Sozialgericht Braunschweig
Urt. v. 25.03.2022, Az.: S 13 R 181/18

Bibliographie

Gericht
SG Braunschweig
Datum
25.03.2022
Aktenzeichen
S 13 R 181/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 70874
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGBRAUN:2022:0325.S13R181.18.00

In dem Rechtsstreit
B.
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte C.
gegen
D. Rentenversicherung E.,
F.
- Beklagte -
hat die 13. Kammer des Sozialgerichts Braunschweig auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 2022 durch die Richterin G. sowie die ehrenamtliche Richterin H. und den ehrenamtlichen Richter I. für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Die am J. 1958 geborene Klägerin ist in zweiter Ehe verheiratet und hat drei erwachsene Kinder (geboren am K. 1977, L. 1991 und M. 1992). Sie absolvierte eine Ausbildung zur Goldschmiedin (Schmuckgürtlerin) von 1975 bis 1977 und ein Studium zur Ingenieur-Ökonomin von 1980 bis 1985. Nach beruflichen Tätigkeiten in der Verwaltung einer Musikschule, im Verkauf von Feuerungsanlagen und 1990 bis 1991 kurzzeitig als Versicherungsvertreterin widmete sie sich ab 1995 der Pflege ihrer Schwiegermutter. Im Jahr 2000 erhielt sie die Diagnose Gehirntumor (Hypophysenadenom) und Hirnhautentzündung (Meningitis). Der Gehirntumor wurde am N. 2000 operativ teilweise entfernt. Die Klägerin leidet an verschiedenen Gesundheitsstörungen infolge dieser Erkrankungen. Ein Grad der Behinderung oder eine Pflegestufe sind bislang nicht festgestellt.

Die Klägerin wohnte mit ihrer Familie 20 Jahre in einem Einfamilienhaus, neben welchem in drei Meter Entfernung ein ehemaliges Bohrloch gelegen war, aus dem giftige Gase aufgestiegen seien. Dies wurde erst 2007 durch Zufall festgestellt, woraufhin die Familie aus dem Haus auszog. Bislang ist nicht geklärt, ob die Gesundheitsstörungen der Klägerin toxische Folgen der jahrelangen Erdgasexposition sind, was die Klägerin vermutet. Der verantwortliche Gasölkonzern lehnte jede Haftung und Verantwortung ab. Eine gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erfolgte bislang nicht.

Der der Beklagten geführte Versicherungsverlauf der Klägerin weist seit dem 28. Februar 1990 keine Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung mehr aus. Gespeichert sind mit Unterbrechungen Zeiten der Arbeitslosigkeit, Schwangerschaft und Mutterschutz sowie des Bezugs von Entgeltersatzleistungen. Vom 5. Dezember 2000 bis 17. April 2006 sind Versicherungszeiten als Pflegeperson gespeichert. Nach dem 17. April 2006 weist das Versicherungskonto keine versicherungsrechtlichen Zeiten mehr aus.

Am 13. Juni 2017 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente. Eine Erwerbsminderung liege seit dem Jahr 2000 vor, in dem bei ihr ein Gehirntumor festgestellt worden war. Infolgedessen leide sie an Kopfschmerzen, Erschöpfung, latenter Müdigkeit und Gelenkschmerzen. Im Antragsformular gab sie als letztes Arbeitsverhältnis eine Pflegetätigkeit für sechs bis acht Stunden täglich an sieben Tagen die Woche bis 2009 an.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 25. September 2019 ab, da die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Ausgehend von einem Leistungsfall bei Antragstellung am 13. Juni 2017 weise das Versicherungskonto in den letzten fünf Jahren vom 13. Juni 2012 bis 12. Juni 2017 keine Pflichtbeiträge aus.

Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch vom 16. Oktober 2017 machte die Klägerin geltend, dass der Leistungsfall der Erwerbsminderung bereits bei erstmaliger Feststellung des Hirntumors Anfang 2000 eingetreten sei. Die Beklagte holte daraufhin einen Befundbericht vom Facharzt für Innere Medizin O. vom 27. Dezember 2017 und ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie P. vom 31. Januar 2018 ein.

Der Gutachter diagnostizierte bei der Klägerin:

1. Neurasthenie

2. Zustand nach Operation eines chromophoben Hypophysenadenom

3. Verdacht auf Hypertonie.

Seiner Einschätzung nach könne die Klägerin sowohl in ihrer letzten Tätigkeit als Büroangestellte als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zeitweise gehend und stehend, überwiegend sitzend ausüben. Zu vermeiden seien Stress, hohe Anforderungen an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen, Nachtarbeit und Arbeiten mit Risikopotential.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2018 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach ihrer sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung sei die Klägerin nicht erwerbsgemindert. Sie sei noch in der Lage unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Es liege auch keine Berufsunfähigkeit vor, denn die Klägerin könne ihren bisherigen Beruf der Versicherungskauffrau noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Darüber hinaus seien ausgehend von einem Leistungsfall bei Antragstellung am 13. Juni 2017 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Eintritt einer Erwerbsminderung mit der Feststellung des Hirntumors Anfang 2000 sei sozialmedizinisch nicht belegt.

