Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.11.2024, Az.: 9 KN 249/20
Definiton eines Übergabeschachtes als Einsteigschacht unmittelbar an der Grundstücksgrenze in einer Abwasserbeseitigungssatzung i.R.d. DIN-Vorschriften
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 26.11.2024
- Aktenzeichen
- 9 KN 249/20
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2024, 28498
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2024:1126.9KN249.20.00
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BVerwG - 04.08.2025 - AZ: BVerwG 8 BN 2.25
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- NVwZ-RR 2025, 349
- NordÖR 2025, 51
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Für eine rechtsstaatlich gebotene Verkündung reicht bereits die Möglichkeit der Einsichtnahme in DIN-Vorschriften, auf die in einer Abwasserbeseitigungssatzung Bezug genommen wird, an zumutbar erreichbaren öffentlichen Stellen aus.
- 2.
Die Definiton eines Übergabeschachtes als Einsteigschacht unmittelbar an der Grundstücksgrenze in einer Abwasserbeseitigungssatzung entspricht den einschlägigen DIN-Vorschriften.
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Antragsteller den Normenkontrollantrag gegen § 7 Abs. 3 Satz 3 der Abwasserbeseitigungssatzung der Antragsgegnerin vom 1. Januar 2020 in der Beschlussfassung vom 12. Dezember 2019 (ABS) zurückgenommen hat.
§ 12 Abs. 5 Satz 6 ABS wird für unwirksam erklärt.
Der Normenkontrollantrag gegen § 2 Abs. 4 Satz 2, 2. Spiegelstrich ABS wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller zu 2/3 und die Antragsgegnerin zu 1/3.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist die am 12. Dezember 2019 vom Rat der Antragsgegnerin beschlossene, am 18. Dezember 2019 ausgefertigte, am 24. Dezember 2019 bekanntgemachte und zum 1. Januar 2020 in Kraft getretene Abwasserbeseitigungssatzung der Antragsgegnerin (ABS).
Die Antragsgegnerin beseitigt das in ihrem Gemeindegebiet anfallende Abwasser gemäß ihrer Abwasserbeseitigungssatzung.
Der Antragsteller ist Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks im Satzungsgebiet. Das Wohnhaus ist im Jahr 1963 errichtet worden. Der Antragsteller hat das Grundstück am 1. Oktober 2015 erworben. Im Jahr 2019 beantragte und erhielt er eine Baugenehmigung für die Errichtung eines eingeschossigen Anbaus mit einer überbauten Fläche von 30 m2 auf der Rückseite des vorhandenen Gebäudes.
Mit Schreiben vom 19. Juli 2019 forderte der Eigenbetrieb Stadtentwässerung (SES) unter dem Briefkopf der Antragsgegnerin den Antragsteller auf, eine Entwässerungsgenehmigung für die Erweiterung eines Wohnhauses zu stellen.
Am 18. Februar 2020 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Entwässerung des auf dem Anbau anfallenden Niederschlagswassers.
Mit Bescheid vom 8. Juli 2020 erteilte der SES unter dem Briefkopf der Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Entwässerungsgenehmigung mit Auflagen u. a., einen Übergabeschacht an der Grundstücksgrenze herzustellen, falls dort noch kein Übergabeschacht vorhanden sei. Aufgrund der Auslastung der öffentlichen Mischwasserkanalisation könne das zusätzlich auf dem Anbau anfallende Niederschlagswasser nur gedrosselt in die Kanalisation eingeleitet werden. Die geplante Überlaufleitung DN50 sei in ihrer Leistungsfähigkeit zu drosseln. Der Bemessungswert zur Ablaufreduzierung betrage 3,0 l/s je Hektar. Es sei im Zuge der Änderung/Ergänzung der Entwässerungsanlagen zu prüfen, ob Anlagen zur Sicherung gegen den Rückstau erforderlich seien. Die Grundstücksentwässerung sei unaufgefordert zur Abnahme anzumelden. Es wurden eine Teilabnahme vor der Verfüllung der Rohrgräben, eine Dichtheitsprobe mit Wasser und eine Schlussabnahme angeordnet. Ein Dichtheitsnachweis, der im Rahmen einer Abnahme erbracht werde, werde für die satzungsgemäß geforderten Dichtheitsnachweise anerkannt.
Hiergegen hat der Antragsteller am 5. August 2020 beim Verwaltungsgericht Hannover Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist (VG Az. ). Mit Beschluss vom 4. März 2021 hat das Verwaltungsgericht das Ruhen des Klageverfahrens mit Blick auf das vorliegende Normenkontrollverfahren angeordnet.
Die Neufassung der Abwasserbeseitigungssatzung der Antragsgegnerin in der Bekanntmachung vom 24. Dezember 2019 sieht u. a. folgende Regelungen vor:
§ 2 Begriffsbestimmungen
...
(4) Grundstücksentwässerungsanlagen sind die Einrichtungen, die der Sammlung, Vorbehandlung, Prüfung, Rückhaltung, Ableitung und Klärung des auf dem Grundstück anfallenden Abwassers auf dem Grundstück dienen, sofern sie nicht Bestandteil der öffentlichen zentralen Abwassereinrichtung sind.
Bauwerke werden wie folgt definiert
...
Übergabeschacht
Einsteigschacht unmittelbar an der Grundstücksgrenze
...
§ 7 Allgemeine Einleitungsbedingungen
...
(3) ...
Im Mischverfahren darf Niederschlagswasser von den Dachflächen und befestigten Flächen nur durch einen Sammelbehälter, der mit Überlauf und Leerlauf (Drosselabfluss ist mit der Stadtentwässerung abzustimmen) versehen ist, dem Kanal zugeleitet werden. Der Behälter muss so groß sein, dass auf je 100 m2 Dachfläche und befestigte Flächen (im Grundriss gemessen) mindestens ein Nutzungsinhalt von 2 m3 entfällt.
...
§ 9 Anschlussleitung
(1) Jedes Grundstück muss einen eigenen unmittelbaren Anschluss (bei Trennsystem zwei Anschlüsse) an die öffentliche Abwasseranlage haben. Die Lage und lichte Weite des Anschlusskanals und die Anordnung des Übergabeschachtes bestimmt die Stadt. Begründete Wünsche des/r Grundstückseigentümers/in sollen berücksichtigt werden, soweit dies möglich ist. Es besteht kein Anspruch auf eine bestimmte Entwässerungstiefe.
...
(4) ...
Ist bei Grenzbebauung oder mangelndem Platz zwischen Grundstücksgrenze und Gebäude der Bau eines Einsteigschachtes außerhalb des Gebäudes möglich und wirtschaftlich vertretbar, baut die Stadt den Einsteigschacht vor bzw. auf der Grundstücksgrenze. In besonderen Ausnahmefällen, die in den örtlichen Verhältnissen begründet liegen, wird anstelle eines Einsteigschachtes eine Inspektionsöffnung hergestellt. Die Kosten trägt der Anschlussnehmer.
§ 10 Grundstücksentwässerungsanlage
(1) Die Entwässerungsanlage auf dem anzuschließenden Grundstück ist nach den Bestimmungen dieser Satzung und den jeweils geltenden allgemein anerkannten Regeln der Technik auf eigene Kosten herzustellen, zu betreiben, zu unterhalten und zu ändern. Insbesondere sind folgende Normen zu beachten
DIN EN 752 Entwässerungssysteme außerhalb von Gebäuden
DIN EN 12056 Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden
DIN 1986 Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke
...
§ 12 Überwachung der Grundstücksentwässerungsanlage
...
(5) Die Grundstücksentwässerungsanlage ist stets in einem einwandfreien, betriebsfähigen Zustand zu erhalten und entsprechend unaufgefordert gegenüber der Stadt nachzuweisen.
