, über welche Qualifikationen die Ausbilder der Klägerin verfügten. Überdies sei offen, wie viele Patienten mit komplexen Krankheitsbildern betreut worden seien. Ihr, der Klägerin, werde jedoch unter Berücksichtigung der von ihr erworbenen Kenntnisse sowie ihrer bisherigen Tätigkeit ein Jahr auf die fachspezifische Weiterbildungszeit angerechnet.

Gegen diesen Bescheid erhob die nunmehr anwaltlich vertretene Klägerin unter dem 3. März 2022 Widerspruch, den sie mit Schreiben vom 8. Juni 2022 und 13. Oktober 2022 begründete. Es sei unzutreffend, dass ihr kein Anspruch auf Anerkennung gemäß § 5 Abs. 2 WBO, hilfsweise zumindest ein Anspruch auf Zulassung zur Eignungsprüfung nach § 5 Abs. 2 Sätze 6 ff. WBO zustehe. Eine Begründung dafür, dass die behaupteten wesentlichen Unterschiede nicht durch berufspraktische Kenntnisse oder auf sonstige Art und Weise erhobenen Kenntnisse - etwa durch Fortbildungen - ausgeglichen seien, fehle. Dass bei einem Vorliegen wesentlicher Unterschiede eine Eignungsprüfung zur Führung des Nachweises entsprechender Kenntnisse und Fertigkeiten erfolgen müsse, sei gänzlich unerwähnt geblieben. Soweit es heiße, dass der Aufbau des Curriculums an der Universität in Madrid aus den Unterlagen ansatzweise zu erkennen sei, aber unklar bleibe, welche Komponenten der Unterweisung nur theoretisch oder auch praktisch erfolgten, sei nicht nachvollziehbar, warum weitere Unterlagen nicht nachgefordert worden seien. Es handele sich bei dem Masterstudiengang um ein dreijähriges Studium in Vollzeit, das praktische und theoretische Anteile habe. Dies hätte der Prüfungsausschuss durch Nachfrage bei ihr, der Klägerin, oder eine schlichte Internetrecherche auch in Erfahrung bringen können. Das Curriculum entspreche dem von der European Orthodontic Society und der World Federation of Orthodontics empfohlenen Spezialisierungsprogramm für Kieferorthopädie bzw. der Erasmus-Verordnung. Soweit es heiße, dass der Lehrkörper für Kieferorthopädie niemanden ausweise, der Medline-gelistete Publikationen habe, sei dies ausweislich der Weiterbildungsordnung nicht erforderlich. Auch eine Rechtsgrundlage für die Forderung nach Fallzahlen - besonders von komplexen Krankheitsbildern - sei nicht ersichtlich. Nach der Weiterbildungsordnung sei der Nachweis von drei Fällen erforderlich. Sie, die Klägerin, habe während ihres Masterstudiums wesentlich mehr als die erforderlichen drei Fälle behandelt. Im Übrigen praktiziere sie mittlerweile seit elf Jahren. Es sei überdies willkürlich, dass einerseits die zeitlichen Voraussetzungen der Weiterbildung durch ihr Masterstudium anerkannt worden seien, gleichzeitig aber lediglich ein Jahr auf die fachspezifische Weiterbildungszeit angerechnet worden sei. Selbst wenn man nach Prüfung sämtlicher Unterlagen zu dem Ergebnis gelange, dass der streitgegenständliche Ausbildungsnachweis mangels Gleichwertigkeit nicht gegeben sei, so wäre zu prüfen gewesen, ob diese durch ihre Kenntnisse ausgeglichen werden könnten. Lägen wesentliche Unterschiede vor, könne der Nachweis geführt werden, dass bei ihr Kenntnisse und Fähigkeiten vorlägen, die zur Anerkennung des Ausbildungsnachweises erforderlich seien. Dieser Nachweis sei durch eine Eignungsprüfung zu erbringen, die sich auf die festgestellten wesentlichen Unterschiede beziehe. Hierzu verhalte sich der Bescheid nicht.

Aus dem Protokollauszug der Sitzung des Vorstands der Beklagten am 2. November 2022 ergibt sich das Folgende:

"Frau G. plädiert aus Sicht des H. für eine Ablehnung des Antrags. Präsident I. weist darauf hin, dass die Weiterbildungsordnung (WBO) der [Beklagten] in dem Bereich klarer zu definieren ist und der Antragstellerin die Möglichkeit hätte eingeräumt werden müssen, eine Eignungsprüfung abzulegen - das wurde versäumt! Dr. J. erläutert das aktuell anhängige Widerspruchsverfahren, in dem beantragt wird, [der Klägerin] die Anerkennung der Gebietsbezeichnung "Fachzahnärztin für Kieferorthopädie" nach § 5 Abs. 2 Satz 1 der WBO der ZKN unmittelbar zu erteilen, hilfsweise sie zur Eignungsprüfung gem. § 5 Abs. 2 Satz 6 ff. der WBO der [Beklagten] zuzulassen. Die Sitzungsteilnehmer diskutieren ausführlich über die weitere Vorgehensweise und über die Möglichkeiten eines pragmatischen Lösungsweges zu diesem Verfahren, Herr K. empfiehlt die Herausarbeitung struktureller Unterschiede. Nach eingängiger Beratung verabschieden sich Frau G. und Herr K. aus der Vorstandssitzung und bieten bei Bedarf weitere Unterstützung an. Der Vorstand berät abschließend zur Beschlussvorlage und kommt - unter Hinweis auf die erheblichen rechtlichen Bedenken hiergegen seitens Dr. J. - zu dem nachfolgenden Ergebnis:

Beschluss:

Der Vorstand beschließt, [der Klägerin] anzubieten, die Fachzahnarztprüfung nach § 9 Abs. 2 der WBO durchzuführen; eine entsprechende Begründung hierfür ist im Widerspruchs- und Teilabhilfebescheid zu definieren. Der Vorstand entscheidet, für diesen Vorgang einen gesonderten Prüfungsausschuss KFO mit anderer personeller Besetzung einzuberufen [...]."