Dagegen hat die Klägerin am 17. April 2018 vor dem Sozialgericht Braunschweig Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, dass die Beklagte ihren Gesundheitszustand nicht richtig beurteilt habe. Wichtig sei die Nachweisbarkeit des Gesundheitszustandes nach der Gehirnoperation aufgrund des Tumors im Kopf. Ihr Gesundheitszustand habe sich weiter verschlechtert. Zwischenzeitlich sei ein zweiter Tumor in ihrem Kopf festgestellt worden, der an Größe zunehme. Zudem leide sie an Arthrose, starken Allergien, einer Beeinträchtigung der Stirn- und Nasennebenhöhlen, einer Medikamentenunverträglichkeit und einer dauerhaften Erschöpfung. Bei ihr sei CFS (Chronisches Fatique-Syndrom/Chronisches Erschöpfungssyndrom) diagnostiziert worden. Sie fühle sich durchgehend erschöpft. Hinzu kämen partiell auftretende sehr starke Schmerzen. Ursache und Heilmittel für das Syndrom seien noch weitgehend unbekannt. Die Klägerin habe jahrelang Probleme gehabt, Ärzte zu finden, die sich mit der Krankheit auskennen. Ihren Gesundheitszustand habe sie über Jahre einfach hingenommen, da weder Ärzte noch Heilpraktiker haben helfen können. Es bestehe der Verdacht auf eine toxikologische Vergiftung infolge der jahrelangen Erdgasexposition. Ein toxikologisches Gutachten müsse noch beschafft werden für den Ursachenzusammenhang mit ihren Erkrankungen. Die Klägerin hat aktuelle Befundunterlagen und mehrere ärztliche Atteste ihrer Hausärztin Dr. Q. (vom 21. August 2018, 3. September 2019, 19. September 2020, 11. März 2021 und 23. März 2022) vorgelegt und beruft sich auf deren Einschätzung, dass sie dauerhaft nicht mehr erwerbsfähig sei.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 25. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr

für die Zeit ab dem 1. Juni 2008 volle Erwerbsminderungsrente zu zahlen,

hilfsweise für die Zeit ab dem 1. Juni 2008 teilweise Erwerbsminderungsrente zu zahlen,

dazu wiederum hilfsweise für die Zeit ab dem 13. Juni 2017 volle Erwerbsminderungsrente zu zahlen,

dazu wiederum hilfsweise für die Zeit ab dem 13. Juni 2017 teilweise Erwerbsminderungsrente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt ihre Leistungsbeurteilung und verweist auf den Widerspruchsbescheid.

Das Gericht hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt (Fachärztin für Allgemeinmedizin R. vom 27. Februar 2019, Facharzt für Innere Medizin O. vom 13. März 2019, Facharzt für Allgemeinmedizin S. vom 24. April 2019, Fachärztin für Neurologie T. vom 19. Januar 2020).

Auf gerichtliche Anforderung hat die gesetzliche Krankenkasse der Klägerin, die U., Krankendaten über in Anspruch genommene ambulante ärztliche Behandlungen für den Zeitraum 2017 bis 2020 übersandt. Ältere Daten seien bereits vernichtet. Arbeitsunfähigkeitszeiten seien nicht gespeichert.

Medizinischer Unterlagen über den Zeitraum 2000 bis 2008 sind nicht einholbar gewesen. Die Klägerin hat keine Unterlagen beigebracht. Die Anforderung von den benannten Fachärzten für Allgemeinmedizin V. und W., bei denen die Klägerin in diesem Zeitraum in Behandlung gewesen sei, ist ergebnislos verlaufen. X. ist zwischenzeitlich verstorben. Die Praxis Y. ist nicht mehr erreichbar.

Neben der Gerichtsakte lagen die Verwaltungsakten der Beklagten vor. Sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und die Sitzungsniederschrift vom 25. März 2022 ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 25. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2018 erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).

Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI besteht, wenn die versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind.