Hierfür sind für bestehende, erdverlegte Anlagen, die in Schmutz- oder Mischwasserkanäle einleiten, Dichtheitsprüfungen durchzuführen. Bei erstmaliger Herstellung (Erweiterung oder Erneuerung) ist eine physikalische Druckprüfung mit Wasser oder Luft, mit einem Druck von 0,5 bar, gemäß den Anforderungen der DIN EN 1610 durchzuführen.
Bei bestehenden Anlagen, die nicht vor Inbetriebnahme geprüft wurden, sowie nach Reparaturen, ist eine physikalische Druckprüfung gemäß DIN 1986-30 - 19 - 66-1 durchzuführen. Hierbei ist ein Prüfdruck mit Wasser von 0,05 bar, alternativ Füllung der Grundleitung bis zum niedrigsten Entwässerungsobjekt, oder ein Prüfdruck mit Luft von 0,1 bar anzuwenden.
Im Fall von häuslichen Abwässern sind erstmalig bei Herstellung und dann in einem Abstand von 25 Jahren unaufgefordert Dichtheitsprüfungen durchzuführen.
...
In einem Anhang 2 zu § 2 Abs. 11 ABS sind die in dieser Satzung genannten DIN und DIN EN Normen aufgelistet. Der Anhang 2 ist gemäß § 2 Abs. 11 ABS Bestandteil der Satzung und enthält im Anschluss an die Liste der DIN-Normen den Hinweis:
"Die genannten DIN-Normen sind zu beziehen durch den Beuth-Verlag GmbH, Burggrafenstraße 6, 10787 Berlin."
Die Antragsgegnerin hat die Abwasserbeseitigungssatzung vom 12. Dezember 2019 am 15. Mai 2021 erneut veröffentlicht. Die Fassung der erneut veröffentlichten Abwasserbeseitigungssatzung enthält im Anhang 2 am Ende den zusätzlichen Hinweis:
"Es wird darauf hingewiesen, dass die Abwasserbeseitigungssatzung der Stadt Springe sowie die DIN Normen und DIN EN Normen, auf die in der Satzung Bezug genommen wird, bei der Stadt Springe, Eigenbetrieb Stadtentwässerung B-Stadt im Dienstgebäude Zur Salzhaube 9 zu den üblichen Dienstzeiten zur Einsichtnahme bereitgehalten werden. Eine Einsichtnahme ist nach vorheriger Terminabsprache möglich..."
Der Antragsteller hat am 22. Dezember 2020 drei Normenkontrollanträge gegen Regelungen der am 24. Dezember 2019 veröffentlichten Abwasserbeseitigungssatzung erhoben, und zwar gegen § 2 Abs. 4 Satz 2, 2. Spiegelstrich ABS, gegen § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS und gegen § 7 Abs. 3 Satz 3 ABS.
Den dritten Normenkontrollantrag gegen § 7 Abs. 3 Satz 3 ABS hat der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung am 26. November 2024 zurückgenommen.
Der Antragsteller trägt im Wesentlichen vor, bei den Übergabeschächten gemäß § 2 Abs. 4 Satz 2, 2. Spiegelstrich ABS handele es sich zwar um Einsteigschächte. Es könnten aber auch einfache Revisionsschächte als Übergabeschächte zulässig sein. Die einschlägige DIN 1986-100 sehe die regelhafte bzw. obligatorische Errichtung von Übergabeschächten unmittelbar an der Grundstücksgrenze nicht vor. Den Grundstückseigentümern würden deshalb weitergehende Einschränkungen auferlegt, als die einschlägige DIN 1986-100 vorsähe. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, dass im Geltungsbereich der Abwasserbeseitigungssatzung regionale Besonderheiten bestünden, die eine von der Norm abweichende Lage und Gestalt von Revisionsschächten bzw. Inspektionsöffnungen erforderten. Nach dem Werk "Technischer Ausbau von Gebäuden" von Prof. Dr. Bohne seien Übergabeschächte, bei denen es sich um den letzten grundstücksseitigen Revisionsschacht vor dem öffentlichen Kanal handele, nur im Bereich der Grundstücksgrenze, und zwar i. d. R. nicht weiter als 15 m vom öffentlichen Abwasserkanal anzuordnen. Nach den Ausführungen des Prof. Dr. Bohne schreibe die DIN 1986-100 mit Rücksicht auf die Reichweite von Reinigungs- und Inspektionsgeräten Reinigungsöffnungen in den Grundleitungen in Abständen von maximal 20 m vor. Es reiche - so der Antragsteller weiter -, wenn der Übergabeschacht nahe bzw. im Bereich der Grundstücksgrenze positioniert werde. Die satzungsrechtliche Zulassung einer freieren Positionierung und erst recht die Möglichkeit einer die Abstandsregeln berücksichtigende Positionierung im Keller des Gebäudes würden einen minderen Eingriff in das Eigentum bedeuten und Kostenersparnisse zulassen. In Kellern angeordnete Revisionsschächte hätten naturgemäß eine geringere Tiefe als Schächte im Freien und seien daher kostengünstiger.
Der Antragsteller rügt weiter, dass § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS zu anlasslosen Regelprüfungen in einem Abstand von 25 Jahren in Form von Dichtheitsprüfungen im Sinne einer Druckprüfung verpflichte und die Durchführung einer Kamerabefahrung als regelmäßige Funktionsprüfung auch im Fall von häuslichen Abwässern ausschließe. Nach der DIN 1986-30 und den "Baufachlichen Richtlinien Abwasser" des Bundesministeriums für Inneres und für Verteidigung könne bei anlasslosen Intervallkontrollen der Nachweis der Dichtheit durch eine optische Kamerabefahrung erbracht werden, wenn keine dichtheitsrelevanten Schäden und Fremdwassereintritte festgestellt worden seien. Zwar liege in der Kläranlage der Antragsgegnerin ein überhöhter Fremdwasseranfall vor, den es unbestreitbar zu verringern gelte. Dies rechtfertige aber keine Abschaffung der in der DIN 1986-30 als Regelfall von anlasslosen Intervallprüfungen vorgesehenen Kameraprüfung. Da die Grundstückseigentümer nach der DIN 1986-30 ohnedies die Kamerabefahren als anlasslose Regelprüfung durchzuführen hätten, seien sie im Ergebnis mit einer Verpflichtung zur Durchführung von zwei Prüfverfahren nebeneinander belastet.
Der Antragsteller trägt außerdem vor, dass die in § 10 Abs. 1 ABS zur näheren Bestimmung der anerkannten Regeln der Technik aufgeführten DIN-Normen nicht allgemein öffentlich zugänglich seien. Sie seien nur in wenigen großen, vorwiegend technisch ausgerichteten Bibliotheken zugänglich und in der Regel nicht ausleihbar. Sie könnten nur käuflich erworben werden. Es müsse bezweifelt werden, ob das Angebot einer individuellen Terminvereinbarung zur Einsicht in die DIN-Normen bei der Antragsgegnerin den Anforderungen an eine allgemeine öffentliche Zugänglichkeit genüge. Dieses Angebot habe die Antragsgegnerin im Übrigen erst mit der Neubekanntmachung ihrer Abwasserbeseitigungssatzung im Mai 2021 veröffentlicht.
Der Antragsteller beantragt,
die folgenden Regelungen der Abwasserbeseitigungssatzung der Antragsgegnerin vom 1. Januar 2020 in der Beschlussfassung vom 12. Dezember 2019 (ABS) für unwirksam zu erklären:
- 1.
§ 2 Abs. 4 Satz 2, 2. Spiegelstrich ABS
- 2.