Mit Bescheid vom 14. November 2022 ließ die Beklagte die Klägerin zur Fachzahnarztprüfung nach § 9 Abs. 2 WBO zu und erklärte insoweit die Zuziehung des Bevollmächtigten für notwendig (Ziffern 2 und 3); im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen (Ziffer 1) und der Antrag auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung des Bevollmächtigten abgelehnt (Ziffer 3). Zur Begründung heißt es: Die Klägerin verfüge mit ihrem spanischen Masterzeugnis über einen Ausbildungsnachweis im Fachgebiet Kieferorthopädie. Auf Grund der während des Masterstudiums vermittelten theoretischen und praktischen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten und im Angesicht ihrer durch die diversen Arbeitszeugnisse sowie Fortbildungsnachweise nachgewiesenen umfassenden Berufspraxis sei ihr Weiterbildungsstand als inhaltlich gleichwertig anzusehen (§ 5 Abs. 2 Sätze 1 und 4 WBO). Eine unmittelbare Verleihung der Gebietsbezeichnung "Fachzahnärztin für Kieferorthopädie" durch Anerkennung des spanischen Ausbildungsnachweises der Klägerin könne gleichwohl nicht erfolgen. § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO berücksichtige auch die strukturellen Anforderungen als integralen und notwendigen Bestandteil eines die hohe Qualität der fachzahnärztlichen Weiterbildung sichernden Weiterbildungswesens ausgehend von der Weiterbildungsordnung der Beklagten. Die niedersächsische Weiterbildungsstruktur sei derart ausgestaltet, dass die Weiterbildungszeit nach § 15 WBO vier Jahre betrage, davon sei ein Jahr als allgemeinzahnärztliche Tätigkeit abzuleisten. Die fachspezifische Weiterbildungszeit in einer Abteilung für Kieferorthopädie an Hochschulen müsse mindestens ein Jahr betragen. Eine fachspezifische Weiterbildungszeit bei einem zur Weiterbildung ermächtigten niedergelassenen Fachzahnarzt sei bis zu zwei Jahren anzuerkennen. Die Weiterbildung erfolge in praktischer Berufstätigkeit und theoretischer Unterweisung. Während der fachspezifischen Weiterbildungszeit müsse der in der Weiterbildung befindliche Zahnarzt in einem fachlich weisungsabhängigen Beschäftigungsverhältnis zum Zwecke der Weiterbildung stehen. Nach Abschluss des strukturierten Weiterbildungsprogrammes müsse eine Prüfung absolviert werden. Erst nach dem Bestehen dieser Prüfung werde die Gebietsbezeichnung verliehen. Die Klägerin habe dieses strukturierte Weiterbildungsprogramm nicht durchlaufen. Zwar könne auf Grund des mehrjährigen Masterstudienganges und der ebenfalls mehrjährigen praktischen Berufstätigkeit - auch ausgehend von den Anforderungen des europäischen Rechts - auf das Durchlaufen des strukturierten Weiterbildungsprogrammes verzichtet werden, nicht jedoch auf die Fachzahnarztprüfung nach § 9 Abs. 2, § 10 WBO. Sie müsse die von ihr erworbenen Kenntnisse unter Beweis stellen. Bisher habe sie die Fachzahnarztprüfung weder in Niedersachsen noch in einem anderen Bundesland durchlaufen.

Am 14. Dezember 2022 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung heißt es: Sie habe einen Rechtsanspruch auf die von ihr beantragte (unmittelbare) Verleihung der Gebietsbezeichnung "Fachzahnärztin für Kieferorthopädie" gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO ohne Ablegung einer Fachzahnarztprüfung vor dem Prüfungsausschuss für Kieferorthopädie der Beklagten. Unstreitig sei, dass sie eine kieferorthopädische Weiterbildung in Spanien in Form eines mehrjährigen Masterstudiengangs erfolgreich absolviert habe. Unstreitig sei ferner, dass es sich bei diesem Masterstudiengang in Spanien zwar um einen Ausbildungsnachweis i.S.d. § 5 Abs. 1 WBO handele, dieser Abschluss jedoch nicht zu einer automatischen Anerkennung ihrer Berufsqualifikation führe, da es in Spanien keine dem Fachzahnarzt für Kieferorthopädie entsprechende Referenzqualifikation gebe. Ein Rechtsanspruch der Klägerin auf Anerkennung der Weiterbildung gemäß § 5 Abs. 1 der WBO nach dem Heilberufe-Kammergesetz scheide daher aus. Die Gleichwertigkeit ihres Weiterbildungsstandes sei hier (mittlerweile) unstreitig (unter Verweis auf den Widerspruchs- und Teilabhilfebescheid vom 14. November 2022, S. 3). Die Beklagte vertrete die irrige Annahme, dass sie in Ergänzung zu den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 WBO eine Fachzahnarztprüfung absolvieren müsse. Die Rechtsauffassung der Beklagten entbehre jeglicher Rechtsgrundlage und verdeutliche, dass die Beklagte ausländische Aus- und Weiterbildungen - selbst wenn sie selbst die Gleichwertigkeit zu der Weiterbildung nach der WBO anerkenne - nicht akzeptieren wolle. Die Begründung der Beklagten zur Ablehnung des Antrags der Klägerin auf unmittelbare Verleihung der Gebietsbezeichnung "Fachzahnärztin für Kieferorthopädie" durch die Beklagte aufgrund struktureller Unterschiede der Weiterbildung sei nicht tragfähig. Nach § 5 Abs. 2 Sätze 1 und 3 WBO sollten gerade solche im EU-Ausland erworbene Weiterbildungsnachweise Anerkennung finden, die hinsichtlich "Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten" - also inhaltlich - gleichwertig zur Weiterbildung nach Maßgabe der WBO seien, jedoch außerhalb des Geltungsbereichs - und somit der strukturellen Vorgaben - der Verordnung erlangt worden seien. Strukturelle Anforderungen entsprechend der Weiterbildung nach der WBO zur Voraussetzung des § 5 Abs. 2 WBO zu machen, laufe dem Sinn und Zweck der Vorschrift in einem solchem Maße zuwider, dass die Vorschrift in Teilen bedeutungslos würde. Hätte die Beklagte nicht die Gleichwertigkeit ihrer - der Klägerin - Ausbildung festgestellt, hätte die Beklagte allenfalls die Erbringung einer Eignungsprüfung, beschränkt auf die von der Beklagten festzustellenden wesentlichen Unterschiede der Ausbildung, verlangen können (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 6 WBO). Rechtlich fehlerhaft sei auch die Umdeutung des Hilfsantrages der Klägerin im Vorverfahren auf Zulassung zur Eignungsprüfung gem. § 5 Abs. 2 Satz 6 WBO, sollte die Beklagte nicht die Gleichwertigkeit ihres Ausbildungsnachweises, sondern vielmehr wesentliche Unterschiede ihrer Ausbildung und der Ausbildung nach der WBO feststellen. Die Beklagte habe ausweislich des Widerspruchs- und Teilabhilfebescheides vom 14. November 2022 diesen Hilfsantrag in einen Antrag auf Zulassung zur Fachzahnarztprüfung nach § 9 Abs. 2 WBO umgedeutet. Für die von der Beklagten vorgenommenen Umdeutung sei jedoch kein Raum. Folge dieses Verbots, über den gestellten Antrag hinaus zu gehen oder ihr etwas Anderes zuzusprechen als beantragt, sei die grundsätzliche Geltung des Verböserungsverbots im Verwaltungsverfahren bzw. -prozess.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2022 in Gestalt des Widerspruchs- und Teilabhilfebescheides der Beklagten vom 14. November 2022 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr die Gebietsbezeichnung "Fachzahnärztin für Kieferorthopädie" zu verleihen, sowie