Die Klägerin erfüllt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung nur, wenn der Leistungsfall der Erwerbsminderung spätestens am 31. Mai 2008 eingetreten wäre. Gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 und 3 bzw. Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGB VI müssen Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Ausweislich des bei der Beklagten geführten Versicherungsverlaufs hat die Klägerin die sog. 3/5-Belegung letztmalig im Mai 2008 erfüllt. Davon ausgehend erstreckt sich der Fünfjahreszeitraum von Mai 2003 bis April 2008. In diesem Zeitraum weist das Versicherungskonto bis April 2006 36 Monate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (§ 55 Abs. 2 SGB VI) aus. In diesem Zeitpunkt hatte sie auch die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 SGB VI) erfüllt. Nach April 2006 sind keine rentenrechtlichen Zeiten mehr gespeichert. Eine Verlängerung des Fünfjahreszeitraums nach § 43 Abs. 4 SGB VI kommt nicht in Betracht. Anhaltspunkte für eine vorzeitige Wartezeiterfüllung (§ 53 SGB VI), bei der die 3/5-Belegung nach § 43 Abs. 5 SGB VI entfällt, liegen nicht vor. Auch die Sonderregelung des § 241 SGB VI greift nicht.

Ob die Klägerin bis Mai 2008 die persönlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt hat, kann mangels aussagekräftiger medizinischer Unterlagen nicht festgestellt werden.

Gemäß § 43 Absatz 1 Satz 2 SGB VI sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, teilweise erwerbsgemindert. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens (vgl. § 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) kann sich die Kammer trotz der bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht davon überzeugt, dass bei ihr bis zum 31. Mai 2008 der Leistungsfall der teilweisen oder vollen Erwerbsminderung eingetreten ist. Da Renten bei späterer Antragstellung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI vom Antragsmonat an geleistet werden, müsste die teilweise oder volle Erwerbsminderung bei der Klägerin auch dauerhaft ohne Unterbrechung bis zur Antragstellung am 13. Juni 2017 vorgelegen haben. Auch hierfür gibt es keine Anhaltspunkte.

Das von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholte neurologisch-psychiatrische Gutachten von Z. vom 31. Januar 2018 spricht gegen das Vorliegen einer Erwerbsminderung. Nach seiner Einschätzung ist die Klägerin noch in der Lage mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, sowohl in ihrer letzten beruflichen Tätigkeit als Büroangestellte als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Er hält lediglich qualitative Leistungseinschränkungen fest. Danach könne die Klägerin unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustands nur noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zeitweise gehend und stehend, überwiegend sitzend unter Vermeidung von Stress, hohen Anforderungen an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen, Nachtarbeit und Arbeiten mit Risikopotential ausüben.

Zweifel an diesen gutachterlichen Feststellungen hat die Kammer mangels entgegenstehender Anhaltspunkte nicht. Der Gutachter führt aus, dass seit dem Jahr 2000 offensichtlich eine schleichende Erschöpfungssymptomatik aufgetreten sei. Er habe weder krankheitsrelevante affektive Störungen noch Hinweise auf eine Persönlichkeitsstörung feststellen können. Der körperliche Untersuchungsbefund und der psychopathologische Befund seien im Wesentlichen unauffällig gewesen. Zwar sei der Antrieb etwas reduziert, im Gespräch aber völlig ausreichend gewesen. Denkstörungen, Gedächtnis- oder Konzentrationsstörungen seien nicht feststellbar gewesen. In der Anamnese hielt der Gutachter fest, dass seinerzeit eine physikalische oder psychotherapeutische Behandlung nicht stattgefunden habe, ebenso wenig eine Medikamenteneinnahme. Die Klägerin sei ausschließlich in hausärztlicher Betreuung gewesen. Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen ist die gutachterliche Einschätzung zum Leistungsvermögen der Klägerin schlüssig und nachvollziehbar.

Auch aus den eingeholten Befundberichten der die Klägerin behandelnden Ärzte ergeben sich keine sicheren Anhaltspunkte, dass das Leistungsvermögen der Klägerin auf ein rentenrelevantes Maß herabgesungen war oder ist. Zwar haben der Internist O. ein Leistungsvermögen von vier bis sechs Stunden täglich und die Allgemeinmedizinerin Dr. Q. ein aufgehobenes Leistungsvermögen mitgeteilt, jedoch ist diese Einschätzung jeweils nicht hinreichend nachvollziehbar anhand der sonstigen Angaben in den Befundberichten. Darüber hinaus basierte die Angabe des Internisten AA. in seinem Bericht vom 13. März 2019 auf einem Behandlungszeitraum im Jahr 2017. Soweit die Allgemeinmedizinerin Dr. Q. der Klägerin laufend immer wieder bescheinigt hat, dass sie nicht erwerbsfähig sei, ist diese Einschätzung nicht überzeugend, da es an einer für die Kammer nachvollziehbaren schlüssigen Begründung für ein derart aufgehobenes Leistungsvermögen fehlt. Demgegenüber hat die Neurologin AB. in ihrem Befundbericht vom 19. Januar 2020 über einen Behandlungszeitraum im Jahr 2019 eingeschätzt, dass die Klägerin eine leichte Beschäftigung mit geringer kognitiver Beanspruchung sicherlich ausüben könne. Aus ihren Befunden ergäbe sich kein Hinweis auf eine kognitive Beeinträchtigung, der neurologische und psychische Befund seien relativ unauffällig. Insoweit deckt sich die Einschätzung der Neurologin mit der des Gutachters Z..