§ 12 Abs. 5 Satz 6 ABS.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Sie trägt im Wesentlichen vor, § 2 Abs. 4 Satz 2, 2. Spiegelstrich ABS begegne keinen Bedenken. Nach der in § 10 Abs. 1 Satz 2 ABS in Bezug genommenen DIN 1986-100 sei ein Kontrollschacht regelhaft als (erster) Schacht an der Grundstücksgrenze zum öffentlichen Weg herzustellen. Diese Anforderung erweise sich als sachgerecht und liege in ihrem - der Antragsgegnerin - Organisationsermessen. Ein Grund für diese Anforderung sei, dass bei gemeldeten Störungen im Abfluss des Abwassers in Privathaushalten möglichst schnell die Ursache bzw. Schadensstelle gefunden werden müsse. Bei einer Störung im Anschlusskanal sei ein Einsatz der städtischen Kanalreinigung nur bei einem vorhandenen Schacht möglich. Aufgrund des hohen Spüldrucks mit 100 bar dürfe nicht in geschlossenen Räumen gearbeitet werden. Das verbiete sich auch aus hygienischen Gründen. Schließlich diene der Übergabeschacht auch der erleichterten regelmäßigen Dichtheitsprüfung. Soweit von dem zwingenden Erfordernis zur Herstellung eines Übergabeschachts abgewichen werden solle, ließen dies die Regelungen in § 10 Abs. 4 Satz 3 ABS und § 20 Abs. 1 ABS zu.
Der in § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS verwendete Begriff der Dichtheitsprüfung umfasse regelmäßig entweder eine Kamerabefahrung oder eine Druckprüfung. Es reiche, wenn einmal eine Druckprüfung durchgeführt worden sei. Bei den neu hergestellten Kanälen werde diese regelmäßig gefordert (§ 12 Abs. 5 Satz 3 ABS). Ebenso sei eine Druckprüfung durchzuführen, wenn die Entwässerungsanlage repariert worden oder noch nie mittels einer Druckprüfung auf Dichtheit getestet worden sei (§ 12 Abs. 5 Satz 4 ABS). Seien die Entwässerungsanlagen allerdings bereits zuvor einmal einer Druckprüfung unterzogen worden, dann genüge eine Kamerabefahrung als regelmäßige Dichtheitsprüfung (§ 12 Abs. 5 Satz 6 ABS).
Es sei rechtlich unbedenklich, wenn sie - die Antragsgegnerin - darauf verweise, dass private Normungswerke bei ihr eingesehen werden könnten, soweit darauf in ihrem Satzungsrecht Bezug genommen werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten sowie auf den von der Antragsgegnerin vorgelegten Kommentar Heinrichs/Rickmann/Sondergeld/Störrlein, Gebäude- und Grundstücksentwässerung, Planung und Ausführung DIN 1986-100 und DIN EN 12056-4, 6. überarbeitete Auflage 2016, verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Soweit der Antragsteller den Normenkontrollantrag gegen § 7 Abs. 3 Satz 3 ABS in der mündlichen Verhandlung am 26. November 2024 zurückgenommen hat, ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
Die beiden aufrecht erhaltenen Normenkontrollanträge sind zulässig (hierzu unter I.), aber nur teilweise begründet. Der gegen § 2 Abs. 4 Satz 2, 2. Spiegelstrich ABS gerichtete Normenkontrollantrag zu 1. bleibt erfolglos (hierzu unter II.). Der Normenkontrollantrag zu 2., § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS für unwirksam zu erklären, hat dagegen Erfolg (hierzu unter III.).
I.
Die beiden Normenkontrollanträge des Antragstellers sind statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Der Antragsteller ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt, da er Eigentümer eines Grundstücks im Geltungsbereich der angegriffenen Satzung ist und die Antragsgegnerin ihm eine Entwässerungsgenehmigung erteilt hat mit Anordnungen, deren Rechtsgrundlagen er mit den Normenkontrollanträgen angreift.
Die am 22. Dezember 2020 gestellten Normenkontrollanträge sind hinsichtlich der Abwasserbeseitigungssatzung vom 12. Dezember 2019, die am 24. Dezember 2019 bekannt gemacht wurde, fristgerecht innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erhoben worden.
II.
Der Normenkontrollantrag zu 1. ist nicht begründet. Die Regelung in § 2 Abs. 4 Satz 2, 2. Spiegelstrich ABS ist formell rechtmäßig (hierzu unter 1.) und verstößt auch inhaltlich nicht gegen höherrangiges Recht (hierzu unter 2.).
1.
Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der angegriffenen Satzungsregelung hat der Senat keine Bedenken.
Der Antragsteller rügt, die in § 10 Abs. 1 ABS angeführten DIN-Normen seien nicht mit der Abwasserbeseitigungssatzung bekannt gemacht worden und der öffentlichen Allgemeinheit nicht zugänglich. Damit macht er sinngemäß geltend, dass die Satzung nicht ordnungsgemäß veröffentlicht worden sei.
Es liegt jedoch kein etwaiger Verkündungsmangel vor.
Es trifft zu, dass die in der Abwasserbeseitigungssatzung Bezug genommenen DIN-Normen nicht mit der Abwasserbeseitigungssatzung bekanntgemacht worden sind. Der Anhang 2 zu § 2 Abs. 11 ABS in der hier angegriffenen, am 24. Dezember 2019 veröffentlichten Fassung, enthält nur den Hinweis, dass die genannten DIN-Normen bei einem bestimmten Verlag zu beziehen seien. In der Fassung der am 15. Mai 2021 erneut veröffentlichten Abwasserbeseitigungssatzung ist dieser Anhang 2 am Ende um einen zusätzlichen Hinweis ergänzt worden. Darin wird darauf hingewiesen, dass die Abwasserbeseitigungssatzung der Antragsgegnerin sowie die DIN-Normen und DIN EN Normen, auf die in der Satzung Bezug genommen werde, bei der Antragsgegnerin eingesehen werden könnten.
Es kann dahinstehen, ob die Antragsgegnerin mit der "erneuten Veröffentlichung" der Abwasserbeseitigungssatzung den Anhang 2 ohne Ratsbeschluss wirksam um den Hinweis auf die Einsichtsmöglichkeit ergänzt hat, obwohl der Anhang 2 gemäß § 2 Abs. 11 ABS ausdrücklich Bestandteil der Satzung ist und keine Satzungsänderung beschlossen wurde.
Denn nach der Senatsrechtsprechung bedarf es weder einer Bekanntmachung der DIN-Normen mit der Abwasserbeseitigungssatzung, noch ist ein Hinweis in der Abwasserbeseitigungssatzung auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in die DIN-Normen zwingend erforderlich. Zwar wäre ein Hinweis in der Abwasserbeseitigungssatzung auf die Einsichtsmöglichkeit für die Satzungsadressaten hilfreich und wünschenswert (vgl. auch § 22 "Hinweis auf archivmäßige Verwahrung" in der Mustersatzung einer Abwasserbeseitigungssatzung, Stand Dezember 2013, herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände in Niedersachsen in Abstimmung mit dem Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz). Für eine rechtsstaatlich gebotene Verkündung reicht aber bereits die Möglichkeit der Einsichtnahme in DIN-Vorschriften, auf die in der Abwasserbeseitigungssatzung Bezug genommen wird, an zumutbar erreichbaren öffentlichen Stellen aus (vgl. Senatsbeschluss vom 12.7.2022 - 9 LA 104/20 - n. v.).
Das Rechtsstaatsprinzip gebietet, dass förmlich gesetzte Rechtsnormen verkündet werden. Verkündung bedeutet regelmäßig, dass die Rechtsnormen der Öffentlichkeit in einer Weise förmlich zugänglich gemacht werden, dass die Betroffenen sich verlässlich Kenntnis von ihrem Inhalt verschaffen können. Diese Möglichkeit darf auch nicht in unzumutbarer Weise erschwert sein. Dem Rechtsstaatsprinzip lassen sich aber keine bestimmten Aussagen dazu entnehmen, in welchen Fällen es für die Verkündung einer Rechtsnorm ausreichen kann, sie nicht in einem gedruckten Publikationsorgan zu veröffentlichen, sondern nur auf einer Dienststelle zu jedermanns Einsicht bereitzuhalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.11.1983 - 2 BvL 25/81 - juris Rn. 36; BVerwG, Beschluss vom 29.7.2010 - 4 BN 21.10 - juris Rn. 9; Senatsbeschluss vom 12.7.2022 - 9 LA 104/20 - n. v.).