die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem Vortrag der Klägerin entgegen: Es sei unzutreffend, dass die Klägerin über einen Ausbildungsnachweis verfüge, der die Anwendung von § 5 Abs. 1 oder Abs. 2 WBO erlaube. § 5 Abs. 2 WBO erfasse die Fälle, in denen ein Ausbildungsnachweis über eine Weiterbildung aus einem Mitgliedstaat, einem EWR-Staat oder einem Vertragsstaat, der die Voraussetzung nach Absatz 1 nicht erfülle, vorliege. Dabei behandele die Norm allerdings nicht beliebige Ausbildungsnachweise, sondern eben nur solche über eine Weiterbildung. Die strukturellen Anforderungen, die erfüllt sein müssten, ergäben sich dabei zunächst aus Art. 35 der Richtlinie 2005/36/EG. Hiernach müsse eine Weiterbildung in diesem Sinne zeitlich nach der zahnärztlichen Grundausbildung, in Theorie und Praxis, in einer hierfür zugelassenen Gesundheitseinrichtung, unter persönlicher Mitarbeit und Übernahme von Verantwortung sowie unter Aufsicht der zuständigen Behörde oder Stelle stattfinden. Die Mitgliedstaaten seien dabei frei, auch Weiterbildungsgänge zu etablieren, die zwar die Strukturprinzipien des Art. 35 erfüllten, aber (noch) keinen Eingang in den Anhang V (Ziff. 5.3.3) gefunden hätten. Während nun die Weiterbildungen in den in Anhang V Ziff. 5.3.3 genannten Gebieten vollständig homologisiert seien (§ 5 Abs. 1 WBO), sei bei den nicht automatisch anzuerkennenden Ausbildungsnachweisen über eine Weiterbildung nach § 5 Abs. 2 WBO eine Prüfung der Gleichwertigkeit nachvollziehbar und erforderlich. Dies erschließe sich insbesondere, wenn z.B. ein Fachzahnarzt für öffentliches Gesundheitswesen aus Finnland oder Island eine Anerkennung anstrebe, um die gleiche Bezeichnung in Deutschland zu führen ohne Kenntnisse des deutschen Gesundheitswesens nachzuweisen. Dies ändere aber nichts daran, dass die entsprechende isländische oder finnische Weiterbildung den o.g. Kriterien entspreche. Der von der Klägerin absolvierte Studiengang erfülle die strukturellen Anforderungen nicht. Eine Qualifikation als Weiterbildung scheitere unter Heranziehung der Grundprinzipien des Art. 35 Richtlinie 2005/36/EG daran, dass das Masterstudium nicht unter Aufsicht einer zuständigen Behörde oder Stelle stehe. Dabei reiche es nicht aus, dass ggf. die Universität unter Aufsicht über die universitäre Forschung und Lehre stehe. Es bestehe - in Ermangelung einer staatlich geregelten Weiterbildung - schlicht keine Zuständigkeit für eine weiterbildungsrechtliche Aufsicht. Eine Qualifikation als Weiterbildungsgang scheide im Übrigen auch deshalb aus, da das Königreich Spanien in Kenntnis der Regelungen der Berufsanerkennungsrichtlinie die Entscheidung getroffen habe, keine Weiterbildung im Bereich der Kieferorthopädie einzuführen. Trotz Homologisierung der beruflichen Qualifikationen obliege die Entscheidung, welche Weiterbildungsgänge in einem Mitgliedstaat geschaffen würden, dem jeweiligen Mitgliedstaat. Es stelle sich insoweit bereits die "kompetenzielle Frage", ob - sei es durch Judikatur oder durch entsprechende Auslegung berufsrechtlicher Normen - die Entscheidung des Königreichs Spanien, keine Weiterbildung in der Kieferorthopädie zu etablieren, durch die Bundesrepublik Deutschland, ihre Behörden oder Gerichte konterkariert werden könne. Die Entscheidung des Königreichs Spanien determiniere bereits die Frage, ob der von der Klägerin vorgelegte Ausbildungsnachweis überhaupt auf eine Weiterbildung gerichtet sein könne. Treffe ein Mitgliedstaat der EU im Rahmen seiner nationalen Rechtssetzungskompetenz die Entscheidung, einen Ausbildungsgang nicht als Weiterbildung im Sinne des Art. 35 der Richtlinie auszugestalten, sei dies durch die übrigen Mitgliedstaaten zu akzeptieren und bei der Anwendung des eigenen nationalen Rechts zu beachten. Bei einem Ausbildungsnachweis, der gerade nicht auf eine Weiterbildung gerichtet sei, könne also "nur" eine vollständige Anrechnung der Zeiten und Inhalte erfolgen, die Weiterbildung sei aber nach der Weiterbildungsordnung der Beklagten abzuschließen. Dies erfordere jedoch die Ablegung einer Prüfung gemäß § 9 WBO. Auch diese Differenzierung sei im System der homologisierten Berufsanerkennungen richtig, da nur so vermieden werden könne, dass aufgrund eines "innergemeinschaftlichen" Ausbildungsnachweises eine in allen Mitgliedstaaten automatisch anzuerkennende Fachgebietsbezeichnung zu verleihen sei, ohne dass in irgendeinem Mitgliedstaat ein nach nationalem Recht hierauf gerichtetes originäres Weiterbildungsverfahren abgeschlossen worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die als Versagungsgegenklage erhobene Klage ist zulässig und begründet.

Der ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten im Sinne von § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Anerkennung der Gebietsbezeichnung auf dem Gebiet der Kieferorthopädie nach § 34 Abs. 1 Satz 1, § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 des Kammergesetzes für die Heilberufe (HKG) i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO.

Die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage liegen vor.

I. Anspruchsgrundlage stellen § 34 Abs. 1 Satz 1, § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 HKG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO dar.

Eine Bezeichnung nach § 34 HKG darf nur führen, wer hierfür eine Anerkennung durch die Kammer erhalten hat, § 35 Abs. 1 Satz 1 HKG. Die Anerkennung erhält - so § 35 Abs. 2 HKG - auf Antrag, wer eine Weiterbildung nach den §§ 37 und 38 HKG erfolgreich abgeschlossen hat (Nummer 1), in einem von den §§ 37 und 38 HKG abweichenden Weiterbildungsgang eine Weiterbildung erfolgreich abgeschlossen hat und deren Gleichwertigkeit nachweist (Nummer 2) oder einen im Ausland erworbenen Weiterbildungsnachweis besitzt, der nach der Richtlinie 2005/36/EG, auch in Verbindung mit den in § 3 Abs. 1 HKG genannten Abkommen und Rechtsakten, anzuerkennen ist (Nummer 3).