In der Gesamtbeurteilung durch das Gericht ist den gutachterlichen Feststellungen des Z. ohnehin das höhere Gewicht beizumessen, da es sich hierbei um eine neutrale und objektive Beurteilung handelt. Dahinter müssen Einschätzungen der behandelnden Ärzte wegen dem im Arzt-Patienten-Kontakt angelegten besonderen Vertrauensverhältnis regelmäßig zurücktreten.

Weitere medizinische Unterlagen, insbesondere solche, die Aufschluss über das Leistungsvermögen der Klägerin im Zeitpunkt der letztmaligen Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Mai 2008), geben können, liegen nicht vor. Von den damals behandelnden Ärzten sind keine Unterlagen mehr zu erlangen. Ein weiteres Nachforschen zu deren Verbleib nach Praxisschließung erübrigt sich aus Sicht der Kammer, da die Aufbewahrungsfristen zwischenzeitlich abgelaufen sind. Für ärztliche Behandlungsunterlagen gilt eine Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung (§ 630f Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -, § 57 Absatz 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte, § 10 Abs. 3 Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen). Auch hat eine gerichtliche Anfrage bei der gesetzlichen Krankenkasse der Klägerin über stattgefundene Behandlungen zu keinen weiteren Erkenntnissen geführt, da auch dort wegen abgelaufener Aufbewahrungsfristen keine älteren Unterlagen mehr verfügbar sind. Die Klägerin hat trotz mehrmaliger Ankündigung auch selbst keine weiteren Unterlagen vorgelegt.

So können weder der Behandlungsverlauf noch etwaige Veränderungen im Gesundheitszustand der Klägerin seit der Diagnose des Hirntumors und der Hirnhautentzündung im Jahr 2000 nachvollzogen werden. Aus dem Gutachten des Z. kann entnommen werden, dass sich bei der Klägerin die Erschöpfungssymptomatik höchstwahrscheinlich infolge der Tumorerkrankung und Hirnhautentzündung schleichend herausgebildet hat. Das heißt, es muss davon ausgegangen werden, dass selbst wenn die Klägerin aktuell über ein gemindertes oder aufgehobenes Leistungsvermögen verfügen würde, hieraus nicht der Schluss gezogen werden kann, dass dies auch schon im Mai 2008 der Fall gewesen war.

Da aber schon zum gegenwärtigen Zeitpunkt sichere Anhaltspunkte für das Vorliegen einer rentenrelevanten Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin fehlen, musste die Kammer keine weiteren medizinischen Ermittlungen unternehmen. Insbesondere hätte die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur eine Leistungseinschätzung zum gegenwärtigen Zeitpunkt ergeben. Hieraus hätte allenfalls eine rückwirkende Einschätzung für einige wenige Jahre, soweit medizinische Befundunterlagen verfügbar sind, abgeleitet werden können. Eine sichere Aussage zum Leistungsvermögen im Mai 2008 und früher ohne jegliche verfügbaren medizinischen Unterlagen ist hingegen von einer aktuellen Begutachtung nicht zu erwarten.

Im Rahmen der Gesamtwürdigung des Sachverhalts spricht im Übrigen auch gegen das Vorliegen einer Erwerbsminderung seit Mai 2008, dass die Klägerin einen Rentenantrag erstmalig am 13. Juni 2017 gestellt hat und bislang weder einen Grad der Behinderung noch einen Pflegegrad beantragt hat. Zudem hat sie im Rentenantrag selbst angegeben, dass sie noch bis 2009 eine Pflegetätigkeit im Umfang von sechs bis acht Stunden täglich an sieben Tagen die Woche ausgeübt habe, auch wenn sich hierfür keine rentenrechtlichen Zeiten im Versicherungsverlauf finden.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach der Sondervorschrift § 240 SGB VI. Zwar gehört sie zum anspruchsberechtigten Personenkreis, da sie vor dem 2. Januar 1961 geboren ist. Jedoch müssen auch hierfür die sonstigen Voraussetzungen, das heißt auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, erfüllt sein. Mangels aussagekräftiger medizinischer Unterlagen lassen sich keine Rückschlüsse auf das Vorliegen einer eventuellen Berufsunfähigkeit spätestens im Mai 2008 ziehen.

Die fehlende Nachweisbarkeit der medizinischen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente geht zu Lasten der Klägerin, da diese hierfür die Beweislast trägt.

Aus den vorgenannten Gründen war die Klage abzuweisen. Weder der Hauptantrag noch die Hilfsanträge der Klägerin konnten Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.