DIN-Normen sind aber keine Rechtsnormen. Sie geben die anerkannten Regeln der Technik in sachverständiger Weise wieder (vgl. Senatsurteil vom 10.1.2012 - 9 KN 162/10 - juris Rn. 88). Regeln der Technik haben als solche keinen Rechtsnormcharakter. Sie können allerdings vom Gesetzgeber in seinen Regelungswillen aufgenommen werden. Werden sie von ihm rezipiert, so nehmen sie an der normativen Wirkung in der Weise teil, dass die materielle Rechtsvorschrift durch sie inhaltlich näher ausgefüllt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.1995 - 4 B 250.95 - juris Rn. 4).
Für die Verkündung eines Bebauungsplans fordert das Bundesverwaltungsgericht, dass - wenn eine Festsetzung auf eine DIN-Vorschrift verweist und sich erst aus dieser Vorschrift ergibt, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist - der Plangeber sicherstellen müsse, dass die Planbetroffenen sich auch vom Inhalt der DIN-Vorschrift verlässlich Kenntnis verschaffen könnten. Das könne die Gemeinde dadurch bewirken, dass sie die in Bezug genommene DIN-Vorschrift bei der Verwaltungsstelle, bei der auch der Bebauungsplan eingesehen werden könne, zur Einsicht bereithalte und hierauf in der Bebauungsplanurkunde hinweise (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.7.2010 - 4 BN 21.10 - juris Rn. 12, 13; s. a. BVerwG, Beschluss vom 18.8.2016 - 4 BN 24.16 - juris Rn. 7 und Senatsbeschluss vom 12.7.2022 - 9 LA 104/20 - n. v.).
Demgegenüber hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 27. Juni 2013 (- 3 C 21.12 - juris Rn. 30, 31) entschieden, dass diese Rechtsprechung nicht über die dort konkret betroffenen Fälle von Bebauungsplänen hinaus auch auf alle anderen Verweisungen auf technische Regelwerke privater Dritter übertragbar sei. Dem Beschluss vom 29. Juli 2010 (- 4 BN 21.10 - juris) sei bereits nicht zu entnehmen, dass die dort gebilligte Form der Bekanntmachung die einzige sei, mit denen den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verkündung solcher Bebauungspläne genügt werden könne. Ebenso wenig enthalte die Entscheidung Hinweise darauf, dass die dort gebilligte Bekanntmachungspraxis auch für alle anderen Fälle einer Verweisung auf technische Regelwerke Dritter verbindlich vorgesehen werden müsse. Die Bekanntgabe von Bebauungsplänen weise vielmehr die Besonderheit auf, dass sich ihr Inhalt auf den Beschluss der Gemeinde über den Bebauungsplan oder dessen Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde beschränke. Die Kenntnisnahme von den mit dem Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen sei damit erst über eine Einsichtnahme in den Bebauungsplan selbst möglich, der hierfür von der Gemeinde bereitzuhalten sei; auf diese Einsichtsmöglichkeit wiederum sei bei der Bekanntmachung des Bebauungsplans hinzuweisen (vgl. § 10 Abs. 3 BauGB). Im Hinblick auf diese spezifische Ausgestaltung der Bekanntmachung bei Bebauungsplänen liege es nahe, für die Einsichtnahme auch die für anwendbar erklärten DIN-Normen bereitzuhalten, um dem Betroffenen eine umfassende Kenntnisnahme von den maßgeblichen Regelungen zu ermöglichen (vgl. Senatsbeschluss vom 12.7.2022 - 9 LA 104/20 - n. v.).
Vor diesem Hintergrund reicht die Möglichkeit der Einsichtnahme in DIN-Vorschriften, auf die in der Abwasserbeseitigungssatzung der Antragsgegnerin Bezug genommen wird, an zumutbar erreichbaren öffentlichen Stellen wie in den Diensträumen der Antragsgegnerin aus (vgl. Senatsbeschluss vom 12.7.2022 - 9 LA 104/20 - n. v.). Denn in der für Satzungen der Kommunen maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung des § 10 Abs. 4 NKomVG gibt es keine mit § 10 Abs. 3 BauGB vergleichbare Regelung über einen verpflichtenden Hinweis auf die Einsichtsmöglichkeit. Nach § 10 Abs. 4 NKomVG hat jede Person das Recht, Satzungen einschließlich aller Anlagen und Pläne innerhalb der öffentlichen Sprechzeiten der Verwaltung einzusehen und sich gegen Erstattung der dadurch entstehenden Kosten Kopien geben zu lassen. Eine Pflicht, auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in der Satzung hinzuweisen, ergibt sich aus dieser Bestimmung aber nicht. Die DIN-Vorschriften werden auch nicht durch die Bezugnahme konstitutiv zum Satzungsrecht erhoben. In § 10 ABS wird nur insoweit auf die DIN-Normen verwiesen, als es um die technischen Voraussetzungen für die Herstellung der Grundstücksentwässerungsanlage auf dem anzuschließenden Grundstück geht (vgl. etwa § 10 Abs. 2 und 4 ABS). Der Hinweis auf die DIN-Vorschriften in der Satzung stellt deshalb lediglich eine Konkretisierung des zu beachtenden Stands der Technik dar und gibt dem Rechtsanwender Aufschluss über die von ihm bei der Zustands- und Funktionsprüfung einzuhaltenden technischen Standards (vgl. hierzu auch OVG NRW, Beschluss vom 4.2.2020 - 15 A 3136/18 - juris Rn. 55 und 57).
Vorliegend hat die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung am 26. November 2024 versichert, dass sie die DIN-Normen, auf die die Abwasserbeseitigungssatzung Bezug nimmt, in ihren Diensträumen vorhält und sie dort eingesehen werden können.
Der alleinige Hinweis im Anhang 2 zu § 2 Abs. 11 ABS, wonach die DIN-Normen bei einem Verlag bezogen werden können, ist entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht irreführend. Denn er erschwert den Betroffenen nicht die Möglichkeit zur Einsichtnahme in die DIN-Normen. Vielmehr sind die Betroffenen durch den Hinweis nicht gehindert, bei der Antragsgegnerin eine Einsicht in die DIN-Normen zu erbitten. Im Übrigen weist der Antragsteller selbst darauf hin, dass die DIN-Vorschriften in öffentlichen Bibliotheken einsehbar sind und also nicht zwingend hätten erworben werden müssen.
2.
Die Satzungsregelung in § 2 Abs. 4 Satz 2, 2. Spiegelstrich ABS ist mit höherrangigem Recht vereinbar und unterliegt keinen materiell rechtlichen Bedenken.