Das Nähere zur Ausgestaltung der Weiterbildung regelt die Beklagte nach § 41 HKG unter Beachtung der Richtlinie 2005/36/EG in ihrer Weiterbildungsordnung. Diese Weiterbildungsordnung soll nach § 41 Abs. 1 Nr. 9 Hs. 1 HKG unter anderem Regelungen zur Anerkennung von Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen eines der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 HKG genannten Staaten (darunter sämtliche Mitgliedstaaten der Europäischen Union) festlegen, soweit die Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise nicht nach dem Recht der Europäischen Union gegenseitig anerkannt sind.

Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO erhalten Antragstellerinnen und Antragsteller mit einem Ausbildungsnachweis über eine Weiterbildung aus einem Mitgliedstaat, einem EWR-Staat oder einem Vertragsstaat, die die Voraussetzung nach Absatz 1 nicht erfüllen, auf Antrag die entsprechende Anerkennung nach dem Heilberufe-Kammergesetz, wenn die Gleichwertigkeit des Weiterbildungsstandes gegeben ist. Der Weiterbildungsstand ist nach Satz 2 als gleichwertig anzusehen, wenn die Weiterbildung der Antragstellerin oder des Antragstellers keine wesentlichen Unterschiede gegenüber der Weiterbildung aufweist, die in der Weiterbildungsordnung der jeweils zuständigen Zahnärztekammer geregelt ist. Wesentliche Unterschiede nach Satz 1 liegen nach Satz 3 vor, wenn sich der im Ausland erworbene Ausbildungsnachweis auf Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten bezieht, die sich hinsichtlich der vermittelten Inhalte oder aufgrund der Ausbildungsdauer wesentlich von den Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten unterscheiden, die im Rahmen der entsprechenden Weiterbildung nach dieser Weiterbildungsordnung erworben werden. Wesentliche Unterschiede können ganz oder teilweise durch Kenntnisse ausgeglichen werden, die im Rahmen der Berufspraxis oder auf sonstige Art und Weise erworben worden sind; dabei ist es nicht entscheidend, in welchem Staat die Kenntnisse und Fähigkeiten erworben wurden, Satz 4. Liegen wesentliche Unterschiede vor, muss der Nachweis geführt werden, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten vorliegen, die zur Anerkennung des Ausbildungsnachweises erforderlich sind, Satz 5. Dieser Nachweis ist durch eine Eignungsprüfung zu erbringen, die sich auf die festgestellten wesentlichen Unterschiede bezieht, Satz 6. Die Erforderlichkeit der Erbringung einer Eignungsprüfung ist nach Art 14 Abs. 6 Richtlinie 2013/55/EU zu begründen, Satz 7.

II. Die formellen Voraussetzungen liegen vor; nichts Gegenteiliges ist vorgetragen oder ersichtlich.

III. Auch die materiellen Voraussetzungen sind gegeben.

Die Anforderungen an den Kompetenzerwerb werden verfassungsrechtlich, landesgesetzlich und durch die Weiterbildungsordnung näher bestimmt. Verfassungsrechtlich sind dabei die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der Weiterbildungsassistentin oder des Weiterbildungsassistenten und der Schutz der Patientinnen und Patienten (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) in Ausgleich zu bringen. Die Anforderungen an die zahnärztliche Weiterbildung beinhalten daher keinen bloßen Formalismus, sondern stellen ein wesentliches Instrument zur Gewährleistung der Qualität dar. Das durch die Fachzahnarztbezeichnung in der Öffentlichkeit erweckte Vertrauen in die besondere Qualifikation der Zahnärztin und des Zahnarztes ist auch in Ansehung ihrer bzw. seiner Berufsausübungsfreiheit nur dann gerechtfertigt, wenn in dem vorangegangenen Verfahren hinreichend sorgfältig und umfassend das Vorliegen der notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten festgestellt worden ist (vgl. VG Hannover, Urteil vom 26. März 2014 - 5 A 824/13 -, juris Rn. 34; VG München, Urteil vom 26. Oktober 2023 - M 27 K 21.6223 -, juris, Rn. 30 f.).

Überdies ist hier die unionsrechtliche Dimension zu beachten: Die Klägerin ist Unionsbürgerin und macht von ihrer Freizügigkeit bzw. ihrer Grundfreiheit Gebrauch (vgl. VG Bayreuth, Urteil vom 17. April 2024 - B 8 K 21.240 -, juris Rn. 58).

Die Anerkennung einer Berufsqualifikation innerhalb der Europäischen Union kennt verschiedene Varianten: In Betracht kommen unter anderem die automatische Anerkennung einer Berufsqualifikation nach der Richtlinie 2005/36/EG sowie die Anerkennung infolge einer individuellen Gleichwertigkeitsprüfung (vgl. von der Groeben/Schwarze/Jürgen Tiedje, 7. Aufl. 2015, Art. 53 AEUV Rn. 83; vgl. auch VG Bayreuth, Urteil vom 17. April 2024 - B 8 K 21.240 -, juris Rn. 28 ff.). Die Richtlinie 2005/36/EG sieht für bestimmte Fachgebiete eine Koordinierung zwischen allen Mitgliedstaaten auf der Grundlage der Mindestdauer der Weiterbildung vor; daraus resultiert eine automatische Anerkennung einer Berufsqualifikation innerhalb der gesamten Europäischen Union. In anderen Fällen ist eine individuelle Gleichwertigkeitsprüfung durchzuführen (vgl. von der Groeben/Schwarze/Jürgen Tiedje, 7. Aufl. 2015, Art. 53 AEUV Rn. 83; vgl. auch VG Bayreuth, Urteil vom 17. April 2024 - B 8 K 21.240 -, juris Rn. 33 ff.).

1. Eine automatische Anerkennung der Berufsqualifikation der Klägerin kommt hier nicht in Betracht. Die Klägerin besitzt keinen im Ausland erworbenen Weiterbildungsnachweis, der nach der Richtlinie 2005/36/EG im Sinne des § 35 Abs. 2 Nr. 3 HKG i.V.m. § 5 Abs. 1 WBO automatisch - und damit ohne die Durchführung einer Gleichwertigkeitsprüfung - anzuerkennen ist.

a) Hier ist die Frage betroffen, ob die Klägerin auf der Grundlage ihrer Ausbildung an der Universität E. in Madrid einen Anspruch auf Anerkennung der Gebietsbezeichnung auf dem Gebiet der Kieferorthopädie in Deutschland hat. Der Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/36/EG ist nach deren Art. 1 lit. b) eröffnet. Denn die Richtlinie legt die Vorschriften fest, nach denen ein Mitgliedstaat, der den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung in seinem Hoheitsgebiet an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen knüpft, für den Zugang zu diesem Beruf und dessen Ausübung die in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten erworbenen Berufsqualifikationen anerkennt, die ihren Inhaber berechtigen, dort denselben Beruf auszuüben.

b) Allerdings liegen die Voraussetzungen der automatischen Anerkennung der Berufsqualifikation der Klägerin im Sinne des Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36/EG nicht vor. Jeder Mitgliedstaat erkennt danach die in Anhang V (unter anderem) unter der Nummer 5.3.3. aufgeführten Ausbildungsnachweise an, die die Mindestanforderungen für die Ausbildung (unter anderem) nach Art. 35 der Richtlinie 2005/36/EG erfüllen und die Aufnahme der beruflichen Tätigkeiten des Fachzahnarztes gestatten, und verleiht diesen Nachweisen in Bezug auf die Aufnahme und Ausübung der beruflichen Tätigkeiten in seinem Hoheitsgebiet dieselbe Wirkung wie den von ihm ausgestellten Ausbildungsnachweisen. Art. 35 der Richtlinie 2005/36/EG regelt die Ausbildung zum Fachzahnarzt. Anhang V, Nummer 5.3.3 der Richtlinie 2005/36/EG ("Anerkennung auf der Grundlage der Koordinierung der Mindestanforderungen an die Ausbildung") führt die Ausbildungsnachweise unter anderem für die Fachzahnarztausbildung auf. Im Bereich der Kieferorthopädie unter der Nummer 5.3.3 ist ein Ausbildungsnachweis für das Königreich Spanien nicht genannt.

c) Weiterhin ist der Anwendungsbereich des Titels III, Kapitel 1 der Richtlinie 2005/36/EG ("Allgemeine Regelung für die Anerkennung von Ausbildungsnachweisen") nicht eröffnet. Insbesondere sind die Voraussetzungen des Art. 10 lit. b) nicht erfüllt, denn die Klägerin ist keine Person, die die Anforderungen der tatsächlichen und rechtmäßigen Berufspraxis gemäß den Art. 23 (erworbene Rechte vor einem Stichtag bzw. in mittlerweile "zerfallenen" Staaten), 27 (Facharztausbildung auf Teilzeitbasis, Facharztausbildung in Spanien vor dem 1. Januar 1995, weitere Ausbildungsnachweise eines Facharztes), 33 (betrifft Krankenschwestern und Krankenpfleger), 37 (Ausbildungsnachweise des Zahnarztes, betrifft aber die Grundausbildung nach Nummer 5.3.2), 39 (betrifft Tierärzte), 43 (betrifft Hebammen) und 49 (betrifft Architekten) der Richtlinie 2005/36/EG erfüllt. Nichts Gegenteiliges ist vorgetragen oder ersichtlich.

d) Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 WBO liegen infolgedessen nicht vor. § 5 Abs. 1 WBO bestimmt, dass Antragstellerinnen und Antragsteller mit einem Ausbildungsnachweis über eine Weiterbildung aus einem EU-Mitgliedstaat, die nach dem Recht der Europäischen Union automatisch anzuerkennen sind oder einer solchen Anerkennung aufgrund erworbener Rechte nach Gemeinschaftsrecht (nunmehr Unionsrecht) gleichstehen, auf Antrag die entsprechende Anerkennung nach dem Heilberufe-Kammergesetz erhalten.

2. Die Klägerin hat jedoch in einem von den §§ 37 und 38 HKG abweichenden Weiterbildungsgang eine Weiterbildung erfolgreich abgeschlossen und deren Gleichwertigkeit nachgewiesen, § 35 Abs. 2 Nr. 2 HKG.

Im Hinblick auf die Anerkennung einer Weiterbildung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union enthält § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO eine spezielle Regelung. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO erhalten Antragstellerinnen und Antragsteller mit einem Ausbildungsnachweis über eine Weiterbildung aus einem Mitgliedstaat, einem EWR-Staat oder einem Vertragsstaat, die die Voraussetzung nach Absatz 1 nicht erfüllen, auf Antrag die entsprechende Anerkennung nach dem Heilberufe-Kammergesetz, wenn die Gleichwertigkeit des Weiterbildungsstandes gegeben ist.

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt das Zeugnis der spanischen Universität E. vom 29. Juli 2011 einen "Ausbildungsnachweis über eine Weiterbildung aus einem Mitgliedstaat" im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO dar.

aa) Das von der Klägerin vorgelegte universitäre Zeugnis ist zunächst als Ausbildungsnachweis zu qualifizieren. Der Begriff des "Ausbildungsnachweises" ist in § 5 Abs. 1 WBO definiert. Danach handelt es sich um ein fachbezogenes Diplom, ein Prüfungszeugnis oder einen sonstigen Befähigungsnachweis (vgl. auch Art. 53 Abs. 1 AEUV, Art. 3 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2005/36/EG; VG Würzburg, Urteil vom 15. Mai 2020 - W 10 K 19.1422 -, juris Rn. 29). Das der Klägerin ausgestellte Zeugnis ist (jedenfalls) ein sonstiger Befähigungsnachweis.

bb) Dieser Ausbildungsnachweis betrifft auch eine "Weiterbildung".

Wann ein Ausbildungsnachweis i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO eine "Weiterbildung" betrifft, wird weder durch das Heilberufe-Kammergesetz noch von der Weiterbildungsordnung der Beklagten definiert.

Der Begriff der "Weiterbildung" ist daher durch Auslegung zu ermitteln.

(1) In § 38 Abs. 1 Satz 1 HKG wird der Begriff der Weiterbildung über deren Sinn und Zweck bestimmt: In einer Weiterbildung werden die für den Erwerb der jeweiligen Gebietsbezeichnung erforderlichen eingehenden Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in praktischer Berufstätigkeit und theoretischer Unterweisung vermittelt. Nach Auffassung der Kammer erfordert eine Weiterbildung daher regelmäßig eine über die entsprechende berufliche Praxis im jeweiligen Bereich hinausgehende gezielte, strukturierte und zu dokumentierende theoretische Unterweisung durch eine hierfür nachweislich ausreichend qualifizierte Ärztin bzw. einen nachweislich ausreichend qualifizierten Arzt (vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 20. November 2013 - 7 ZB 13.1677 -, juris Rn. 11 m.w.N.; VG Bayreuth, Urteil vom 17. April 2024 - B 8 K 21.240 -, juris Rn. 38). Neben diese inhaltliche bzw. materielle Komponente tritt die zeitliche Komponente einer Weiterbildung. Die Dauer der Weiterbildung darf - so § 38 Abs. 1 Satz 2 HKG - drei Jahre nicht unterschreiten. Eine Weiterbildung wird nach § 38 Abs. 3 Satz 1 HKG ganztägig und hauptberuflich abgeleistet.