Die materielle Rechtmäßigkeit von Satzungsbestimmungen über Anforderungen an die Grundstücksentwässerungsanlage hängt davon ab, ob die Regelungen in Einklang mit der (landes-)gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in §§ 10 Abs. 1 und 13 NKomVG sowie § 96 NWG stehen. Hierzu hat der Senat mit Urteil vom 10. Januar 2012 grundlegend ausgeführt (- 9 KN 162/10 - juris Rn. 71 f., 78, 85 ff.):
"... Die ... Vorschrift begründet die allgemeine Befugnis der Gemeinde, ihre eigenen Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze durch Satzung zu regeln. Die Aufgaben der Abwasserbeseitigung gehören gemäß § 96 Abs. 1 NWG n. F. (§ 149 Abs. 1 NWG a. F.) zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinden. In diesem Bereich können sie die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen durch den Erlass von Satzungen regeln und nach § 8 Nr. 2 NGO (jetzt § 13 Satz 1 Nrn 1a und 2a NKomVG) für die Grundstücke ihres Gebietes den Anschluss an die Abwasserbeseitigung anordnen sowie deren Benutzung vorschreiben (Anschluss- und Benutzungszwang). Insbesondere dürfen sie im Rahmen der ihr so verliehenen Rechtsetzungsbefugnis Bestimmungen erlassen, die Art und Weise des Anschlusses an den Abwasserkanal festlegen (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschluss vom 3.2.2004 - 9 LA 338/03 -, vom 15.3.2002 - 9 LA 93/02 -, vom 13.3.2002 - 9 LA 54/02 -, vom 28.10.1997 - 9 L 636/96 -, vom 1.4.1996 - 9 M 1608/96 - und vom 13.10.1995 - 9 M 5113/93 -). Der gemeindlichen Regelungsbefugnis unterfallen nicht nur die Geschehensabläufe im öffentlichen Abwasserbeseitigungssystem. Als eine Art "Annexkompetenz" können die Gemeinden vielmehr auch Regelungen bezüglich der Einleitung von Abwasser über die private Grundstücksentwässerungsanlage in das öffentliche System treffen. Denn ihrer Verpflichtung zur gemeinwohlverträglichen Durchführung der Abwasserbeseitigung kann eine Gemeinde nur erfolgreich nachkommen, wenn sie in der Lage ist, auch die Benutzungsverhältnisse auf den einzelnen Grundstücken auszugestalten und dabei Regelungen in Bezug auf die Grundstücksentwässerungsanlage zu treffen. Zulässig sind insoweit alle Bestimmungen, die im Interesse einer ordnungsgemäßen und störungsfreien Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht, insbesondere einer schadlosen Ableitung und Behandlung des Abwassers, erforderlich sind (vgl. Schneider, ZfW 2005, 69, 72 f. [BGH 23.06.2004 - IV ZR 219/03] und 75 f. [BVerwG 11.12.2003 - BVerwG 7 CN 2.02]; siehe auch OVG Münster, Beschluss vom 16.10.2002 - 15 B 1355/02 - DÖV 2003, 418). In diesem Rahmen dürfen auch Vorschriften mit dem Ziel erlassen werden, eine widerrechtliche Abwasserbeseitigung durch Versickern in den Untergrund zu vermeiden und so der in § 96 Abs. 9 NWG n. F. (§ 149 Abs. 10 NWG a. F.) geschaffenen Verpflichtung des Verfügungsberechtigten, sein Abwasser der beseitigungspflichtigen Gemeinde zu überlassen, gerecht zu werden.
Dies bedeutet für den Umfang möglicher Satzungsregelungen Folgendes: Auf der Grundlage der §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 8 Nr. 2 NGO (jetzt §§ 10 Abs. 1, 13 Satz 1 Nrn 1a und 2a NKomVG) kann die Gemeinde eine Dichtheitsprüfung nur anordnen, soweit ein konkreter Bezug zur Erfüllung der eigenen Aufgabe Abwasserbeseitigung besteht. Kommunale Satzungen dürfen daher Anforderungen an Grundstücksentwässerungsanlagen lediglich aufstellen, um zu vermeiden, dass der Betrieb des öffentlichen Abwasserbeseitigungssystems erschwert oder beeinträchtigt wird, und um sicherzustellen, dass der bestehende Benutzungszwang und die Überlassungspflicht nach § 96 Abs. 9 NWG n. F. (§ 149 Abs. 10 NWG a. F.) eingehalten werden. Über die Grundstücksentwässerungsanlage eindringendes Grund- und Niederschlagswasser (Fremdwasser) kann dazu führen, dass die Reinigungsleistung der Kläranlage infolge Verdünnung und hydraulischer Überlastung negativ beeinflusst wird. Eine Überprüfung der Dichtheit von Grundstücksentwässerungsanlagen darf deshalb mit dem Ziel vorgesehen werden, das Eindringen von Fremdwasser in das Abwasserbeseitigungssystem zu verhindern. ..."
"Der Gesetzgeber hat in § 8 Nr. 2 NGO (nunmehr 13 Nr. 2 NKomVG) die Voraussetzungen, unter denen das Eigentum durch die Einführung eines Anschluss- und Benutzungszwangs eingeschränkt werden darf, vorgegeben. Die Einzelheiten der Ausgestaltung, die der Gesetzgeber wegen der Verschiedenartigkeit der örtlichen Verhältnisse sinnvollerweise nicht selbst vornehmen konnte, bleiben den Gemeinden überlassen. Dabei sind diese insbesondere an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Die Belange der Allgemeinheit und die berührten Individualinteressen müssen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander gebracht werden. Die Einschränkung von Eigentümerbefugnissen muss zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und notwendig sein und darf nicht weitergehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. Untersagt ist vor allem eine übermäßig belastende, sachlich nicht gebotene und deshalb unzumutbare Einschränkung privatrechtlicher Befugnisse. Auf der anderen Seite wird das Bestimmungsrecht des Eigentümers vor allem durch die Sozialpflichtigkeit des Eigentums beschränkt, die einen unbedingten Vorrang von Individualinteressen ausschließt. Relativ weitreichende Inhalts- und Schrankenbestimmungen sind vor allem dann zulässig, wenn es um den sozialen Bezug des Eigentums geht und dabei Rechte der Allgemeinheit berührt sind. Unter diesem Blickwinkel sind die Befugnisse des Grundstückseigentümers, sich auf seinem Grundstück entsprechend seinem Willen zu verhalten und beeinträchtigende Maßnahmen abzulehnen, in vielfacher Hinsicht verfassungsmäßigen Beschränkungen unterworfen. So ist z.B. anerkannt, dass sich die Pflicht des Eigentümers, Erschließungsmaßnahmen zu dulden, "im Rahmen der verbindlichen Richtschnur des Art. 14 Abs. 2 GG, die der Gesetzgeber bei Regelungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG beachten muss", hält. Dem entspricht es, dass der Grundstückseigentümer verpflichtet werden darf, Maßnahmen zu dulden oder vorzunehmen, die für die Durchführung des Anschluss- und Benutzungszwangs unerlässlich sind oder die nur unwesentliche, bei vernünftiger Betrachtungsweise nicht nennenswerte Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse nach sich ziehen. ...".
"Der erkennende Senat hat zur Bedeutung der DIN 1986-30 für die Sachgerechtigkeit von Regelungen in kommunalen Abwasserbeseitigungssatzungen in seinem Urteil vom 13. Januar 1998 (9 L 1959/96) ausgeführt:
"Sie enthält eine sachverständige Konkretisierung desjenigen, was bei der Herstellung von Kanälen und Grundstücksanschlüssen anerkanntermaßen als regelgerecht gilt. Durch die DIN 1996 wird die den abwasserbeseitigungspflichtigen Gemeinden obliegende Ermessensausübung weitgehend gelenkt und in bestimmter Weise vorgegeben (vgl. Urt. d. Sen. vom 18. Mai 1992, 9 L 44/90). Will die Gemeinde von der DIN abweichen, insbesondere für den Bürger schärfere Anforderungen aufstellen, so bedarf es hierfür einer sachlichen Rechtfertigung.
...