Nach Auffassung der Kammer dient der "Ausbildungsnachweis über eine Weiterbildung" nach § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO überdies insbesondere dazu, der Beklagten zu ermöglichen, anhand dieser Urkunde eine Prüfung der Gleichwertigkeit des Weiterbildungsstandes vorzunehmen. Aus einem Nachweis im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO müssen also insbesondere die Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die eine Antragstellerin oder ein Antragsteller erworben hat, sowie die Ausbildungsdauer hervorgehen (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 3 WBO). An der Echtheit bzw. Aussagekraft des Nachweises bestehen in diesem Einzelfall auch keine Zweifel; nichts Gegenteiliges ist vorgetragen oder ersichtlich.

(2) Der von der Klägerin absolvierte dreijährige postgraduale Masterstudiengang stellt vor diesem Hintergrund eine Weiterbildung im Sinne der Weiterbildungsordnung der Beklagten dar. Dieser Studiengang erfüllt zunächst die inhaltlichen bzw. materiellen Anforderungen an eine Weiterbildung. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, dass das Curriculum des dreijährigen Masterstudiengangs in Kieferorthopädie demjenigen der European Orthodontic Society und dem der World Federation of Orthodontics empfohlenen Spezialisierungsprogramm entspreche. Ferner richteten sich - so die Klägerin weiter - die Lerninhalte des Masterstudienganges nach der Erasmus-Verordnung 1990 für das Studium der Spezialisierung in Kieferorthopädie in den Ländern der Europäischen Union. Die Klägerin hat neben einer theoretischen Unterweisung während des universitären Masterstudienganges mindestens 2000 Stunden in der Universitätszahnklinik gearbeitet und mindestens 50 Patientinnen und Patienten versorgt (vgl. zu all diesen Punkten auch das von der Klägerin als Anlage zur Klageschrift vorgelegte Curriculum des Studienganges, Bl. 2). Die Beklagte stellt weder die Ausbildungsinhalte noch den Ablauf des Studienganges in Abrede. Dass der gegenwärtige inhaltliche bzw. materielle Weiterbildungsstand der Klägerin keine wesentlichen Unterschiede gegenüber demjenigen aufweist, den Personen infolge einer Weiterbildung im Zuständigkeitsbereich der Beklagten erreichen, hat die Beklagte unter anderem in dem streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid sowie im Termin bestätigt. Die Beklagte geht überdies davon aus, dass der Masterstudiengang das zeitliche Erfordernis einer Weiterbildung erfüllt. Dies wird unter anderem daran deutlich, dass die Beklagte die Klägerin mit dem streitbefangenen Widerspruchsbescheid unmittelbar zur Facharztprüfung zugelassen hat. In dem streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid heißt es dazu ausdrücklich, dass auf Grund des mehrjährigen Masterstudienganges und der ebenfalls mehrjährigen praktischen Berufstätigkeit - auch ausgehend von den Anforderungen des europäischen Rechts - auf das Durchlaufen des strukturierten Weiterbildungsprogrammes verzichtet werden könne.

Auch die Beklagte nimmt im Übrigen an, dass es sich bei dem von der Klägerin erfolgreich absolvierten Masterstudiengang um Weiterbildungszeiten handelt. So hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Termin im Fall der Klägerin § 5 Abs. 3 WBO für anwendbar gehalten. Dieser setzt nach seinem Wortlaut "Weiterbildungszeiten" in einem Mitgliedstaat voraus.

Ausstellerin eines "Ausbildungsnachweises über eine Weiterbildung aus einem Mitgliedstaat" im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO kann - entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten - auch eine Universität sein.

Die Beklagte dringt mit ihrer Ansicht, dass eine Universität keine Behörde eines Mitgliedstaats darstelle und es an einer Aufsicht einer Behörde oder Stelle fehle, nicht durch. Soweit sie in ihrer Argumentation insbesondere auf Art. 35 der Richtlinie 2005/36/EG verweist, ist dem entgegenzuhalten, dass diese Vorschrift hier nicht anzuwenden ist, da - ausweislich der vorstehenden Ausführungen - gerade keine automatische Anerkennung der Berufsqualifikation und Verleihung der Gebietsbezeichnung ohne Gleichwertigkeitsprüfung in Rede steht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. September 2013 - Rs. C-492/12 -, ECLI:EU:2013:576 Rn. 38). Selbst wenn Art. 35 der Richtlinie 2005/36/EG jedoch anwendbar wäre, ergibt sich aus der Richtlinie 2005/36/EG gerade, dass eine Universität eine zuständige Stelle darstellen kann: In Anhang V, Ziffer 5.3.3 der Richtlinie 2005/36/EG werden die Ausbildungsnachweise der Fachzahnärztinnen und -ärzte aufgelistet. Soweit der Bereich Kieferorthopädie betroffen ist, heißt es dort, dass in den Ländern Litauen sowie Italien die Universitäten den Ausbildungsnachweis als zuständige Stelle ausstellen (in Deutschland sind dies die Landeszahnärztekammern). Führt demnach ein Nachweis einer Universität aus den Ländern Italien und Litauen sogar zu einer automatischen Anerkennung der Berufsqualifikation nach § 5 Abs. 1 WBO i.V.m. Richtlinie 2005/36/EG, ist nicht nachvollziehbar, warum ein Nachweis einer Universität grundsätzlich nicht auch eine Anerkennung nach § 5 Abs. 2 WBO begründen kann.

Auch die im Termin vorgetragene Rechtsauffassung der Beklagten, ein "Ausbildungsnachweis über eine Weiterbildung aus einem Mitgliedstaat" im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO müsse "von einem Mitgliedstaat gestempelt worden sein", verfängt nicht. § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO verlangt nach seinem Wortlaut lediglich einen "Ausbildungsnachweis über eine Weiterbildung aus einem Mitgliedstaat" und nicht von einem Mitgliedstaat (Hervorhebung durch die Kammer). Die Beklagte selbst hat im Übrigen unter anderem im streitgegenständlichen Bescheid vom 8. Februar 2022 die "spanischen Bildungsnachweise" als "Ausbildungsnachweise aus einem EU-Mitgliedstaats im Sinne des § 5 Abs. 1 WBO" erachtet (Bl. 2 des Ausgangsbescheides).

Die Kammer muss sich angesichts dessen nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob die Einholung einer Haager Apostille nach dem Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Befreiung ausländischer Urkunden von der Legalisation durch die Klägerin im Hinblick auf ihr Masterzeugnis von einer spanischen Universität das von der Beklagten aufgestellte Erfordernis - "Stempelung" des Ausbildungsnachweises über eine Weiterbildung durch das Königreich Spanien - bereits erfüllt (vgl. Bl. 16 des Verwaltungsvorgangs).

cc) Soweit die Beklagte meint, dass es sich bei dem Masterzeugnis der Klägerin nicht um einen Ausbildungsnachweis über eine Weiterbildung im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO handele, da der von der Klägerin absolvierte Studiengang die strukturellen Anforderungen, die die WBO vorsehe, nicht erfülle, verfängt ihr Vorbringen nicht.