Strengere Anforderungen im Vergleich zur DIN 1986 i. d. F. von 1988 ... entsprechen nicht ohne Weiteres einer sachgerechten Ermessensausübung. Denn die DIN geben die anerkannten Regeln der Technik in sachverständiger Weise wieder. Sie geben daher zumindest für den Regelfall vor, welche Maßnahmen sachgerecht, erforderlich und ausreichend sind. Bestehen weitergehende Anforderungen nach der DIN nicht, so spricht dies dafür, dass solche Anforderungen nicht notwendig sind und als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips daher - auch angesichts der mit ihnen verbundenen Kosten und Anstrengungen - vom Grundstückseigentümer auch nicht verlangt werden können.
...
Die Abwassersatzungen der Gemeinden und Landkreise dürfen somit strengere Anforderungen im Vergleich zur DIN 1986 i. d. F. von 1988 nur vorsehen, wenn sie aus sachlichen Gründen - wie möglicherweise besonderen örtlichen Gegebenheiten - geboten sind."
Gemessen daran ist § 2 Abs. 4 Satz 2, 2. Spiegelstrich ABS nicht zu beanstanden.
§ 2 Abs. 4 Satz 2, 2. Spiegelstrich ABS definiert den Übergabeschacht als Einsteigschacht unmittelbar an der Grundstücksgrenze. Gegen diese Definition bestehen aus nachfolgenden Gründen keine Bedenken.
a)
Es ist nicht zu bemängeln, dass der Übergabeschacht ein Einsteigschacht sein muss. Denn dies steht im Einklang mit der DIN 1986-100.
Nach der Tabelle 3 in Ziffer 6.7 der DIN 1986-100 (abgedruckt bei Heinrichs/Rickmann/Sondergeld/Störrlein, Gebäude- und Grundstücksentwässerung, Planung und Ausführung DIN 1986-100 und DIN EN 12056-4, Kommentar, 6. überarbeitete Auflage 2016, S. 162) ist der erste Schacht an der Grundstücksgrenze zum öffentlich kanalisierten Weg ein Einsteigschacht. Mit einem Übergabeschacht wird auf dem Grundstück die (private) Grundstücksentwässerungsanklage an der Grundstücksgrenze an die öffentliche Kanalisation angeschlossen (vgl. Heinrichs u. a., a. a. O., S. 29). Er ist mithin der Schacht, der baulich den Übergang zwischen dem öffentlichen Anschlusskanal und der privaten Grundstücksanschlussleitung bildet, und deshalb der erste Schacht an der Grundstücksgrenze. Ist demnach der Übergabeschacht der erste Schacht an der Grundstücksgrenze und ist der erste Schacht an der Grundstücksgrenze ein Einsteigschacht, folgt hieraus zwangsläufig, dass der Übergabeschacht ein Einsteigschacht ist.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers sind Inspektionsöffnungen, die nicht begehbar sind, nicht in die Definition des Übergabeschachts gemäß § 2 Abs. 4 Satz 2, 2. Spiegelstrich ABS einzubeziehen. Denn sie sind kein Ersatz für den Einsteigschacht als erster Schacht an der Grundstücksgrenze zum öffentlich kanalisierten Weg. Nach Ziffer 6.6 der DIN 1986-100 (abgedruckt bei Heinrichs u. a., a. a. O., S. 156) kann nur ausnahmsweise bei Grenzbebauung statt eines Schachtes die Reinigungsöffnung im Gebäude in der Sammelleitung vor der Mauerdurchführung installiert werden. Dass eine Inspektionsöffnung grundsätzlich nicht als Kontrollschacht an der Schnittstelle zwischen dem öffentlichen Anschlusskanal und der privaten Grundstücksanschlussleitung ausreicht, ergibt sich auch aus dem Zweck des Einsteigschachtes. Denn der Einsteigschacht dient neben dem Zugang zur Grundleitung auch der besseren Inspektion des Anschlusskanals vom Grundstück aus und der Kontrolle des eingeleiteten Abwassers (vgl. Heinrichs u. a., a. a. O., S. 160). Dies ermöglicht eine nicht begehbare Inspektionsöffnung nicht. Soweit der Antragsteller einwendet, der im Kommentar von Heinrichs u. a. (a. a. O., S. 161) verwendete Begriff "Kontrollschacht" könne auch eine nicht begehbare Inspektionsöffnung umfassen, ergibt sich dies aus diesem Kommentar nicht. Darin wird auf Seite 161 ausgeführt, dass Gebietskörperschaften andere Abstände für den "ersten" Kontrollschacht festlegen könnten. Damit ist ersichtlich ein Einsteigschacht gemeint. Denn - wie dargelegt - ist nach der Tabelle 3 in Ziffer 6.7 der DIN 1986-100 der "erste" Kontrollschacht ein Einsteigschacht. Zudem beziehen sich auch die beiden vorangehenden Absätze des Kommentars (S. 160) auf den am Anschlusskanal, möglichst nahe der Grundstücksgrenze anzuordnenden Einsteigschacht.
Mit der Definition des Übergabeschachts als Einsteigschacht ist auch kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Eigentumsrechte der Grundstückseigentümer verbunden. Denn in Übereinstimmung mit Nr. 6.6 der DIN 1986-100 sieht § 9 Abs. 4 Satz 9 ABS eine Ausnahme von der Errichtung eines Einsteigschachtes vor. Danach wird in besonderen Ausnahmefällen, die in den örtlichen Verhältnissen begründet liegen, anstelle eines Einsteigschachtes eine Inspektionsöffnung hergestellt.
b)
Die weitere Anforderung in der Definition des § 2 Abs. 4 Satz 2, 2. Spiegelstrich ABS, wonach der Übergabeschacht "unmittelbar" an der Grundstücksgrenze liegt, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Sie korrespondiert mit § 2 Abs. 8 Satz 1 ABS, wonach die öffentliche Abwasseranlage für Schmutz- und Niederschlagswasser an der Grenze des zu entwässernden Grundstücks endet.
Sie entspricht auch den anerkannten Regeln der Technik.
Wie oben dargelegt, ist nach der Tabelle 3 in Ziffer 6.7 der DIN 1986-100 der erste Schacht an der Grundstücksgrenze zum öffentlich kanalisierten Weg ein Einsteigschacht.
Der Wortlaut "unmittelbar an der Grundstücksgrenze" ist gleichbedeutend mit der Formulierung "an der Grundstücksgrenze". Entfiele das Wort "unmittelbar", folgte auch aus dem dann verbleibenden Wortlaut "an der Grundstücksgrenze", dass der Einsteigschacht bzw. Übergabeschacht direkt an der Grenze und nicht nur in der Nähe der Grundstücksgrenze liegt.
Zwar bestimmt Ziffer 6.6 der DIN 1986-100, dass Reinigungsöffnungen nahe der Grundstücksgrenze, jedoch in der Regel nicht weiter als 15 m vom öffentlichen Abwasserkanal entfernt anzuordnen sind (vgl. Heinrichs u.a., a. a. O., S. 156). Prof. Dr. Bohne führt in dem von dem Antragsteller auszugsweise vorgelegten Werk "Technischer Ausbau von Gebäuden und nachhaltige Gebäudetechnik" (11. Auflage) aus, dass das Grundleitungssystem am sogenannten Übergabeschacht mit Reinigungsöffnung im Bereich der Grundstücksgrenze ende. Der Übergabeschacht sei i. d. R. nicht weiter als 15 m vom öffentlichen Abwasserkanal anzuordnen (S. 95).
Die Abstandsregelung von bis zu 15 m in Ziffer 6.6 der DIN 1986-100 betrifft jedoch Reinigungsöffnungen, nicht die eigens in Nr. 6.7 der DIN 1986-100 geregelten Schächte. Der zuständige Sachbearbeiter der Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung am 26. November 2024 hierzu überzeugend erläutert, dass Reinigungsöffnungen etwas Anderes seien als Einsteigschächte. Es handele sich dabei häufig um Öffnungen mit einem Plattenverschluss im Keller in einer Größe von ca. 40 x 25 cm. Diese seien allenfalls zugänglich zum Zwecke der Nutzung einer Rohrspirale oder einer kleineren Kamera. Hierfür spricht auch die Bezeichnung der Reinigungsöffnungen in Nr. 6.6 der DIN 1986-100 als Reinigungsöffnungen in Rohrleitungen.
Die technischen Vorgaben für Schächte sind dagegen in Ziffer 6.7 der DIN 1986-100 geregelt. Für die technischen Voraussetzungen des Übergabeschachtes ist deshalb Ziffer 6.7 der DIN 1986-100 maßgeblich. Für die Lage des Übergabeschachtes - auch wenn er eine Reinigungsöffnung hat - kommt daher nicht die Abstandsregel von bis zu 15 m gemäß Ziffer 6.6 der DIN 1986-100 zum Tragen, sondern die Tabelle 3 der Ziffer 6.7 der DIN 1986-30, aus der sich - wie oben ausgeführt - ergibt, dass der Übergabeschacht als erster Einsteigschacht an der Grundstücksgrenze zum öffentlich kanalisierten Weg liegt.
Die sich hieraus ergebende Einschränkung von Eigentümerbefugnissen ist nicht unverhältnismäßig, sondern zur Erreichung des angestrebten Ziels, eine schadlose Ableitung und Behandlung des Abwassers und damit einhergehend eine erforderliche Kontrolle der Abwasserleitungen zu gewährleisten, geeignet und notwendig. Die Errichtung eines Übergabeschachtes unmittelbar an der Grundstücksgrenze ist für den Grundstückseigentümer auch nicht unzumutbar. Es ist insbesondere nicht erkennbar, dass der Bau eines Übergabeschachtes an der Grundstücksgrenze schwieriger und kostspieliger wäre als die Errichtung eines Übergabeschachtes abseits der Grundstücksgrenze auf dem Grundstück. Ohne Erfolg wendet der Antragsteller schließlich ein, in Kellern angeordnete Revisionsschächte hätten naturgemäß eine geringere Tiefe als Schächte im Freien und seien daher kostengünstiger. Wie oben dargelegt, kann nach Ziffer 6.6 der DIN 1986-100 nur ausnahmsweise bei Grenzbebauung statt eines Schachtes die Reinigungsöffnung im Gebäude in der Sammelleitung vor der Mauerdurchführung installiert werden.
Im Übrigen ermöglicht § 9 Abs. 1 ABS unabhängig von der Definition in § 2 Abs. 4 Satz 2, 2. Spiegelstrich ABS eine abweichende Lage des Übergabeschachtes. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 ABS bestimmt die Antragsgegnerin die Lage und lichte Weite des Anschlusskanals und die Anordnung des Übergabeschachtes. Nach Satz 3 sollen begründete Wünsche des/r Grundstückseigentümers/in berücksichtigt werden, soweit dies möglich ist. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Änderung der Lage des Übergabeschachtes erwirkt werden.
III.
Die mit dem Normenkontrollantrag zu 2. angegriffene Regelung in § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS ist jedoch nicht mit höherrangigem Recht vereinbar, denn sie verstößt gegen den Bestimmtheitsgrundsatz (hierzu unter 1.). Die Unwirksamkeit dieser Satzungsbestimmung lässt aber die Wirksamkeit der übrigen Satzungsregelungen unberührt (hierzu unter 2.).
1.
Die Regelung in § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS, wonach im Fall von häuslichen Abwässern erstmalig bei Herstellung und dann in einem Abstand von 25 Jahren unaufgefordert Dichtheitsprüfungen durchzuführen sind, verstößt gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot und ist deshalb gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam zu erklären.
Für die Regelung über die Durchführung von Dichtheitsprüfungen wie in § 12 Ab. 5 Satz 6 ABS besteht allerdings grundsätzlich eine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Auch bei periodisch und vorsorglich erfolgenden, also ohne konkreten Anlass vorgenommenen Überprüfungen der Dichtheit von privaten Entwässerungsanlagen, selbst wenn sie nicht im Grundwasser liegen und letztlich dicht sind, stellen die §§ 10 Abs. 1, 13 Satz 1 Nrn. 1a und 2a NKomVG nach der Rechtsprechung des Senats eine ausreichende gesetzliche Ermächtigung dar. Wegen der Vielfalt der möglichen Schadenseintritte und der Notwendigkeit eines auch vorbeugenden Schutzes kann eine Eigenkontrolle nicht nur bei denjenigen Grundstücken, bei denen sich eine allgemeine Gefährdungslage bereits konkretisiert hat, sondern für alle an die öffentliche Entwässerungsanlage angeschlossenen Grundstücke satzungsmäßig vorgeschrieben werden (vgl. Senatsurteil vom 10.1.2012 - 9 KN 162/10 - juris Rn. 75).
Das Erfordernis von Dichtheitsprüfungen im Fall von häuslichen Abwässern in der konkreten Ausgestaltung in § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS ist aber im Zusammenhang mit dem übrigen Normgefüge in § 12 Abs. 5 ABS nicht hinreichend bestimmt.
Das in Art. 20 Abs. 3 GG und in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip begründet das Gebot hinreichender Bestimmtheit der Gesetze. Gesetzliche Tatbestände sind so zu fassen, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten daran ausrichten können. Welche Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen sind, lässt sich indes nicht generell und abstrakt festlegen, sondern hängt auch von der Eigenart des Regelungsgegenstands und dem Zweck der betroffenen Norm ab sowie davon, in welchem Ausmaß Grundrechte betroffen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.5.2018 - 1 BvR 45/15 - juris Rn. 15). Das Bestimmtheitsgebot ist aber erst dann verletzt, wenn es wegen der Unbestimmtheit einer Vorschrift auch mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden nicht mehr möglich ist, objektive Kriterien zu gewinnen, die eine willkürliche Handhabung durch die Behörden ausschließen; im Übrigen genügt eine dem jeweiligen Sachzusammenhang angemessene Bestimmtheit (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.11.2020 - 8 C 21.19 - juris Rn. 19; Senatsurteil vom 24.4.2024 - 9 LC 138/20 - juris Rn. 148).
Diesen Anforderungen genügt § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS nicht. Denn der Grundstückseigentümer kann nicht erkennen, welche Art von Dichtheitsprüfung im Falle von häuslichen Abwässern in Abgrenzung zu den in § 12 Abs. 5 ABS ansonsten geforderten Dichtheitsprüfungen vorzunehmen ist.
§ 12 Abs. 5 Satz 6 ABS definiert den Begriff "Dichtheitsprüfungen" im eigens geregelten Falle von häuslichen Abwässern nicht.
Es lässt sich auch nicht aus dem systematischen Zusammenhang der angegriffenen Vorschrift mit den vorherigen Regelungen in § 12 Abs. 5 ABS feststellen, welche Art von Dichtheitsprüfung im Fall von häuslichen Abwässern verlangt wird.
Gemäß § 12 Abs. 5 Satz 1 ABS ist die Grundstücksentwässerungsanlage stets in einem einwandfreien, betriebsfähigen Zustand zu erhalten und entsprechend unaufgefordert gegenüber der Stadt nachzuweisen. Nach § 12 Abs. 5 Satz 2 ABS sind für bestehende, erdverlegte Anlagen, die in Schmutz- oder Mischwasserkanäle einleiten, Dichtheitsprüfungen durchzuführen. In den nachfolgenden Satzungsbestimmungen ist geregelt, welche Art von Dichtheitsprüfung in welcher Fallkonstellation durchzuführen ist.
Gemäß § 12 Abs. 5 Satz 3 ABS ist bei erstmaliger Herstellung (Erweiterung oder Erneuerung) eine physikalische Druckprüfung gemäß den Anforderungen der DIN EN 1610 durchzuführen. Diese Druckprüfung wird als DR1 bezeichnet (siehe Tabelle 2 der DIN 1986-30 als Anlage des Schriftsatzes des Antragstellers vom 29.1.2021; vgl. auch Baufachliche Richtlinien Abwasser, Stand: Juli 2022, herausgegeben vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen und vom Bundesministerium für Verteidigung, S. 195, 210).