(1) Es dürfte zutreffen, dass der Ablauf des Masterstudiengangs an der Universität E. in Madrid von den Vorgaben des Kammergesetzes für die Heilberufe und der Weiterbildungsordnung der Beklagten dazu, wie eine Weiterbildung auszugestalten ist, abweicht.

Die Weiterbildungsordnung der Beklagten schreibt für Niedersachsen nach § 41 Abs. 1 Nr. 4 HKG den Inhalt und die Mindestdauer der Weiterbildung nach § 38 HKG, insbesondere Inhalt, Dauer, Reihenfolge der einzelnen Weiterbildungsabschnitte, sowie die Dauer und besondere Anforderungen einer verlängerten Weiterbildung nach § 40 Abs. 2 HKG detailliert vor. Nach § 2 Abs. 2 WBO erfolgt die Weiterbildung in praktischer Berufstätigkeit und theoretischer Unterweisung. Während der fachspezifischen Weiterbildungszeit muss die in der Weiterbildung befindliche Zahnärztin bzw. der in der Weiterbildung befindliche Zahnarzt in einem fachlich weisungsabhängigen Beschäftigungsverhältnis zum Zwecke der Weiterbildung stehen. Die Weiterbildung umfasst die für den Erwerb der jeweiligen Gebietsbezeichnung erforderliche Vertiefung der beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten. Die Weiterbildung soll nach Absatz 3 kontinuierlich erfolgen. Die Weiterbildungsstätte und die oder der Weiterbildende sind wenigstens einmal zu wechseln, sofern diese WBO nicht etwas anderes zulässt. Es müssen zwei Jahre ohne Unterbrechung an einer Weiterbildungsstätte abgeleistet werden. Kürzere Weiterbildungszeiten an einer Weiterbildungsstätte als zwölf Monate können nicht anerkannt werden. Die Weiterbildung muss nach § 3 Abs. 1 WBO ganztägig und in hauptberuflicher Stellung erfolgen. Eine nebenberufliche zahnärztliche / ärztliche Tätigkeit ist nicht gestattet. Die Weiterbildung auf Vollzeitbasis umfasst drei Jahre fachspezifische Weiterbildung sowie ein Jahr allgemeinzahnärztliche Weiterbildung, Absatz 2. Die Weiterbildung darf in Teilzeit abgeleistet werden, wenn Gesamtdauer, Niveau und Qualität den Anforderungen an eine ganztägige Weiterbildung entsprechen. Zeiten nach dieser Weiterbildungsordnung verlängern sich entsprechend. Die Weiterbildung soll innerhalb eines Zeitraumes von acht Jahren abgeschlossen werden. Die Weiterbildung soll zusammenhängend erfolgen, Absatz 4. Gleichzeitig zur Weiterbildungszeit darf nach § 3 Abs. 6 WBO keine selbstständige zahnärztliche / ärztliche Tätigkeit in eigener Praxis, Privatpraxis und Zweigpraxis ausgeübt / geführt werden. Die parallel ausgeübten Weiterbildungszeiten werden nicht als Weiterbildungszeit angerechnet. In § 13 Abs. 4 WBO sind die Kenntnisse und Fertigkeiten aufgezählt, die im Rahmen der Weiterbildung zu vermitteln sind. Die Weiterbildung beträgt nach § 15 Abs. 1 WBO vier Jahre, davon ein Jahr allgemeinzahnärztliche Tätigkeit, die in der Regel zu Beginn der Weiterbildungszeit abzuleisten ist. Während des allgemeinzahnärztlichen Jahres soll der Weiterzubildende in allen Bereichen der Zahnheilkunde tätig sein. Die fachspezifische Weiterbildungszeit in einer Abteilung für Kieferorthopädie an Hochschulen muss nach Absatz 2 mindestens ein Jahr betragen; sie kann bis zu drei Jahren anerkannt werden.

(2) Die Rechtsauffassung der Beklagten, die Weiterbildungen in Niedersachsen und Spanien müssten sich strukturell - im Hinblick auf den Ablauf - vollständig entsprechen, findet weder im Gesetz noch in der Weiterbildungsordnung eine Stütze. Die Beklagte übersieht bereits, dass § 35 Abs. 2 Nr. 2 HKG gerade die Anerkennung einer Weiterbildung vorsieht, die in einem von den §§ 37 und 38 HKG abweichenden Weiterbildungsgang erfolgreich abgeschlossen worden ist. Sie verkennt darüber hinaus, dass § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO keinen Gleichlauf der Weiterbildungsstruktur in Niedersachsen und anderen EU-Mitgliedstaaten verlangt. § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO erfordert ausweislich des klaren Wortlautes vielmehr die "Gleichwertigkeit des Weiterbildungsstandes". Dass es auf den materiellen Kenntnisstand ankommt und nicht auf einen strukturellen Gleichlauf belegen auch systematische Argumente: § 5 Abs. 2 Sätze 3 und 4 WBO stellt auf Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten ab: Der Weiterbildungsstand ist als gleichwertig anzusehen, wenn die Weiterbildung der Antragstellerin oder des Antragstellers keine wesentlichen Unterschiede gegenüber der Weiterbildung aufweist, die in der Weiterbildungsordnung der jeweils zuständigen Zahnärztekammer geregelt ist. Wesentliche Unterschiede liegen vor, wenn sich der im Ausland erworbene Ausbildungsnachweis auf Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten bezieht, die sich hinsichtlich der vermittelten Inhalte oder aufgrund der Ausbildungsdauer wesentlich von den Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten unterscheiden, die im Rahmen der entsprechenden Weiterbildung nach dieser Weiterbildungsordnung erworben werden.

Dass nach § 5 Abs. 2 WBO auf die Gleichwertigkeit des materiellen Weiterbildungsstandes abzustellen ist, ist auch aus Gründen des Patientenschutzes sinnvoll. Denn die Patientinnen und Patienten sind von den Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten einer Fachzahnärztin oder eines Fachzahnarztes - und nicht von der Struktur ihrer Ausbildung in einem EU-Mitgliedstaat - betroffen.