Bei bestehenden Anlagen, die nicht vor Inbetriebnahme geprüft wurden, sowie nach Reparaturen, ist gemäß § 12 Abs. 5 Satz 4 ABS eine physikalische Druckprüfung gemäß DIN 1986-30 durchzuführen. Diese sog. einfache Dichtheitsprüfung wird als DR2 bezeichnet (siehe Tabelle 2 der DIN 1986-30; vgl. auch Baufachliche Richtlinien Abwasser, a. a. O., S. 195, 210).
Gemäß dem hier angegriffenen § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS sind im Fall von häuslichen Abwässern erstmalig bei Herstellung und dann in einem Abstand von 25 Jahren unaufgefordert Dichtheitsprüfungen durchzuführen.
Der Umstand, dass in den vorherigen Regelungen in § 12 Abs. 5 Satz 3 und 4 ABS jeweils unter Bezugnahme auf DIN-Vorschriften die Druckprüfungen DR1 und DR 2 beschrieben werden, kann den Schluss zulassen - den auch der Antragsteller zieht -, dass mit "Dichtheitsprüfungen" in § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS nur die physikalischen Dichtheitsprüfungen DR1 und DR2 gemeint sind.
Die Antragsgegnerin trägt in ihrem Schriftsatz vom 11. Mai 2021 aber vor, es genüge eine Kamerabefahrung als regelmäßige Dichtheitsprüfung, wenn die Entwässerungsanlagen bereits zuvor einmal einer Druckprüfung unterzogen worden seien. Dies ist für den betroffenen Grundstückseigentümer aus § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS nicht erkennbar. In § 12 Abs. 5 ABS wird die Möglichkeit einer Kanalfernsehuntersuchung (KA) als wiederkehrende anlasslose Funktionsprüfung an keiner Stelle erwähnt. § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS nimmt - anders als die vorherigen Sätze - auch nicht auf eine DIN-Norm Bezug, insbesondere nicht auf die Tabelle 2 in der DIN 1986-30.
Überdies stünde - wenn § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS nur physikalische Druckprüfungen als Dichtheitsprüfungen für wiederholende anlasslose Dichtheitsprüfungen zulassen sollte - dies nicht im Einklang mit Nr. 1.1 der Tabelle 2 in der DIN 1986-30. Denn danach reicht als wiederkehrende Prüfung von Anlagen zur Ableitung von häuslichem Abwasser eine Kanalfernsehuntersuchung aus.
Der Vortrag der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung am 26. November 2024, § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS diene lediglich dazu, die Zeitabstände für die Vornahme der Dichtheitsprüfungen zu regeln, und sei praktisch als generelle Regelung den Sätzen 3, 4 und 5 voranzustellen, ist nicht nachvollziehbar und trägt auch nicht zur Klarheit bei. Denn § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS ist anders als die vorherigen Bestimmungen in § 12 Abs. 5 Satz 3, 4 und 5 ABS keine für alle Grundstücksanlagen generell geltende Vorschrift, sondern sie findet ausdrücklich nur auf die Fälle von häuslichen Abwässern Anwendung. Außerdem bliebe - wenn man § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS voranstellen wollte -, weiterhin offen, welche wiederkehrenden Prüfungen von Anlagen zur Ableitung von häuslichen Abwässern vorzunehmen wären. Es wäre nach wie vor für den Betroffenen nicht hinreichend verlässlich erkennbar, dass als wiederkehrende anlasslose Prüfung eine Kamerabefahrung ausreicht.
Nach alledem ist § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS mit Blick auf die Forderung von "Dichtheitsprüfungen" im eigens geregelten Falle von häuslichen Abwässern zu unbestimmt.
Ist § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS bereits aus diesem Grunde unwirksam, kann offenbleiben, ob die in § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS geregelte Zeitspanne von 25 Jahren den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Diese Zeitspanne weicht allerdings von den Vorgaben in der Tabelle 2 der DIN 1986-30 ab. Darin ist für wiederkehrende Prüfungen von Anlagen zur Ableitung von häuslichem Abwasser durch Kamerabefahrung eine Zeitspanne von 20 Jahren vorgesehen. Die Zeitspanne von 25 Jahren in § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS verlängert diese Frist um 5 Jahre. Dies begünstigt zwar die Grundstückseigentümer, weil sie durch die Verlängerung der Zeitspanne seltener wiederkehrende Prüfungen vornehmen müssen. Die Zeitspanne von 25 Jahren belastet aber die Grundstückseigentümer, soweit es die erste wiederholende Prüfung nach der bei Neuanlagen durchzuführenden Prüfung DR1 betrifft. Nach der Tabelle 2 der DIN 1986-30 ist bei Neuanlagen mit nachweislich durchgeführter Prüfung DR1 erstmals erst nach 30 Jahren eine Kamerabefahrung vorzunehmen. In diesem Fall werden die betroffenen Grundstückseigentümer durch die Verkürzung der Zeitspanne in § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS belastet, weil sie fünf Jahre früher und damit insgesamt häufiger eine wiederholende Prüfung vornehmen müssen. Ob es einen sachlichen Grund für die Abweichung von der in der DIN-Norm vorgesehenen Zeitspanne gibt, bedarf jedoch aus den oben dargelegten Gründen keiner Klärung.
2.
Die Unwirksamkeit von § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS führt aber nicht zur Unwirksamkeit der Regelungen über Dichtheitsprüfungen in § 12 Abs. 5 ABS im Übrigen oder der Abwasserbeseitigungssatzung insgesamt.
Zwar kann der Senat wegen des (auch) objektiven Charakters des Normenkontrollverfahrens über den angegriffenen Teil hinaus auch die nicht angegriffenen Teile der Satzung für unwirksam erklären, wenn eine im Normenkontrollverfahren angegriffene einzelne Satzungsregelung derart untrennbar in einem Gesamtzusammenhang mit dem übrigen Normgefüge steht, dass eine Teilnichtigkeit ausscheidet (vgl. Senatsurteil vom 10.11.2014 - 9 KN 316/13 - juris Rn. 103).
§ 12 Abs. 5 Satz 6 ABS ist jedoch nicht unerlässlicher Bestandteil des § 12 Abs. 5 ABS oder der gesamten Abwasserbeseitigungssatzung.
Die Pflicht zur Durchführung von Dichtheitsprüfungen im Fall von häuslichen Abwässern gemäß § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS bildet keine untrennbare Einheit mit den übrigen Satzungsbestimmungen. Denn die Anforderungen über Dichtheitsprüfungen in § 12 Abs. 5 ABS bleiben auch ohne diese Regelung sinnvoll anwendbar. Überdies ist § 12 Abs. 5 Satz 6 ABS kein wesentlicher Bestandteil der übrigen allgemeinen Bestimmungen (II. §§ 1 bis 8 ABS), der übrigen besonderen Bestimmungen für zentrale Abwasseranlagen (III. §§ 9 bis 13 ABS), der Bestimmungen für Grundstücke, die über eine Vorbehandlungsanlage entwässern (IV. §§ 14, 15 ABS), der besonderen Vorschriften für die dezentrale Abwasseranlage (§ 16 ABS) oder der Schlussvorschriften (VI. §§ 17 bis 27 ABS). Diese Bestimmungen sind auch ohne die unwirksame Vorschrift anwendbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert für das Normenkontrollverfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf einen Gesamtstreitwert von 15.000,- EUR festgesetzt (3 Normenkontrollanträge à 5.000 ,- EUR, vgl. § 39 GKG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).