Es wäre im Übrigen mit den Grundsätzen des Unionsrechts, der Dienstleistungs- sowie Niederlassungsfreiheit der Klägerin schwer vereinbar, wenn von der Klägerin - bei einem gleichwertigen Kenntnisstand und noch dazu ohne ausdrückliche Regelung im Gesetz oder in der Weiterbildungsordnung der Beklagten - eine Weiterbildung in einem Verfahren gefordert würde, das dem niedersächsischen Verfahren über die Weiterbildung vollständig entspricht (vgl. VG Bayreuth, Urteil vom 17. April 2024 - B 8 K 21.240 -, juris Rn. 41 - 42).

dd) Auch die weitere Argumentation der Beklagten, eine Qualifikation als Weiterbildungsgang scheide aus, da das Königreich Spanien in Kenntnis der Regelungen der Berufsanerkennungsrichtlinie die Entscheidung getroffen habe, keine Weiterbildung im Bereich der Kieferorthopädie einzuführen, verfängt nicht. § 5 Abs. 2 WBO betrifft gerade diejenigen Fälle, in denen es nicht zu einer automatischen Anerkennung nach der Berufsanerkennungsrichtlinie kommt und eine individuelle Gleichwertigkeitsprüfung durchzuführen ist. Fälle einer automatischen Anerkennung sind dagegen von § 5 Abs. 1 WBO erfasst. Soweit die Beklagte meint, dass sich die "kompetenzielle Frage" stelle, ob die Entscheidung des Königreichs Spanien, keine Weiterbildung in der Kieferorthopädie zu etablieren, durch die Bundesrepublik Deutschland und ihre Behörden oder Gerichte konterkariert werden könne, verkennt die Beklagte, dass hier kein Fall einer automatischen Anerkennung einer Berufsqualifikation betroffen ist. Durch die erforderliche Gleichwertigkeitsprüfung im Hinblick auf den Weiterbildungsstand wurde gerade eine zusätzliche Voraussetzung für eine Anerkennung der Berufsqualifikation geschaffen; zu einem Automatismus kommt es nicht.

b) Die Klägerin hat die Weiterbildung auch erfolgreich abgeschlossen. Dies belegt das von der Klägerin vorgelegte Zeugnis (Bl. 7 ff. des Verwaltungsvorganges). Der Abschluss des Studienganges wird im Übrigen auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen.

c) Die Gleichwertigkeit des Weiterbildungsstandes, der eine weitere tatbestandliche Voraussetzung nach § 5 Abs. 2 WBO darstellt, ist zu bejahen. Der Weiterbildungsstand ist als gleichwertig anzusehen, wenn die Weiterbildung der Antragstellerin oder des Antragstellers keine wesentlichen Unterschiede gegenüber der Weiterbildung aufweist, die in der Weiterbildungsordnung der jeweils zuständigen Zahnärztekammer - hier der Beklagten - geregelt ist, § 5 Abs. 2 Satz 2 WBO. Wesentliche Unterschiede liegen nach § 5 Abs. 2 Satz 3 WBO vor, wenn sich der im Ausland erworbene Ausbildungsnachweis auf Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten bezieht, die sich hinsichtlich der vermittelten Inhalte (Alt. 1) oder aufgrund der Ausbildungsdauer (Alt. 2) wesentlich von den Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten unterscheiden, die im Rahmen der entsprechenden Weiterbildung nach der Weiterbildungsordnung der Beklagten erworben werden (vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2013 - 13 A 2254/12 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 16. September 2014 - 13 A 636/12 -, juris, Rn. 41 f.). Wesentliche Unterschiede können ganz oder teilweise durch Kenntnisse ausgeglichen werden, die im Rahmen der Berufspraxis oder auf sonstige Art und Weise erworben worden sind; dabei ist es nicht entscheidend, in welchem Staat die Kenntnisse und Fähigkeiten erworben wurden, § 5 Abs. 2 Satz 4 WBO. Da die Beklagte als zuständige Fachbehörde die Gleichwertigkeit des inhaltlichen bzw. materiellen Weiterbildungsstandes bestätigt hat und nach Auffassung der Kammer keinerlei Anhaltspunkte gegen diese Annahme der Behörde sprechen - vielmehr geht aus dem Inhalt der Akten ein umfassender Kenntnisstand hervor (sowie eine mehrjährige Berufserfahrung der Klägerin auf den Gebiet der Kieferorthopädie seit dem Jahr 2012 auch in Deutschland) - , hat die Kammer von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage abgesehen (vgl. zu den Grenzen des Grundsatzes der Amtsermittlung etwa VG Hamburg, Beschluss vom 18. Mai 2001 - 3 VG 1075/2001 -, juris Rn. 27; BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2004 - BVerwG 6 B 46.03 -, juris m.w.N.).

d) Die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid vorgesehene Rechtsfolge - die Klägerin zur Fachzahnarztprüfung nach § 9 Abs. 2 WBO zuzulassen - ist von ihrer Weiterbildungsordnung im Fall des Vorliegens eines Ausbildungsnachweises über eine Weiterbildung aus einem Mitgliedstaat sowie eines gleichwertigen Weiterbildungsstandes nicht vorgesehen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 5 WBO muss der Nachweis, dass Kenntnisse und Fähigkeiten vorliegen, die zur Anerkennung des Ausbildungsnachweises erforderlich sind, nur dann geführt werden, wenn wesentliche Unterschiede im Hinblick auf den Weiterbildungsstand vorliegen. Der Nachweis ist nach Satz 6 durch eine Eignungsprüfung zu erbringen, die sich auf die festgestellten wesentlichen Unterschiede bezieht. Solche wesentlichen Unterschiede hat die Beklagte aber gerade nicht festgestellt; dahingehend ist auch nichts ersichtlich.

Schließlich liegen auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Sätze 1 und 2 WBO nicht vor. Insbesondere haben die von der Klägerin in einem Mitgliedstaat abgeleisteten Weiterbildungszeiten zu einem Ausbildungsnachweis geführt. Es liegt auch kein Ausbildungsnachweis vor, der nicht unter die Regelungen des § 5 Abs. 1, 2 WBO fällt (vgl. dazu jeweils das Vorstehende).

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren ist für notwendig zu erklären. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung einer oder eines Bevollmächtigten im Vorverfahren hängt von der Prüfung im Einzelfall ab und ist unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen. Maßgebend ist, ob sich eine vernünftige Bürgerin oder ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts bedient hätte. Notwendig ist die Zuziehung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten ist, das Vorverfahren selbst zu führen (BVerwG, Urteil vom 28. April 2009 - 2 A 8.08 -, juris). Die Notwendigkeit der Hinzuziehung wird auch durch die Bedeutung der Streitsache für die Klägerin oder den Kläger bestimmt (so BVerwG, Beschluss vom 27. Februar 2012 - 2 A 11/08 -, juris Rn. 5). Gemessen an diesen Maßstäben ist hier die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären. Die Beklagte hat dies in dem streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid auch bereits getan, soweit sie dem Antrag der Klägerin entsprochen hat. Auch im Übrigen ist ein solcher Ausspruch hier geboten, da die Rechtssache besonders komplex und zugleich besonders relevant im Hinblick auf die Grundrechte der Klägerin, aber auch der Patientinnen und Patienten ist.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO.